Culture Eats Strategy for Breakfast: Unternehmenskultur und Bewertung

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Unternehmenskultur: Culture Eats Strategy for Breakfast

Wenn wir Investitionen in Aktien als langfristig angelegte Unternehmensbeteiligungen ansehen, dann spricht vieles dafür, über die etwas eindimensionale Analyse finanzieller Kennzahlen und des Geschäftsmodells hinauszugehen. Ich zum Beispiel möchte mich bei einem langfristigen Engagement auch mit dem Management (verantwortlich u.a. für die Gestaltung der Unternehmenskultur) sowie mit der Repräsentanz der Anteilseigner im Aufsichtsrat wohlfühlen.

Es gibt nun ganz verschiedene Wege, dieses Vertrauen aufzubauen… angefangen bei direkten 1-on-1 Interviews, Werksbesichtigungen etc. Zugegebenermaßen steht der direkte Kontakt nicht jedem Privatinvestor zur Verfügung. Über einige alternative Wege, sich ein Bild zu verschaffen, hatte ich bereits im meinem Artikel zu den unterschiedlichen Informationsquellen für Privatanleger geschrieben.

Ein paar Fragen, die wir uns im dem Zusammenhang noch stellen können (und sollten): Einmal abgesehen von den Capital Allocation Skills… wo manifestiert sich der Führungsstil etc. des CEO am direktesten? Wie lässt sich eine gute Unternehmensstrategie am besten umsetzen? Klar, der Schlüssel liegt vor allem auch in der Produktivität und Motivation der Mitarbeiter sowie in der Zufriedenheit der Kunden. Das Stichwort lautet hier Unternehmenskultur… einer der wesentlichsten und gleichzeitig am schwersten zu greifenden Treiber einer guten langfristigen Performance.

Aus diesem Grund möchte ich hier einmal ein paar Wege aufzeigen, über die wir uns ein Bild von der Unternehmenskultur machen können…bzw. erstmal versuchen, den Begriff und die Einflussfaktoren überhaupt zu definieren.

Wesentliche Schwierigkeit: Es gibt keine gute oder schlechte Unternehmenskultur per sé, denn die Kultur muss immer im Zusammenspiel mit den unternehmerischen Zielen und der langfristigen Unternehmensstrategie gesehen werden. Aus diesem Grund sollten wir – wenn wir uns die Unternehmenskultur anschauen – einen etwas differenzierteren Ansatz wählen (und die vielen aktuell immer wieder genannten “Buzz Words” erstmal ignorieren).


Intro: Was ist eigentlich die Unternehmenskultur?

Was ist eigentlich die Unternehmenskultur? Ich bin nun nicht der Einzige und auch nicht der erste, der diese Frage stellt. Dem entsprechend gibt es zu diesem Thema bereits eine ganze Reihe an Veröffentlichungen. Eine, die ich besonders eingängig und passend fand, ist ein Artikel aus dem Harvard Business Review mit dem Titel The Leader’s Guide to Corporate Culture aus dem Jahr 2018, in dem die Ergebnisse einer Studie der Personalberatung Spencer Stuart vorgestellt werden.

Es folgt zunächst meine eigene Kurzzusammenfassung der Inhalte.


Acht unternehmenskulturelle Ausprägungen

Grundsätzlich gibt es acht verschiedene Stile bzw. unternehmenskulturelle Ausprägungen, auf die Unternehmen und CEOs / Manager einen Fokus legen und womit sie die Unternehmenskultur entsprechend prägen und beeinflussen können:

  • Caring: Fokus auf Beziehungen und gegenseitiges Vertrauen, warme und kollaborative Arbeitsumgebung, gegenseitige Unterstützung, Loyalität, Aufrichtigkeit, Teamarbeit
  • Purpose: Idealismus und Altruismus, tolerante und mitfühlende Arbeitsumgebung, “Gutes tun”, Nachhaltigkeit und Gemeinschaften, gemeinsame Ideale
  • Learning: Erkundung und Kreativität, erfinderische und aufgeschlossene Arbeitsumgebungen, neue Ideen, Neugierde, Innovation, Wissen, Abenteuer
  • Enjoyment: Spaß, Aufregung, unbeschwerte Arbeitsumgebungen, “tun was glücklich macht”, Verspieltheit, Stimulation, Spontanität, Sinn für Humor
  • Results: Leistung, Gewinnen, ergebnis- und leistungsorientierte Orte, Streben nach Spitzenleistungen, Zielerreichung
  • Authority: Stärke, Entschlossenheit, “persönliche Vorteile erlangen”, starke Kontrolle, Vertrauen und Dominanz
  • Safety: Planung und Vorsicht, Berechenbarkeit, Risikobewusstsein, “Dinge durchdenken”, “sich geschützt fühlen”, Veränderungen antizipieren, Realitätssinn und Vorausplanung
  • Order: Respekt, Struktur, gemeinsame Normen, methodisch, Anpassung und Befolgen von Regeln, Kooperation, gemeinsame Herangehensweisen, Bräuche

Wer jemals in einem größeren Unternehmen oder einer größeren Organisation gearbeitet hat, wird sofort feststellen, dass es in der Realität niemals nur eine dieser Ausprägungen vorliegt, sondern dass sich die Unternehmenskultur immer aus mehreren Aspekten zusammensetzt.

Darüber hinaus gibt es Ausprägungen, die oft gemeinsam auftreten und sich sogar gegenseitig verstärken. Andererseits stehen bestimmte Ausprägungen auch im Gegensatz zueinander und lassen sich nur schwer zusammen in einer Kultur verankern.


Zwei Dimensionen, um die Unternehmenskultur zu beeinflussen

Die oben angesprochene Spencer Stuart Studie kommt zu dem Ergebnis, dass eine Unternehmenskultur entlang von zwei Dimensionen dargestellt bzw. klassifiziert werden kann:

  • Wie Mitarbeiter miteinander interagieren (eher unabhängig oder eher interdependent)
  • Wie Mitarbeiter auf Veränderungen reagieren (eher flexibel oder eher auf Stabilität bedacht)

Beide Aspekte können durch die Betonung genau dieser Merkmale durch den CEO bzw. das Management beeinflusst werden.

Die vier Quadranten der unten dargestellten Matrix weisen auf die unterschiedlichen Sichten auf die Unternehmenskultur hin.

Ausprägungen, die in der Matrix nebeneinander anzutreffen sind, wie z. B. Safety und Order, koexistieren häufig innerhalb von Organisationen und Mitarbeitern. Im Gegensatz dazu sind Ausprägungen, die sich gegenüberliegen, wie z.B. Safety und Learning, seltener gemeinsam anzutreffen, da die gemeinsame Aufrechterhaltung eine höhere “organisatorische Energie” erfordert.

Unternehmenskultur - Matrix

Die beiden Aspekte Results und Caring sind deshalb hervorgehoben, weil im Grunde genommen alle Unternehmen auf das Erreichen von (ökonomischen) Zielen fokussiert sind und gleichzeitig eine kollaborative Arbeitsumgebung schaffen wollen. Wenn es später darum geht, konkrete Beobachtungen zu sammeln, dann sind diese beiden Ausprägungen auch am leichtesten bzw. am häufigsten zu beobachten.

Die Tatsache, dass die beiden Aspekte auf gegensätzlichen Seiten der Matrix zu finden sind, bedeutet allerdings wie gesagt, dass sie aus Sicht der Unternehmenskultur durch das Management manchmal nur schwer gemeinsam und gleichzeitig adressiert werden können.

Mitarbeiterinteraktionen

Unternehmen oder Organisationen, in denen die Mitarbeiter eher unabhängig agieren (sollen), legen mehr Wert auf Autonomie, individuelles Handeln und Wettbewerb untereinander.

