Wenn wir uns dafür interessieren, werden wir heutzutage täglich mit zig News-Schnipseln, Artikeln und Aktienanalysen zum Thema Finanzen und Börse konfrontiert… und zwar ggf. über alle Online-Kanäle, also Social Media, WhatsApp, Email, YouTube you name it! Per Definition ist da auch viel “Noise” dabei, also Wirtschafts- / Börsennews und – analysen, die keine für uns hilfreichen Informationen enthalten und mit denen wir deshalb besser keine Zeit verschwenden sollten.
In der Vergangenheit – sagen wir mal vor 20-25 Jahren, also vor dem Internet-Zeitalter – war in dieser Hinsicht natürlich vieles einfacher. Damals hatten wir in der Regel eine einzige Tages- und vielleicht noch eine Wochenzeitung im Abo. Und selbst wenn es sich dabei um eine sehr wirtschaftsnahe Publikation wie z.B. das Handelsblatt, die Financial Times oder das Wall Street Journal handelte (damals gabs sowohl von der FT als auch vom WSJ noch eine deutsche bzw. europäische Version), war die Anzahl an Artikeln doch irgendwo begrenzt.
Darüber hinaus waren die Zeitungsartikel natürlich sozusagen “kuratiert”, d.h. in die Zeitung schafften es nur die besten und für die Leser relevantesten Informationen.
Der Unterschied zwischen damals und heute ist astronomisch. Erster Vertreter der “Viel reden aber nichts sagen”-Strategie war das Börsenfernsehen. Heute sind es die auf Börsennews fokussierten Finanzwebseiten und Blogs, die überflüssigen Content en masse produzieren. Dazu kommen insbesondere YouTube und Twitter sowie ggf. noch ein paar andere Social Media-Plattformen.
Grundsätzlich könnte man ja sagen: Mehr News ist doch eigentlich besser! Viel mehr unterschiedliche Meinungen und tendenziell auch ein höherer Informationsgehalt. Soweit so richtig! Das einzige Problem besteht heute allerdings darin, die für uns relevanten und hilfreichen Börsennews auch richtig zu identifizieren und dafür zu sorgen, dass wir unsere kostbare Zeit nicht nur mit dem Lesen der hinter den meisten reißerischen Überschriften verborgenen Schrottartikel verbringen.
In diesem beitrag möchte ich einmal auf ein paar Strategien eingehen, die uns dabei helfen können, das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen und unsere Zeit für uns gewinnbringend einzusetzen.
Börsennews in Kategorien einteilen
In der Regel besteht ein mehr oder weniger direkter Zusammenhang zwischen der Häufigkeit, mit der eine bestimmte Art von Finanz- oder Börsennews veröffentlicht wird und dem zugehörigen Informationsgehalt (die folgende Darstellung habe ich mal in Anlehnung an eine Grafik von Morgan Housel erstellt):
Dass dieser Zusammenhang irgendwo existiert, das sagt uns vermutlich bereits unsere Intuition. Clickbait-Artikel, Gossip und Gerüchte kommen substantiell häufiger vor, als gut recherchierte Analysen, die uns tatsächlich auch bei der Meinungsbildung helfen (und. ggf. sogar bei der Entscheidungsfindung)… allein schon aus dem Grund, weil letztere viel aufwendiger zu produzieren und auch zu recherchieren sind.
Darüber hinaus ist es oft so, dass wir die gut recherchierten Artikel aktiv suchen müssen… bzw. proaktiv auf diejenigen Websites, Blogs oder YouTube-Kanäle gehen müssen, die auch für hochqualitative Inhalte stehen (natürlich müssen wir auch diese im ersten Schritt erstmal identifizieren).
Umgekehrt werden die Börsennews, die sich in der unteren Hälfte der obigen Grafik befinden, oft von selbst an uns herangetragen, z.B. über eine Werbeanzeige, einen unerwünschten Email-Verteiler, ein Popup-Fenster etc.
Eine erste, ganz simple Strategie zum Filtern von News könnte also darin bestehen, bestimmte Quellen zu vermeiden bzw. alles, mit dem wir ungewollt in Berührung kommen, einfach zu ignorieren.
Alternativ können wir auch versuchen, jeden Text (bzw. besser: jede Überschrift), die uns am Tag so begegnet, in eine der oben stehenden Kategorien einzuordnen und dann auf der Basis zu entscheiden, ob wir den Artikel lesen oder nicht.
Börsennews: Clickbait, Gossip und Meinungsmache erkennen
Im Folgenden habe ich einmal ein paar Beispiele für Überschriften zusammengetragen, an denen – so hoffe ich – deutlich wird, woran wir diejenigen Artikel erkennen können, mit denen wir unsere Zeit besser nicht vergeuden sollten (jedenfalls aus meiner Sicht, dass es da auch andere Meinungen gibt, möchte ich natürlich nicht ausschließen).
