Ansätze zur Abschätzung der Eigenkapitalkosten

Ansätze zur Abschätzung der Eigenkapitalkosten

Inhalt

Neben den Fremdkapitalkosten sind die Eigenkapitalkosten der zweite wichtige Input für die Berechnung der Gesamtkapitalkosten bzw. des WACC (Weighted Average Cost of Capital). Den WACC selbst benötigen wir für die Abzinsung unserer Cash Flows im Rahmen der DCF-Bewertung oder auch für die Berechnung des Earnings Power Value.

In diesem Artikel möchte ich deshalb einmal auf die verschiedenen Ansätze zur Bestimmung der Eigenkapitalkosten eingehen.


Was du in diesem Artikel lernst

  • Welche verschiedenen Ansätze zur Bestimmung der Eigenkapitalkosten es gibt
  • Was diese alternativen Ansätze vom Capital Asset Pricing Modell unterscheidet
  • Wie Aswath Damodaran, Bruce Greenwald, Glenn Greenburg und Joel Greenblatt über die Eigenkapitalkosten nachdenken
  • Warum Warren Buffett bei den Eigenkapitalkosten keinen Aufschlag für die Aufnahme eines höheren Risikos berücksichtigt

Verschiedene Ansätze zur Bestimmung der Eigenkapitalkosten

Auch für die Bestimmung der Eigenkapitalkosten gibt es verschiedene Wege und Ansätze.

Da gibt es zum einen das weitläufig bekannte und speziell unter Value Investoren viel diskutierte und kritisierte Capital Asset Pricing Modell.

Zum anderen gibt es aber z.B. auch die Ansätze von Bruce Greenwald, Warren Buffett oder Glenn Greenburg, die mit dem ganzen Thema etwas pragmatischer umgehen. Unter anderem schlägt ja auch Warren Buffett vor, nicht zu viel Zeit mit der Berechnung von Betas etc. zu verschwenden und stattdessen lieber das Unternehmen, das Geschäftsmodell, den Wettbewerbsvorteil, die Qualität des Managements etc. zu verstehen.

Hier einmal die mir bekannten Ansätze im Überblick, jeweils inkl. der Verfechter des jeweiligen Ansatzes (in vielen Fällen habe ich versucht, die meistens qualitativen Ansätze auf Basis meiner eigenen Interpretation etwas zu konkretisieren – was natürlich auch falsch sein kann).


Aswath Damodaran et. al.: Capital Asset Pricing Model (CAPM)

Der bekannteste und am weitesten verbreitete Ansatz zur Bestimmung der Eigenkapitalkosten ist das so genannte Capital Asset Pricing Modell oder auch kurz CAPM genannt. Dieser Ansatz wird an den meisten Business Schools und Universitäten gelehrt und ist unter anderem auch Teil des CFA Curriculums.

Nach dem CAPM werden die Eigenkapitalkosten nach der folgenden Formel ermittelt:

Eigenkapitalkosten = Risikofreier Zinssatz + Beta x Risikoprämie

Nach dieser Logik verdienen wir mit jeder Anlage mindestens den risikofreien bzw. risikolosen Zinssatz. Das Risiko des spezifischen Investments definiert dann, welche Risikoprämie wir darüber hinaus für die Aufnahme dieses Risikos verlangen sollten.

Für die Abschätzung der Eigenkapitalkosten nach dem CAPM brauchen wir dem entsprechend die folgenden drei Inputs:

  • den risikofreien Zinssatz
  • die Eigenkapitalrisikoprämie (auch ERP bzw. Equity Risk Premium)
  • das relative Risiko (den so genannten Beta-Faktor)

Wie bestimmen wir nun die einzelnen Bestandteile? Gehen wir einmal einzeln durch:


Risikoloser Zins

Den risikofreien Zins finden wir z.B. für 30-jährige Bundesanleihen bei Finanzen.net oder für die USA direkt beim US Finanzministerium. Aktuell liegt der Zinssatz für 30-jährige Treasuries bei ca. 3%.


Equity Risk Premium

Die Eigenkapitalrisikoprämie (ERP) ist das Premium, welches wir über den risikofreien Zinssatz hinaus benötigen, um z.B. in Aktien zu investieren. Die Höhe des Risikopremiums hängt davon ab, für wie risikoreich wir eine Aktienanlage im Vergleich zu einer Anleihe oder einem Festgeldkonto halten. Nach dem CAPM geht es hier übrigens erstmal nicht um das einzelne Unternehmen, welches wir bewerten möchten, sondern nur um Aktien als allgemeine Anlageklasse. Die langfristige historische Risikoprämie für US-Aktien lag z.B. im Durchschnitt bei ca. 4-5%.