Der Rest betont eher die Themen Integration, Beziehungsmanagement und Koordination untereinander (cross-funktionale Teams etc.). Mitarbeiter in Unternehmen dieser Kategorie tendieren eher dazu, Erfolg aus Sicht des Unternehmens und nicht aus persönlicher Sicht zu bewerten.

Reaktion auf Veränderun wie Mgen

Während in einigen Unternehmen Stabilität, Beständigkeit, Vorhersehbarkeit und Aufrechterhaltung des Status quo im Vordergrund stehen, betonen andere Unternehmen die Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Aufgeschlossenheit gegenüber Veränderungen.

Unternehmen, in denen eine Kultur der Stabilität vorherrscht, sind oft charakterisiert durch hierarchische Organisationen, das Hervorheben von Seniorität und den Fokus auf Effizienz. Unternehmen, die eher flexibel agieren, betonen öfter Innovation, Offenheit, Vielfalt und eine längerfristige Orientierung.


Übereinstimmung von Unternehmenskultur mit externem Umfeld, Leadership und Strategie

Wichtig für das Verständnis des Themenkomplexes Unternehmenskultur aus Sicht eines Investors sind außerdem ein paar weitere Aspekte, die damit zu tun haben, wie Unternehmenskultur, externes Umfeld bzw. Branche, Führungsstil und strategische Fragestellungen des Unternehmens zusammenpassen:

  • Eine Organisation bzw. Unternehmenskultur passt sich in der Regel an ihr externes Umfeld an (bzw. muss dieses auch) –  Unternehmen aus dem Gesundheitssektor stellen z.B. oft den höheren Sinn (Purpose) der Aufgabe heraus… für einen Einzelhändler ist dieser Aspekt aber eher irrelevant
  • Die Übereinstimmung der Belegschaft mit der vorherrschenden Unternehmenskultur spielt eine wichtige Rolle – Unterschiedliche Quadranten (oben versus unten) weisen auf unterschiedliche Sichten auf die Unternehmenskultur hin. Eine hohe Übereinstimmung bzgl. der Attribute einer Unternehmenskultur führt tendenziell zu höherem Engagement und stärkerer Kundenorientierung, gleichzeitig aber auch zu einer geringeren Veränderungsbereitschaft… und umgekehrt
  • Eine passende Unternehmenskultur und ein darauf abgestimmter Führungsstil des Managements kann die strategischen Unternehmensziele unterstützen und zu besseren Ergebnissen führen… in der Regel werden wir aber den gegenteiligen Fall wiederfinden, also Situationen, in denen die vorherrschende Unternehmenskultur eher ein Hindernis darstellt (z.B. in Unternehmen bzw. Branchen, die starken Veränderungen ausgesetzt sind, in denen historisch aber eher die Aspekte Langfristigkeit, Sicherheit und Hierarchie in den Vordergrund gestellt wurden)

Unternehmenskultur und strategische Herausforderungen: Beispiele

Wie wir gehört haben, kann die richtige Unternehmenskultur die Strategieumsetzung positiv beeinflussen. Auf der anderen Seite kann eine stark ausgeprägte Kultur aber auch ein großer Hemmschuh sein, wenn sie nicht auf die Strategie ausgerichtet ist.

Hier einmal zur Verdeutlichung des Zusammenhangs ein paar Beispiele für das Zusammenspiel zwischen Unternehmenskultur und strategischer Ausrichtung aus ganz unterschiedlichen Branchen bzw. für ganz unterschiedliche Situationen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

Merger zweier Unternehmen: Das Design einer neuen Unternehmenskultur auf der Basis der individuellen Stärken kann den Integrationsprozess beschleunigen und langfristig zu einem höheren Unternehmenswert führen.

Einzelhandel: Der strategische Fokus liegt typischerweise klar auf der Kundezufriedenheit. Eine Unternehmenskultur mit einem Fokus auf die Aspekte Results und Caring unterstützt diese Fokussierung (i.W. bei allen Retailern zu finden). Gleichzeitig ist die Kultur oft aber auch recht flexibel (Ausprägungen Learning und Purpose).

