Wie wir unterbewertete Unternehmen mit versteckten Assets finden

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Hidden Assets - Versteckte Assets

Unternehmen mit versteckten Assets bzw. vom Markt nicht richtig wahrgenommenen Vermögenswerten sind eine gute Möglichkeit, um interessante Investitionsgelegenheiten zu finden.

Es gibt z.B. immer wieder Situationen, in denen ein Unternehmen selbst weniger wert ist als der Anteil an einer Beteiligung, die es besitzt. Hochtief war beispielsweise im Jahr 2009 insgesamt an der Börse weniger wert als die damalige 55% Beteiligung an Leighton Holdings.

Oder Situationen, in denen offenbar der Barmittel- bzw. Cash-Bestand je Aktie nicht Bestandteil der Bewertung durch Mr. Market  ist (z.B. in 2013, als der Cash-Bestand von Apple bereits bei über 100 Mrd. USD lag, im Aktienkurs aber nicht entsprechend berücksichtigt war).

Darüber hinaus gibt es viele Unternehmen mit teilweise voneinander mehr oder weniger unabhängigen operativen Segmenten oder Business Units (die typischen Konglomerate oder Großkonzerne). Hin und wieder kommt es vor, dass so ein Unternehmen als Ganzes vom Markt niedriger bewertet wird, als die Einzelsegmente zusammengenommen (Sum-of-the-Parts Bewertung).

Aus diesen Umständen kann sich eine Vielzahl an interessanten Investitionsgelegenheiten ergeben. Wir müssen sie nur finden.

In diesem Artikel möchte ich einmal kurz beschreiben, welche Arten von versteckten Assets es gibt und wie wir Unternehmen mit solchen Assets am besten finden können.


Vier Arten von versteckten Assets

Wenn es um versteckte Vermögenswerte geht, können wir typischerweise zwischen vier verschiedenen Situationen unterscheiden:

  1. Eine Firma hat verschiedene operative Segmente, idealerweise in unterschiedlichen Industrien
  2. Ein Unternehmen hat einen hohen Barmittelbestand, der von Investoren nicht wahrgenommen wird (z.B. weil ein Großteil der Investoren nicht das Cash-adjustierte KGV nutzt)
  3. Eine Firma hat signifikante Investitionen in andere Firmen (Long-Term Investments)
  4. Ein Unternehmen besitzt ein größeres Immobilienvermögen (und ist gleichzeitig aber keine Immobilienfirma :-))

Mehrere unabhängige operative Geschäftseinheiten / Segmente

Typischerweise schauen wir als Investoren auf ein Unternehmen als Ganzes. Wir schauen uns in der Regel Nettogewinne, Buchwerte, Cash Flows etc. hauptsächlich für das Gesamtunternehmen an.

Allerdings gibt es viele Situationen, in denen es sinnvoll sein kann, ein Level tiefer, nämlich auf die individuellen Geschäftseinheiten, Business Areas, Business Units, Segmente – oder was auch immer es noch für Namen dafür gibt – zu schauen.

Gerade wenn ein Unternehmen mehrere verschiedene und unterschiedlichen Treibern unterliegende Geschäfte hat, kann es schonmal vorkommen, dass die Summe der Einzelteile (Sum-of-the-Parts oder SOTP) weitaus mehr wert ist, als uns die Gesamtbewertung auf Basis eines KGV oder einer ähnlichen Kennzahl suggeriert.

Je unterschiedlicher die Segmente außerdem sind, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass der Markt bestimmte Assets übersieht und wir eine größere Abweichung von der Gesamtbewertung feststellen können.

Haben wir allerdings Segmente, die zu stark voneinander abhängen, z.B. weil ein Segment ein großer Abnehmer der Produkte eines anderen Segments ist oder weil die Segmente aus Bewertungsgesichtspunkten sehr ähnlich sind (ähnliche Bewertungslogik, ähnliches Geschäftsmodell, ähnliche Returns etc.), dann ist die Wahrscheinlichkeit einer großen Abweichung der Sum-of-the-Parts Bewertung von der Gesamtbewertung vermutlich eher gering.

Diese Punkte sollten wir also im Vorfeld einer möglichen SOTP-Bewertung einmal ansehen.

Leider gibt es keinen einfachen Weg, nach solchen Situationen bzw. Unternehmen zu screenen. Uns bleibt deshalb meistens nur der Weg über die Analyse der einzelnen Segmente aus dem Segment-Reporting des Geschäftsberichts. Neben dem eigentlichen Segment-Reporting sollten wir auch den allgemeinen Teil (Lagebericht etc.) einmal durchlesen, um zusätzliche Infos über das Zusammenwirken der Segmente zu erhalten.