Beta

Für die Abschätzung des zusätzlichen Risikos einer bestimmten Aktie nutzen wir dann den Beta Faktor. Der Beta Faktor ist nun dazu da, um das spezifische Risiko eines Einzelwertes im Vergleich zum Gesamtmarkt abzubilden. Wir haben also eine allgemeine Risikoprämie wie oben definiert und erhöhen bzw. verringern diese in Abhängigkeit vom relativen Risiko des Einzelwertes im Vergleich zum Markt. Ist eine Aktie z.B. als risikoreicher als der Markt einzustufen, dann ist der Beta Faktor größer als 1. Ist eine Aktie weniger risikoreich, dann ist der Faktor kleiner als 1. Dies überträgt sich dann direkt in höhere bzw. niedrigere Kapitalkosten.

Der wesentliche Kritikpunkt am Capital Asset Pricing Modell ist die Sicht auf das Investitionsrisiko. Eine Aktie wird nämlich dann als risikoreicher eingeschätzt, wenn der Marktpreis stärker schwankt als der gesamte Aktienmarkt (Beta >1). Das heißt nach der CAPM-Logik hängt das Risiko also gar nicht vom Unternehmen, dem Geschäftsmodell, dem Wettbewerb im Markt etc. ab. Das ist aus Sicht vieler Value Investoren natürlich nur wenig sinnvoll.


Mehr hierzu findet ihr in meinen Artikeln zum Capital Asset Pricing Modell und zur Bottom-up Abschätzung des Beta.

Bruce Greenwald: Eigenkapitalkosten auf Basis einer qualitativen Beurteilung

Ein alternativer Ansatz wird von Bruce Greenwald in seinem Buch Value Investing  aus 2004 vorgestellt. Greenwald sagt über die Kapitalkosten im Allgemeinen:

The riskier the investment, the higher the cost of capital should be, but to say a great deal more with both confidence and precision is presumptous. – Bruce Greenwald in Value Investing

Bruce Greenwald - Value Investing

Wir sollten also bei der Bestimmung der Eigenkapitalkosten nicht zu genau sein wollen. Dem entsprechend startet Greenwald mit einer Bandbreite an Eigenkapitalkosten:

  • Am unteren Ende ist das mehr oder weniger sichere Investment mit dem jeweiligen risikolose Zinssatz plus ein bis zwei Prozentpunkten
  • Am oberen Ende stehen die Venture Capital Fonds, die einen Return um die 20% (im Buch nennt Greenwald 18% gegen Ende der 1990er Jahre) erzielen müssen, um Kapital von Investoren zu bekommen

Die meisten Investments, die wir uns anschauen, werden irgendwo dazwischen liegen. Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist folgende: Wie hoch müssen die Eigenkapitalkosten eigentlich sein, damit Investoren ihr Geld einem bestimmten Unternehmen zur Verfügung stellen (im Vergleich zu anderen im Markt verfügbaren Alternativen)?

Analogie: Wieviel müsste ein Unternehmen eigentlich einem potenziellen Mitarbeiter zahlen, damit er sich nicht für die Konkurrenz entscheidet?

Der Greenwald-Ansatz ist speziell für uns als Value Investoren charmant, weil er uns dazu zwingt, über das Business und das finanzielle Risiko des jeweiligen Unternehmens nachzudenken. Je mehr Unternehmen wir uns angeschaut und je öfter wir die Risiken bewertet haben, desto leichter wird es uns fallen, die Unternehmen entsprechend einzuordnen.

Greenwald definiert das Investitionsrisiko also analog zu Buffett (und den meisten anderen Value Investoren) als Risiko im Geschäftsmodell des jeweiligen Unternehmens (und nicht als Preisschwankung der Aktie).


Joel Greenblatt: Die Returnziele anderer, einflussreicher Investoren nutzen

Eine weitere Möglichkeit zur Abschätzung der Eigenkapitalkosten ist die Befragung anderer (großer) Investoren, z.B. die Nutzung von Hurdle Rates institutioneller Investoren. Dieser Ansatz wird offenbar unter anderem von Joel Greenblatt, dem Erfinder der Börsen Zauberformel, verwendet.

Schwierigkeit hierbei: Wir müssen natürlich erstmal die Annahmen der entsprechenden Investoren kennen, was aus meiner Sicht vermutlich aber eine langjähriger Erfahrung und/oder einen direkten Zugang zu den Investoren erfordert.


Glenn Greenberg: Den eigenen Zielreturn nutzen

Es gibt natürlich auch die Möglichkeit, unsere eigene Zielrendite als Diskontierungsfaktor bzw. als Substitut für die Eigenkapitalkosten zu verwenden.

