Aufgrund des aktuellen Chip-Mangels und des daraus resultierenden negativen Einflusses auf die deutsche Automobilproduktion, aber auch durch die immer weiter steigenden Anforderungen an die Rechenpower von Smartphones usw. beschäftigen sich gerade viele Investoren mit dem Halbleiter-Markt.
In diesem Artikel möchte ich – in einem ersten Schritt – einmal auf den Markt für Semiconductors als Ganzes eingehen und versuchen, eine erste Segmentierung bzw. Klassifizierung der Chips etc. vorzunehmen.
Am Ende ist Halbleiter nämlich nicht gleich Halbleiter… in manchen Teilmärkten bilden sich aktuell Quasi-Monopolstellungen heraus, während andere mehr oder weniger fragmentiert und heiß umkämpft sind. Aufgrund der Komplexität der Wertschöpfungskette kann (und soll) dieser Artikel deshalb erstmal nicht mehr sein, als eine erste Übersicht und Einführung… sozusagen der Einstieg in die Branchenanalyse (der nächste Teil ist aber bereits in Arbeit :-)).
Intro: Was ist ein Halbleiter überhaupt?
Laut der eigentlichen Begriffsbestimmung ist ein Semiconductor bzw. Halbleiter im Grunde genommen nur ein Material, welches je nach Zustand sowohl leitend als auch nicht leitend sein kann, was sich auf Strom, Wärme, Licht oder Magnetismus beziehen kann.
Umgangssprachlich wird der Begriff Halbleiter (oder auch Semiconductor) heutzutage allerdings in vielen Fällen synonym für den Industriezweig verwendet, der sich mit der Herstellung von Mikrochips befasst (fast hätte ich geschrieben “Computerchips”, aber das stimmt dieser Tage ja absolut gar nicht mehr).
Als elektrische Halbleiter in der Elektrotechnik bzw. Elektronik – also für die Herstellung von Mikrochips – kommen vor allem Silizium (Si, “silicon”), Siliziumkarbid (SiC), Germanium (Ge) und Galliumarsenid (GaAs) zum Einsatz, wobei die Leitfähigkeit der Materialien durch verschiedene Verfahren (z.B. die Dotierung, siehe unten) noch weiter beeinflusst werden kann.
Durch die Kombination unterschiedlich dotierter bzw. unterschiedlich stark leitender Bereiche können nun elektronische Bauelemente mit richtungsabhängiger Leitfähigkeit (Dioden, Gleichrichter) oder auch mit Schalterfunktion (Transistoren, Tyristoren) herstellt werden. Aus der Kombination unzähliger dieser inzwischen mikroskopisch kleinen Bauelemente entsteht dann am Ende wiederum ein Mikrochip.
Nur so am Rande: Mit Fokus auf die hier relevante elektrische Leitfähigkeit sind übrigens Silber und Kupfer die beiden am besten leitenden Materialien. Kohlenstoff (also am Ende alle Kunststoffe), Keramik oder Glas z.B. leiten gar keinen Strom weiter, weshalb sie auch als Isolatoren eingesetzt werden. Bei einem Stromkabel handelt es sich deshalb im Wesentlichen um einen mit Kunststoff ummantelten Kupferdraht.
Produktionsprozess von Semiconductors
Fangen wir zum besseren Verständnis für die Entstehung eines Semiconductors bzw. eines Mikrochips am besten einmal mit dem Herstellungsprozess an, zunächst mal ganz losgelöst von den verschiedenen Marktteilnehmern und den Aufgaben, die diese ganz konkret übernehmen.
Die eigentliche physische Herstellung eines Halbleiters erfolgt in vier Schritten:
- Abbau und Aufbereitung der Rohstoffe
- Herstellung der Silizium-Wafer
- Aufbringen der Chips auf die Wafer
- Abtrennen der Chips, Testen, Zusammenbau und Verpackung der Chips
Hier das Ganze einmal als graphische Darstellung:
Der Rohstoff, heutzutage i.W. hochreines Silizium (Polysilizium), wird zunächst zu einer ~0,75mm dünnen und kreisrunden Platte mit einem Durchmesser von meist 200 oder 300mm, dem so genannten Wafer, verarbeitet.
Auf diesen Wafer werden anschließend im vermutlich komplexesten Produktionsprozess der Welt die so genannten “dies” aufgebracht. Diese ca. 100mm² großen “dies” enthalten je nach Produktionsverfahren (es gibt z.B. das 28nm, das 7nm oder auch das 5nm Verfahren) eine unterschiedlich große Anzahl an Transistoren bzw. Schaltkreisen (Integrated Circuits oder ICs) und haben deshalb ggf. ganz unterschiedliche Performance-Kennwerte.