Fokus auf Kostenführerschaft (z.B. Bergbau- und Metallhersteller, Automobilhersteller etc.): Unternehmen dieser Kategorie haben oft eine Unternehmenskultur fokussiert auf die Aspekte Results, Caring, Order und Authority.

Technologie (z.B. ein Unternehmens aus dem Silicon Valley): Die Unternehmenskultur von Technologieunternehmen ist meist hochgradig ergebnisorientiert (Results), teambasiert (Caring) und exploratorisch (eine Kombination aus Enjoyment und Learning).

Ganz generell: Der Learning-Aspekt der Unternehmenskultur wird umso wichtiger, je volatiler, dynamischer und veränderlicher die Umgebung ist. Aus diesem Grund stellt die Unternehmenskultur z.B. in sich aktuell stark verändernden Industrien wie der Stahlherstellung (CO2-freie Produktion) und der Automobilproduktion (Elektromobilität) eine so große Hürde dar.


Insights bzw. Investorensicht auf die Unternehmenskultur

Ich denke es ist wichtig herauszustellen, dass wir aus Investorensicht nach einer Übereinstimmung zwischen Unternehmenszielen bzw. Strategie auf der einen und Unternehmenskultur und Führungsstil auf der anderen Seite suchen sollten. Etwas konkreter ausgedrückt bedeutet das, dass eine auf Individualität und Flexibilität ausgerichtete Unternehmenskultur (wie sie heute überall propagiert wird) nicht immer die beste Antwort auf die strategischen Fragestellungen und Probleme eines Unternehmens darstellen muss.

When aligned with strategy and leadership, a strong culture drives positive organizational outcomes. – Spencer Stuart / Harvard Business Review

Mögliche Fragen, die sich Investoren in diesem Zusammenhang stellen sollten, könnten also sein:

  • Welche Ausprägungen bzw. Dimensionen der Unternehmenskultur sind für die Umsetzung der Strategie (bzw. die Reaktion auf die wesentlichen strategischen Fragestellungen oder die Erreichung der Wachstumsziele) am relevantesten?
  • Wie weit ist die aktuelle Unternehmenskultur von diesem “Zielbild” entfernt bzw. stellt die aktuell präsente Kultur ggf. sogar eine signifikante Hürde für die Umsetzung der Strategie dar?
  • Setzt das Management die richtigen Schwerpunkte und versteht es das Management, die Stärken der Unternehmenskultur richtig zu nutzen und auf die strategischen Ziele auszurichten?
  • Sieht das Management die Erfordernis einer Anpassung der Unternehmenskultur bzw. wird ggf. bereits aktiv daran gearbeitet (Change Programm o.Ä.)?
  • Ist das Management überhaupt dazu in der Lage, die Unternehmenskultur zu beeinflussen?

Ein wichtiger Aspekt könnte auch ein (teilweiser) Austausch des Managements sein. Auch hier gilt es verschiedene Aspekte gegeneinander abzuwägen:

  • Interne CEO-Kandidaten auf der einen Seite können die Unternehmenskultur besser transportieren bzw. eine existierende Unternehmenskultur besser aufrecht erhalten
  • Auf der anderen Seite können extern rekrutierte CEOs eine eingefahrene Unternehmenskultur eher durchbrechen, falls das erforderlich sein sollte

Unternehmenskultur ganz praktisch

Langfristig gesehen ist die Unternehmenskultur wie gesagt vermutlich einer der bedeutendsten Erfolgsfaktoren für ein Unternehmen… allerdings lässt sich eine Unternehmenskultur leider in der Regel nicht in Zahlen ausdrücken oder gar quantitativ bewerten oder vergleichen.

Stattdessen geht es hier eher um einzelne und für sich genommen eher unwichtig erscheinende Details und Beobachtungen, die allerdings in einem größeren Kontext betrachtet eine hohe Aussagekraft besitzen können.

