Die Behandlung von Pensionsverpflichtungen, Pensionsrückstellungen, Rentenauszahlungen etc. ist eines der etwas komplizierteren Themen des Accounting. Das gilt insbesondere dann, wenn man das Thema von außen aus Sicht eines Investors beleuchten möchte.
Warum ist das Thema aus Investorensicht eigentlich relevant? Nun, vor allem, weil die Pensionen in vielerlei Hinsicht Einfluss auf unsere Kennzahlen haben können und darüber hinaus auch die Höhe der Kapitalkosten direkt betreffen bzw. beeinflussen. Ratingagenturen wie Moody’s oder Standard & Poor’s stufen die Pensionsrückstellungen nämlich regelmäßig als zinstragende Verbindlichkeiten ein, weshalb die Pensionsrückstellungen eine unmittelbare Wirkung auf die relevanten Verschuldungskennzahlen (Leverage Ratio etc.) sowie ggf. auch auf die Covenants in Kreditverträgen haben können.
In diesem Artikel möchte ich deshalb das Thema Pensionspläne, Pensionsverpflichtungen und Pensionsrückstellungen einmal etwas tiefer analysieren und durchleuchten (IFRS und HGB unterscheiden sich bzgl. der Behandlung von Pensionen etwas, daher versuche ich mich im Wesentlichen an den Regelungen von IFRS bzw. IAS 19 zu orientieren).
Intro Pensionsrückstellungen: HGB versus IFRS
Auch wenn sich die Regelungen bzgl. der Behandlung von Pensionsverpflichtungen nach HGB, nach IFRS und nach deutschem Steuerrecht sehr ähneln, gibt doch ein paar relevante Abweichungen, auf die wir vorab kurz eingehen sollten.
Während das deutsche Steuerrecht für die Bewertung von Pensionsverpflichtungen das so genannte Teilwertverfahren vorschreibt, verlangt IFRS das so genannte Anwartschaftsbarwertverfahren (auf das wir auch gleich im Detail noch eingehen werden). Nach HGB sind nach Inkrafttreten des Bilanzmodernisierungsgesetzes (BilMoG) in 2010 beide Verfahren (Anwartschaftsbarwert und Teilwert) möglich.
Das Anwartschaftsbarwertverfahren basiert auf einer Bewertung der zum Bilanzstichtag bereits “verdienten” Anwartschaften (berücksichtigt also noch nicht die Renten, die in den Folgejahren – mit zunehmender Dienstzeit des Arbeitnehmers – noch hinzuverdient werden).
Etwas anders ist der Ansatz des Teilwertverfahrens. Hier werden die Aufwendungen für die Bildung der gesamten Pensionsverpflichtung über die fiktive Prämie (Teilwertprämie) gleichförmig über die gesamte potenzielle Dienstzeit verteilt. Es wird also so getan, als würde die Pensionszusage bereits vom ersten Arbeitstag des Arbeitnehmers an bestehen. Wenn sich also die Pensionszusage aus irgendwelchen Gründen erhöht bzw. verändert (z.B. weil der Arbeitnehmer vorzeitig aus dem Unternehmen ausgeschieden ist), dann verändern sich sowohl die Pensionsrückstellungen als auch die Teilwertprämien über die gesamte Laufzeit.
Hier die wesentlichen Unterschiede zwischen HGB und IFRS in der Gegenüberstellung:
Behandlung von Pensionen nach HGB und IFRS; Quelle: Prof. Dr. Christian Aders: Praxis der transaktionsorientierten Unternehmensbewertung (2017)
Kurzer Hinweis: Aufgrund der ggf. unterschiedlichen Behandlung von Pensionsverpflichtungen in Handels- und Steuerrecht kommt es zu einer Bildung von latenten Steuern auf der Bilanz.
