Weniger ist mehr: Cash Flow Prognose für die DCF-Bewertung

Cash Flow Prognose

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Cash Flow Prognose

Haben wir im Rahmen der Discounted Cash Flow Modellierung die historischen Cash Flows (FCFF bzw. FCFE) einmal vom Nettogewinn oder vom EBIT ausgehend abgeleitet und ggf. für das laufende Jahr normalisiert, dann können wir uns Gedanken über die Vorhersage der Cash Flows machen. Haben wir uns für ein mehrstufiges Discounted Cash Flow Modell entschieden, dann bekommt die Cash Flow Prognose bzw. die Prognose der Cash Flow bzw. EBIT Wachstumsrate g eine besondere Gewichtung.

In diesem Artikel möchte ich einmal darauf eingehen, welche Ansätze zur Prognose der Wachstumsrate es gibt und was aus meiner persönlichen Sicht die Vor- und Nachteile der einzelnen Ansätze sind.

Wie ihr außerdem sehen werdet, können wir bzgl. der Cash Flow Prognose beliebig tief in die Details abtauchen. Warum das in den meisten Fällen aber keinen Sinn macht und warum ein einfacher Ansatz im Zweifel besser ist, darauf werde ich ebenfalls kurz eingehen.

Wenn ich übrigens im Folgenden über den Cash Flow, freien Cash Flow bzw. Free Cash Flow (FCF) spreche, dann meine ich in der Regel den Free Cash Flow to Firm (FCFF) bzw. Free Cash flow to Equity (FCFE) auf deren Basis wir typischerweise eine Discounted Cash Flow Bewertung durchführen würden.


Was du in diesem Artikel lernst

  • Welche Standardansätze es für die Cash Flow Prognose bzw. die Prognose der Wachstumsrate gibt
  • Was die Vor- und Nachteile dieser Ansätze sind
  • Warum wir uns nicht auf historische Daten oder Analystenprognosen stützen sollten
  • Wie wir konkret bzgl. der Abschätzung der Cash Flows vorgehen können und warum ein einfacher Ansatz oft besser ist

Zwei Standardansätze für die Cash Flow Prognose

Erstmal gibt es grundsätzlich zwei Standardansätze, mit denen wir die Cash Flows für die Discounted Cash Flow Bewertung vorhersagen können.

  1. Direkte Vorhersage der Free Cash Flows
  2. Vorhersage der einzelnen Komponenten zur Cash Flow Berechnung

1. Direkte Vorhersage der Cash Flows bzw. des EBIT

Bei der direkten Vorhersage der Free Cash Flows starten wir bei den historischen FCFFs bzw. FCFEs. Bei der Prognose gehen wir dann davon aus, dass das Wachstum konstant und die fundamentalen Faktoren unverändert bleiben.

Wir würden nach dieser Methode zum Beispiel den freien Cash Flow des letzten abgelaufenen Geschäftsjahres berechnen und dann annehmen, dass dieser Cash Flow in den nächsten vier Jahren um jeweils 8% und danach bis ins Unendliche um 4% wächst. Dies wäre äquivalent zum zweistufigen DCF-Ansatz.

Aus meiner Sicht hat diese Methode klar den Nachteil, dass die Transparenz über die Entwicklung der Cash Flows sehr gering ist, weil wir die Wachstumsrate auf diesem Wege eigentlich nur aus der historischen Entwicklung der Cash Flows ableiten können.

Etwas differenzierter können wir vorgehen, indem wir für die Cash Flow Prognose zunächst die Wachstumsrate des EBIT ableiten. Dies machen wir, indem wir uns ansehen, wie viel Kapital bzw. Cash in jedem Jahr für neue Investitionen zur Verfügung steht und welche Kapitalrendite das Unternehmen mit diesen neuen Investitionen verdient. Aber dazu später mehr.


2. Vorhersage der einzelnen Komponenten

Der zweite Ansatz zur Cash Flow Prognose basiert auf einer Abschätzung der individuellen Komponenten des freien Cash Flow. Also im Wesentlichen der einzelnen Bestandteile der FCFF- oder FCFE-Formel (hier beispielhaft einmal für den FCFF auf Basis des EBIT):

FCFF = EBIT x (1 – Steuersatz) + Abschreibungen und Amortisation + Änderungen des Non-Cash Working Capital + weitere nicht zahlungswirksame Bestandteile – CapEx

Wir schauen uns also die Entwicklung von EBIT, CapEx und daraus resultierend Abschreibungen sowie Änderungen des Working Capital getrennt an.