Nachdem die “dies” mit einem Trennwerkzeug voneinander getrennt und entsprechend verpackt wurden (die Verpackung ist im Grunde genommen das bekannte Chipgehäuse mit seinen verschiedenen Anschlüssen), ist der einzelne Mikrochip fertig.
Wenn wir davon ausgehen, dass ein heutiger Chip so grob eine Abmessung von ca. 10x10mm (= 100mm²) hat, dann passen ca. 700 “dies” bzw. Chips auf einen Wafer.
Rohstoffe
Die Herstellung bzw. der Abbau der Rohstoffe – i.W. also des Siliziums – für die Wafer-Herstellung ist im Grunde genommen ein metallurgischer Prozess.
Das in Form von Quartzen (Bergkristallen) abgebaute Silizium hat zunächst eine Reinheit von ca. 99 bis 99,5%. Anschließend wird es über einen mehrstufigen metallurgischen Prozess in so genanntes Polysilizium (“polysilicon”), ein Silizium mit einem Reinheitsgrad von ca. 99,999% Si, umgewandelt.
Dieses Polysilizium dient anschließend als Ausgangsmaterial für die Herstellung des Silizium-Wafers.
Komponenten: Herstellung der Wafer
Die Herstellung des Wafers erfolgt heutzutage meist im Rahmen des so genannten Czochralski-Verfahrens. Hierbei wird das hochreine Silizium zunächst zu monokristallinen zylindrischen Blöcken (Boules oder Ingots) verarbeitet. Ein solcher Block hat typischerweise einen Durchmesser von 200 oder 300mm (8 bzw. 12 inch).
Diese Blöcke werden anschließend in etwa 0,75mm dicke Scheiben geschnitten und anschließend poliert, um eine sehr regelmäßige und ebene Oberfläche zu erhalten.
Auf diese Wafer genannten Scheiben werden im nächsten Schritt im Rahmen der Chip-Fabrikation die individuellen Mikrochips bzw. Schaltkreise aufgebracht.
Chip-Fabrikation (“Front-End”)
Die Fabrikation der Chips erfolgt in einer so genannten Foundry oder Fab, wo der Wafer mithilfe einer bestimmten Abfolge unterschiedlicher teilweise sehr komplexer Fabrikationsprozesse bearbeitet wird. Ergebnis ist ein mit mehreren 100 Chips (“dies”) bestückter Wafer, wobei jeder Chip je nach Produktionsverfahren wiederum mehrere Mrd. Transistoren enthalten kann.
Die Anzahl der möglichen Transistoren auf einem Chip hängt neben dem Chip-Design (mehr dazu später) insbesondere von der Produktionstechnologie ab. Seit dem Aufkommen der ersten mit dem 386er Mikroprozessor (CPU) von Intel ausgestatteten Personal Computer Mitte der 1980er Jahre hat sich die Anzahl an Transistoren auf einem Chip ca. alle zwei Jahre verdoppelt (bzw. hat sich die erforderliche Fläche für eine festgelegte Anzahl an Transistoren entsprechend halbiert):
Weiterentwicklung des Fabrikationsprozesses von Mikrochips; Quelle: Wikipedia
Dieses Gesetz der Verdopplung innerhalb von 2 Jahren wurde bereits im Jahr 1965 von Gorden Moore, dem Mitgründer und ehemaligen CEO von Intel, postuliert und ist deshalb als Moore’s Law in die Geschichte eingegangen:
The number of transistors in a dense integrated circuit (IC) doubles about every two years. – Gordon Moore (Mitgründer und ex-CEO von Intel)
Der seit 2019 von TSMC (der Taiwan Semiconductor Manufacturing Company) produzierte A13 Bionic von Apple wird beispielsweise auf Basis des 7nm Prozesses hergestellt und enthält ca. 8,5 Mrd. Transistoren. Die Größenangaben in Mycrometer und Nanometer (nm) bezogen sich ursprünglich übrigens mal auf die Breite eines einzelnen Transistors auf dem Chip.
