Jedenfalls in der Theorie können börsennotierte Unternehmen bis ins Unendliche bestehen. Weil wir aber im Rahmen der DCF-Bewertung die freien Cash Flows nicht bis ins Unendliche abschätzen können, behelfen wir uns in der Regel mit einer Vereinfachung. Wir schätzen die Cash Flows explizit für fünf bis zehn Jahre ab und bestimmen dann den so genannten Endwert (im Englischen Terminal Value), der den Unternehmenswert zu dem entsprechenden Zeitpunkt (also in fünf bis 10 Jahren) darstellt.
Für die Berechnung des Endwertes gibt es verschiedene Ansätze, auf die ich in diesem Artikel einmal näher eingehen möchte.
Was du in diesem Artikel lernst
- Welche Ansätze zur Bestimmung des Endwertes es gibt (Liquidationswert versus “Going Concern”)
- Recap: Wie wir den Endwert im Discounted Cash Flow Modell berechnen
- Wie wir die langfristigen Kapitalkosten ermitteln
- Wie wir die langfristige Wachstumsrate, die Reinvestitionsrate und die Kapitalrendite abschätzen
- Berechnung des Terminal Value bzw. des Endwerts am Beispiel Microsoft
Ansätze für die Bestimmung des Endwertes
Grundsätzlich gibt es für die Bestimmung des Terminal Value zwei Optionen:
- Wir tun so, als würde das Unternehmen im letzten Jahr unserer Vorhersageperiode aufgelöst (liquidiert) und die Vermögenswerte entsprechend verkauft
- Wir nehmen an, dass das Unternehmen auch in Zukunft weiterhin existieren und Cash Flows generieren wird
1. Liquidationswert
Wenn wir annehmen, dass die Firma am Ende der Vorhersageperiode liquidiert wird, dann können wir den Endwert bzw. den Terminal Value mit einem entsprechenden Berechnungsverfahren (z.B. einem Net Net Ansatz) abschätzen. Das heißt wir schauen uns an, für wie viel die Vermögenswerte (Produktionsanalgen, Immobilien, Lagerbestände etc.) wahrscheinlich noch verkauft werden können und ziehen davon die Schulden ab.
Für ein typisches Unternehmen repräsentiert dieser Ansatz allerdings eine recht konservative Abschätzung des Endwerts.
2. “Going Concern” Annahme
Aus diesem Grund werden wir in der Regel davon ausgehen, dass die Firma weiterhin bestehen und Cash Flows generieren wird. In diesem Fall nehmen wir typischerweise an, dass die Gewinne bzw. Cash Flows in Zukunft mit einer konstanten (aber niedrigen) Wachstumsrate weiterwachsen werden.
Diese Cash Flows bewerten wir dann mithilfe eines passenden Bewertungsverfahrens.
Auch hier gibt es verschiedene Ansätze bzw. Möglichkeiten.
Wir können z.B. die Barwert-Formel für die ewige Rente bzw. stabiles Wachstum nutzen und bestimmen. Oder z.B. auch ein EBIT- oder Cash Flow Multiple. Ich werde hier vor allem auf die Abschätzung des Endwertes als ewige Rente eingehen.
Recap: Berechnungslogik des Terminal Value im DCF-Modell
Bevor wir aber zum konkreten Ansatz kommen, um den Endwert zu bestimmen, zunächst mal ein paar Sätze zur Einordnung in die Discounted Cash Flow Bewertung. Im Rahmen der DCF-Bewertung werden die Cash Flows eines Unternehmens in der Zukunft abgeschätzt und anschließend mithilfe eines Abzinsungsfaktors auf das aktuelle Jahr bezogen.
Der letzte Teil der DCF-Formel (rot umkringelt)
ist der so genannte Endwert bzw. Terminal Value.
Der Endwert wird im Discounted Cash Flow Modell in zwei Schritten berechnet:
- Wir bestimmen den Endwert für das Jahr n, also das letzte Jahr der Vorhersageperiode in unserem Modell
- Wir teilen diesen Wert durch (1 + r)n und beziehen den Wert damit auf das Jahr 0 (also heute)
Die Variable r repräsentiert hier die entsprechenden Kapitalkosten.
Wie bestimmen wir nun den Endwert als ewige Rente?
Den Endwert als ewige Rente bestimmen
Die wesentliche Annahme hinter der Rentenformel ist die, dass die Cash Flows in Zukunft bis ins Unendliche mit einer konstanten Wachstumsrate gn zunehmen. Die Formel für den Barwert dieses unendlichen Zahlungsstroms sieht dann folgendermaßen aus:
Über dem Bruchstrich steht nichts anderes als der Cash Flow des Jahres n+1 – nämlich der Cash Flow des Jahres n erhöht um das jährliche Wachstum (also mal genommen mit (1 + g)).
Unter dem Bruchstrich stehen die Kapitalkosten r reduziert um die langfristige Wachstumsrate gn. Das heißt, je größer das nachhaltige Wachstum, desto höher der Barwert der Cash Flows.