Wir können bzw. sollten außerdem den EBIT nochmals aufspalten in

EBIT = Umsatzerlöse x EBIT-Marge,

wenn wir die wesentlichen Effekte, die auf das operative Geschäft wirken, separat abschätzen möchten.

Wir sind hier zwar etwas ungenau, weil wir über die Abschätzung der EBIT-Marge auf der Kostenseite bereits die Abschreibungen berücksichtigen, die wir später nochmal separat abschätzen. Ich glaube aber, dass diese Ungenauigkeit, wenn wir das große Ganze betrachten, vernachlässigbar ist.

Der Ansatz über die Vorhersage der einzelnen Cash Flow Komponenten ist realistischer, flexibler, besser nachvollziehbar, aber auch komplizierter in der Umsetzung. Wenn wir diesen Ansatz verwenden, dann muss das aber übrigens aber nicht heißen, dass wir uns in unnötigen Details verlieren müssen.


Abschätzung der Wachstumsrate: Weniger ist mehr!

Beide Ansätze haben ihre Vor- und Nachteile und eignen sich für bestimmte Situationen besser oder schlechter. Welchen Ansatz sollten wir aber nun wann wählen? Bevor wir uns das im Detail ansehen, vielleicht erstmal ein paar grundsätzliche Überlegungen.

Bewertungsmodelle sind ja grundsätzlich in den letzten 20 Jahren um einiges komplexer geworden. Dies liegt vor allem daran, dass

  • erstens Computer heute die Analyse von Daten sehr einfach möglich machen und dass
  • zweitens viel mehr Informationen viel einfacher und schneller zugänglich sind als früher.

Die große Frage im Rahmen der Bewertung ist also, wie detailliert wir werden wollen. Es gibt hier ja so etwas wie einen Zielkonflikt. Auf der einen Seite erlauben uns mehr Details eine genauere (bessere?) Vorhersage, auf der anderen Seite benötigen wir dann aber auch mehr Inputs, die wir individuell abschätzen müssen (mit der Möglichkeit einen Fehler bei allen Inputs zu machen). Das macht die Bewertungsmodelle dann oft komplizierter und undurchsichtiger.

Aswath Damodaran, Professor an der NYU Stern Business School und Autor u.a. des Buches “The Little Book of Valuation“, hat hierzu eine einfache Regel (angelehnt an eine Regel aus der Physik):

When valueing an asset, use the simplest model that you can. If you can value an asset with three inputs, don’t use five. If you can value a company with three years of forecasts, forecasting 10 years of cash flows is asking for trouble. Less is more. 

– Aswath Damodaran

Wir bauen unsere Bewertungsmodelle also nur so detailliert wie nötig und nicht so detailliert wie möglich.


Historische Wachstumsraten als Indikator nutzen?

Wenn es nun darum geht, das zukünftige Wachstum der Cash Flows abzuschätzen, dann überrascht es nicht, dass die meisten Analysten sich erstmal die jüngere Vergangenheit anschauen und das vergangene Umsatz- oder Gewinnwachstum als Indikator für das zukünftige Wachstum hernehmen.

Allerdings können die historischen Wachstumsraten für ein und dasselbe Unternehmen stark variieren, je nachdem, welche Annahmen wir treffen und von welchen Daten wir ausgehen. Wie beantworten wir z.B. die folgenden Fragen?

  • Wie viele Jahre gehen wir für die Berechnung der Wachstumsrate in der Vergangenheit zurück?
  • Welche Kennzahl nutzen wir für die Prognose der Wachstumsrate (Nettogewinn, EPS, EBIT etc.)?
  • Wie genau berechnen wir eigentlich den historischen Durchschnitt (arithmetisches Mittel, geometrisches Mittel bzw. CAGR etc.)?

Auf diese Fragen gibt es glaub ich keine definitive Antwort. Und genau da liegt das Problem.