Ganz allgemein war die Entwicklung des Smartphones (bzw. des iPhones im Speziellen) vermutlich einer der wesentlichen Treiber hinter der Entwicklung immer leistungsstärkerer Chips, was denke ich auch durch die folgende Grafik ganz gut illustriert wird:
Entwicklung der Chip-Technologie im iPhone; Quelle: Websearch
Ohne jetzt zu sehr ins Detail gehen zu wollen… hier einmal eine kurze Zusammenfassung der typischerweise verwendeten Fertigungstechniken im Rahmen der Chip-Fabrikation:
- Layering (Wachsen, Abscheiden): Aufbringung oder Abtragung dünner Schichten auf den / vom Wafer. Diese können aus demselben (polykristallines Si / SiO2) oder anderen Materialien, Mikrostrukturen etc. bestehen
- Patterning (Photolithogaphie für neueste Chips): Eine Reihe von Schritten zur selektiven Maskierung oder Freilegung von Teilen der Oberfläche für die folgende Abscheidung („Layering“), Dotierung oder Ätzung
- Doping (Dotieren): Verfahren, bei dem bestimmte Mengen elektrisch aktiver „Verunreinigungen“ (in der Regel p- oder n-leitend) durch Öffnungen auf der Waferoberfläche eingebracht und zur Herstellung von Bauelementen wie Dioden, Transistoren, Leitern etc. und anderen elektronischen Bauelementen verwendet werden…. aus welchen zusammengenommen schlussendlich die Schaltkreise bzw. Integrated Circuits entstehen
- Heat Treatment: Wärmebehandlung (Backen, Glühen), welche in der Regel im Rahmen aller vorgenannten Prozesse zum Einsatz kommt
Für später können wir uns schonmal merken, dass bzgl. des “Patterning” insbesondere die Nutzung und Beherrschung der EUV-Technologie – EUV steht für Extreme Ultraviolet Lithography – für die neuesten Chip-Generationen (also aktuell 5 und möglicherweise bald 3nm) eine wesentliche Rolle spielt.
Wie gesagt werden die Fertigungstechniken nicht zwangsläufig in der vorgestellten Reihenfolge und auch nicht notwendigerweise nur einmal durchgeführt. Das Ergebnis der Abfolge der Produktionsprozesse ist am Ende eine Struktur, die vereinfacht vielleicht ungefähr so aussehen könnte:
Quelle: May, Spanos – Fundamentals of Semiconductor Manufacturing and Process Control
Wir haben also einen Wafer, der vielleicht ca. 700 “dies” mit jeweils ein paar Milliarden Transistoren enthält. Diese “dies” sind durch so genannte “scribe lines” voneinander abgegrenzt. Darüber hinaus werden manche der “dies” zu Testzwecken genutzt, um sicherzustellen, dass die Chips auch die entsprechende Qualität besitzen und später in die passenden Endgeräte eingebaut werden können.
Hier einmal die schematische Darstellung eines mit Chips besetzten Wafers:
Quelle: Peter van Zant – Microchip Fabrication
Wie ihr an der Abbildung sehen könnt, gibt es zwei weitere Spezifika:
An den Rändern des Wafers gibt es so genannte „partial dies” oder “edge dies“ welche entstehen, weil die Wafer rund sind, die Chips in der Regel allerdings rechteckig.
Darüber hinaus werden zu Beginn des Fabrikationsprozesses ein paar Kanten bzw. Aussparungen in den Wafer geschnitten, damit der Wafer besser gegriffen und transportiert sowie bei jedem Bearbeitungsschritt in einer identischen Art und Weise ausgerichtet werden kann (das übernehmen in der Fab natürlich alles Roboter).
Exkurs: Fab Kapazität, Fertigungskosten und Economies of Scale TSMC
TSMC ist aktuell der größte Halbleiterhersteller weltweit und betreibt in Summe 18 Foundries bzw. Fabs. Die Aufrechterhaltung eines hohen und zuverlässigen Produktionsniveaus spielt dabei für die Fertigungsstrategie eine wesentliche Rolle.
TSMC betreibt aktuell vier 300mm Giga-Fabs… das sind die Fabs 12, 14, 15 und 18. Die kombinierte Kapazität dieser vier Anlagen lag im Jahr 2020 oberhalb der Marke von 9 Mio. 300mm (12 inch) Wafern.
Die Fabriken 12, 14 und 15 unterstützen dabei die Prozesstechnologien 0,13μm, 90nm, 65nm, 40nm, 28nm, 20nm, 16nm, 10nm und 7nm (einschließlich der Abwandlungen bzw. Weiterentwicklungen der einzelnen Technologien, der so genannten “sub-nodes”).
Die 5nm-Technologie wird derzeit in Fab 18 in die Massenproduktion überführt.