So kann z.B. die räumliche Trennung von Unternehmenssitz und Produktionsstandort auf einen unter Umständen gestörten Informationsfluss und eine fehlende Wertschätzung der Mitarbeiter “on the Ground” hindeuten. Oder möglicherweise ist das Unternehmen in der Provinz auch nicht dazu in der Lage gute Mitarbeiter anzuziehen, was mit einem Reputationsthema zusammenhängen könnte.

Hier einige weitere für die Einschätzung der Unternehmenskultur möglicherweise relevante Beispiele bzw. Fragestellungen (viele davon sind vermutlich bereits bekannt, hier aber nur dazu gedacht einmal den Punkt zu illustrieren):

  • Eigene Corporate Jets, Jagdgründe etc. für das Management?
  • Goldene Wasserhähne in der Hauptverwaltung?
  • Umgang des Managements mit den Mitarbeitern bei einer Werksbesichtigung (auf Augenhöhe bzw. namentlich bekannt?)
  • Parkplätze vor dem Hauptgebäude für das Management anstatt für Kunden oder Besucher reserviert?
  • Kreative Tätigkeiten in einem unpassenden Umfeld?
  • Durchschnittliche Zugehörigkeit der Mitarbeiter zum Unternehmen?
  • Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen im privaten Umfeld?
  • etc.

Wenn wir uns allein diese wenigen Beispiele einmal aufmerksam ansehen, dann stellen wir fest, dass sich diese in den meisten Fällen sehr gut mit den oben vorgestellten unternehmenskulturellen Ausprägungen aus der Stern Stuart Matrix verknüpfen lassen.

Diesen Punkt möchte ich auch nochmal separat hervorheben: Aus meiner Sicht ist es wichtig, die Themen Strategie und passende Unternehmenskultur mit den konkreten Beobachtungen zusammenzubringen… wobei natürlich Aussagen mit einem Bezug zu den Themen Results und Caring – wie oben angesprochen – fast unabhängig von der konkreten Ausprägung fast immer beobachtbar sein werden.


Mögliche Informationsquellen

Wenden wir uns nun einmal einer weiteren aus Investorensicht sehr relevanten Frage zu: Wie kommen wir eigentlich an die entsprechenden Informationen, um uns ein Bild über die in einem Unternehmen vorherrschende Unternehmenskultur zu machen?

Aus meiner Sicht gibt es hierfür im Wesentlichen drei bis vier verschiedene Möglichkeiten (vielleicht auch mehr, aber dies sind die, die mir bekannt sind):

  • Öffentlich zugängliche Unternehmensinformationen
  • Primary Research (beinhaltet auch Unternehmensbesuche, Werksbesichtigungen etc.)
  • Datenbanken / Plattformen mit Mitarbeiter Reviews (z.B. kununu und Glassdoor) oder auch direkte Gespräche mit (Ex-)Mitarbeitern
  • Investigative Reportagen in Handelsblatt, Manager Magazin etc. oder auch Bücher

Im Folgenden möchte ich einmal etwas detaillierter auf die ersten drei Optionen eingehen.


CEO Statements in (Pflicht-)Veröffentlichungen des Unternehmens

Zu den öffentlich zugänglichen (Pflicht-)Veröffentlichungen und Events eines Unternehmens gehören vor allem Geschäfts- und Quartalsberichte, Investorpräsentationen, Earnings Calls, Roadshows und Capital Market Days.

Wichtige Gemeinsamkeit all dieser Veröffentlichungen: Wir als Investoren sind mehr oder weniger in einer passiven Rolle, d.h. wir müssen mit den Informationen auskommen, die das Unternehmen bzw. das Management uns freiwillig zur Verfügung stellt. Aus diesem Grund können wir in Bezug auf den Aufbau eines Verständnisses der Unternehmenskultur im Grunde genommen nur versuchen, die Aussagen des Managements entsprechend zu interpretieren.