Für Apple zum Beispiel lag die historische Wachstumsrate zwischen ca. 30% und 43%. Je nach dem, welche Zeitspanne (ein Jahr oder fünf Jahre) bzw. welchen Indikator (EBITDA, EBIT, Nettogewinn, EPS) wir uns anschauen.

Darüber hinaus gibt es weitere Probleme mit diesem Ansatz:

  • Negative Ergebnisse, wie sie bei vielen Firmen von Zeit zu Zeit auftreten (und bei Wachstumsfirmen z.B. aus dem Tech-Sektor ggf. sogar über einen längeren Zeitraum), können die Durchschnittsberechnung stark verzerren
  • Es besteht eigentlich kein empirischer Zusammenhang zwischen den historischen und den zukünftigen Wachstumsraten. Dies wurde durch mehrere Studien (u.a. von Little in 1960) belegt

Wie vielleicht einige von euch wissen, konnte Apple im Jahr 2016 nicht an die historischen Wachstumsraten anknüpfen. Im Gegenteil: zum ersten Mal seit vielen Jahren verzeichnete die Firma sogar einen Gewinnrückgang.

Mit unserer Cash Flow Prognose auf Basis der historischen Wachstumsraten hätten wir da also ganz schön daneben gelegen. Und vor allem hätte die Firma innerhalb weniger Jahre eine recht unrealistische Größe erreicht (geht mal von der derzeitigen Größe von Apple aus und erhöht das Ganze für ein paar Jahre jeweils um ~35% pro Jahr).


Was ist mit Analystenprognosen?

Wenn wir uns schon nicht auf die historischen Zahlen stützen können, dann könnten wir als Alternative die Prognosen der Equity Analysten nutzen. Oder ggf. sogar direkt die Prognosen des Managements (wenn es sie denn gibt, viele CEOs und CFOs sind ja was Prognosen angeht extrem vorsichtig geworden).

Auf der einen Seite sollten sowohl die Analysten als auch das Management aufgrund ihrer Erfahrung und ihrer Nähe zum Unternehmen grundsätzlich in der Lage sein, bessere Prognosen abzugeben als der durchschnittliche Investor.

Auf der anderen Seite sind aber weder Analysten noch das Management in der Regel objektiv. Manager überschätzen typischerweise ihre Fähigkeiten Wachstum zu generieren und haben auch was die Kommunikation nach außen angeht oft eine eigene Agenda. Das gleiche gilt für die Analysten, für die in ihrer Beziehung zu den Unternehmen einer Reihe von Interessenkonflikten ausgesetzt sind.

Also dann doch lieber selber machen!


1. Direkte Abschätzung der Wachstumsrate: Wiederanlagequote und Kapitalrendite nutzen

Neben den bereits genannten Problemen bei der Nutzung von historischen Daten und Analystenprognosen für die Abschätzung der zukünftigen Wachstumsrate kommt hinzu, dass die Wachstumsrate in beiden oben genannten Fällen eine vom Cash Flow des Unternehmens unabhängige Variable (exogene Variable) darstellt.

Der beste Weg, das zukünftige Wachstum abzuschätzen sollte aber darin liegen, das Wachstum direkt an die reinvestierten Gewinne zu koppeln, z.B. über die Kapitalrendite (Return on Capital).

Grundsätzlich kann eine Firma nämlich über zwei Wege wachsen bzw. zusätzlichen Wert generieren:

  1. die existierenden Investitionen besser managen (Wachstum z.B. aus Effizienzsteigerung oder Portfolio-Optimierung, d.h. Veräußerung von Assets / Geschäften mit negativem EBIT)
  2. Neue Investitionen tätigen, idealerweise mit einer attraktiven Kapitalrendite (Wachstum durch geschickte Reinvestition der Cash Flows)

Effizienzsteigerung und Portfolio-Optimierung

Um die Effekte aus Effizienzsteigerungen abzuschätzen, sollten wir uns vor allem den Track Record des Unternehmens in Bezug auf die Umsetzung von Kostensenkungsprogrammen bzw. Programmen zur Steigerung der Vertriebsexzellenz ansehen.

Allein die Tatsache, dass ein Unternehmen im Geschäftsbericht über die Übererfüllung der Einsparziele berichtet, reicht aus meiner Sicht nicht aus, um hieraus eine nachhaltige Verbesserung der Gewinnmarge bzw. der Kapitalrendite abzuleiten. Aus meiner Erfahrung sind diese Informationen auch eher als Marketingmaterialien für die Aktionäre zu sehen.

