Gute Shareholder Letters: So informiert ein guter CEO

Inhalte guter Shareholder Letters

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Inhalte guter Shareholder Letters

Ich hatte mich ja in der Vergangenheit schon das ein oder andere Mal mit dem so genannten Shareholder Letter (dem Brief an die Aktionäre) befasst. Der Shareholder Letter befindet sich in der Regel ganz am Anfang des Geschäftsberichts und wird von den CEOs des jeweiligen Unternehmens dazu genutzt, die Leser (d.h. insbesondere die Eigentümer) auf die ganz wesentlichen Geschehnisse und Entwicklungen des abgelaufenen Geschäftsjahres hinzuweisen.

In meinem früheren Artikel mit dem Titel “Brief an die Aktionäre: Wichtiger Einstieg in den Geschäftsbericht” gehe ich insbesondere auf die so genannten Red Flags ein, auf Warnzeichen also, die darauf hindeuten, dass das Unternehmen bzw. der CEO bestimmte Entwicklungen entweder beschönigen, nicht ganz transparent darstellen oder ggf. sogar gänzlich verschweigen möchte.

Es gibt aber auch die umgekehrte Herangehensweise. Wir können natürlich auch fragen, welche Inhalte wir als Investoren / Eigentümer dargestellt sehen wollen würden bzw. welche Inhalte einen guten Shareholder Letter eigentlich ausmachen. Wir können also im Grunde genommen nach Indizien suchen, die für einen CEO sprechen, der transparent, offen und ehrlich mit den Eigentümern des Unternehmens und der Öffentlichkeit kommuniziert.

Im Folgenden möchte ich einmal auf ein paar dieser Inhalte bzw. Indizien eingehen.


Formale Aspekte eines guten Shareholder Letters

Zunächst mal ein paar ganz generelle Beobachtungen bzw. Einordnungen.

  • Der Aktionärsbrief sollte vom CEO persönlich verfasst worden sein
  • Die Kommunikation mit den Eigentümern sollte auf Augenhöhe stattfinden
  • Die Inhalte sollten fokussiert, detailliert und vor allem ehrlich sein

Persönlich geschriebener Shareholder Letter

Die erste und wichtigste Anforderung an einen Shareholder Letter von allen: Der Brief sollte vom CEO höchst persönlich verfasst worden sein. Alles andere wäre aus Sicht des Eigentümers / Investors ein No Go und würde auf eine gewisse Geringschätzung bzw. Ignoranz den Aktionären gegenüber hindeuten.

Das bedeutet zwar nicht, dass die Kommunikations- bzw. PR-Abteilung dem Text nicht noch den letzten Feinschliff verpassen darf. Standardisierte und sehr allgemein gehaltene Textbausteine sollten idealerweise im Shareholder Letter allerdings nicht enthalten sein (also gar nicht).


Kommunikation auf Augenhöhe

Die besten Aktionärsbriefe sind darüber hinaus meistens diejenigen, die den Leser als Geschäftspartner auf Augenhöhe ansprechen.

Dies wird zwar in der Regel durch verhältnismäßig tiefe Einblicke in das Unternehmen and das unterliegende Geschäftsmodell bewerkstelligt, kann aber auch bedeuten, dass der CEO seine bzw. ihre Sichtweise zu den ganz zentralen Themen mitteilt und diese sogar im wissenschaftlichen bzw. wirtschaftlichen Kontext kurz einordnet (z.B. relevante Accounting-Regeln, mikro- oder makroökonomische Konzepte, Managementtheorien etc.).


Fokussierte Inhalte und ehrliche, klare Benennung der Herausforderungen

Hervorragende Aktionärsbriefe sind typischerweise gut geschrieben, ehrlich und konsequent ausgerichtet.

Ehrlich heißt in dem Fall: Auch die Herausforderungen werden unmissverständlich als solche benannt und erläutert… das kann z.B. reichen von Veränderungen des Wettbewerbsumfelds, über Herausforderungen mit der Unternehmenskultur bis hin zur Nachfolgefrage.