Wir müssen uns eins immer vor Augen führen: Börsennews mit reißerischen Überschriften dienen in der Regel nur einem einzigen Zweck (für den Publisher wohlgemerkt), nämlich mit einem Klick auf den Link und dem Öffnen des Artikeln Werbeeinnahmen mit den eingeblendeten Anzeigen zu erzielen (“Clickbait”).
“News” wie diese werden heute übrigens meist gar nicht mehr von echten Menschen, sondern oft von irgendwelchen Softwareprogrammen automatisiert erstellt.
“Der Markt hat sich bewegt”
Eine andere Versionen dieser Überschrift wäre z.B. etwas wie: “Asiatischer Aktienmarkt im Sturzflug”… oder: “China setzt seine starke Rallye fort”… usw.
Diese Art von News hat aus vielen Gründen eine relativ geringe Bedeutung. Zum einen, weil es in der Regel nur um die Erklärung einer Entwicklung aus der Vergangenheit geht.
Zum anderen aber auch, weil die Kursbewegungen eines einzigen Tages typischerweise wenig bis gar nichts über die übergeordnete Richtung des Marktes und schon gar nichts über das Bewertungsniveau der Aktien aussagen.
Darüber hinaus sind die Begründungen für die Kursschwankungen immer die gleichen: Wenn die Kurse steigen oder fallen, liegt es am an einem COVID-19-Impfstoff, an der Entwicklung der Einzelhandelszahlen, an einer EZB-Entscheidung bzgl. der Inflation oder der Zinsen usw.
“So reich wären Sie heute, wenn Sie…”
Hätten wir irgendwann vor x Jahren einmal 1.000 EUR in ein paar Aktien von Berkshire Hathaway, Amazon, Netflix oder Apple investiert, dann wären wir heute alle Millionäre.
Artikel, die uns solche historischen Fakten vorrechnen, begegnen uns immer wieder mal. Abgesehen von den astronomischen Returns, um die es da teilweise ja geht, ist die Relevanz dieser Art von Börsennews aber quasi gleich Null… in der Regel wird uns in den Artikeln ja nicht mitgeteilt, welches die nächsten 10- oder 100-Bagger sein werden, in die wir unbedingt investieren sollten.
“Dieser Marktexperte empfiehlt…”
“Experten” werden gerne herangezogen, um zu erklären, warum sich der Markt auf eine bestimmte Weise verhält bzw. in eine bestimmte Richtung entwickelt. Oft geht es aber auch um die die Vorhersage des nächsten Crashs.
Die richtige Prognose eines solchen Absturzes kann in der Regel auf Glück und / oder Beharrlichkeit zurückgeführt werden. Der Sache nach sind nämlich zwei Entwicklungen relativ sicher: Die nächste größere Krise kommt zwar bestimmt. Gleichzeitig wird sie aber – wie die meisten Krisen in der Historie auch – plötzlich, unerwartet und gewaltig eintreten.
“Dieser zuverlässige Indikator blinkt rot”
Diese Art von Börsennews ist ebenfalls sehr beliebt. Oft geht es dabei um ein für die meisten Leser unbekanntes Konzept bzw. eine Kennzahl, mit der ganz bestimmte historische Datenpunkte analysiert und angeblich bereits drei Börsencrashs richtig vorhergesagt wurden… und die nun auf einen weiteren bevorstehenden Crash hindeutet (oder so ähnlich).
Tatsache ist leider allerdings, dass historische und zukünftige Entwicklungen meist unabhängig voneinander sind und Krisen heutzutage typischerweise in Form von unerwarteten und unwahrscheinlichen Ereignissen mit enormen Auswirkungen auftreten (so genannte “Black Swans” bzw. “schwarze Schwäne”). D.h. vergangene Trends sind für die Prognose solcher Ereignisse nahezu unbrauchbar.
Die COVID-19-Krise ist in diesem Zusammenhang natürlich ein sehr passendes Beispiel. Die Ursprünge waren bzw. sind biologischer und nicht finanzieller Natur. Die politische bzw. gesellschaftliche Reaktionen – soziale Distanzierung und Abriegelung – sind in ihrem Ausmaß beispiellos, genauso wie die steuerlichen und monetären Gegenmaßnahmen.
“Warren Buffett…”
Offenbar kann das Orakel von Omaha nichts falsch machen. Nahezu jeder Artikel, der über die Investments von Buffett geschrieben wird, suggeriert nämlich eine gewisse Vorsehung… was Buffett heute tut, das wird sich morgen auszahlen.
Tatsächlich aber hat Buffett in seiner Karriere als Investor schon viele, auch schwerwiegendere Fehler gemacht (man braucht nur ein paar seiner Aktionärsbriefe zu lesen, er geht damit ja sehr transparent um).
Die Akquisition von Berkshire Hathaway (scheibchenweise zwischen ~1962 und 1964) z.B. war rückblickend eine klare Fehlentscheidung, genauso wie der Kauf von IBM-Aktien in 2011 oder der Kauf von Aktien aller großen US-Fluggesellschaften in 2016 (und später auch der Verkauf in 2020).