Ein Teil der Kapazität von Fab 12 wird darüber hinaus für die Forschung an den neuesten Fertigungstechnologien genutzt. Unter anderem findet hier aktuell die technologische Entwicklung der 3nm- und 2nm-Technologie und darüber hinaus statt.
Eine Giga-Fab produziert pro Monat mehr als 100.000 Wafer, eine Mega-Fab kommt auf ca. 25.000 Wafer:
Vergleich verschiedener Foundries von TSMC; Quelle: TSMC
Bei diesen Produktionsmengen können wir davon ausgehen, dass es sich hier um einen Fertigungsprozess handelt, der von substantiellen Skaleneffekten (Economies of Scale) profitiert (bzw. profitieren kann). Neben den Prozessabläufen in der Fab (am Ende ausgedrückt durch die Taktzeit bzw. Cycle Time) spielen dabei auch Dinge wie die Größe des Wafers und der Minimierung des Ausschusses (bzw. eine Maximierung der Ausbeute bzw. des “Yields”) eine wesentliche Rolle.
Aktuell wird beispielsweise versucht, den Fertigungsprozess auf 450mm Wafer auszurichten, was, sollte es bei gleichbleibender Taktzeit gelingen, eine unmittelbare Erhöhung des Outputs einer Fab von ca. 50% bedeuten würde.
Für die Maximierung des Yield sind mehrere Faktoren von Bedeutung, z. B. die Sauberkeit des Reinraums (jedes noch so kleine Staubkörnchen kann sofort zu einem Defekt des Wafers führen), die Genauigkeit der Verarbeitungsgeräte und die Prozessbedingungen in den einzelnen Fertigungsschritten.
TSMC war übrigens der erste “Lohnfertiger” von Halbleiterchips (also die erste “pure-play foundry”), was zum Großteil auch mit dem Streben nach Skaleneffekten begründet werden kann. TSMC war damals auch das erste Unternehmen, welches (auf Basis der Ergebnisse einer Studie von BCG) damit begann, für das Pricing der Chips immer eine Vollauslastung der Anlagen (und damit die maximale Degression der Fixkosten) zu unterstellen. Auf diese Weise kreierte TSMC quasi selbst die Nachfrage nach seinen Chips und konnte die Fabs überdurchschnittlich schnell hoch auslasten und am optimalen Kostenpunkt betreiben.
Finishing (“Back-End”)
Was ich hier einmal als Finishing bezeichnet habe, wird in den meisten Fällen als “assembly, testing and packaging” bezeichnet.
Unter “assembly”, zu deutsch sowas wie “Zusammenbau”, wird zunächst das Trennen der einzelnen Chips verstanden… bis hierher befinden sich die Chips ja noch alle nebeneinander auf dem Wafer angeordnet. Anschließend werden die einzelnen Chips in das Chipgehäuse verpackt und mit den notwendigen Anschlüssen versehen.
Parallel zum Assembly- bzw. Packaging-Prozess werden die Chips einer Reihe von Tests unterzogen. Dazu gehören z.B.
- der EDS-Test (“electrical die sorting”) direkt nach Abschluss der Waferherstellung
- der Verpackungstest nach Abschluss der Back-End-Verarbeitung
- der abschließende Qualitätstest, bevor das Produkt an die Kunden ausgeliefert wird
Im Rahmen des mehrstufigen EDS-Verfahrens wird zunächst die Funktionalität der Chips untersucht. Chips mit kleineren Defekten werden unmittelbar per Laserverfahren repariert, alle anderen defekten Chips mit einem Marker versehen und vor dem weiteren Prozess aussortiert, um Kosten zu sparen.
Semiconductors: Marktgröße und erste Segmentierung
Es gibt verschiedene Researchhäuser, die Informationen zur Marktentwicklung der Halbleiterbranche bereitstellen. Die Zahlen unterscheiden sich zwar von Quelle zu Quelle etwas. Recht große Übereinstimmung herrscht allerdings darüber, dass der Markt aktuell eine Größe von ca. 400 bis 450 Mrd. USD hat und seit Anfang der Dekade um ca. 5% pro Jahr gewachsen ist:
Marktentwicklung Semiconductors 1999-2020 [Mrd. USD], Quelle: anysilicon.com
Ein Großteil des Wachstums ist natürlich auf die oben angesprochene Entwicklung der Smartphones sowie die Weiterentwicklung der Produktionstechnologie zurückzuführen… heißt die Verfügbarkeit neuer Technologien zur Fertigung immer besserer Chips führt in der Regel zu neuen Anwendungen und neuer Nachfrage.