Grundsätzlich können wir uns hier alle Unternehmen ansehen, die offensichtlich nicht zusammenhängende Geschäftsfelder im Portfolio haben (i.W. die uns bekannten Konglomerate).


Hohe Barmittel- bzw. Cash-Bestände

Wenn wir einmal davon ausgehen, dass der Wert eines Unternehmens sich zusammensetzt aus dem operativen Geschäft und ggf. weiteren Vermögenswerten (die für das Tagesgeschäft nicht benötigt werden… also Bargeld, Beteiligungen etc.), dann sollte sich auch der Aktienkurs entsprechend zusammensetzen.

Aus diesem Grund kann natürlich ein großer Cash-Bestand ggf. einen signifikanten Einfluss auf die Bewertung des Unternehmens bzw. des Eigenkapitals haben. Im Rahmen der DCF– oder EPV-Bewertung addieren wir das Net Cash (Excess Cash – Gesamtschulden) ja auch zum Wert des operativen Geschäfts hinzu.

Es besteht aber nun die Möglichkeit, dass hohe Cash-Bestände vom Markt nicht richtig erkannt bzw. nicht entsprechend in den Aktienkurs eingepreist werden.

Dies liegt vor allem daran, dass viele Investoren ihre Bewertung auf Basis des KGV machen und den Cash-Bestand ggf. übersehen. Denn aufgrund des sehr niedrigen Zinsniveaus hat ein hoher Bestand an Barmitteln aktuell quasi keinen Einfluss auf den Gewinn. Dieser ist mit und ohne Berücksichtigung der Erträge aus dem Cash-Bestand mehr oder weniger identisch.

Um interessante Unternehmen dieser Kategorie zu finden, können wir z.B. unser KGV entsprechend um die Barmittelbestände korrigieren. Alternativ können wir auch ganz allgemein nach Unternehmen mit einem hohen Net Cash  im Verhältnis zur Marktkapitalisierung (Aktienkurs mal Anzahl umlaufender Aktien) screenen.

Wenn wir z.B. das KGV von Microsoft um den Cash-Bestand korrigieren, dann reduziert sich das Kurs-Gewinn-Verhältnis von 27,6 auf ca. 20 (Stand Ende 2016). In diesem Fall ist auch der korrigierte Wert noch ziemlich hoch. Es wird aber auch Fälle geben, in denen wir ein Unternehmen auf Basis des klassischen P/E als zu hoch bewertet, unter Berücksichtigung des Cash-Bestandes aber als unterbewertet klassifizieren würden.


Investments in andere Unternehmen

Manchmal kommt es vor, dass Unternehmen an der Börse niedriger (oder nur geringfügig höher) bewertet sind, als der Anteil einer bestimmten Beteiligung, die ebenfalls an der Börse gelistet ist (siehe Beispiel Hochtief und Leighton vor einigen Jahren). Diese paradoxen Situationen führen dann dazu, dass wir den ganzen Rest, also das gesamte operative Geschäft plus ggf. weitere (private oder gelistete) Beteiligungen, sozusagen (quasi) for free bekommen können.

Es gibt offenbar ein paar Screener, mit denen wir uns Investments in langfristige Assets anzeigen lassen können (wobei ich bisher aber noch keinen gefunden habe… jedenfalls keinen kostenfreien).

Als Grenze sollten wir in unserem Screening-Prozess Unternehmen berücksichtigen, deren Anteil der langfristigen Investments größer als 10% der Marktkapitalisierung des betrachteten Unternehmens ist (Marktkapitalisierung zum Bilanzstichtag).

Ansonsten ist der potenzielle Werthebel vermutlich zu gering.

Um eine detailliertere Analyse kommen wir aber auch hier nicht herum. Für die Entwicklung unserer Strategie müssen wir nämlich verstehen, um welche Investments es sich genau handelt und wie diese aktuell bewertet sind.

Wenn wir das verstanden haben, dann haben wir bzgl. unserer Investitionsstrategie zwei Möglichkeiten:

  1. Ist die Beteiligung unterbewertet bzw. fair bewertet, dann können wir einfach die Aktie kaufen (long gehen) und bekommen die Beteiligung zum fairen Wert und den Rest umsonst
  2. Ist die Beteiligung überbewertet, dann können wir nur den so genannten Stub kaufen, indem wir die Aktie des Unternehmens kaufen und gleichzeitig die zur Beteiligung korrespondierende Anzahl Aktien der Beteiligung leer verkaufen (shorten)

Immobilienvermögen

Auch wenn der Wert – also die Bewertunglogik etc. – von Immobilienvermögen eigentlich von Investoren gut verstanden wird, werden Immobilienbestände vom Markt manchmal trotzdem ignoriert.

