R&D = CapEx – So klassifizieren wir die F&E Ausgaben um

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R&D Ausgaben umklassifizieren, F&E, CapEX

Die typischen Buchhaltungsregeln betrachten die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E oder im Englischen R&D = Research & Development) wie eine normale betriebliche Aufwendung. Dem entsprechend werden F&E Ausgaben typischerweise als Teil der sonstigen betrieblichen Aufwendungen in der Gewinn- und Verlustrechnung abgezogen.

Logischer wäre es allerdings, diese Ausgaben für unsere Unternehmensbewertung wie eine Investition zu behandeln. Die Forschungsabteilung ist ja in der Regel nicht am Tagesgeschäft beteiligt, sondern entwickelt die Produkte, die das zukünftige Wachstum sicherstellen sollen.

Neben der richtigen Berücksichtung von operativen Leasingverträgen und der (Nicht-)Berücksichtigung einiger nicht zahlungsrelevanter Aufwendungen im Rahmen der Owner Earnings Betrachtung ist dies die dritte wesentliche Anpassung der Cash Flows, die wir im Vorfeld unserer Discounted Cash Flow Bewertung durchführen sollten.

In diesem Artikel möchte ich einmal darauf eingehen, wie wir die F&E Ausgaben entsprechend anpassen. Für die Illustration und das kleine Excel-Tool habe ich wieder Microsoft als Beispiel verwendet.


F&E Ausgaben aktivieren

Um die F&E Ausgaben nun umzuklassifizieren, müssen wir im Wesentlichen fünf Schritte durchführen:

  1. für die neue “Investition” in F&E einen Amortisationszeitraum festlegen
  2. die historischen F&E Ausgaben bestimmen
  3. aus historischen F&E Ausgaben und Amortisationszeitraum die Höhe eines virtuellen F&E Vermögenswertes (im Englishcen Research Asset genannt) sowie die zugehörige Amortisation berechnen
  4. die Cash Flow Rechnung anpassen
  5. das investierte Kapital um den F&E Vermögenswert erhöhen

1. Amortisationszeitraum bestimmen

Wenn wir die F&E Ausgaben wie eine Investition behandeln möchten, dann müssen wir diese natürlich auch über eine gewisse Nutzungsdauer abschreiben bzw. in diesem Fall amortisieren.

Nochmal kurz als Hintergrundinfo: Mit der Abschreibung bzw. Amortisation machen wir eigentlich nichts anderes, als die ursprünglichen Investitionskosten, z.B. für den Kauf einer Produktionsanlage, auf den Nutzungszeitraum zu verteilen. Am Ende existieren Buchhaltungsregeln ja nur, weil wir versuchen, die tatsächlichen Cash-Ausgaben eines Unternehmens den erzielten Umsätzen möglichst genau zuzuordnen.

Im Idealfall würden wir sogar jedem einzelnen Produkt, das auf einer Produktionsanlage hergestellt wird, einen gewissen Anteil des ursprünglichen CapEx dieser Anlage zuordnen. Weil dies in vielen Fällen zu kompliziert ist (und von Investoren ja in diesem Detail auch nicht benötigt wird), behelfen wir uns mit einer gröberen Zuordnung, nämlich der Zuordnung auf die einzelnen Jahre der Nutzungsdauer.

Im ersten Schritt müssen wir also festlegen, wie lang dieser Amortisationszeitraum für die F&E Ausgaben sein soll.

Wie legen wir das für so etwas wie die Forschungs- und Entwicklungskosten fest?

Grundsätzlich würden wir sagen, dass die Amortisationsdauer umso länger ist, je länger es dauert, ein Produkt marktreif zu machen. Für eine Softwarefirma wie Microsoft wären das z.B. nur 2 bis 3 Jahre. Für einen Automobilhersteller vielleicht 5 bis 7 Jahre, weil die Produktzyklen entsprechend länger sind.

Sind wir sogar in der Lage die F&E Ausgaben einem bestimmten Produkt zuzuordnen, dann können wir einen noch einfacheren und direkteren Ansatz wählen. Hier gibt es zwei Szenarien:

  • das Produkt kann nicht zur Marktreife gebracht werden und das Entwicklungsprojekt wird gestoppt
  • es wird entschieden das Produkt kommerziell zu produzieren

Im ersten Fall wird sofort komplett abgeschrieben. Im zweiten Fall zwar wird ebenfalls direkt abgeschrieben. Allerdings wird der F&E Vermögenswert (ich komme gleich noch darauf was das ist) dann durch den realen Vermögenswert, das heißt z.B. die Anlage für die kommerzielle Produktion oder das eigentliche Softwareprodukt, ersetzt.