Um für die Cash Flow Prognose einen positiven Effekt auf die Wachstumsrate anzunehmen, sollte ein Unternehmen (oder aber die verantwortlichen Manager) in seiner entsprechenden Industrie schon eine Reputation für seinen Lean-Ansatz aufgebaut haben. Außerdem sollten wir dies auch an ein paar einfachen Produktivitätskennziffern (z.B. Umsatz je Mitarbeiter oder Stückzahl je Mitarbeiter) im Vergleich zum Wettbewerb sehen können.

Der Effekt aus einer Effizienzsteigerung kann aber signifikant sein, speziell für Unternehmen, die über einen längeren Zeitraum schlecht gemanagt wurden. Die resultierende Steigerung der Wachstumsrate ist allerdings in den meisten Fällen nur kurzfristiger Natur.


Wachstum aus neuen Investitionen

Um die Wachstumsrate aus neuen Investitionen abschätzen zu können, müssen wir zwei Dinge verstehen:

  1. Welchen Anteil des Gewinns bzw. des Cash Flows das Unternehmen vermutlich in das Geschäft reinvestieren wird
  2. Wie hoch der Return auf diese Investitionen (d.h. die Kapitalrendite) wahrscheinlich sein wird

Die Wachstumsrate g ergibt sich dann logischerweise aus der folgenden Formel:

Wachstumsrate des EBIT g = Reinvestitionsquote x Kapitalrendite

Bevor wir uns die zwei Punkte einzeln ansehen, sollten wir festhalten, dass wir Investitionen und Kapitalrendite unterschiedlich definieren, je nach dem, ob wir die Bewertung auf Basis des FCFE oder des FCFF durchführen.

Cash Flow Prognose Wachstumsrate g

Nutzen wir den Free Cash Flow to Equity (FCFE) für unsere Bewertung, dann entspricht das für neue Investitionen zur Verfügung stehende Kapital genau dem Anteil des Nettogewinns, der nicht als Dividende ausbezahlt wird und im Unternehmen verbleibt (Retentionsrate). Für die Abschätzung der Qualität der Investitionen nutzen wir die Eigenkapitalrendite (Return on Equity bzw. ROE).

Bewerten wir auf Basis des Free Cash Flow to Firm (FCFF), dann rechnen wir direkt mit der Reinvestitionsquote bzw. Wiederanlagequote und der Kapitalrendite (Return on Capital bzw. ROC).


Reinvestitionsquote bzw. Wiederanlagequote

Die Reinvestitionsquote oder Wiederanlagequote ergibt sich dabei aus der Free Cash Flow Berechnung und ist folgendermaßen definiert:

Reinvestitionsquote = Reinvestitionen / [EBIT (1 – Steuersatz)]

wobei

Reinvestitionen = Nettoinvestitionen + Änderung des Non-Cash Working Capital

und

Nettoinvestitionen = CapEx – Abschreibungen

Die Nettoinvestitionen sind definiert als die Differenz zwischen CapEx bzw. Investitionen und Abschreibungen. Investitionen in Höhe der Abschreibungen sind sozusagen dafür da, um das existierende Geschäft zu erhalten. Alles was darüber hinaus geht, kann für zusätzliches Wachstum verwendet werden bzw. wird für zusätzliches Wachstum verwendet.

Die Firma Microsoft (MSFT) hat z.B. in den vergangenen Jahren durchschnittlich 25 bis 30% des nachsteuerlichen EBIT reinvestiert (je nach dem, ob wir den normalen Durchschnitt oder den Median für die Berechnung des Durchschnitts verwenden):

Reinvestitionsquote Wiederanlagequote MSFT - Wachstumsrate für die Cash Flow Prognose

Kapitalrendite

Um konsistent mit der Wiederanlagequote bzw. Reinvestitionsrate zu sein, wird die Kapitalrendite ebenfalls auf Basis des nachsteuerlichen EBIT (NOPAT) berechnet:

Kapitalrendite bzw. Return on Capital (ROC) = EBIT x (1 – Steuersatz) / Investiertes Kapital

In Excel können wir auch ganz einfach mit sich ändernden Kapitalrenditen bzw. Reinvestitionsraten rechnen. Wenn wir z.B. annehmen, dass die Kapitalrendite für Microsoft über Zeit abnehmen wird, weil weitere Wettbewerber in den Markt eintreten, dann ist das ohne Weiteres möglich.