Tatsächlich ist es aber so, dass insbesondere die CEOs hin und wieder Aussagen treffen, aus denen wir einen Rückschluss auf die Unternehmenskultur (bzw. besser wahrscheinlich “den Fokus bzw. die Ambition des CEO”) ziehen können.

Hier einmal drei Beispiele für Aussagen verschiedener CEOs, die den Fokus auf bestimmte Aspekte der Unternehmenskultur aufzeigen:

Caring

It is incredibly important to be open and accessible and treat people fairly and look them in the eye and tell them what is on your mind. – Bob Iger, Ex-CEO von Disney

Learning

I’m interested in things that change the world or that affect the future and wondrous new technology where you see it and you’re like ‘Wow, how did that even happen?’ – Elon Musk, CEO von Tesla

Purpose

Most of the greatest companies in the world also have great purposes….Having a deeper, more transcendent purpose is highly energizing for all of the various interdependent stakeholders. – John Mackay, Gründer und CEO von Whole Foods

Das Problem mit dieser Art der Information: Wir können zwar ggf. die Aussagen des CEO zwar entsprechend interpretieren. Allerdings haben wir deshalb leider noch keine echten Beobachtungspunkte.


Primary Research vor Ort

Sich vor Ort ein Bild vom Unternehmen zu machen ist natürlich im Zweifel die beste, allerdings unter Umständen nicht in allen Fällen die praktikabelste Möglichkeit, um an relevante Informationen zu gelangen (Stichwort Zeitaufwand und Reisekosten).

Wann immer sich uns aber die Möglichkeit bietet, mit dem Management eines Unternehmens in einer für uns relevanten Branche zu sprechen, an einer Werksbesichtigung teilzunehmen oder einen Laden zu besuchen (das ist ja relativ einfach möglich), dann sollten wir diese ergreifen.

Ich beispielsweise hatte zwischenzeitlich ein Faible dafür, die Abläufe und Prozesse sowie die Kundenfreundlichkeit verschiedener Vapiano-Restaurants zu beobachten… und habe dabei sehr viel gelernt.

Dabei sollten wir aus meiner Sicht auch sich bietende Optionen bei Konkurrenten, Zulieferern oder Kunden mit einschließen… oder besser noch: einfach alle sich bietenden Möglichkeiten – unabhängig davon, ob wir ein bestimmtes Unternehmen nun gerade analysieren oder nicht – in Anspruch nehmen.

Aus meiner Sicht gehört nämlich auch etwas Erfahrung dazu, bis man gelernt hat, den Fokus auf die richtigen Dinge zu legen (nicht immer ist es so einfach wie beim Besuch eines Restaurants 🙂 ).


Mitarbeiterbewertungen: Kununu und Glassdoor

kununu und Glassdoor sind vermutlich die bekanntesten Plattformen auf denen aktuelle oder ehemalige Mitarbeiter Bewertungen zu einem Unternehmen abgeben können.

Zurzeit ist es bei Glassdoor so, dass man sich zunächst einloggen und selbst eine Bewertung abgeben bzw. ein Gehalt angeben muss, bevor man Einsicht in die Bewertungen nehmen kann. Aus diesem Grund gehe ich hier einmal etwas detaillierter auf kununu ein… die Art der Informationen ist aber am Ende sehr ähnlich.

Unternehmenskultur kununu

Einteilung der Kategorien auf Übersichtsseite kununu.com

kununu bietet auf der obersten Ebene – neben der Übersicht und den Job-Postings – eine Einteilung der Informationen in drei für uns relevante Kategorien an (Stand Mai 2021):

  • Konkrete Mitarbeiterbewertungen
  • Typische Gehälter
  • Übersicht der Firmenkultur bzw. Unternehmenskultur

Mitarbeiterbewertungen

In einem ersten Schritt können wir einmal die verschiedenen Mitarbeiterbewertungen überfliegen. Dabei sollten wir aus meiner Sicht nicht so sehr auf die einzelnen Kommentare achten, sondern uns vielmehr auf das Auffinden gewisser Gemeinsamkeiten fokussieren. Alles in allem handelt es sich hier aus meiner Sicht um ein sehr mächtiges Tool, wenn man einen ersten Eindruck über die Unternehmenskultur erhalten möchte… eine ausreichende Anzahl an aussagekräftigen Bewertungen natürlich vorausgesetzt (wichtiger Punkt!).


