Modellierung Steuersatz Teil 2: Effektiv- versus Grenzsteuersatz

Ertragsteuern modellieren

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Ertragsteuern modellieren

In meinem Artikel zum Effekt des Tax Shields auf den Steuersatz bin ich bereits auf die Unterschiede zwischen operativen Steuern und Tax Shield eingegangen. In diesem Artikel möchte ich das Thema nun noch einmal etwas vertiefen und mich damit beschäftigen, wie wir den operativen Steuersatz für unser Zukunftsszenario am besten abschätzen können. Eine wesentliche Bedeutung kommt dabei den Unterschieden zwischen dem Grenzsteuersatz (Marginal Tax Rate) und dem Effektivsteuersatz (Effective Tax Rate) zu.

Die Wahl des Steuersatzes für die Unternehmensbewertung kann einen signifikanten Einfluss auf den von uns ermittelten intrinsischen Wert haben. Unterschiede zwischen dem effektiven und marginalen Steuersatz in der Größenordnung von 10% oder mehr sind nämlich keine Seltenheit.


Kontext: Grenzsteuersatz versus effektiver Steuersatz

Ist euch schonmal aufgefallen, dass der in der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) ausgewiesene effektive Steuersatz fast nie dem offiziellen Steuersatz bzw. dem Grenzsteuersatz entspricht?

Für Deutschland beispielsweise liegt der Grenzsteuersatz, der sich aus der Summe aus Körperschafts- und Gewerbesteuer zusammensetzt, bei ca. 30%:

Grenzsteuersatz Deutschland

Der Hebesatz ist übrigens von der jeweiligen Kommune abhängig, in der die Steuer erhoben wird. Im obigen Beispiel habe ich einmal den durchschnittlichen Hebesatz der freenet AG verwendet.

In der Realität zahlt ein Großteil der deutschen Unternehmen aber signifikant weniger als 30%… Bayer in 2018 z.B. inkl. Berücksichtigung des Tax Shield nur 26%, die freenet AG sogar nur 9,3%.


Ursachen für Abweichungen zwischen Effective und Marginal Tax Rate

Im Wesentlichen können wir sechs Ursachen für diese Unterschiede zwischen dem Effektivsteuersatz und dem Grenzsteuersatz festmachen:

  1. Oft werden für Handels- und Steuerbilanz unterschiedliche Rechnungslegungsgrundsätze verwendet. So kann es z.B. durchaus sein, dass in der Steuerbilanz andere Abschreibungsregeln gelten als in der Handelsbilanz (degressive versus lineare Abschreibung) und sich deshalb unterschiedliche zu versteuernde Gewinne ergeben. D.h. die zu zahlenden Steuern werden unter Umständen auf Basis eines anderen Gewinns ermittelt, als in der GuV ausgewiesen. In diesem Zusammenhang werden Steuergutschriften aus der Vergangenheit, vor allem die so genannten latenten Steuern auf Verlustvorträge (Net Operating Losses bzw. Tax Loss Carryforwards), oft genutzt, um die Steuern im aktuellen Jahr zu reduzieren
  2. Unternehmen können Steuerzahlungen unter Umständen in die Zukunft verlagern, was den effektiven Steuersatz heute zwar reduziert, in der Zukunft allerdings (möglicherweise) erhöht
  3. Steuerfreie Erträge, z.B. aus Veräußerungsgewinnen, und nicht abzugsfähige Aufwendungen, z.B. Teile der Aufsichtsratsvergütung oder Geldstrafen, können zu weiteren Abweichungen vom erwarteten Steuersatz (Grenzsteuersatz) führen
  4. Freibeträge und progressive Steuern können zu einer im Durchschnitt niedrigeren Steuerbelastung im Vergleich zur Marginal Tax Rate führen
  5. Unterjährige Steuersatzänderungen können ebenfalls zu Abweichungen vom erwarteten Steueraufwand führen
  6. International aufgestellte Unternehmen werden von verschiedenen Grenzsteuersätzen beeinflusst und können die zu zahlenden Steuern ggf. durch geschickte Steuervermeidungsstrategien (z.B. internationales Transfer Pricing) beeinflussen

Beispiel Bayer AG

Die Unterschiede zum Grenzsteuersatz können übrigens sowohl nach oben, als auch nach unten wirken, wie ihr an dem folgenden Beispiel der Bayer AG sehen könnt:

Grenzsteuersatz - Erwarteter Steuersatz Bayer AG

Überleitungsrechnung erwarteter nach effektiver Steuersatz für die Bayer AG; Quelle: Bayer Geschäftsbericht

Bei der Analyse der Überleitungsrechnung fallen ein paar Dinge ins Auge:

  • Aufgrund der internationalen Aufstellung lag der erwartete Steuersatz von Bayer in 2018 nicht bei 30, sondern nur bei 23,9%. (Schauen wir uns die gleiche Darstellung für freenet an, dann finden wir genau den oben ermittelten Satz von 30,4% wieder.)
  • Teile der in der Bilanz enthaltenen (aktiven) latenten Steuern auf Verlustvorträge sind langfristig nicht nutzbar und wurden deshalb entsprechend aufgelöst. Das kann z.B. daran liegen, dass Steuergutschriften resultierend aus aufgelaufenen Verlusten in manchen Fällen nur schwer auf andere Gesellschaften übertragen werden können
  • Es gibt so genannte “sonstige Effekte” in einer nicht zu vernachlässigenden Größenordnung. In diesem Beispiel sind diese übrigens auf die Integration von Monsanto sowie auf Wertminderungen auf den Geschäftswert der Consumer Health Sparte zurückzuführen

Implikationen für die Prognose des Steuersatzes

Anhand der komplexen Überleitung könnt ihr bereits erkennen, dass eine detaillierte Prognose des Steuersatzes quasi unmöglich erscheint.

Was wir aber sagen können:

  • Bestimmte Effekte, nämlich im Speziellen die Steuersatzänderungen und die sonstigen Effekte können wir als Einmaleffekte ansehen… diese sollten also in der Zukunft nicht mehr auftreten. Jedenfalls nicht in der gleichen Form
  • Die latenten Steuern auf Verlustvorträge können nur für eine gewisse Zeit genutzt werden und sind darüber hinaus in den meisten Geschäftsberichten transparent dargestellt
  • Das Auftreten ertragssteuerfreier Gewinne auf der einen und nicht abzugsfähiger Aufwendungen auf der anderen Seite hängt vom Geschäftsmodell ab. Bei Bayer z.B. können wir aufgrund der Produkthaftung ggf. von regelmäßigen Geldstrafen oder Bußgeldzahlungen ausgehen, die nicht abzugsfähig sind

Für unsere Prognose des Steuersatzes können wir uns also überlegen, ob wir bestimmte Effekte unter Umständen mit einem (zeitlich begrenzten) Abschlag auf den Grenzsteuersatz berücksichtigen wollen.


Prognose des Steuersatzes

Bevor wir in die Details der Prognose des operativen Steuersatzes einsteigen, sollten wir uns kurz Gedanken über den erforderlichen Umfang unserer Prognose machen. Im Wesentlichen gibt es da zwei Möglichkeiten:

  1. Wir möchten die kompletten Financials vorhersagen, d.h. die Bilanz sowie die GuV-Struktur bis hinunter zum Nettogewinn prognostizieren
  2. Uns reicht eine Prognose bis zum EBIT auf dessen Basis wir NOPAT und FCFF bereits ermitteln können

Im ersten Fall benötigen wir eine Prognose des Steuersatzes inklusive der Berücksichtigung des Tax Shield, im zweiten, einfacheren Fall, reicht uns der operative Steuersatz:

Grenzsteuersatz - Umfang der Prognose

Da sich der steuerliche Effekt des Tax Shield vereinfacht auf Basis der Marginal Tax Rate ermitteln lässt, konzentrieren wir uns hier auf die Prognose des operativen Steuersatzes.

Falls erforderlich lässt sich beides dann wieder analog zur bereits dargestellten Formel zusammenführen:

Durchschnittlicher Steuersatz auf den Vorsteuergewinn (EBT) = (Operativer Steuersatz x EBIT – Marginaler Steuersatz x Zinsaufwand) / EBT

Wir ermitteln die Steuern laut GuV also entsprechend der zukünftigen Werte für EBIT und Zinsergebnis (Nettoposition aus Zinsaufwand und Zinserträgen) durch simple Ausmultiplikation.

Eine Prognose der kompletten Financials (Vorgehen analog zum entsprechenden DIY Investor Artikel) hat übrigens unter anderem den Vorteil, dass wir die Effekte auf die finanzielle Stabilität inklusive der Verschuldung und damit die Implikationen auf mögliche Asset-Verkäufe oder Kapitalerhöhungen sehen können. Ich empfehle daher immer ein komplettes Set an Financials als Ausgangspunkt für die Bewertung zu modellieren. Der Zusatzaufwand dafür hält sich denke ich in Grenzen bzw. ist einmalig.