Wir sollten dabei nur darauf achten, dass es eigentlich zwei verschiedene Kapitalrenditen gibt, mit denen wir es zu tun haben:

  • die durchschnittliche Kapitalrendite für das gesamte Unternehmen
  • die Kapitalrendite für neue Investitionen, also die marginale Kapitalrendite

Wenn wir also annehmen, dass sich die durchschnittliche Kapitalrendite verändert, dann sollten wir darauf achten, dass auch die bereits existierenden Investments davon betroffen sind. Hierfür müssen wir dann die Formel für die Ermittlung der Wachstumsrate für das jeweilige Jahr etwas anpassen:

Wachstumsrate des EBIT g = Reinvestitionsquote x Kapitalrenditet + (Kapitalrenditet – Kapitalrenditet-1) / Kapitalrenditet-1

wobei t das aktuelle Jahr und t-1 das Vorjahr bezeichnet.

Hierüber können wir dann auch mögliche Effekte aus Effizienzsteigerungen berücksichtigen.


Direkte Cash Flow Prognose – Beispiel Microsoft

Aus den beiden Komponenten Wiederanlagequote und Kapitalrendite ergibt sich dann für Microsoft als Beispiel eine Wachstumsrate für den nachsteuerlichen EBIT von

Wachstumsrate g = Reinvestitionsrate x Kapitalrendite = 25% x 65% = 16,3%

Den FCFF können wir dann ganz einfach analog zu folgender Formel berechnen:

FCFF = EBIT x (1 – Steuersatz) – Reinvestitionen + andere Non-Cash Bestandteile = EBIT x (1 – Steuersatz) x (1 – Reinvestitionsquote) + andere Non-Cash Bestandteile

Hier das Resultat im Excel berechnet:

Die Cash Flow Prognose basiert auf einer angenommenen Reinvestitionsquote von 25% und einer erwarteten Kapitalrendite auf die neuen Investments von 65%. Die implizite Annahme ist hier darüber hinaus, dass die Kapitalrendite auf das bereits heute investierte Kapital konstant bleibt.

Der Cash Flow für das Jahr 2017 ergibt sich dann folgendermaßen:

FCFF2017 = EBIT2017 – Reinvestition2017 + Andere Non-Cash Bestandteile2017 = 20.538 – 5.135 + 13.582 = 28.985

wobei

EBIT2017 = EBIT2016 + Reinvestition2016 x Kaptialrendite2017 = 17.165 + 5.190 x 65% = 20.538

und

Reinvestion2017 = Reinvestitionsrate x EBIT2017 = 25% x 20.538 = 5.135.

Der zusätzliche Cash Flow aus anderen nicht zahlungswirksamen Bestandteilen wurde für dieses Beispiel der Einfachheit halber einfach mit dem EBIT skaliert. Es handelt sich hierbei um alle Aufwendungen, die für die Ermittlung des EBIT bereits abgezogen wurden, aber keinen Cash-Einfluss haben und nicht bereits in den Reinvestitionen enthalten sind (und die analog zum Owner Earnings-Ansatz darüber hinaus den Eigentümern bzw. Kapitalgebern zu Gute kommen) .


2. Abschätzung der einzelnen Cash Flow Komponenten

In bestimmten Fällen kann auch eine Abschätzung der einzelnen Cash Flow Komponenten für die Cash Flow Prognose sinnvoll sein. Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn ein Unternehmen aktuell eine negative Kapitalrendite und eine entsprechend negative Wiederanlagequote besitzt.

Aber auch, wenn wir es mit einem Unternehmen zu tun haben, dessen Margen stark von der Entwicklung eines externen Faktors abhängen. Die Margen von Unternehmen wie Rio Tinto (RIO) oder BHP Billiton (BHP) werden z.B. maßgeblich von der Entwicklung der Rohstoffpreise beeinflusst.