Intro Pensionsrückstellungen nach IFRS (IAS 19): Defined Benefit versus Defined Contribution
Bevor wir uns intensiver mit der Funktionsweise von Pensionsverpflichtungen und Pensionsrückstellungen in der Rechnungslegung nach IFRS befassen können, müssen wir zunächst einmal verstehen, wie diese überhaupt entstehen. Dafür müssen wir im Grunde genommen einmal am Anfang, nämlich bei den so genannten Pensionsplänen bzw. Vorsorgeplänen, beginnen.
Ganz allgemein handelt es sich bei einem Pensionsplan um ein Versprechen bzw. ggf. auch eine gesetzlich geregelte Verpflichtung des Arbeitgebers, bestimmte Rücklagen für die Rentenzeit seiner Mitarbeiter zu bilden. Solche Pensionspläne können nach IAS 19 typischerweise in zwei verschiedene Kategorien unterteilt werden:
- beitragsorientierte Pensionspläne (“Defined Contribution Plans”)
- leistungsorientierte Pensionspläne (“Defined Benefit Plans”)
Beitragsorientierte Pensionspläne (Defined Contribution Plans)
Bietet der Arbeitgeber einen beitragsorientierten Pensionsplan bzw. Defined Contribution Plan an, dann bedeutet das, dass er regelmäßig einen festgelegten Betrag für die einzelnen Mitarbeiter zur Seite legt (was allerdings auch durch die so genannte “Entgeltumwandlung” geschehen kann… also das Einbehalten eines Teils des Gehalts des jeweiligen Mitarbeiters).
Das Wichtige hierbei: Obwohl der Arbeitgeber (bzw. die durch ihn beauftragte Institution, d.h. z.B. ein Versorgungsträger oder eine Pensionskasse) die sich über die Zeit immer weiter kumulierenden Beiträge entsprechend investiert, garantiert er dem Mitarbeiter keine wie auch immer geartete Verzinsung. Garantiert wird nur, dass der Mitarbeiter bei Renteneintritt mindestens die über die Jahre zurückgelegten Beiträge erhält.
Die Finanzierung der Pläne erfolgt wie angedeutet entweder gesetzlich bzw. vertraglich verpflichtend oder freiwillig durch Arbeitgeber und / oder Arbeitnehmer. Geregelt wird das Ganze im Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG). Die Beiträge werden dabei an einen vom Arbeitgeber rechtlich unabhängigen Versorgungsträger, z.B. eine Pensionskasse, überführt, der anschließend die Investition der Beiträge am Kapitalmarkt übernimmt. Der Arbeitgeber trägt damit kein über die initiale Beitragsabführung hinausgehendes Risiko.
In der Rechnungslegung nach IFRS werden die zahlungswirksamen Beiträge für die Ausstattung der beitragsorientierten Pläne als Personalaufwand gebucht. Zukünftige Verpflichtungen, Rückstellungen auf der Bilanz des Unternehmens oder Ähnliches spielen bei den beitragsorientierten Vorsorgeplänen also keine Rolle.
Leistungsorientierte Pensionspläne (Defined Benefit Plans)
Im Gegensatz zu einem beitragsorientierten Pensionsplan verpflichtet sich der Arbeitgeber im Rahmen eines leistungsorientierten Pensionsplans, also eines Defined Benefit Plans, dazu, dem Mitarbeiter bei Renteneintritt eine Pension oder Rente in einer festgelegten Höhe zu zahlen.
Die Höhe dieser Rente hängt dabei maßgeblich von der Betriebszugehörigkeit (Dienstzeit) und der Entwicklung des Gehaltsniveaus ab. Der Mitarbeiter muss sich den Rentenanspruch also wie in der gesetzlichen Rentenversicherung über die Zeit erstmal “verdienen”.
Bei der Pensionszusage handelt es sich außerdem um eine sogenannte Direktzusage. Das heißt für die Erfüllung ist einzig und allein der Arbeitgeber verantwortlich und niemand sonst. Eine Delegation der Verpflichtung an eine Pensionskasse, einen Pensionsfonds oder eine Lebensversicherung ist im Grunde genommen nicht möglich… was allerdings nicht bedeutet, dass der Arbeitgeber nicht jemand externes mit dem “Management” des so genannten Planvermögens beauftragen kann (dazu aber gleich mehr).