Dies ist vor allem dann der Fall, wenn das Immobilienvermögen nicht Bestandteil des Kerngeschäfts des betrachteten Unternehmens ist und / oder wenn die Immobilien zu einem Wert stark unterhalb des fairen Wertes in den Büchern stehen (was entsprechend vieler Rechnungslegungsgrundsätze der Einstandspreis ist).

Weil Landbesitz und Immobilien in der Bilanz oft mit den anderen langfristigen Vermögenswerten wie Produktionsanlagen unter dem Oberbegriff Sachanlagen zusammengefasst sind, müssen wir schon in die Fußnoten zum Jahresabschluss schauen, um die Sachanlagen weiter unterteilen zu können in operative Assets, Immobilien-Assets etc.

Dieser Vorgang lässt sich deshalb nicht wirklich automatisieren.

Als Methode zur systematischen Untersuchung solcher Unternehmen schlägt John Mihaljevic in seinem Buch “Manual of Ideas” deshalb vor, eine Liste mit Unternehmen in verschiedenen Industrien zu pflegen, die große Immobilienbestände haben (z.B. Einzelhändler, Systemgastronomie).


Ideen einfacher finden: Investments anderer Investoren nutzen

Wie wir gesehen haben, lässt sich das Auffinden von Unternehmen mit versteckten Assets in den meisten Fällen nicht einfach durch einen automatisierten Screening-Prozess bewerkstelligen. Ansonsten würden wir wahrscheinlich auch nicht die Bezeichnung “versteckte Vermögenswerte” wählen.

Wir müssen also ggf. auf ein paar alternative, qualitativere Ansätze zurückgreifen, um an Investmentideen in diesem Bereich zu gelangen.

Hilfestellung bei der Ideenfindung können wir hier von einer Reihe bekannter Investoren erhalten, die sich auf das Auffinden versteckter Assets spezialisiert haben. Hierzu zählen unter anderem Bill Ackman, David Einhorn und Carl Icahn.

Diese Investoren, natürlich bestrebt, ihre Investmentthese im Markt möglichst bekannt zu machen, sind oft nicht besonders verschwiegen, was diese Ideen bzw. Investments angeht. Die Portfolios dieser Investoren bzw. ihrer Investmentfirmen werden außerdem quartalsweise von der SEC und auf mehreren anderen Webseiten veröffentlicht (schaut euch hierzu auch meinen Artikel zu den Portfolios der Top-Investoren an), sodass wir hier eine Reihe guter Ideen erhalten können.


Zum Abschluss: Wie erkennt der Markt den versteckten Wert?

Wenn wir einmal ein Unternehmen gefunden haben, von dem wir glauben, dass es Assets besitzt, die von Mr. Market aus irgendeinem Grund übersehen werden (also ein Unternehmen mit versteckten Assets), dann drängt sich natürlich die Frage auf, wann denn der Markt vermutlich die Vermögenswerte erkennen und als Konsequenz der Aktienkurs entsprechend nach oben gehen wird.

Es kann sogar gut sein, dass die Investoren die versteckten Assets bereits auf dem Schirm haben, aber trotzdem der Meinung sind, dass der Wert nicht einfach zu heben sein wird. Z.B. weil das Management nicht gewillt ist, nicht zum Kerngeschäft gehörende Assets abzustoßen (Spin-Off).

Es fehlt also ein Katalysator (im Englischen Catalyst), also ein möglicher Event – z.B. ein Managementwechsel öder Ähnliches – der dazu führen würde, dass die Werte gehoben werden.

In solchen Fällen kann es dann sein, dass der Aktienkurs auf lange Sicht nicht auf den fairen Wert (z.B. den Sum-of-the-Parts Wert) ansteigen wird. Wir sprechen dann von einer so genannten Value-Falle (aus dem Englischen Value Trap). Denn je länger es nämlich dauert, bis der Wert realisiert werden kann, desto geringer ist der Vorteil aus einer solchen Investment-Strategie.

Auch zu diesen Fragen sollten wir uns also im Vorfeld eines möglichen Investments in ein Unternehmen mit versteckten Vermögenswerten einmal intensiv Gedanken machen.

Alternativ können wir es natürlich auch halten wie Ben Graham, der sinngemäß sagte: Früher oder später wird der Markt den Wert erkennen und der Aktienkurs auf den intrinsischen Wert steigen… auch wenn die Gründe manchmal ein Mysterium bleiben.


Ressourcen und Referenzen

Viele nützliche Hinweise zur Erstellung dieses Artikels habe ich aus dem Buch von John Mihaljevic entnommen. Das Buch kann ich uneingeschränkt als Lektüre empfehlen (wobei ich das Buch allerdings nur in der englischsprachigen Originalversion kenne).

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