In so einem Fall starten wir nicht mit der Prognose der Wachstumsrate des EBIT bzw. Nettogewinns, sondern beginnen stattdessen ganz oben in der Gewinn- und Verlustrechnung, nämlich beim Umsatz. Anschließend schätzen wir über die Annahme einer EBIT-Marge den operativen Gewinn ab.

Haben wir diesen einmal ermittelt, dann können wir über eine Annahme hinsichtlich der erforderlichen Reinvestitionen eine Cash Flow Prognose machen.


Abschätzung der Umsätze

Zunächst aber mal zu den Umsätzen.

Typischerweise würden wir die Umsätze der Zukunft abschätzen, indem wir für jedes Jahr ein Umsatzwachstum ermitteln. Es gibt hier allerdings keinen einheitlichen Ansatz. Für meine Umsatzprognose für Apple habe ich mich dem ganzen z.B. über die Entwicklung der Marktanteile des iPhone und die Upgrade-Rate genähert. Die Umsätze für Rohstoffunternehmen könnten wir wie gesagt ggf. direkt an die erwartete Rohstoffpreisentwicklung koppeln.

Schaut euch hierzu auch den DIY Investor Artikel zu den Unit Economics an.

Für die Abschätzung des Umsatzwachstums können bzw. sollten wir aber die folgenden fünf Punkte als Richtschnur nutzen:

  • durchschnittliche jährliche Wachstumsraten scheinen oft niedrig zu sein. Dies kann wg. des Zinsesnzinseffekts allerdings täuschen
  • die Wachstumsrate des Umsatzes nimmt ab, je größer der Umsatz wird. Eine Vervielfachung des Umsatzes ist für eine Firma mit einem Umsatz von 2 Mio. EUR durchaus möglich, für eine Firma mit einem Umsatz von 2 Mrd. EUR aber recht unwahrscheinlich
  • wir sollten bei der Abschätzung des Umsatzwachstums darauf achten, dass die Firma insgesamt nicht zu groß wird. Hierfür kann ein Vergleich mit der Größe des Gesamtmarktes, in den die Firma aktiv ist, hilfreich sein. Der Marktanteil kann natürlich nicht über ein gewisses Maß hinaus wachsen
  • Umsatzwachstum und operative Marge sollten in sich konsistent sein. In vielen Fällen erfordert Wachstum zunächst ein paar Zugeständnisse bei der Marge, z.B. weil neue Kunden mit attraktiven Einstiegsangeboten etc. erst gewonnen werden müssen
  • Wir sollten berücksichtigen, wo das Unternehmen bzw. die Hauptprodukte des Unternehmens gerade in ihrem Lebenszyklus stehen

Abschätzung der operativen Marge

Haben wir die Umsatzentwicklung einmal abgeschätzt, folgt als nächster Schritt die Prognose der operativen Marge (EBIT-Marge). Bevor wir uns überlegen, wie wir die Marge am besten abschätzen, sollten wir einmal bestimmen, an welchem Punkt im Lebenszyklus das Unternehmen zu Beginn der Bewertung eigentlich steht.


Lebenszyklus

Hier nochmal als Auffrischer die verschiedenen Phasen des Lebenszyklus:

Start-up Unternehmen wie Zalando (ZAL.F) oder vermutlich auch noch Amazon.com (AMZN) befinden sich in der Wachstumsphase, während Unternehmen wie Apple (AAPL) oder Microsoft (MSFT) sich bereits in der Reifephase befinden. Dies gilt jedenfalls für die jeweils wichtigsten Produkte, das iPhone bzw. das MS Office Paket etc.

Für Unternehmen in der Wachstumsphase können wir also in vielen Fällen annehmen, dass sowohl die Umsätze weiter steigen werden, als auch die EBIT-Marge über die Zeit ins Positive drehen wird.

Für Unternehmen in der Reifephase stellt sich hingegen die Frage, wie nachhaltig die hohen Gewinnmargen eigentlich sind und wie lange diese aufrecht erhalten werden können.

Die Einordnung des Unternehmens (oder des wesentlichen Produkts) in das Lebenszyklus-Schema wäre dem entsprechend für mich der erste Schritt für die Abschätzung der Marge.