Hier noch einmal eine kurze Zusammenfassung der wesentlichen Unterschiede zwischen leistungs- und beitragsorientierten Pensionsplänen:
Um die Risiken aus veränderten Kapitalmarktbedingungen (also dem niedrigeren Zinsniveau) und der demografischen Entwicklung (also der immer älter werdenden Bevölkerung) zu begrenzen, nutzen die meisten Unternehmen seit einigen Jahren zwar fast ausschließlich beitragsorientierte Pläne. Nichts desto weniger stellen die aus leistungsbasierten Plänen resultierenden Pensionsrückstellungen für die meisten deutschen Großunternehmen eine substantielle Verbindlichkeit auf der Bilanz dar.
Darüber hinaus gibt es nach wie vor aktive Arbeitnehmer mit leistungsorientierten Pensionszusagen, die jährlich neue Rentenansprüche erwerben.
Allein aus dieser Perspektive heraus sind Pensionsverpflichtungen (Defined Benefit Obligations oder DBOs) also etwas, mit dem wir uns einmal beschäftigen sollten.
Im Folgenden möchte ich deshalb einmal etwas genauer auf die Rechnungslegung und die Behandlung leistungsorientierter Pläne im Jahresabschluss eingehen.
Leistungsorientierte Pläne: Höhe der Pensionsverpflichtungen
Fangen wir zunächst einmal mit der Höhe der Pensionsverpflichtung an.
Analog zu den Pensionsrückstellungen handelt es sich bei den Pensionsverpflichtungen um mögliche zukünftige Verbindlichkeiten. Möglich deshalb, weil weder Höhe noch genauer Eintrittszeitpunkt der Verbindlichkeit heute genau determiniert werden können (der offizielle Begriff hierfür lautet “ungewiss”).
Heißt im Umkehrschluss: Für die Bewertung der Pensionsverpflichtungen müssen eine ganze Reihe an Annahmen getroffen werden. Anhaltspunkte bzw. Vorgaben hierfür sind in den entsprechenden (länderspezifischen) Richtlinien für die bilanzielle Bewertung von Pensionsverpflichtungen enthalten… für Deutschland sind das beispielsweise aktuell die Heubeck-Richttafeln 2018G.
Die Berechnungen sind natürlich zu komplex, um sie hier im Einzelnen darzustellen (und ich als Nicht-Versicherungsmathematiker bewege mich hier auch deutlich außerhalb meines Kompetenzradius 😉 ). Ein paar ganz generelle Aussagen zur Funktionsweise lassen sich aber denke ich schon treffen.
Ein guter Startpunkt sind aus meiner Sicht die wesentlichen, die Höhe der Pensionsverpflichtungen beeinflussenden Faktoren (“versicherungsmathematische Annahmen”), auf die typischerweise in den Anhängen zum Jahresabschluss etwas detaillierter eingegangen wird. (In dieser Hinsicht kann ich die Geschäftsberichte von ThyssenKrupp und der BASF als Lektüre sehr empfehlen).
Diese wesentlichen Faktoren bzw. Annahmen sind:
- die erwartete Gehaltsentwicklung (Gehaltsdynamik)
- die erwartete Rentenentwicklung (Rentendynamik)
- die Sterbewahrscheinlichkeit (Veränderung der durchschnittlichen Lebenserwartungen)
- der Diskontierungssatz
Darüber hinaus ergeben sich natürlich weitere Änderungen der Pensionsverpflichtungen insbesondere durch:
- den Aufbau weiterer Ansprüche über die Zeit (durch noch aktive Mitarbeiter mit entsprechenden Pensionszusagen)
- die laufenden Zahlungen an die bereits in Rente gegangenen ehemaligen Mitarbeiter
Kurze Erläuterung zu jedem dieser Faktoren:
Wie schon gesagt hängt die Höhe der garantierten Rente insbesondere von der Anzahl an Dienstjahren (Betriebszugehörigkeit) und von der Lohn- bzw. Gehaltshöhe ab. Steigen also die Gehälter z.B. aufgrund eines neuen Tarifabschlusses an, “verdienen” die Arbeitnehmer einen höheren Rentenanspruch und die zukünftigen Pensionsverpflichtungen müssen entsprechend angepasst werden. Gleiches gilt ganz analog für die Rentenentwicklung.