Prognose des operativen Steuersatzes: Effektiv- vs. Grenzsteuersatz

Die wesentliche Frage, die wir uns als Analysten im Hinblick auf die Steuern stellen: Sollen wir bei der Bewertung eines Unternehmens die (operativen) Unternehmenssteuern auf Basis des effektiven Steuersatzes ermitteln oder sollen wir doch lieber den Grenzsteuersatz zu Rate ziehen?

Aus meiner Sicht gibt es hier nicht wirklich einen One-Size-Fits-All Ansatz. Je nach Gegebenheit kann es manchmal sinnvoll sein, den Grenzsteuersatz zu verwenden (Option 1). Unter Umständen kommt aber auch eine Fortschreibung des aktuellen effektiven Steuersatzes oder ein Mittelweg in Frage (Option 2).


Option 1: Grenzsteuersatz und auf Nummer sicher

Der einfachste Ansatz zur Prognose des operativen Steuersatzes besteht in einer Fortschreibung des effektiven Steuersatzes in die Zukunft.

Allerdings können viele (bzw. besser: die meisten) der oben genannten Ursachen für Unterschiede zwischen Effektiv- und Grenzsteuersatz langfristig nicht aufrecht erhalten werden:

  • Wenn das Unternehmen aus der Wachstums- in die Übergangsphase eintritt und die Investitionen zurückgefahren werden, sollten sich die Unterschiede zwischen steuerrechtlichem und handelsrechtlichem Gewinn graduell verringern
  • (Aktive) latente Steuern auf Verlustvorträge sind zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgebraucht
  • Steuergutschriften können nicht bis in alle Ewigkeit vorgetragen werden
  • Irgendwann müssen Unternehmen ihre latenten Steuerschulden schließlich zahlen
Wenn wir also auf der sicheren Seite sein wollen (oder wenn unser Bewertungsmodell nur die Eingabe eines Steuersatzes für alle Jahre erlaubt), dann sollten wir den Grenzsteuersatz für unsere Cash Flow Berechnung verwenden.

Führen wir uns aber andererseits die Möglichkeiten vor Augen, die die Rechnungslegungsvorschriften den Unternehmen im Hinblick auf Steuerersparnisse eröffnen, dann belegen wir das Unternehmen durch die Nutzung des Grenzsteuersatzes ggf. mit einem zu hohen Penalty.


Berücksichtigung latenter Steuern auf Verlustvorträge (Net Operating Losses)

Aus diesem Grund sollten wir – sofern relevant – mindestens die latenten Steuern auf Verlustvorträge für die ersten Jahre als steuermindernd berücksichtigen.

Wenn ein Unternehmen nämlich keinen Gewinn bzw. Ertrag erzielt, dann muss es logischerweise auch keine Ertragssteuern zahlen… bei einem Verlust sollte es der Logik folgend sogar eine Steuererstattung geben. Diese Erstattung bekommt ein Unternehmen in der Realität zwar nicht. Es besteht jedoch die Möglichkeit, die Steuergutschrift in eine spätere Periode vorzutragen und mit zukünftigen Ertragssteuern zu verrechnen… was dann zu einer Steuerersparnis und einer Abweichung vom Grenzsteuersatz führt.

Bei dieser Ersparnis handelt es sich übrigens um die so genannten latenten Steuern aus Verlustvorträgen, wie sie Bayer in der obigen Überleitungsrechnung darstellt.

Für uns als Investoren gibt es nun zwei Möglichkeiten für den Umgang mit diesen Verlustvorträgen:

  1. Wir modellieren über die Zeit veränderliche Steuersätze. In den Anfangsjahren verrechnen wir die Verlustvorträge mit den erzielten Gewinnen bzw. die Steuern laut GuV mit den latenten Steuern aus Verlustvorträgen. Sobald die Verluste bzw. Steuergutschriften aufgebraucht sind, erhöhen wir den Steuersatz auf den Grenzsteuersatz
  2. Wir berechnen Gewinne bzw. Cash Flows konsequent mit dem Grenzsteuersatz und ziehen die Steuergutschrift aus den Verlusten im Nachgang in Gänze vom ermittelten intrinsischen Wert ab

Die zweite Option hat zugegebenermaßen den Nachteil, dass wir damit die Steuergutschrift sowohl als garantiert, als auch als unmittelbar eintretend annehmen. In der Praxis hängt die Höhe der realisierten Steuerersparnis aber natürlich von der Höhe der erzielten Gewinne ab. Insofern würde ich den Effekt wenn möglich bereits im Rahmen der Cash Flow Berechnung berücksichtigen.