Die Darstellung der Herausforderungen geht in vielen Fällen einher (bzw. sollte idealerweise einhergehen) mit einem sehr langfristigen Betrachtungshorizont. Es ist typischerweise nämlich für die Leser einfach hilfreicher, wenn schwierigere Phasen im Kontext einer langfristigen Weiterentwicklung dargestellt werden.

Gleiches gilt für die Entwicklung der Profitabilität bzw. der Rentabilität, welche – insbesondere bei zyklischen Geschäftsmodellen (Markt- oder Investitionszyklen) – ja mal höher und mal niedriger ausfallen können. Eine längerfristige Einordnung macht deshalb in der Regel einen großen Unterschied.


Inhaltliche Aspekte eines guten Shareholder Letters

Neben den oben angesprochenen etwas formaleren Kriterien gibt es auch eine ganze Reihe an inhaltlichen Aspekten, die in einem guten Shareholder Letter angesprochen werden sollten. Auf Basis einer empirischen Analyse enthalten gute Shareholder Letter (also beispielsweise die von Warren Buffett oder Jeff Bezos) immer einen oder mehrere der folgenden Aspekte:

  • Historie, Geschäftsmodell und Wettbewerbsvorteile
  • Langfristige Orientierung
  • Kapitalallokation
  • Management
  • KPIs bzw. wesentliche Metriken

Also was möchten wir als Miteigentümer eines Unternehmens in einem Shareholder Letter eigentlich im Idealfall gerne lesen? Schauen wir uns die einzelnen Punkte einmal etwas mehr im Detail an.


Historie, Geschäftsmodell und Wettbewerbsvorteile

Ein guter Shareholder Letter sollte dem Leser idealerweise einen kurzen Einblick in die Geschichte des Unternehmens geben… als wichtige Einordnung für das Verständnis. Darüber hinaus wäre es wünschenswert, wenn der Aktionärsbrief entweder eine Beschreibung des Leitbildes (d.h. der obersten Unternehmensprinzipien) oder der Unternehmenskultur enthalten würde.

Eine kurze Abhandlung des Geschäftsmodells, der Strategie und der zugehörigen Wettbewerbsvorteile (“Moats“) ist dagegen ein Muss. Hier gilt ganz simpel: Je mehr Details, desto besser (z.B. im Hinblick auf die Ausbildung konkreter Skalenvorteile über die Zeit, die Diversifizierung des Produktangebots inkl. der resultierenden bzw. erwarteten Returns etc.)!


Langfristorientierung

Empirische Studien zeigen immer wieder, dass eine langfristige Orientierung des Managements viel erfolgversprechender ist, als eine Orientierung an der sehr kurzfristigen Entwicklung. Insofern wünschen wir uns als Investoren natürlich eine Indikation vom CEO, dass er oder sie genau die langfristige Perspektive auch einnimmt.

In der Praxis kann sich dieser Umstand insbesondere dadurch manifestieren, dass im Aktionärsbrief konsequent auf kurzfristige Prognosen verzichtet wird (das heißt z.B. keine Guidance für das kommende Quartal oder die kommenden Monate im Aktionärsbrief). Und auch dadurch, dass eine gleichlautende Erwartungshaltung in die Richtung der Mitarbeiter und auch der Aktionäre kommuniziert wird.

Ein ganz einfacher Test bzgl. dieses Kriteriums kann z.B. auch darin bestehen, einfach mal zu zählen, wie oft der Begriff “langfristig” (oder etwas Ähnliches) einerseits und wie oft der Begriff “Quartal” (oder etwas Ähnliches) andererseits im Aktionärsbrief vorkommt.


