Ich bin auf DIY Investor über die Zeit ja bereits auf verschiedene Bewertungsverfahren eingegangen. Relativ viel Gewicht hatte ich dabei auf die bekannte Discounted Cash Flow Methode (DCF-Methode) und Warren Buffett’s Owner Earnings Ansatz gelegt. Eine andere Methode zur Unternehmensbewertung – den EPV bzw. Earnings Power Value Ansatz – hatte ich hier und da zwar schonmal erwähnt (u.a. in meiner allgemeinen Übersicht zur Unternehmensbewertung), aber noch nicht im Detail erklärt.
Dies möchte ich mit diesem Artikel einmal nachholen und mich dem EPV über zwei Wege nähern:
- Aus der Perspektive der Financials (also der Ableitung aus der GuV bzw. der Kapitalflussrechnung)
- Aus der Modellierungsperspektive (also der konkreten Modellierung in Excel, Google Sheets etc.)
Zum Abschluss möchte ich dann nochmal kurz auf ein paar konkrete Anwendungsfälle für den Earnings Power Value Ansatz eingehen.
Kurz noch zur Info, bevor wir in die Inhalte einsteigen: Die deutsche Übersetzung von Earnings Power Value lautet offenbar Ertragswert bzw. Ertragswertverfahren (laut Linguee). Da dieser Begriff allerdings bei uns eher als allgemeiner Begriff für die Discounted Cash Flow-Methode verwendet wird (z.B. im Rahmen der Bewertung von Immobilien nach ImmoWertV oder der Unternehmensbewertung nach Standard IDW S1), bleibe ich hier einmal beim originalen englischen Terminus.
Intro Earnings Power Value (EPV)
Es gibt eine ganze Reihe an möglichen Klassifizierungen für die in der Praxis verwendeten Verfahren zur Unternehmensbewertung. Eine mögliche Herangehensweise ist die Einteilung in die folgenden zwei Kategorien:
- Bewertung auf Basis der Bilanz bzw. der vorhandenen Vermögenswerte (Liquidationswert bzw. NCAV, Ersatzwert etc.)
- Bewertung auf Basis der mithilfe der vorhandenen Assets erwirtschafteten Gewinne bzw. Cash Flows (Multiple-Ansätze, DCF, Owner Earnings etc.)
Ganz allgemein kann man vermutlich sagen, dass die Bewertungsmethoden auf Basis der Bilanz (das sind in der Regel die klassischen Deep Value Investing Ansätze à la Ben Graham) tendenziell zu sehr konservativen Bewertungen führen. Das gilt insbesondere deshalb, weil viele Unternehmen heutzutage mit einer relativ geringen Kapitalintensität (also quasi ohne große Produktionsanlagen etc.) hohe Cash Flows erzielen können.
Die Bewertungsmethoden auf Basis der erwirtschafteten Cash Flows, zu denen auch der Earnings Power Value Ansatz gehört, führen in der Regel zu höheren Unternehmenswerten. Diese Verfahren lassen sich außerdem nochmal weiter unterteilen in Equity- und Entity-Verfahren auf der einen, sowie Verfahren mit und ohne Berücksichtigung eines zukünftigen Wachstums auf der anderen Seite (auch nur eine von mehreren möglichen Klassifizierungen):
Wie ihr an der Darstellung sehen könnt, handelt es sich beim EPV-Ansatz um eine Bewertungsmethode, bei der wir zunächst einmal den allen Kapitalgebern zur Verfügung stehenden Cash Flow zugrunde legen (heißt Ergebnis der EPV-Bewertung ist im ersten Schritt der Enterprise Value). Bzgl. der zukünftigen Entwicklung der Cash Flows unterstellen wir allerdings im Gegensatz zum klassischen DCF-Ansatz ein Nullwachstum.
Bzgl. des Umfangs bzw. Scopes ist das Verfahren also äquivalent zu einer Bewertung auf Basis des Free Cash Flow to Firm (FCFF), bzgl. der Wachstumsannahme zu Buffett’s Owner Earnings.
Weil wir für die Ermittlung des EPV kein zukünftiges Umsatz- oder Gewinnwachstum unterstellen, können wir den resultierenden inneren Wert des Unternehmens bzw. des Eigenkapitals als recht konservativ ansehen.