Auch dies wird von einigen Value Investoren gemacht. Glenn Greenberg von Brave Warrior Capital zum Beispiel nutzt angeblich 15% für alle seine Investments. Wenn der Preis entsprechend niedrig ist und einen Return von mindestens 15% pro Jahr verspricht, dann kauft Greenberg.

Eine zusätzliche Sicherheitsmarge wie Buffett und andere nutzt Greenberg allerdings dann offenbar nicht noch zusätzlich.


Warren Buffett: Von vornherein nur in extrem sichere Unternehmen investieren

Schlussendlich kommen wir noch zu Warren Buffett. Auch er hat einen ganz eigenen Ansatz. Dieser ist dem von Bruce Greenwald nicht ganz unähnlich, allerdings noch etwas radikaler.

Wenn wir Warren Buffett’s Aussagen zu den Kapitalkosten in den Berkshire Shareholder Lettern richtig interpretieren, dann nutzt Buffett keinen höheren Zinssatz als Kompensation für zusätzliches Risiko. Für ihn ist eine Investitionsentscheidung schwarz oder weiß: Entweder ein Investment hat einen ausreichenden Grad an Sicherheit und damit aus seiner Sicht ein sehr niedriges Risiko oder eben nicht.

Im ersten Fall nutzt Buffett dann so etwas wie den risikofreien Zins plus ein oder zwei Prozentpunkte (dieser Ansatz wird auch von Greenwald als mögliche Option genannt). Im zweiten Fall investiert Buffett einfach nicht.


Mehr dazu, wie Warren Buffett sein Risiko minimiert und zu einer inneren Überzeugung bzgl. eines Investments gelangt, lest ihr in meinem Artikel 5 Kriterien, um das Investitionsrisiko einer Aktie abzuschätzen.

Fazit

Es gibt grundsätzlich verschiedene Ansätze zur Bestimmung der Eigenkapitalkosten. Im Grunde genommen können wir alle diese Ansätze aber in zwei Kategorien einteilen:

  • Das weit verbreitere und an den meisten Unis gelehrte Capital Asset Pricing Modell (CAPM)
  • Die auf Basis der tatsächlichen Geschäftsmodellrisiken abgeleiteten Eigenkapitalkosten der meisten Value Investoren

Die Eigenkapitalkosten sollten höher sein, je höher das Investitionsrisiko eines Investments ist. Der große Unterschied zwischen den beiden Kategorien besteht nun genau in der Definition dieses Investitionsrisikos.

Das CAPM definiert Investitionsrisiko als Preisschwankung bzw. Preisvolatilität gegenüber dem Markt (also z.B. dem DAX). Die Ansätze der meisten Value Investoren schätzen das Investitionsrisiko ab, in dem sie sich das Unternehmen ansehen und versuchen zu verstehen, welche Risiken in Geschäftsmodell, Wettbewerbsvorteil etc. verborgen sind.

Kennt ihr weitere Ansätze zur Bestimmung der Eigenkapitalkosten? Habt ihr ggf. sogar einen eigenen Ansatz entwickelt? Dann lasst es mich wissen (per Kommentar unten oder auch per Mail) und ich werde den Artikel noch entsprechend ergänzen.


Weitere Ressourcen zur DCF-Bewertung

Einordnung des Discounted Cash Flow in die DIY Investor Bewertungslogik

Financials anpassen und aktuelle Cash Flows ermitteln:

Cash Flows prognostizieren

Den Abzinsungsfaktor bestimmen

Das Unternehmen bewerten

1 Kommentar zu „Ansätze zur Abschätzung der Eigenkapitalkosten“

  1. Ich finde, dass man doch einfach die Lehre der Unternehmensbewertung nehmen kann und dann nach subjektiv/funktional (>schon bestimmt 50 Jahre alt) und marktorientiert unterscheiden kann (man könnte auch deutsch/österreich vs. angelsächsisch sagen).
    M.E. sind selbstgewählte EK-Kosten nur eine Subjektivierung der ansonsten nur schlecht zu gebrauchenden marktorientierten Methoden (oder wie ein hochrangiger M&A Berater mal meinte: Wenn uns der ermittelte Preis nicht gefällt, verändern wir die EK-Kosten und sagen es wäre marktgerecht.)

    CAPM ist zwar ein schöner Gedanke in der Form in der es den Nobelpreis bekommen hat – in der gängigen Anwendung kommt man von Abschätzung zu Annahme etc. bei einem Modell in dem der Wert des Unternehmens für alle Marktteilnehmer exakt dem Preis entspricht > per Definition also kein Handel am Markt stattfindet. Nicht realitätsnah oder?

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Weitere relevante Artikel zum Thema

Warenkorb
Nach oben scrollen