Leben die Menschen tendenziell länger, d.h. verringert sich die durchschnittliche Sterbewahrscheinlichkeit, dann muss die Rente für einen längeren Zeitraum gezahlt werden, was sich wiederum erhöhend auf die zukünftige Pensionsverpflichtung auswirkt.
Und weil die tatsächlichen Auszahlungen der Renten teilweise noch weit in der Zukunft liegen, muss natürlich eine entsprechende Abzinsung der erwarteten Auszahlungen auf den jeweiligen Bilanzstichtag vorgenommen werden.
Analog zum Discounted Cash Flow Modell im Rahmen der Unternehmensbewertung hat die Wahl des entsprechenden Diskontierungszinssatzes regelmäßig den größten Einfluss auf den Barwert der Pensionsverpflichtung. Die in den Heubeck-Richttafeln hinterlegten Zinssätze orientieren sich i.W. an der Umlaufrendite von Anleihen guter Bonität.
Da sich alle dargestellten Faktoren natürlich über die Zeit ändern (d.h. ggf. von einem Jahr aufs andere), müssen auch die Pensionsverpflichtungen zu jedem Bilanzstichtag neu ermittelt werden.
Aktuell sieht man insbesondere den Einfluss der gestiegenen Zinsen auf die Pensionsverpflichtungen sehr deutlich, wie das Beispiel ThyssenKrupp zeigt:
Entwicklung Pensionsverpflichtungen und Diskontierungszins für ThyssenKrupp [Mio. EUR, %]; Quelle: ThyssenKrupp Geschäftsberichte
Generell führen höhere Zinsen ja ceteris paribus zu geringeren Barwerten. Wie ihr sehen könnt, ist dieser grundlegende Zusammenhang auch für die Entwicklung der Pensionsverpflichtungen deutlich zu erkennen.
Als nächstes schauen wir uns die Unterschiede zwischen den Pensionsverpflichtungen und den Pensionsrückstellungen an… die gesamten Verpflichtungen sind nämlich noch nicht das, was wir tatsächlich auch auf der Bilanz des Unternehmens wiederfinden.
Pensionsrückstellungen vs. Pensionsverpflichtungen
Die Pensionsverpflichtungen (“Defined Benefit Obligations”) eines Unternehmens repräsentieren wie gesagt den heutigen Wert (Barwert) aller zukünftig im Rahmen des Pensionsplans erwarteten Rentenauszahlungen.
Diese Pensionsverpflichtungen können grundsätzlich auf zwei Arten finanziert werden (wobei die meisten Großunternehmen beide Wege parallel in Anspruch nehmen):
- extern durch einen entsprechenden Treuhänder bzw. Versorgungsträger
- intern durch das Unternehmen selbst
Wichtig ist hierbei allerdings, dass das Unternehmen bzw. der Arbeitgeber in beiden Fällen zur Leistung verpflichtet ist, sich also der zukünftigen Verpflichtung nicht einfach durch die Beauftragung eines externen “Managers” entziehen kann.
Externe Finanzierung von Pensionsverpflichtungen (über Treuhänder bzw. Trust)
Für den ersten Fall – die externe Finanzierung – bedeutet das: Das Unternehmen ist nicht nur für die “Ausfinanzierung” der Pensionsverpflichtung, also die Zahlung der entsprechenden Beträge an den externen Pensionsfonds, verantwortlich, sondern müsste – sollten die im Fonds zur Verfügung stehenden Mittel schlussendlich nicht ausreichen – anteilig auch die Rentenansprüche aus dem eigenen Cash Flow begleichen.