Gehaltsübersicht

Die Gehaltsübersicht – hier bietet kununu jeweils einen Durchschnittswert für verschiedene Berufsgruppen inkl. eines Vergleichsmaßstabs für die jeweilige Branche an – kann im Vergleich mit den Zahlen anderer Unternehmen der gleichen Branche sehr hilfreich für eine erste Einschätzung des Unternehmens im Hinblick auf die Wertschätzung der Mitarbeiter und auch das Geschäftsmodell sein. Ein Unternehmen, das nur eine sehr geringe Marge erwirtschaftet, obwohl es seine Mitarbeiter schlecht bezahlt, ist grundsätzlich anders einzuschätzen, als ein Unternehmen mit einer hohen Marge und einem gleichzeitig attraktiven Gehaltsniveau… allerdings muss ich dazu sagen, dass die bei kununu dargestellten Gehaltsbänder noch in vielen Fällen recht breit sind und nicht immer einen Rückschluss bzw. direkten Vergleich ermöglichen.


Unternehmenskultur

Die Informationen zur Unternehmenskultur werden bei kununu auf zwei unterschiedlichen Wegen zur Verfügung gestellt. Erstens: Über ein zusammenfassendes Dashboard mit vier Kategorien, hier einmal beispielhaft für die Volkswagen AG dargestellt:

Firmenkultur Kategorien kununu

Die beiden rechten Kategorien, also “Umgang miteinander” und “Strategische Richtung” entsprechen im Wesentlichen den von Stern Stuart herausgearbeiteten Themen Mitarbeiterinteraktion und Reaktion auf Veränderungen.

Und zweitens, was ich fast noch interessanter finde, über eine Auflistung der im Rahmen der Bewertungen am häufigsten genannten Charakteristika der Unternehmenskultur (bei kununu Kulturfaktoren genannt):

Kulturfaktoren kununu

Wie ihr sehen könnt, lassen sich auch hier viele der oben definierten Faktoren für die Charakterisierung einer Firmenkultur wiederfinden.

Summa summarum finde ich, kann man aus den Informationen und Daten von kununu schon eine ganze Menge an relevanten Insights im Hinblick auf die Unternehmenskultur ableiten.


Fazit

Aus meiner Sicht gibt es keine falsche oder richtige Unternehmenskultur. Die Passgenauigkeit einer Unternehmenskultur hängt immer davon ab, welche Strategie das Management verfolgt bzw. zukünftig verfolgen will und wie gut das Management dazu in der Lage ist, die Unternehmenskultur entsprechend zu beeinflussen.

Die Unternehmenskultur lässt sich laut einer Studie der Personalberater von Stern Stuart anhand von zweit Punkten festmachen: Wie Mitarbeiter miteinander interagieren (individuell oder koordiniert) und wie sie auf Veränderungen reagieren (flexibel oder statisch).

Für den Investor gibt es ein paar Möglichkeiten, eine Unternehmenskultur einzuschätzen. Hervorzuheben sind hier insbesondere die Möglichkeiten des so genannten “Primary Research” sowie der Analyse von Mitarbeiterbewertungen auf den wichtigen Portalen (mir sind hier konkret kununu und Glassdoor bekannt).

Habt ihr weitere Möglichkeiten, um euch ein Bild darüber zu machen, wie es intern in einem Unternehmen aussieht bzw. zugeht? Dann kommentiert Ergänzungen gerne unten in den Kommentaren.

1 Kommentar zu „Culture Eats Strategy for Breakfast: Unternehmenskultur und Bewertung“

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