Etwas detaillierter geschrieben sieht die Formel so aus (analog zur Prognose der Cash Flows für die Wachstumsphase):
Abschätzung der Inputs
Die große Frage ist nun natürlich, wie wir die langfristigen Kapitalkosten r, die nachhaltige Wachstumsrate gn, die Kapitalrendite und die Reinvestitionsrate für die Bestimmung des Endwerts ermitteln. Ich glaube, dass speziell hier die meisten Fehler im Rahmen der DCF-Bewertung gemacht werden. Deshalb die wesentlichen Themen einmal etwas detaillierter.
Bei der Ermittlung müssen wir zunächst mal darauf achten, dass die Definition der Cash Flows (Dividenden, FCFE, FCFF) konsistent ist mit der von uns angenommenen Wachstumsrate und den von uns abgeschätzten Kapitalkosten. Für die Bewertung mit Dividenden oder dem FCFE nehmen wir die Eigenkapitalkosten, für die Bewertung mit dem FCFF die Gesamtkapitalkosten bzw. den WACC.
Und weil der Endwert typischerweise den größten Anteil am Gesamtwert eines Unternehmens ausmacht und weil außerdem kleine Änderungen an den Inputs bereits zu große Wertveränderungen führen können, gibt es drei wesentliche Annahmen bzw. Restriktionen, die wir immer berücksichtigen sollten:
- Kein Unternehmen kann langfristig stärker wachsen als die jeweilige Gesamtwirtschaft
- Wenn eine Firma aus der Wachstumsphase in die Reifephase übergeht, dann bekommt die Firma ein anderes (besseres) Risikoprofil, einhergehend logischerweise mit niedrigeren Returns
- Die Firma muss immer ausreichend reinvestieren, um das angenommene langfristige Wachstum sicherzustellen
Aus diesen drei Annahmen, die übrigens im Little Book of Valuation von Aswath Damodaran schön beschrieben sind, ergeben sich dann einige konkrete Ansatzpunkte für die Abschätzung von Kapitalkosten, Wachstumsrate und Reinvestitionsrate (Wiederanlagequote).
Nachhaltige Kapitalkosten r
Die Tatsache, dass eine Firma in einem reifen Marktumfeld operiert, sollte das Investitionsrisiko und damit die Eigenkapitalkosten verringern. Wenn wir für die Berechnung der Eigenkapitalkosten das Capital Asset Pricing Model oder CAPM nutzen, dann würden wir eine Änderung des Faktors Beta auf 1,0 vornehmen.
Darüber hinaus sollte sich auch der Verschuldungsgrad (das Debt-to-Equity Ratio) der Industrienorm annähern. Weil Fremdkapital im Vergleich zum Eigenkapital die günstigere Art der Finanzierung darstellt, werden sich auch die nachhaltigen Gesamtkapitalkosten entsprechend verringern.
Nachhaltige Wachstumsrate der Cash Flows gn
Wie oben beschrieben, sollte die langfristige Wachstumsrate nicht oberhalb der langfristigen Wachstumsrate der Gesamtwirtschaft liegen. Laut Damodaran ist ein guter Ansatzpunkt hier der risikolose Zinssatz, mit dem in der Discounted Cash Flow Bewertung gerechnet wird. Langfristig sollte dieser Zinssatz, der sich aus dem realen Zinssatz und einer erwarteten Inflationsrate zusammensetzt, ca. dem Wachstum der Gesamtwirtschaft entsprechen.
Reinvestitionsrate
Natürlich muss eine Firma auch nachhaltig investieren, um nachhaltig wachsen zu können. Aus meinem Artikel zur Abschätzung des Wachstums der Cash Flows bzw. zur Cash Flow Prognose wissen wir ja um die Beziehung zwischen Wachstumsrate, Kapitalrendite und Wiederanlagequote bzw. Reinvestitionsrate.
Aus diesem Zusammenhang ergibt sich dann die Reinvestitionsrate folgendermaßen:
Langfristige Reinvestitionsrate = Erwartetes Wachstum des operativen Gewinns / Kapitalrendite
Wir rechnen also hier genau umgekehrt. Für die Prognose der Wachstumsrate in den ersten 5 oder 10 Jahren unseres Betrachtungszeitraums nutzen wir die bekannten Reinvestitionsraten und Kapitalrenditen zur Abschätzung des Wachstums. Hier nutzen wir bekanntes Wachstum und Kapitalrendite für die Ermittlung der Reinvestitionsrate.
Konkret bedeutet dieser Ansatz, dass jedes langfristige Gewinnwachstum durch höhere Investitionen “erkauft” werden muss und deshalb durch einen entsprechenden gegenläufigen Cash Flow ganz oder teilweise kompensiert wird.
Nachhaltige Kapitalrendite
Ob bei zunehmender Wachstumsrate der Unternehmenswert nun zu oder abnimmt, das hängt von unserer Annahme der Kapitalrendite ab.