Prognose der EBIT-Marge

Als nächste Schritte sollten wir die folgende Fragen für uns beantworten:

  • Auf welches Niveau wird sich die EBIT-Marge in den nächsten 5 bis 10 Jahren bewegen?
  • Welches Margenniveau ist nachhaltig möglich?
  • Wie lange wird es dauern, bis die nachhaltige EBIT-Marge erreicht wird?

Ein guter Anhaltspunkt für die Beantwortung dieser Fragen ist die Entwicklung anderer Unternehmen in der gleichen Industrie. Auch wenn z.B. viele Wachstumsfirmen von sich behaupten würden, dass sie die ersten und einzigen in ihrem Segment sind, so handelt es sich in den meisten Fällen doch eher “nur” um einen neuen Weg, ein bereits existierendes Produkt bzw. eine existierende Dienstleitung verfügbar zu machen.

Insofern haben z.B. Zalando oder Amazon nur einen anderen Vertriebskanal für bereits bekannte Produkte (Kleidung, Bücher, etc.) gewählt bzw. mit aufgebaut (nämlich Online). Auch wenn es sich also um andere Geschäftsmodelle handelt, kann es ggf. eine Logik dafür geben, die Margen eines bereits etablierten Players aus einer vergleichbaren Industrie als langfristige Zielmarge zu nutzen. Für Amazon wäre das in den frühen Jahren z.B. die Buchhandelskette Barnes & Noble gewesen.

Sobald wir die Zielmarge und den Zeitraum bis zur Erreichung derselben abgeschätzt haben, können wir die Margenentwicklung für die einzelnen Jahre analog zur folgenden Formel berechnen:

EBIT-Marget+1 = (EBIT-Marget + Zielmarge) / 2

Im Vergleich zur einfachen linearen Fortschreibung führt diese Berechnungslogik dazu, dass die Margenänderung in der ersten Jahren am größten ist und dann gegen Ende des Vorhersagezeitraums immer kleiner wird.


Abschätzung erforderlicher Investitionen über das Sales-to-Capital Ratio

Natürlich muss ein Unternehmen, will es im Umsatz wachsen, auch die entsprechenden Investitionen tätigen. Das können interne Projekte, Akquisitionen oder auch Investments in Working Capital sein (wollen wir mehr verkaufen, müssen wir uns ggf. erst einmal höhere Lagerbestände zulegen).

Weil wir bereits eine Umsatzschätzung haben, besteht der nächste Schritt im Rahmen der Cash Flow Prognose darin, die erforderlichen Investitionen für das jeweils geplante Umsatzniveau abzuschätzen.

Dies tun wir über das so genannte Sales-to-Capital Ratio, also das Verhältnis von Umsatz und (Re-)Investitionen. Wir können dieses Verhältnis entweder für  die gesamten Reinvestitionen oder aber auch für Abschreibungen, CapEx und Investitionen in Working Capital separat berechnen.

Grundsätzlich erhöht ein niedrigeres Sales-to-Capital Ratio die erforderlichen Investitionen (und verringert unsere Cash Flow Prognose) und umgekehrt.

In einem ersten Schritt können wir das Verhältnis der Investitionen zum Umsatz des letzten abgelaufenen Geschäftsjahres verwenden. Im zweiten Schritt sollten wir aber noch etwas in die Historie schauen und darauf basierend ein realistisches Verhältnis für die Zukunft abschätzen.


Resultierende Kapitalrendite kontrollieren

Weil wir die Investitionen in diesem Ansatz nicht direkt an die Kapitalrendite koppeln, kann es bei Anwendung des Sales-to-Capital Ratios außerdem passieren, dass wir die erforderlichen Reinvestitionen zu hoch oder zu niedrig abschätzen, was dann zu einer zu niedrigen bzw. zu hohen Kapitalrendite führen würde.

Wir sollten also parallel immer auch die Kapitalrendite berechnen, um zu überprüfen, ob wir mit unserer Schätzung von Umsatz, EBIT und Reinvestitionen in der richtigen Größenordnung für die Kapitalrendite landen.

Den für die Berechnung der Kapitalrendite erforderlichen Gewinn können wir einfach aus geschätztem Umsatz und geschätzter EBIT-Marge berechnen. Das investierte Kapitel können wir fortschreiben, indem wir das investierte Kapital im Startjahr jeweils um die Reinvestitionen der Prognose-Jahre erhöhen.