Ganz praktisch funktioniert die externe Ausfinanzierung der Pensionsverpflichtungen, indem das Unternehmen einen Treuhänder (meistens in Form eines so genannten CTA, eines Contractual Trust Agreements) mit den entsprechenden Geldern ausstattet, damit dieser die aufzubringenden Rentenzahlungen aus dem erwirtschafteten Return auf das zur Verfügung stehende Kapital selbst leisten kann.
Bei der BASF in Deutschland ist dieser Treuhänder beispielsweise der BASF Pensionstreuhand e.V..
Hier einmal eine schematische Darstellung der Funktionsweise bei (teilweise) externer Finanzierung:
Bzgl. der Investition des Planvermögens – das sind die Mittel, die bereits beim Treuhänder liegen – wird aus Risikogesichtspunkten heraus typischerweise ein diversifizierter Portfolio-Ansatz gewählt. D.h. in gewissen Grenzen kommen als wesentliche Anlageklassen sowohl nationale und internationale Aktien als auch Immobilienvermögen oder festverzinsliche Wertpapiere in Frage (Flossbach von Storch hat hierzu einmal die wesentlichen Infos aus den Geschäftsberichten zusammengetragen – das Paper ist unten verlinkt).
Für die Anlage der Mittel werden typischerweise professionelle Investmentmanager beauftragt, die von einem so genannten Anlageausschuss bestellt und kontrolliert werden. Dieser regelmäßig tagende Ausschuss setzt sich in der Regel aus leitenden Mitarbeitern des Unternehmen zusammen (insbesondere aus dem Finanzbereich).
Wichtig ist noch zu erwähnen, dass die dem Treuhänder bzw. dem Trust zur Verfügung gestellten Mittel ausschließlich der Finanzierung der Pensionsverpflichtungen dienen dürfen, da ansonsten keine Anerkennung der Mittel als “Planvermögen” im Sinne des IFRS-Standards IAS 19 erfolgen und auch keine Saldierung mit den Pensionsverpflichtungen auf der Bilanz des Unternehmens vorgenommen werden kann… womit wir bei der zweiten Option, der internen Finanzierung der Pensionsverpflichtungen, angekommen wären.
Interne bzw. eigene Finanzierung: Die Pensionsrückstellung
Ohne eine vollständige externe Ausfinanzierung der Pensionsverpflichtungen muss das Unternehmen den ungedeckten Teil der Pensionsverpflichtungen nämlich in Form einer Rückstellung auf der eigenen Bilanz ausweisen.
In einem solchen Fall kann in der Folge theoretisch das gesamte Unternehmensvermögen zur Deckung der noch nicht ausfinanzierten Pensionsverpflichtungen herangezogen werden, weil ja keine explizite Zuordnung von Vermögenswerten auf der Aktivseite der Bilanz zu konkreten Verbindlichkeiten auf der Passivseite stattfindet. Solange das Unternehmen also ein positives Eigenkapital aufweist und den entsprechenden Cash Flow zur Zahlung der Renten mit erwirtschaftet, sind die Pensionsrückstellungen (genauso wie alle anderen Verbindlichkeiten) durch entsprechende Vermögenswerte hinterlegt.
Für ein typisches DAX-Unternehmen könnte das Ganze dann in etwa so aussehen:
Ein Teil der kumulierten Pensionsverpflichtungen ist in der Darstellung bereits über das so genannte Planvermögen (die “Plan Assets”) beim oben angesprochenen Treuhänder IAS 19 konform hinterlegt. Der noch nicht “ausfinanzierte” Rest verbleibt zwangsläufig als Rückstellung auf der Bilanz des Unternehmens selbst (der Quotient aus Planvermögen und Pensionsverpflichtung wird deshalb auch als “Ausfinanzierungsgrad” bezeichnet).