Bei der expliziten Berücksichtigung von aufgelaufenen latenten Steuern auf Verlustvorträge sollten wir darauf achten, dass wir nicht doppelt zählen. Rechnen wir nämlich auf Basis des effektiven Steuersatzes, dann können wir davon ausgehen, dass die Nutzung dieser Steuergutschriften bereits berücksichtigt ist. Die Verlustvorträge sollten wir explizit also nur in Verbindung mit dem Grenzsteuersatz nutzen.

Option 2: Steuersatz in Abhängigkeit von der Wachstumsphase

Als Alternative zum Grenzsteuersatz bietet sich als zweite Option an, mit im Zeitablauf veränderlichen Steuersätzen zu arbeiten… die auf DIY Investor beschriebenen Ansätze bzw. Modelle geben das ja her.

Dabei können wir uns gut an den verschiedenen Wachstumsphasen des Unternehmens orientieren.


Kontext: Wachstumsphasen eines Unternehmens bzw. Stufen eines DCF-Modells

Bevor wir hier weiter ins Detail gehen, vielleicht nochmal etwas Kontext zur typischen Entwicklung eines Unternehmens (oder Produktes) über die Zeit. Es gibt einen so genannten Lebenszyklus, der in der Theorie aus fünf verschiedenen Phasen besteht. Im Rahmen der DCF-Bewertung unterscheiden wir je nach Unternehmen jedoch maximal drei solcher Phasen:

  • Wachstumsphase: Der Umsatz des Unternehmens – in dieser Phase nicht zwangsläufig auch der Gewinn – wächst auf Basis hoher Investitionen noch signifikant (vielleicht mit 15-20% pro Jahr). In diesem Zeitraum entstehen ggf. latente Steuern auf Verlustvorträge und andere aktive latente Steuern (Deferred Tax Assets), die in den Folgejahren abgebaut werden können bzw. sich umkehren
  • Übergangsphase: Die Wachstumsoptionen werden seltener bzw. schwerer zu realisieren. Beispielsweise befinden sich die verbleibenden “White Spots” nur noch in schwer zugänglichen oder regulierten Märkten, was zu einem langsameren Wachstum bzw. einem Wachstum zu unattraktiveren Margen führt
  • Langfristiges Plateau: Das Unternehmen hat sozusagen seinen “Steady-State” erreicht, d.h. die wesentlichen Produktmärkte des Unternehmens sind gesättigt, neue Innovationen sind nicht in Sicht und es besteht entsprechender Wettbewerb, der den Ausbau der Marktanteile reguliert. In einem solchen Umfeld wächst ein Unternehmen bestenfalls im Einklang mit der Gesamtwirtschaft

Natürlich gibt es Unternehmen, die es immer wieder schaffen, sich aufgrund ihrer Innovationskraft und einer geschickten Kapitalallokation des Managements weiterzuentwickeln und weiter zu wachsen. In unserer langfristigen Sicht auf ein Unternehmen würden wir damit aber nicht unbedingt kalkulieren.

Analog zu dieser mehrstufigen Entwicklung können wir nun auch den Steuersatz für unser Bewertungsmodell abschätzen. Das heißt wir gehen in der Wachstumsphase zunächst vom effektiven Steuersatz aus und modellieren dann einen graduellen Anstieg hin zum Grenzsteuersatz:

Modellierung Steuern - Grenzsteuersatz vs. Effektivsteuersatz

Unabhängig davon, wie wir mit den Steuern für die explizite Vorhersageperiode (Wachstumsphase) umgehen: Zur Berechnung des Endwerts (Terminal Value) sollten wir in jedem Fall den jeweiligen Grenzsteuersatz verwenden.


Weitere Aspekte

Sonderfall: Steuern multinationaler Konzerne

Wie wir am Beispiel der Bayer AG gesehen haben, werden die Gewinne aus verschiedenen internationalen Standorten planmäßig zu den im jeweiligen Land geltenden Grenzsteuersätzen besteuert.