Darüber hinaus hat die Unterstellung eines Nullwachstums noch zwei weitere Vorteile:
- Aufgrund der Nichtberücksichtigung einer Wachstumsprognose können wir einen großen zukünftigen Unsicherheitsfaktor in unserer Bewertung eliminieren. Wir bewerten das Unternehmen also sozusagen in seinem aktuellen Umfang
- Wir erhalten einen Hinweis darauf, ob und inwieweit das Management dazu in der Lage ist, die vorhandenen Vermögenswerte und Wettbewerbsvorteile des Unternehmens effektiv zu nutzen
Schauen wir uns nun einmal die konkrete Ermittlung des Earnings Power Value an.
Earnings Power Value aus der Perspektive der Financials
Starten wir unsere Betrachtung des Earnings Power Value-Ansatzes einmal aus der Perspektive der Financials bzw. des Jahresabschluss.
Um zu unserem inneren Unternehmenswert zu gelangen, gehen wir in zwei Schritten vor:
- Ableitung der nachhaltigen Ertragskraft (“Earnings Power”)
- Ermittlung des Earnings Power Value (EPV) aus der Ertragskraft unter Zuhilfenahme der Kapitalkosten (in diesem Fall des WACC, weil wir ja auf das Gesamtunternehmen und nicht nur auf das EK schauen)
Ergebnis dieser Berechnungen ist der so genannte Enterprise Value, also der Wert der operativen Assets eines Unternehmens.
Um aus dem Enterprise Value den inneren Wert des Eigenkapitals (Equity Value) bzw. den fairen Aktienkurs abzuleiten, müssen wir noch die Nettoverschuldung abziehen bzw. ggf. vorhandene weitere nicht-operative Vermögenswerte hinzuaddieren (z.B. Immobilienbesitz, Beteiligungen, stille Reserven etc.). Die Details hierzu könnt ihr im Artikel zur Ermittlung des Equity Value aus dem Enterprise Value nachlesen… aus diesem Grund gehe ich auf diesen Aspekt hier auch nicht weiter ein.
1. Ermittlung der nachhaltigen Ertragskraft (Earnings Power)
Die Ermittlung der nachhaltigen Ertragskraft bzw. des Earnings Power erfolgt auf der Basis von zwei wesentlichen Prämissen:
- Der aktuelle Gewinn, sofern entsprechend angepasst, entspricht dem langfristig nachhaltigen Level an verteilbaren (also für die Kapitalgeber zur Verfügung stehenden) Cash Flows
- Das Gewinn-Niveau bleibt im Wesentlichen bis ins Unendliche unverändert
Wir gehen also davon aus, dass die gegenwärtigen Erträge auf lange Sicht tragfähig sind. Ganz generell könnte die Überleitung vom Umsatz bzw. vom operativen Gewinn hin zum Earnings Power wie folgt aussehen:
Wir starten also mit einem normalisierten Umsatz, von dem wir anschließend die ebenfalls normalisierten Umsatz- und Betriebskosten abziehen. Das Ergebnis (d.h. den EBIT) reduzieren wir anschließend um die so genannten operativen Ertragsteuern und erhalten den NOPAT (den operativen Gewinn nach Steuern). Anschließend berücksichtigen wir noch die Differenz zwischen tatsächlichen Abschreibungen und Erhaltungsinvestitionen, sofern diese beiden Werte substantiell voneinander abweichen.
Earnings Power = Normal. Umsatzniveau x nachhaltige EBIT-Marge x (1 – Steuersatz) + Differenz aus Abschreibungen und durchschnittl. erforderlichem Erhaltungs-Invest
Bzgl. der Anpassungen bzw. Normalisierungen sind also drei Punkte ganz besonders hervorzuheben:
- Wir unterstellen für die Ermittlung der Ertragskraft ein normalisiertes Umsatzniveau sowie eine normalisierte operative Gewinnmarge (EBIT- oder EBITDA-Marge)
- Wir reduzieren die Investitionen um den Anteil, der bisher typischerweise in zukünftige Wachstumsprojekte investiert wurde (d.h. wir schauen nur auf den so genannten Instandhaltungs- oder Maintenance-CapEx)
- Wir gehen davon aus, dass für den Weiterbetrieb des Unternehmens im aktuellen Scope kein zusätzliches Betriebskapital (Working Capital) aufgebaut werden muss… die typischerweise in der Cash Flow Rechnung berücksichtigte Veränderung des Net Working Capital ist hier also gleich Null
Wie ihr seht, unterscheidet sich das von der Methodik her im Grunde genommen gar nicht so sehr von Warren Buffett’s Owner Earnings Ansatz.