Dies hat zur Folge, dass mindestens anteilig auch die bereits laufenden Rentenzahlungen aus dem operativen Cash Flow des Unternehmens heraus bedient werden müssen.
Hier einmal zur weiteren Illustration die Pensionsverpflichtungen der DAX-Unternehmen aus dem Jahr 2018 aufgeteilt in bereits aufgebautes Planvermögen (orange) sowie gebildete Pensionsrückstellungen (blau):
Pensionsverpflichtungen, Pensionsrückstellungen und Planvermögen DAX 30, 2018; Quelle: Flossbach von Storch
Wenn wir uns einmal die Ausfinanzierunggrade anschauen, dann ergibt sich ein sehr heterogenes Bild. Beispielsweise haben die Deutsche Bank, Siemens oder Daimler ihre teils substantiellen Pensionsverpflichtungen bereits zu einem großen Teil ausfinanziert. Im Gegensatz dazu weisen z.B. Volkswagen oder ThyssenKrupp einen Großteil ihrer Verpflichtungen noch auf der eigenen Bilanz als Rückstellung aus.
So funktionieren Pensionsrückstellungen in der Rechnungslegung
Grundsätzlich repräsentiert die auf der Passivseite der Bilanz dargestellte Pensionsrückstellung den Barwert aller verdienten Rentenzahlungen abzüglich des bereits durch ein entsprechendes Planvermögen bei einer Pensionskasse hinterlegten Kapitals… es handelt sich also um einen Nettobetrag.
Am besten lässt sich die Rechnungslegung der Pensionsrückstellungen – und auch deren Entwicklung über die Zeit – anhand der Effekte auf die einzelnen Bestandteile des Jahresabschluss (also GuV, Kapitalflussrechnung und Bilanz) erläutern:
Im Schaubild dargestellt seht ihr die schematische Überleitung von den Pensionsrückstellungen aus dem Vorjahr (Jahr 0) auf die Rückstellungen im aktuellen Jahr (Jahr 1).
Im Grunde genommen gibt es vier verschiedene Vorgänge, die zu einer Veränderung der Pensionsrückstellungen im Zeitverlauf führen… und die jeweils an einer anderen Stelle im Jahresabschluss zu finden sind:
- Aufbau neuer Anwartschaften
- Tatsächliche Rentenauszahlungen an Pensionäre
- Zuführungen zum Planvermögen (d.h. weitere Ausfinanzierung der Pensionsverbindlichkeiten)
- Veränderung der Pensionsverbindlichkeiten durch versicherungsmathematische Gewinne oder Verluste (z.B. Änderungen des Diskontierungszinssatzes)
Beachtet, dass sich die einzelnen Aufwendungen (administrative Aufwendungen, Zinsaufwand, finanzmathematische Effekte) jeweils sowohl auf die Pensionsverpflichtungen als auch auf das Planvermögen beziehen. Heißt beispielsweise konkret: In den administrativen Kosten sind die Kosten für die Investmentmanager des Treuhandvermögens und in den Nettozinsaufwendungen die Zinserträge des Planvermögens enthalten bzw. gegengerechnet.
Im Folgenden möchte ich einmal kurz auf jeden einzelnen Vorgang im einzelnen eingehen.
1. Aufbau von Anwartschaften
Wie ihr an der obigen Abbildung sehen könnt, wird im Hinblick auf den Aufbau neuer Anwartschaften zwischen den so genannten Servicekosten, den administrativen Kosten und den (Netto-)Zinsaufwendungen unterschieden. Weder Servicekosten noch Zinsaufwendungen sind dabei nach meinem Verständnis zahlungswirksam.