Wenn die langfristige Kapitalrendite (nach wie vor) über den Kapitalkosten liegt, dann steigt der Wert bei stärkerem Wachstum an. Liegt die Kapitalrendite unter den Kapitalkosten, dann nimmt der Wert entsprechend ab. Entspricht die Kapitalrendite genau den Kapitalkosten, dann hat eine Änderung der Wachstumsrate keinen Einfluss auf den Endwert bzw. Terminal Value.
Die wesentliche Annahme für die Berechnung des Terminal Value ist also nicht die der lamgfristigen Wachstumsrate, sondern die der Kapitalrendite!
Bzgl. dieser Annahmen gibt es nun verschiedene Strömungen. Es gibt natürlich Investoren, die davon ausgehen, dass langfristig keine Überrendite erzielt werden kann, d.h. dass die Kapitalrendite abzüglich der Kapitalkosten gleich Null sein wird.
De facto gibt es aber Unternehmen, die aufgrund ihres Wettbewerbsvorteils sehr wohl in der Lage sind, über einen langen Zeitraum einen Return oberhalb der Kapitalkosten zu realisieren. Dazu gehört z.B. auch Microsoft.
Wie bringen wir das alles zusammen? Beispiel Microsoft
Wir haben oben bereits die Formel gesehen, nach der wir den Endwert bzw. Terminal Value berechnen können.
Nehmen wir also wieder Microsoft als Beispiel: Nach einer Wachstumsphase von 5 Jahren gehen wir davon aus, dass die Firma langfristig noch ein ähnliches Wachstum wie die Gesamtwirtschaft (schätzungsweise ca. 1,5 bis 2%) erzielen wird. Für die Kapitalrendite nehmen wir an, dass diese sich zwar den Kapitalkosten (in diesem Beispiel stabil zu 8% angenommen) annähert, Microsoft aber langfristig aber aufgrund des nachhaltigen und stabilen Wettbewerbsvorteils z.B. bei den Office-Produkten, eine Überrendite von 5-10% erzielen kann.
Die Reinvestitionsrate bzw. Wiederanlagequote ergibt sich dann daraus wie folgt:
Langfristige Reinvestitionsrate = Erwartetes Wachstum des operativen Gewinns / Kapitalrendite = 1,5% / 15% = 10%.
Weil wir also annehmen, dass Microsoft langfristig noch 15% auf das eingesetzte Kapital verdienen kann, dann muss die Firma nur recht wenig reinvestieren, um weiterhin mit 1,5% pro Jahr beim Gewinn zu wachsen.
Nun haben wir eigentlich alle Inputs, um direkt den Endwert zu ermitteln. Als Aufsatzpunkt nehmen wir den operativen Gewinn des letzten Jahres der Wachstumsphase, in diesem Fall 37.509 Mio. USD.
Hier zur Erinnerung nochmal die Cash Flows der nächsten 5 Jahre für das Beispiel Microsoft aus meinem Artikel zur Cash Flow Prognose:
Der Endwert bzw. Terminal Value ergibt sich dann nach der obigen Formel wie folgt:
Die anderen nicht zahlungswirksamen Bestandteile habe ich hier übrigens einmal ignoriert. Diese müssten wir natürlich dann ebenfalls noch entsprechend abschätzen (im Zweifel konstant halten) und zum Cash Flow hinzuaddieren.
Zusammenfassung
Typischerweise prognostizieren wir die Cash Flows im Rahmen der DCF-Bewertung nur für einen gewissen Zeitraum (in der Regel 5 bis 10 Jahre) explizit. Danach schätzen wir den Unternehmenswert mithilfe der Formel für die ewige Rente ab (Endwert bzw. Terminal Value).
In den meisten Fällen gehen wir bei der Abschätzung des Endwerts von der “Going Concern” Annahme aus, d.h. wir nehmen an, dass das Unternehmen auch langfristig noch existieren und Cash Flows generieren wird.
Die zwei wesentlichsten Annahmen für die Abschätzung des Endwerts sind die (Gewinn-)Wachstumsrate sowie die Kapitalrendite. Beide zusammen definieren die erforderliche Reinvestitionsrate bzw. Wiederanlagequote und damit den nachhaltigen freien Cash Flow (FCFE oder FCFF).
Als Richtschnur können wir davon ausgehen, dass ein Unternehmen langfristig nicht stärker wachsen kann, als die Gesamtwirtschaft in der es seine Geschäfte macht. Die Kapitalrendite sollte sich gleichzeitig den Kapitalkosten bzw. dem WACC annähern, es sei denn es besteht ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil, der bis in ferne Zukunft potenzielle Wettbewerber fernhält.
Weitere Ressourcen zur DCF-Bewertung
Einordnung des Discounted Cash Flow in die DIY Investor Bewertungslogik
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- Cash Flows und Gewinne normalisieren – So geht’s
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