Gehen wir aber auf die wesentlichen Themen nochmal etwas detaillierter ein.
Normalisierter operativer Gewinn bzw. Cash Flow (EBIT Adjusted)
Bei den angesprochenen Anpassungen des aktuellen Gewinns sollen wir vor allem die folgenden Punkte berücksichtigen (Liste ggf. nicht allumfassend):
- die aktuelle Position im Geschäftszyklus bzw. Lebenszyklus: Wir sollten also Umsätze und Gewinn-Marge für ein Boom-Jahr eher reduzieren, für ein Krisenjahr eher erhöhen (auf das von uns eingeschätzte Normalmaß)
- bei Betrachtung eines Unternehmens, welches sich noch in der Wachstumsphase befindet, sollten wir z.B. zusätzliche Marketing-Aufwendungen für die Erschließung neuer Märkte aus den operativen Aufwendungen herauskorrigieren. Gleiches gilt ggf. für R&D-Aufwendungen für die Entwicklung neuer Produkte
- die „regelmäßigen“ außergewöhnlichen Effekte: Sondereffekte bzw. “exceptional items”, die regelmäßig auftreten (oder jedenfalls immer mal wieder auftreten, wie z.B. Restrukturierungskosten), sollten wir für unsere Gewinnermittlung nicht komplett herausrechnen, sondern eher als Durchschnittswert ansetzen
- Abweichungen zw. GuV und Cash Flow: Bestimmte nicht-zahlungsrelevante Aufwendungen sollten wir nicht korrigieren (wie z.B. aktienbasierte Vergütungen), andere allerdings schon (i.W. die Amortisation von Goodwill)
- CapEx-ähnliche Aufwendungen: Hier geht es insbesondere um die Umklassifizierung der F&E-Kosten als Investitionen (ist aber aus meiner Sicht eher als optional anzusehen)
Wir können unsere Annahmen für das nachhaltige Umsatz- und EBIT-Niveau am Ende nochmal überprüfen, indem wir z.B. den 5- oder 7-Jahres-Durchschnitt zu Rate ziehen. Dieser Durchschnitt sollte einerseits über einen gesamten Zyklus betrachtet werden – also mindestens einen Konjunkturabschwung und einen äquivalenten Aufschwung enthalten. Andererseits sollte er aber auch nicht zu weit in die Vergangenheit reichen, um verzerrende Effekte aus einem veränderten Marktumfeld (z.B. einer steigenden Wettbewerb) nicht mit zu erfassen.
Das Ziel all dieser Anpassungen ist es, eine realistische Abschätzung des aktuellen, nachhaltig erzielbaren und für alle Kapitalgeber (also FK- und EK-Geber) zur Verfügung stehenden Cash Flows zu erhalten.
Operative Ertragsteuern
Nachdem wir den normalisierten operativen Cash Flow bzw. EBIT ermittelt haben, müssen wir diesen im nächsten Schritt um die erwartete Steuerlast vermindern (unter der Annahme, dass kein aus den Fremdkapitalzinsen resultierender Tax Shield die Steuerlast weiter vermindert).
Im einfachsten Fall multiplizieren wir einfach den ermittelten EBIT Adj. mit dem Faktor (1 – Steuersatz). um die so genannten operativen Steuern zu berücksichtigen:
NOPAT = EBIT x (1 – Steuersatz)
Für die Annahme des realistischen Steuersatzes gibt es nun verschiedene Möglichkeiten:
- wir können zum einen den marginalen bzw. gesetzlich vorgegebenen Steuersatz verwenden. Für ein deutsches Unternehmen wären das ca. 30% (Summe aus Körperschafts- und Gewerbesteuer)
- alternativ können wir den durchschnittlichen Ertragsteuersatz über den letzten Geschäftszyklus verwenden
- die dritte Option besteht in der Annahme des aktuellen Effektivsteuersatzes
In einem Szenario ohne nachhaltiges Wachstum ist vermutlich der Ansatz des gesetzlichen Steuersatzes die beste Wahl. Mindestens sollten wir uns etwas mit den Ursachen der historischen Abweichungen zwischen gesetzlichem und effektivem Steuersatz sowie auch der Entwicklung der latenten Steuern beschäftigen.