Die so genannten Servicekosten – manchmal auch als (laufender) Dienstzeitaufwand bezeichnet – beziehen sich auf die zusätzlich durch die Arbeitnehmer erworbenen Ansprüche (Anwartschaften) im jeweils abgelaufenen Jahr. Der Aufbau dieser Anwartschaften hängt im Wesentlichen von der Art der Verträge ab, die ein Unternehmen mit seinen Mitarbeitern vereinbart hat. Auch wenn viele Firmen wie gesagt inzwischen die alten leistungsorientierten Versorgungspläne (Defined Benefit Plans) größtenteils durch beitragsorientierte Pläne (Defined Contribution Plans) ersetzt haben, gibt es nach wie vor aktive Arbeitnehmer mit leistungsorientierten Pensionsplänen und jährlich wachsenden Anwartschaften. Ceteris paribus steigen die Pensionsverpflichtungen also in solchen Fällen von einem Jahr aufs andere erstmal an.
Die administrativen Kosten beinhalten z.B. die Personalkosten des CTA, also des Treuhandvermögens, sowie die anteiligen Kosten etc. für den oder die beauftragten Investmentmanager.
Der Nettozinsaufwand berücksichtigt sowohl den Zinsaufwand auf die Pensionsverpflichtungen als auch – gegengerechnet – den Zinsertrag auf das Planvermögen. Ist der Nettozinsaufwand größer Null, mindert also den Gewinn, dann steigen dadurch die Pensionsverpflichtungen weiter an.
Die Logik hinter dem Zinsaufwand müsst ihr euch folgendermaßen vorstellen: Die Mitarbeiter geben dem Unternehmen sozusagen einen Kredit in Höhe des aktuellen Barwerts ihrer Anwartschaften, der mit Beginn des Rentenalters zur Auszahlung kommt. Dieser Kredit wird jedes Jahr mit dem entsprechenden Diskontierungszinssatz verzinst. Allerdings werden diese Zinsen nicht an die Mitarbeiter ausbezahlt, sondern stattdessen jedes Jahr zum Kredit (also zur Pensionsverpflichtung) hinzuaddiert, sodass sich mit dem Renteneintritt genau die Pensionszusage ergibt (vereinfacht gesprochen).
2. Rentenauszahlungen an die Pensionäre
Der zweite Vorgang berücksichtigt die tatsächlichen Rentenzahlungen an die Pensionäre.
Diese mindern logischerweise die Pensionsverpflichtung und werden sowohl aus dem operativen Cash Flow des Unternehmens, als auch aus dem Return des Planvermögens bedient.
In der Praxis nimmt dabei in der Regel zunächst das Unternehmen die gesamte Rentenzahlung vor und wird im Anschluss aus dem Planvermögen (teilweise) kompensiert.
3. Zuführungen zum Planvermögen
Neben den Auszahlungen der Renten entstehen weitere Auszahlungen (“Cash Outs”) in der Kapitalflussrechnung durch die planmäßigen Zuführungen zum Planvermögen… mit dem Ziel, über die Zeit eine vollständige Ausfinanzierung der Pensionsverpflichtungen und damit eine Rückführung der Pensionsrückstellungen bis auf Null zu erreichen.
Man muss allerdings dazu sagen, dass wesentliche heute existierende Planvermögen in vielen Fällen durch substantielle Einmalzahlungen aufgebaut wurden. Die BASF beispielsweise hat ihren BASF Pensionstreuhand e.V. in 2005 initial mit einem Planvermögen von ca. 3,7 Mrd. EUR ausgestattet, substantiell mehr als die damaligen Pensionsverpflichtungen i.H.v. ca. 2,9 Mrd. EUR, da der Trust auch zukünftig “die laufenden Verpflichtungen voll abdecken” können sollte (Handelsblatt-Artikel).
Ceteris paribus resultiert eine Ausfinanzierung der Pensionsverpflichtungen in einer Bilanzverkürzung. Auf der Aktivseite der Bilanz fließen Cash oder ggf. auch andere Vermögenswerte ab, auf der Passivseite verringert sich die Pensionsrückstellung. Dies führt in Summe zu einer Verbesserung der typischen Verschuldungskennzahlen wie EK-Quote oder Financial Leverage (Net Debt / EBITDA) und kann damit im besten Falle positive Auswirkungen auf Credit Rating und Finanzierungskonditionen haben.