2. Die F&E Ausgaben bestimmen

Die F&E Ausgaben bzw. F&E Aufwendungen zu bestimmen ist in der Regel ganz einfach. Typischerweise wird F&E als Teil der sonstigen Betriebskosten direkt in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesen. Falls nicht direkt ersichtlich, sollte es mindestens im Anhang zum Jahresabschluss eine entsprechende Sektion geben.


3. Höhe des virtuellen F&E Vermögenswerts und Amortisation berechnen

Wenn wir also die Amortisationsdauer für die F&E Investition bestimmt haben (im Beispiel MSFT 3 Jahre) und die Forschungs- und Entwicklungsausgaben für die entsprechende Anzahl an Jahren aus dem Geschäftsbericht rausgeschrieben haben, dann können wir daraus bereits die für die Anpassung wesentlichen Zahlen, nämlich (1) die Amortisation für das laufende Jahr sowie (2) die Höhe des noch zu amortisierenden (virtuellen) Vermögenswertes berechnen.

Worum handelt es sich nun beim F&E Vermögenswert? Ganz einfach: Wenn wir die F&E Ausgaben wie eine Investition behandeln wollen, dann muss es analog z.B. zu einer Produktionsanlage natürlich auch einen entsprechenden Vermögenswert geben, den wir dann amortisieren bzw. abschreiben können.

Die Berechnung der Amortisation und des F&E Vermögenswerts für Microsoft können wir der folgenden Tabelle entnehmen:

Bei einer Amortisationsdauer von 3 Jahren (und bei linearer Amortisation) wird jeweils ein Drittel der F&E Investition der letzten 3 Jahre (Jahre -1 bis -3) noch im aktuellen Jahr (Jahr 0) abgeschrieben bzw. amortisiert. Für alle F&E Ausgaben der Vorjahre (Jahre -4 und vorher) sehen wir keine Amortisation mehr, da der virtuelle F&E Vermögenswert (der Buchwert der F&E Investition) bereits auf Null reduziert wurde. Die F&E Ausgaben des aktuellen Jahres werden erst ab dem Folgejahr entsprechend zu einem Drittel amortisiert.

Insgesamt ergibt sich hier für Microsoft eine Amortisation im Jahr 2016 von 11,8 Mrd. USD.

Den F&E Vermögenswert (Research Asset) ermitteln wir dann ganz einfach als den Anteil der F&E Ausgaben, der bisher noch nicht amortisiert wurde. Die F&E Ausgaben des aktuellen Jahres werden beispielsweise erst im Folgejahr zum ersten Mal amortisiert und gehen deshalb voll in die Berechnung des F&E Vermögenswertes ein.

Die gleiche Logik greift für die F&E Ausgaben der Vorjahre. Die Ausgaben des Jahres 2015 i.H.v. 12,0 Mrd. USD wurden ja im Jahr 2016 zum ersten Mal amortisiert, d.h. um ein Drittel (ca. 4,0 Mrd. USD) reduziert. Bleiben also noch ~8,0 Mrd. USD übrig, die in den kommenden zwei Jahren amortisiert werden müssen. Und so weiter.


4. Cash Flow Rechnung anpassen

Nun da wir die wesentlichen Kennwerte einmal bestimmt haben, können wir unsere Cash Flow Berechnung entsprechend anpassen. Dazu sind kleine Änderungen an drei Stellen erforderlich:

  1. am EBIT bzw. dem Nettogewinn als Startpunkt der Cash Flow Rechnung
  2. am Posten Abschreibungen & Amortisation
  3. an den Investitionen bzw. am CapEx

Anpassung des EBIT bzw. des Nettogewinns

Die folgende Tabelle stellt einmal eine vereinfachte Gewinn- und Verlustrechnung dar.

Aktuell werden die F&E Ausgaben als betriebliche Aufwendung behandelt und deshalb für die Ermittlung des EBIT vom Umsatz abgezogen (linke Seite der Tabelle).