Auch Buffett kauft also schonmal zu teuer, verkauft zu früh oder greift bei seinen Investment sogar vollständig daneben.
Darüber hinaus hat Buffett (bzw. Berkshire) eine ganz andere Risikobereitschaft als der durchschnittliche Investor… und auch ein einzigartiges und durch einen Privatinvestor nicht zu replizierendes Geschäftsmodell, welches auf der Nutzung des Float aus dem Versicherungsgeschäft für die Akquisition ganzer Industriegeschäfte basiert.
“Die 10 Must-Have-Aktien”
In welcher Marktphase wir uns aktuell befinden, spielt im Grunde genommen keine Rolle. Es gibt eigentlich immer irgendwo einen Artikel, in dem die Top 10 Irgendwas-Aktien promotet und zum Kauf empfohlen werden. Manchmal geht es dabei um die 10 nächsten Amazons, manchmal um die Top-Picks aus bestimmten trendigen Industriezweigen (“Die besten Aktien für den E-Mobility Trend” oder so ähnlich).
Ich will gar nicht ausschließen, dass diese Empfehlungslisten tatsächlich auch gute Investitionsgelegenheiten beinhalten. Leider sind die Kriterien, nach denen die Aktien ausgewählt werden in den meisten Fällen sehr oberflächlich (was natürlich aufgrund der Vielzahl an Auswahlmöglichkeiten auch gar nicht anders möglich ist).
Eine Liste mit den 10 besten Value-Aktien z.B. wird vermutlich irgendwo auf einem Ranking des für das nächste Jahr erwarteten KGV beruhen, eine Liste mit den Top 10 Wachstumsaktien auf dem erwarteten Umsatzwachstum usw. Die zugehörigen Texte enthalten meist wenig bis keine zusätzlichen Insights zum Geschäftsmodell, sondern werden lediglich mit den entsprechenden “Buzz Words” versehen und angereichert.
“Gewinneinbruch bei…”
Börsennews zu den Quartalsergebnissen unserer Großunternehmen sind oft mehr als irreführend, insbesondere deshalb, weil fast nie klar wird, welche Kennzahlen die Verfasser für ihre Einschätzungen zugrunde legen.
Nehmen wir mal das Beispiel Bayer AG. Laut der Handelsblatt-Überschrift konnte Bayer den operativen Gewinn im vergangenen Quartal dank Monsanto steigern, laut Manager-Magazin ist der Gewinn dagegen eingebrochen (beide Artikel beziehen sich auf das gleiche Quartal und wurden am gleichen Tag veröffentlicht):
Oder hier noch ein besseres Beispiel. Wieder gleicher Tag und gleiche Datenbasis. Das Handelsblatt spricht von einem Milliardengewinn für Porsche, das Manager-Magazin vom “Rutsch in die roten Zahlen”:
Ohne es genau zu wissen gehe ich davon aus, dass die Unterschiede in der Einschätzung sich entweder auf die Art (reportetet versus bereinigt / adjusted) oder die Ebene der verwendeten Kennzahlen (operativer versus Nettogewinn) zurückführen lassen. Selbst aus den Texten der meisten Artikel geht das allerdings nicht sauber hervor.
Meine Schlussfolgerung deshalb: Wenn uns das Ergebnis eines Unternehmens tatsächlich interessiert, dann sollten wir am besten selbst in den Quartalsbericht schauen, anstatt unsere Zeit mit dem Lesen der entsprechend meinungsgefärbten und auf Basis uns unbekannter Kennzahlen interpretierten Newsartikel zu verbringen.
Fazit: Viele News am besten ignorieren
Durch das Aufkommen des Internets hat sich die Anzahl an verfügbaren Informationsquellen für uns Investoren bestimmt verhundert- oder vertausendfacht. Aus diesem Grund müssen wir uns heute – noch vielmehr als früher – ganz genau überlegen, welche News wir tatsächlich lesen wollen und welche nicht (an unserer zeitlichen Verfügbarkeit hat sich ja im Grunde nichts geändert… der Tag hat immernoch nur 24 Stunden).
In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu verstehen, dass insbesondere die Geschäftsmodelle der großen Finanzportale (wallstreet:online, finanzen.net etc.) darauf basieren, möglichst viele Besucher auf ihre Seiten zu locken und mit den dort geschalteten Werbeanzeigen in Berührung zu bringen (die Vergütung für die Portale erfolgt nämlich meist auf Basis von Impressionen oder Klicks auf die Anzeigen).
Wie wir nun alle wissen, reagieren die Leser (inklusive uns selbst natürlich) am besten auf verheißungsvolle Versprechungen, reißerische Überschriften und unglaubwürdige Gerüchte (Aufzählung nicht vollständig).
Diese Überschriften sind deshalb für uns der beste Indikator, um bestimmte Arten von Börsennews direkt herauszufiltern und auf unseren “Nicht lesen und ignorieren”-Stapel zu verfrachten.
1 Kommentar zu „Finanz- und Börsennews richtig lesen und “Noise” vermeiden“
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