Hier nochmal eine Zusammenfassung einer möglichen Logik für die Cash Flow Prognose auf Basis der einzelnen Komponenten:

Und wie gesagt: Das Modell detaillierter und komplexer machen geht immer. Im Zweifel gibt es aber nur wenige tatsächlich relevante Faktoren, die ein Geschäft nachhaltig beeinflussen.


Fazit

Es gibt grundsätzlich zwei Ansätze für eine Cash Flow Prognose bzw. eine Abschätzung der zukünftigen Wachstumsrate, die direkte Prognose der Cash Flows sowie die Vorhersage der einzelnen Cash Flow Komponenten.

Beide Ansätze haben ihr Vor- und Nachteile und eignen sich jeweils für bestimmte Situationen. Um aber der Empfehlung von Aswath Damodaran zu folgen, würde ich tendenziell immer zunächst mit dem einfacheren Ansatz beginnen und weitere Details und Komplexität nur hinzufügen, falls erforderlich.

Beim direkten Ansatz nutzen wir in der Regel eine Abschätzung der zukünftigen Reinvestitionsrate und der zukünftigen Kapitalrendite für die Cash Flow Prognose.

Für die Abschätzung der einzelnen Cash Flow Komponenten starten wir mit einer Prognose des Umsatzes und der EBIT-Marge. Auch hier sollten wir allerdings parallel immer auch die Kapitalrendite ausrechnen, um abschätzen zu können, ob unsere Annahmen zusammenpassen.


Weitere Ressourcen zur DCF-Bewertung

Einordnung des Discounted Cash Flow in die DIY Investor Bewertungslogik

Financials anpassen und aktuelle Cash Flows ermitteln:

Cash Flows prognostizieren

Den Abzinsungsfaktor bestimmen

Das Unternehmen bewerten

6 Kommentare zu „Weniger ist mehr: Cash Flow Prognose für die DCF-Bewertung“

  1. Hallo Axel, erstmal herzlichen Dank für die eMail.
    Den Artikel über das FCFF finde ich sehr gut. Die Beschaffung der Daten ist bei BlueChips und
    Grosskonzernen kein Problem, aber weiter unten im MDax; SDax und TecDax gibt es bereits Probleme.
    Ich suche schon länger ein praktikables Bewertungsmodell für das ich die Werte problemlos im Internet finden kann.
    mit freundlichen Grüssen
    Ernst

    1. Hallo ernst,

      vielen Dank für deinen Kommentar.

      Ich gebe dir Recht, manchmal kann es tatsächlich problematisch sein, an alle erforderlichen Daten zu kommen.

      Viele Grüße,
      Axel

    2. Bei den ‘kleineren’ Unternehmen bleibt einem oft nichts anderes übrig, als sich die Daten manuell aus den Geschäftsberichten zu holen, vor allem auch, da die in diversen Portalen vorhandenen unvollständig oder gar falsch sind. Bei amerikanischen Unternehmen finde ich es durch die SEC-Filings oft einfacher. Dafür ist es dort meist schwerer, Schnäppchen zu finden…

      @Axel: Wie immer toller Artikel. Wo nimmst du die Zeit her 🙂

  2. Hey Axel, noch mal vielen Dank für die verständlichen und vor allem praxisnahen Erklärungen.

    Eine Frage hätte ich da aber noch, wieso gibst du hier die change in NWC mit dem entgegengesetzten Vorzeichen an?
    Bspw. 2016 bspw. betrugen diese eigentlich (-2076) und in 2015 (+)1513.
    Dass die Abschreibungen abgezogen werden verstehe ich, hast ja erklärt dass die quasi dafür dienen das operative Geschäft zu erhalten und was dann darüber hinaus geht investiert werden kann bzw. wird.
    Nur mit den change in NWC tue ich mir etwas schwer, stehe wahrscheinlich gerade einfach auf’m Schlauch.
    Wäre cool wenn du mir da weiterhelfen könntest.
    Danke!

  3. Hallo Axel,

    wie gehst du damit um, wenn Unternehmen über mehrere Jahre negative Reinvestitionsraten hatten und du die Raten für die Zukunft schätzen willst? Damit tue ich mich gerade etwas schwer.

    Viele Grüße
    Eric

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