Maintenance CapEx
Neben den Anpassungen von Umsatz und EBIT-Marge können die für die Aufrechterhaltung des aktuellen Geschäfts tatsächlich erforderlichen regelmäßigen Erhaltungsinvestitionen einen wesentlichen Einfluss auf die nachhaltige Ertragskraft haben.
Bevor wir diese substanzerhaltenden Investitionen jedoch vom ermittelten operativen Gewinn abziehen können, müssen wir zunächst die (buchhalterischen) Abschreibungen des abgelaufenen Jahres wieder zum operativen Nachsteuergewinn (NOPAT) hinzuaddieren.
Bisher waren diese Abschreibungen ja sozusagen als Proxy bzw. Annäherung für die tatsächlichen Investitionen in die Berechnung des EBIT bzw. Cash Flow eingeflossen (und natürlich als Tax Shield / Abzugsposten zur Minderung der Steuerlast).
Hier einmal beispielhaft die Informationen zur Aufteilung des geplanten CapEx aus dem Geschäftsbericht / 10-K von Abercrombie & Fitch aus 2003 (schaut euch bei Interesse auch einmal die Fallstudie zur Bewertung von A&F aus der Joel Greenblatt-Vorlesung an der CBS an):
Aufteilung der geplanten Investitionen von Abercrombie & Fitch in 2004; Quelle: A&F Geschäftsbericht 2003
In diesem Fall konnte man den Maintenance CapEx relativ einfach aus den zu den geplanten Investitionen bereitgestellten Informationen herauslesen.
Interessant bzw. für unsere Überlegungen bzgl. der Ableitung der Ertragskraft höchst relevant ist die Tatsache, dass von den insgesamt angesetzten Investitionen i.H.v. ca. 115 Mio. USD nur ca. 50 Mio., also ungefähr 45%, auf die Erhaltung des bestehenden Geschäfts entfielen… in diesem Fall die Erneuerung der Einrichtung einzelner Stores sowie die Aktualisierung bzw. Weiterentwicklung der übergeordneten IT-Infrastruktur. Der Rest war für die Eröffnung neuer Ladengeschäfte geplant (also zukünftiges Wachstum, welches wir ja bei der Betrachtung der nachhaltigen Ertragskraft erstmal ausblenden wollen).
Nur nochmal für euch als Vergleichsmaßstab: A&F erwirtschaftete in 2003 einen operativen Gewinn von ca. 300 Mio. USD (vor FK-Zinsen und Ertragsteuern)… 65 Mio. USD mehr oder weniger macht also für die Ertragskraft in diesem Fall bereits einen großen Unterschied.
Oder mit anderen Worten: Hätte also A&F damals seinen Wachstumskurs einfach verlassen und sich stattdessen auf den nachhaltigen Betrieb der bereits vorhandenen Ladengeschäfte fokussiert, dann hätte der Gewinn bzw. EBIT sprunghaft um plusminus 65 Mio. USD ansteigen müssen.
Schlussfolgerung: Die tatsächliche Ertragskraft kann also durchaus viel höher sein, als die tatsächlichen Gewinnkennzahlen auf den ersten Blick suggerieren.
Exkurs: Leasingverträge und Maintenance CapEx
Ein weiterer ggf. als Bestandteil des Maintenance CapEx zu berücksichtigender Aspekt sind die Leasingverträge nach IFRS 16.
Nach der neuen IFRS 16 Regelung enthält die GuV nämlich eine mit den Leasingverträgen in Verbindung stehende Abschreibung sowie auch einen zugehörigen Zinsaufwand.
Der entsprechende CapEx fehlt in der Kapitalflussrechnung allerdings, weil es sich ja nicht um einen echten Cash-Abfluss handelt.
Bei unserer Abschätzung des Maintenance CapEx sollten wir also darauf achten, noch einen gewissen Anteil zusätzlich für die “virtuellen” Re-Investments in geleaste Vermögenswerte zu berücksichtigen… oder alternative die gesamte Leasingrate als operative Aufwendung zu erfassen.
