Es gibt einen Punkt, auf den ich im Zusammenhang mit der DCF-Bewertung bzw. allgemein im Zusammenhang mit der Betrachtung von Zukunftsszenarien noch nicht eingegangen bin: Wie gehen wir mit einem Umfeld hoher Inflation um, die auch bei uns aufgrund der massiven Geldmengen im Markt immer noch irgendwo am Horizont lauert. Oder anders gefragt: Sollten wir unser DCF-Modell eher auf Basis von nominalen oder realen – also inflationsbereinigten – Daten aufbauen?
In diesem Artikel möchte ich einmal ein paar wesentliche Aspekte zum Umgang mit der Inflation im Rahmen der Unternehmensbewertung eingehen.
DCF und Inflation
In einem Umfeld mit hoher Inflation (z.B. in einigen Emerging Markets) kann es sinnvoll sein, bestimmte Kenngrößen inflationsbereinigt (also in realen Werten) zu berechnen. Wenn wir z.B. den zukünftigen CapEx als prozentualen Anteil vom Umsatz ermitteln, dann kann es in einem inflationären Umfeld zu starken Verzerrungen kommen… dazu aber später mehr.
Eine hohe Inflation kann aus Bewertungssicht schon ab ca. 5% gegeben sein. Trotz des niedrigen Zinsniveaus sind die Inflationsraten aktuell in vielen Ländern allerdings sehr niedrig.
Ganz generell haben wir zunächst einmal zwei Möglichkeiten für eine Bewertung mithilfe des DCF-Verfahrens:
- Mit dem nominalen Bewertungsansatz berechnen wir die nominalen, also die nicht inflationsbereinigten Cash Flows und zinsen diese mit dem nominalen Zinssatz bzw. Diskontierungsfaktor ab
- Mit dem realen Bewertungsansatz bereinigen wir zunächst sowohl Cash Flows, als auch Diskontierungssatz und Wachstumsrate um die Inflation
Wichtig ist, dass wir bzgl. unserer Annahmen konsistent sind, also nominale Cash Flows mit nominalen Diskontierungssätzen (d.h. Kapitalkosten) abzinsen und umgekehrt.
Wenn wir die Umrechnungen richtig machen, dann sollten wir mit beiden Verfahren den gleichen intrinsischen Wert erhalten.
Nehmen wir einmal ein kleines Beispiel, in dem wir pro Jahr einen Cash Flow von 1.000 EUR erhalten, nominale Kapitalkosten von 15%, ein erwartetes Wachstum von 5% und eine erwartete Inflation von 2% haben:
Wie ihr sehen könnt, erhalten wir in beiden Fällen den gleichen intrinsischen Wert (von kleinen Rundungsdifferenzen einmal abgesehen) – bei den Finanzkennzahlen werden wir aber ggf. Unterschiede sehen.
Nominal vs. real: Forecast einzelner Kennzahlen
Es ist nun allerdings so, dass wir bestimmte Bestandteile unseres DCF-Modells einfacher (bzw. besser und zuverlässiger) prognostizieren können, wenn wir sie vorher um die Inflation bereinigen. Bei anderen Bestandteilen ist es wiederum einfacher, zunächst die nominalen Werte zu ermitteln und dann umzurechnen.
Konkret sollten wir drei wesentliche Themen beachten:
- Ertragssteuern: Steuern werden auf Basis von nominalen Gewinnen ermittelt. D.h. selbst wenn wir die Bewertung in realen Werten durchführen möchten, müssen wir zunächst einen nominalen Vorsteuergewinn (EBIT oder EBITA) ermitteln, um die Steuern richtig zu bestimmen. Anschließend können wir diese dann entsprechend um die Inflation bereinigen
- Net Working Capital: Die Änderungen der nominalen NWC-Cash Flows (Lagerbestandsänderungen, Änderungen der Forderungen und der Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen) ergeben zusammen die nominale Änderung des NWC. Die Änderungen der realen NWC-Cash Flows ergeben allerdings nicht die reale Änderung des NWC. Wir sollten also die Veränderung des Working Capital zunächst auf Basis der nominalen Umsatz- bzw. Kostenentwicklung berechnen und erst anschließend mithilfe der Inflationsrate in einen realen Wert umwandeln
- CapEx: In einigen DCF-Ansätzen ermitteln wir die Investitionen als prozentualen Anteil vom Umsatz. Da diese sich in einem Umfeld mit hoher Inflation oft nicht gleichförmig entwickeln, sollten wir den CapEx auf Basis der realen Umsatzentwicklung ableiten
Wenn ihr aufmerksam mitgelesen habt, dann habt ihr vielleicht bereits festgestellt, dass wir für die GuV bis hin zum Betriebsergebnis bzw. EBIT sowohl eine nominale, als auch eine reale Sicht benötigen:
- Wir benötigen den realen Umsatz zur Abschätzung des realen CapEx
- Wir benötigen den nominalen Umsatz bzw. die nominalen COGS zur Berechnung der nominalen NWC-Veränderung
- Wir benötigen den nominalen Vorsteuergewinn zur Abschätzung der nominalen Ertragssteuern
Haben wir die Bewertungs-relevanten Bilanzkennzahlen einmal nach der entsprechenden Logik ermittelt, dann können wir alle Kennzahlen entweder in eine reale oder aber in eine nominale Sicht umrechnen und unsere Bewertung durchführen.
Key Take Aways: Inflation und nominale versus reale Bewertung
In einem Umfeld mit hoher Inflation kann es sinnvoll sein, die Prognose der Cash Flows nicht auf Basis von nominalen Werten, sondern auf Basis von um die Inflation bereinigten realen Werten durchzuführen.
Ein konsistentes Set an Annahmen ist dabei essentiell. Das heißt, ein realer Cash Flow sollte mit einer realen Wachstumsrate wachsen und mit den realen Kapitalkosten abgezinst werden. Umgekehrt gilt das Gleiche.
Bzgl. der Ermittlung individueller Kennzahlen sollten wir allerdings darauf achten, zu welchem Zeitpunkt wir in reale Werte umrechnen (oder umgekehrt). Wir sollten beispielsweise die Veränderung des NWC zunächst nominal auf Basis ihrer Bestandteile (Veränderung Lagerbestände, Forderungen und Lieferantenverbindlichkeiten) ermitteln.
Weitere Ressourcen zur DCF-Bewertung
Einordnung des Discounted Cash Flow in die DIY Investor Bewertungslogik
Financials anpassen und aktuelle Cash Flows ermitteln:
- Cash Flows und Gewinne normalisieren – So geht’s
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- Das ABC des Free Cash Flow to the Firm (FCFF)
- IFRS 16 im DCF-Modell richtig berücksichtigen: So geht’s
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