4. Versicherungsmathematische Effekte
Als versicherungsmathematische Gewinne bzw. Verluste werden ebenjene jährlichen Anpassungen der Pensionsverpflichtungen bezeichnet, die auf Veränderungen der oben genannten versicherungsmathematischen Annahmen bzw. Einflussfaktoren (Gehalts- und Rentenentwicklung, Sterblichkeit, Diskontierungssatz) zurückzuführen sind.
In der Rechnungslegung werden Änderungen dieser versicherungsmathematischen Annahmen bzw. die daraus resultierenden Veränderungen der Pensionsverpflichtungen und des Planvermögens direkt über die Gesamtergebnisrechnung (Other Comprehensive Income oder OCI) mit dem Eigenkapital verrechnet… also ohne den Umweg über die Gewinn- und Verlustrechnung zu nehmen.
Relevanz der Pensionsrückstellungen für uns als Investoren
Substantielle Pensionsrückstellungen auf der Bilanz eines Unternehmens sind für uns Investoren aus mehreren Blickwinkeln heraus relevant.
Wesentlicher Punkt ist hier die Klassifizierung der Pensionsrückstellungen als zinstragende Verbindlichkeiten , eine Einordnung, die gegeben die Aufzinsung der Rückstellungen über die Zeit durchaus sinnvoll erscheint.
Diese Klassifizierung hat im Wesentlichen zwei Dinge zur Folge:
- Zum einen sollten die Pensionsrückstellungen in die Ermittlung der entsprechenden Verschuldungskennzahlen (Financial Leverage, Debt-to-Equity Ratio etc.) einbezogen werden… die großen Rating-Agenturen (Moody’s, Standard & Poor’s) machen das ja im Grunde genommen bereits vor
- Zum anderen sollten die Pensionsverbindlichkeiten infolgedessen aus Konsistenzgründen auch in die Berechnung der Kapitalkosten (WACC) eingehen
Bzgl. der Extrapolation der Pensionsrückstellungen in die Zukunft (ggf. relevant für unsere Bewertung): Diesen Aspekt werde ich zusammen mit einem konkreten Beispiel nochmal in einem zukünftigen Artikel abdecken.
Key Take Aways
Auf den Bilanzen vieler Großunternehmen stellen Pensionsrückstellungen eine substantielle Verbindlichkeit dar.
Nach IFRS bzw. IAS 19 muss ein Unternehmen die Differenz zwischen den leistungsorientierten Pensionsverpflichtungen und dem bereits bei einem Treuhänder hinterlegten IAS 19 konformen Planvermögen als Rückstellung auf der eigenen Bilanz ausweisen.
Die Entwicklung dieser Rückstellungen von einem Jahr aufs nächste hängt von einer ganzen Reihe an Faktoren ab, u.a. den im abgelaufenen Jahr erwirtschafteten Anwartschaften, den geleisteten Rentenauszahlungen, den Beitragszahlungen an Treuhänder (CTA) und den Veränderungen der versicherungsmathematischen Annahmen (Gehaltsentwicklung, Rentenentwicklung, Sterblichkeit, Diskontierungssatz).
Die versicherungsmathematischen Effekte werden dabei an der Gewinn- und Verlustrechnung vorbei direkt mit dem Eigenkapital verrechnet (über die Gesamtergebnisrechnung).
Weitere Ressourcen
- Studie von Flossbach von Storch zur Ausfinanzierung der Pemsionsverpflichtungen (2019)
- DPN-Online: Pensionsverpflichtungen im Sinkflug (2022)
- Hans-Böckler-Stiftung zu Pensionsverpflichtungen in der Rechnungslegung (2014)
- Prof. Dr. Christian Aders : Praxis der transaktionsorientierten Unternehmensbewertung (2017) – Seite 64 ff.