Von der aktuellen Gewinn- und Verlustrechnung ausgehend, müssen wir also zwei Anpassungen vornehmen:

  1. wir müssen die aktuellen F&E Ausgaben (11,988 Mrd. USD) wieder zum Gewinn hinzuaddieren, weil wir diese ja von einer betrieblichen Aufwendung in eine Investition (also einen Cash Flow aus Investitionstätigkeit) umwandeln möchten
  2. analog zur Abschreibung müssen wir die oben berechnete Amortisation (11,279 Mrd. USD) nun bei der EBIT-Ermittlung berücksichtigen (also wie eine betriebliche Aufwendung vom Umsatz abziehen)

Im Summe erhöht sich unser EBIT dadurch nur geringfügig, weil tatsächliche F&E Ausgaben und berechnete Amortisation für MSFT in der gleichen Größenordnung liegen. Dies liegt vor allem daran, dass Microsoft über die letzten drei Jahre recht ähnliche Beträge in Forschung und Entwicklung investiert hat.

Was noch wichtig ist: Für die Berechnung des nachsteuerlichen EBITs in unserer FCFF-Berechnung berücksichtigen wir nach wie vor die tatsächlich gezahlten Steuern! Diese ändern sich ja nicht, nur weil wir ein paar Ausgaben auf dem Papier umklassifizieren.


Anpassung der Abschreibungen und der Investitionen bzw. des CapEx

Anschließend müssen wir die Änderungen der Gewinn- und Verlustrechnung noch richtig in der Cash Flow Berechnung berücksichtigen.

Für die Ermittlung des freien Cash Flow starten wir ja in der Regel beim nachsteuerlichen EBIT. Dann addieren wir Abschreibungen & Amortisation sowie andere nicht zahlungswirksame Bestandteile hinzu bevor wir abschließend die Investitionen abziehen.

Um Konsistenz mit der GuV herzustellen, müssen wir nun sowohl die Abschreibungen bzw. die Amortisation als auch den CapEx noch anpassen.

Was aber nicht sonderlich kompliziert ist:

Wir erhöhen einfach die Abschreibungen um den von uns oben ermittelten Wert (11,279 Mrd. USD). Die Abschreibungen bzw. die Amortisation, die wir für die Berechnung des EBIT vom Umsatz abziehen, müssen wir natürlich in gleicher Höhe für die Cash Flow Betrachtung wieder hinzuaddieren.

Die Investitionen erhöhen wir ebenfalls, und zwar um die tatsächlichen F&E Ausgaben des aktuellen Jahres. Diese haben wir ja bereits aus der EBIT-Ermittlung eliminiert. Nun müssen wir sie also nur noch wieder richtig berücksichtigen.

Mit diesen Anpassungen hätten wir nun die F&E Ausgaben schonmal richtig in unserer Cash Flow Rechnung berücksichtigt. Bleibt noch die Anpassung des investierten Kapitals. Diese hat ja einen Einfluss auf die Kapitalrendite, mit der wir im DCF-Modell das zukünftige Gewinnwachstum abschätzen.


5. Investiertes Kapital erhöhen

Auch die Anpassung des investierten Kapital bzw. dadurch auch der Kapitalrendite, ist nicht besonders kompliziert. Wir addieren einfach unseren F&E Vermögenswert (im Beispiel Microsoft sind das unsere 23,8 Mrd. USD) zum bereits existierenden investierten Kapital hinzu.

Und damit sind wir bereits fertig. Hier die resultierenden Änderungen für Microsoft:


Backup: Excel zum Download

Wie wir gesehen haben, ist die Umklassifizierung der F&E Ausgaben technisch recht leicht umzusetzen. Etwas komplizierter ist dagegen die Abschätzung der Amortisationsdauer für die F&E Ausgaben. Glücklicherweise können wir auch hier wieder auf die Arbeit von Aswath Damodaran zurückgreifen. Als Bestandteil seiner Vorlesung hat er einmal die Amortisationsdauern für die wesentlichen Industrien zusammen getragen.

Diese, wie auch die Berechnungslogik für die Anpassung der F&E Ausgaben findet ihr in einem kleinen Excel Tool, welches ihr euch in der Rubrik DIY Investor Tools runterladen könnt.

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