2. Ermittlung des EPV
Wenn wir die nachhaltige Ertragskraft (Earnings Power) des Unternehmens einmal bestimmt haben, ist die Ermittlung des Earnings Power Value eigentlich nur noch Formsache:
Earnings Power Value (EPV) = Ertragskraft x 1/WACC = Earnings Power x 1/WACC
Wie ihr sehen könnt, übersetzen wir die Ertragskraft mithilfe der Formel für die ewige Rente in den Unternehmenswert bzw. Enterprise Value.
Für diese Kalkulation benötigen wir als weiteren Input lediglich die gewichteten Gesamtkapitalkosten (bzw. die Weighted Average Cost of Capital). Wie diese ermittelt werden, könnt ihr am besten direkt im zugehörigen Artikel zur Ermittlung des WACC nachlesen.
Modellierungsperspektive: EPV = DCF mit Null-Wachstum
Aufgrund der vorgenommenen Vereinfachungen eignet sich der EPV-Ansatz besonders gut für eine überschlägige erste Bewertung ohne die Zuhilfenahme eines komplexen Excel Valuation-Modells. Dies hat insbesondere mit der Annahme der Fortschreibung der Cash Flows bis ins Unendliche und damit der Unterstellung einer ewigen Rente zu tun… lässt sich auch im Kopf einfach viel leichter überschlägig rechnen.
Aber auch wenn wir bereits ein etwas detaillierteres Bewertungs-Tool z.B. in Excel erstellt haben und dieses gerne für die Ermittlung des Earnings Power Value nutzen möchten, können wir dieses ohne größere Anpassungen direkt tun.
Schlussendlich handelt es sich bei der EPV-Kalkulation ja im Grunde genommen “nur” um eine DCF-Bewertung, bei der wir über den gesamten Betrachtungshorizont – also Detailplanungs- und Terminal Value-Phase – eine einheitliche Wachstumsrate von 0% unterstellen.
Wichtig ist in diesem Kontext dann vor allem, dass wir über die Wachstumsrate hinaus auch die relevanten Ratios bzw. Kenngrößen korrigieren… insbesondere natürlich den Investitionsbedarf je EUR oder USD Umsatz zur Ermittlung der Investitionen.
Anwendungsfälle des Earnings Power Value
Aus der eben dargestellten Analogie zur DCF-Bewertung wird relativ schnell klar, dass die Anwendung des Earnings Power Value Ansatzes nur sinnvoll erscheint, wenn das betrachtete Unternehmen im aktuellen Setup bereits einen positiven Cash Flow erwirtschaftet bzw. mindestens nach Zurückfahren der Wachstumsinvestitionen einen positiven Cash Flow erwirtschaften würde bzw. könnte.
Der EPV eignet sich deshalb aus meiner Sicht ganz generell vor allem für so genannte Zykliker, für Restrukturierungsfälle (Peter Lynch bezeichnet diese als Turnarounds) sowie für etablierte, Cash Flow-positive Unternehmen mit einem überschaubaren Wachstum.
Für Unternehmen in einem etwas früheren Stadium könnte der EPV-Ansatz ggf. nach Unterstellung einer gewissen Wachstumsphase sinnvoll sein… heißt also z.B. für 5 weitere Jahre zunächst Realisierung eines gewissen Wachstumspotenzials und für die Ermittlung des Endwertes dann Unterstellung eines Null-Wachstums inklusive des beschriebenen Zurückfahrens der bisher aufgewendeten Mittel für die Erzielung weiteren Wachstums (Opex und CapEx).
Zusammenfassung und Key Take Aways
Der Earnings Power Value bzw. EPV Ansatz ist eine Methode zur Unternehmensbewertung, die auf der Annahme eines zukünftigen Null-Wachstums basiert.
Damit ist der EPV vergleichbar mit dem Owner Earnings Ansatz von Warren Buffett, unterscheidet sich von diesem allerdings im Hinblick auf den Bewertungsumfang. Während Buffett quasi vom Start weg nur auf die für die Eigentümer zur Verfügung stehenden Cash Flows schaut, nimmt der Earnings Power Value Ansatz im ersten Schritt eine Gesamtunternehmensperspektive ein (Equity Value versus Entity bzw. Enterprise Value).
Aus der Perspektive der konkreten Modellierung in Excel entspricht der Earnings Power Value im Grunde einem DCF-Ansatz, bei dem über den gesamten Betrachtungshorizont (also Detailplanungs- und Terminal Value-Phase) eine Wachstumsrate von Null unterstellt wird.