Um nun den Grenzsteuersatz für ein multinationales Unternehmen zu bestimmen, haben wir im Wesentlichen vier verschiedene Möglichkeiten.

Die einfachste und beste Option besteht darin, den erwarteten Grenzsteuersatz aus der im Geschäftsbericht dargestellten Überleitungsrechnung zu entnehmen.

Liegt eine solche Rechnung nicht vor und wird auch im Fließtext des Geschäftsberichts oder in der Investorenpräsentation nichts über den erwarteten Steuersatz bzw. den Grenzsteuersatz erwähnt, dann haben wir noch ein paar weitere, teils zugegebenermaßen sehr impraktikable Möglichkeiten:

  1. Wir nutzen den Grenzsteuersatz des Landes, in dem das Unternehmen seinen Hauptsitz hat. Dabei treffen wir die implizite Annahme, dass die in anderen Ländern erzielten Gewinne irgendwann in dieses Land zurückgeführt und mit dem entsprechenden Grenzsteuersatz versteuert werden müssen. Dies setzt allerdings voraus, dass das Land des Hauptsitzes den höchsten Grenzsteuersatz im Konzern aufweist
  2. Wir verwenden einen gewichteten Durchschnitt der Grenzsteuersätze, wobei die Gewichtung auf den Gewinnen der einzelnen Länder basiert. Problematisch ist hier allerdings, dass unterschiedliche regionale Wachstumsraten zu über die Zeit veränderlichen Gewichtungen führen
  3. Wir halten die Gewinne der einzelnen Länder getrennt und wenden den jeweils gültigen Grenzsteuersatz an

Leider sind die letzten zwei Optionen – jedenfalls aus meiner Sicht – für viele private Investoren wenig praktikabel. Aus diesem Grund würde ich empfehlen, dass wir uns mit einer der Annäherungen begnügen.


Achtung: Cash Flow Berechnung auf Basis des Nettogewinns

Je nach dem, wie unser Bewertungsmodell aufgebaut ist, könnte es sein, dass wir den freien Cash Flow (speziell den Free Cash Flow to Equity oder FCFE) ausgehend vom Nettogewinn und mithilfe von Retained Earnings und Eigenkapitalrendite (ROE) prognostizieren.

In diesem Fall sollten wir im Rahmen der Normalisierung des Nettogewinns auch den zugrunde liegenden Steuersatz überprüfen und ggf. sogar den Return on Equity entsprechend adjustieren.

Ist der effektive Steuersatz aus irgendwelchen Gründen sehr hoch oder sehr niedrig, laufen wir nämlich leicht Gefahr, falsche Rückschlüsse aus der Cash Flow Entwicklung zu ziehen.


Konsistenz zu den Kapitalkosten

Die Konsistenz der verschiedenen Annahmen, die in die Erstellung eines Finanz- bzw. Bewertungsmodelles eingehen, ist wie ihr wisst nicht ganz unwichtig.

Aus diesem Grund sollten wir auch darauf achten, dass wir die Fremdkapitalkosten als Bestandteil der Gesamtkapitalkosten (WACC) konsistent zum Rest des Modells ermitteln.

Das heißt etwas konkreter: Wenn sich der Steuersatz für die Berechnung des NOPAT bzw. des freien Cash Flow über die Zeit ändert, dann sollte das auch in den nachsteuerlichen Fremdkapitalkosten und im WACC entsprechend berücksichtigt werden.


Fazit

Meist unterscheidet sich der von den Unternehmen gezahlte effektive Steuersatz signifikant vom gesetzlichen Grenzsteuersatz. Dies kann ganz verschiedene Ursachen haben, unter anderem Steuergutschriften auf Verlustvorträge, steuerfreie Erträge oder Steuersatzänderungen.

Als konservative und vorsichtige Investoren sollten wir für die Prognose der Ertragssteuern im Rahmen unseres Bewertungsmodells entweder (1) den Grenzsteuersatz verwenden oder aber (2) vom effektiven Steuersatz ausgehend einen graduellen Anstieg auf den Grenzsteuersatz modellieren. Zumindest der Endwert bzw. Terminal Value sollte in jedem Fall auf Basis der Marginal Tax Rate ermittelt werden.

Wir sollten darüber hinaus ggf. aufgelaufene Steuergutschriften aus Verlustvorträgen berücksichtigen und auf eine zu den Cash Flows konsistente Ermittlung der Kapitalkosten achten.

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