Kapitalallokation

Der Begriff Kapitalallokation bezieht sich auf die verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten, die für den erwirtschafteten Barmittelüberschuss / Gewinn in Frage kommen. Hiervon gibt es i.W. vier:

  • die Reinvestition in das bestehende Unternehmen (d.h. i.W. organisches Wachstum)
  • der Erwerb neuer Unternehmen (M&A)
  • der Rückkauf eigener Aktien (Share Buybacks)
  • die Ausschüttung von Dividenden.

Die optimale Gesamtallokation ist demzufolge diejenige, bei der jeder zur Verfügung stehende Euro sozusagen “Return maximierend” eingesetzt wird (eine super Illustration dieses Sachverhalts findet ihr übrigens in der Case Study zu Henry Singleton bzw. Teledyne). Die Allokationsentscheidung eines CEOs unterscheidet sich deshalb gar nicht so sehr von der Entscheidung eines Investors in Bezug auf die Portfolioallokation.

Über alles betrachtet gibt es aber leider nur sehr sehr wenige CEOs / Top-Manager, die in solchen Kategorien denken. Wenn wir also jemanden finden, der es tut und darüber auch noch in seinem Shareholder Letter berichtet, dann ist das schonmal ein sehr gutes Zeichen.


Management

Gute CEOs sind sich in der Regel der Bedeutung und vor allem der Wirksamkeit von Anreizen sehr bewusst und sind deshalb bestrebt, die Interessen von Managern und Aktionären soweit möglich in Einklang zu bringen. Ist das der Fall, dann sollte bzw. würde der CEO darüber vermutlich im Shareholder Letter berichten.

In vielen Fällen drückt sich dieser Aspekt übrigens auch durch eine relativ hohe Beteiligung des Management-Teams am Unternehmen aus (“Insider-Ownership” bzw. “Owner-Operator” Logik).

Ein weiterer wichtiger Punkt, dem wir einige Beachtung schenken sollten – insbesondere dann, wenn der / die CEO bereits ein fortgeschrittenes Alter erreicht hat: Wird die Nachfolgefrage im Shareholder Letter adressiert bzw. werden die Eigentümer über den Stand der Diskussion ausreichend ins Bild gesetzt, dann ist das ein positives Zeichen.

Ganz generell werden gute CEOs im Shareholder Letter außerdem tendenziell eher Fehler einräumen und Ursachen analysieren, als sich selbst für anekdotische Erfolge und “Best-Cases” zu loben.

Apropos Lob: Ein guter CEO wird seine Mitarbeiter und Manager häufiger als nötig loben und die hohe Entscheidungsbefugnis, d.h. den dezentralen Management-Ansatz, hervorheben… auch im Shareholder Letter. Hierbei spielt natürlich ein hohes Maß an Vertrauen zur Mannschaft eine sehr große Rolle.


KPIs bzw. wesentliche Metriken

Der CEO sollte im Shareholder Letter auf die wesentlichen Reporting-KPIs eingehen und die Aktionäre darüber informieren, wie das Management über die Entwicklung der aktuellen Vergangenheit (und ggf. auch die Zukunft) nachdenkt. Wir als Leser sollten dabei insbesondere auf die Konsistenz der KPIs bzw. Kennzahlen von einem Jahr aufs andere achten. Gute Management-Teams werden neue KPIs oder Metriken nur mit einer ausführlichen Erläuterung der hinterliegenden Logik neu einführen und gegenüber den Eigentümern nicht den Anschein erwecken wollen, eine Verwirrungstaktik zu verfolgen.

Gute CEOs neigen außerdem dazu, umsichtige Ansätze sowohl in Bezug auf Leverage als auch Liquidität zu beschreiben. Einer hohen Verschuldung stehen viele recht skeptisch gegenüber, das Thema Liquidität wird in vielen Fällen sogar überbetont.

Die besten CEOs betrachten darüber hinaus die Entwicklung des Aktienkurs nicht unbedingt als geeigneten Maßstab für die Erfolgsmessung bzw. die Bestimmung des Unternehmenswerts. Viele befassen sich gerade im Shareholder Letter mit alternativen Ansätzen diesbezüglich.


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