Für die Segmentierung dieses 400 Mrd. USD Marktes für Semiconductors gibt es nun eine ganze Reihe an Kriterien.
Weiter oben bin ich ja bereits kurz auf den Fertigungsprozess und den Zusammenhang mit der Rechenpower des iPhone eingegangen. Darüber hinaus gibt es natürlich verschiedene Funktionen, die ein Chip erfüllen kann sowie auch verschiedene Anwendungen, in denen ein Chip eingesetzt werden kann.
Wenn man so will, sprechen wir hier also über eine Segmentierung entlang von drei verschiedenen Dimensionen:
- Art des Chips (Prozesstechnologie)
- Funktion
- Endanwendung
Hier einmal eine aus verschiedenen Quellen zusammengetragene grobe Segmentierung entlang der einzelnen Dimensionen (die Betonung liegt hier auf “grob”, also die Zahlen bitte nicht über-interpretieren):
Marktsegmentierung Semiconductors, 2019, 2020 [%]; Quellen: Stiftung Neue Verantwortung, McKinsey, t4.ai, Counterpoint, semi.org
Gehen wir zunächst einmal auf die Funktionen von Semiconductors bzw. den Chip-Typ ein.
Chip-Typen: Verschiedene Funktionen von Semiconductors
Grundsätzlich gibt es eine ganze Reihe an Funktionen, für die ein Halbleiterchip designed werden kann.
Den Großteil des Gesamtmarktes machen mit ca. 80% der Nachfrage die so genannten integrierten Schaltkreise (“integrated circuits” oder “ICs”) aus. Zu dieser Kategorie zählen insbesondere Speicherchips (“memory”), Logik-Chips (“logic” oder “micro”) und analoge Chips (“analog”).
Die restlichen 20% entfallen auf Sensoren, Optoelektronik (wie LEDs) und diskrete Halbleiter (einzelne Transistoren). Diese werden zusammengenommen manchmal auch als Standard-Chips (“commodity”) bezeichnet.
Speicherchips (Memory)
Speichertechnologien werden häufig nach der Art der Datenspeicherung (volatil oder nicht-volatil) und des Datenzugriffs (zufällig oder sequentiell) eingeteilt. In Bezug auf die Funktion gibt es zwei große Speicherklassen:
- Primärspeicher (Hauptspeicher oder Arbeitsspeicher) – arbeitet aktiv mit Daten (volatil)
- den Sekundärspeicher (Datenspeicher) – ermöglicht die langfristige Speicherung (nicht-volatil)
Aufgrund der Verarbeitung von Echtzeitdaten ist für Arbeitsspeicher die Geschwindigkeit entscheidend. Der so genannte Cache, der genau diejenigen Anweisungen speichert, die gerade in dem Moment auf ihre Ausführung warten, hat die höchste Geschwindigkeitsanforderung. DRAM (Dynamic Random Access Memory) ist bis heute die gebräuchlichste Technologie für den Hauptspeicher.
Bei der längerfristigen bzw. permanenten Speicherung von Daten wie Fotos und Dokumenten sind Datenintegrität und Langlebigkeit weitaus wichtiger als Geschwindigkeit. Für die Speicherung werden hauptsächlich Flash-Speicher wie NANDs oder NORs verwendet, wobei sich NAND-Flash zur Haupttechnologie für Speicherkarten, Laufwerke etc. in Computern, Digitalkameras und Smartphones entwickelt hat.
Im Gegensatz zu DRAM, wo zur Kapazitätserhöhung immer noch die “horizontale” Skalierung zur Kapazitätserhöhung verwendet wird, haben die Hersteller von NAND-Chips inzwischen damit begonnen, die Dichte durch eine vertikale Skalierung weiter zu erhöhen (“3D-NAND”)… auf dem Wafer werden die Speicherzellen also inzwischen nach oben anstatt zur Seite hinzugefügt (Vorteil: Es gibt keine Platzbegrenzung mehr durch den Wafer bzw. die vorgegebene Chipgröße).
Logik-Chips bzw. Mikroprozessoren (Logic, Micro)
Logik-Chips oder Mikroprozessoren enthalten eine oder mehrere zentrale Verarbeitungseinheiten (“central processing units” oder CPUs). Darüber hinaus sind Chips zur Verarbeitung von grafischen Daten (“graphic processing units” oder GPUs) ebenfalls als Logik-Chips einzustufen. GPUs übernehmen heute das Rendering von Grafiken und sorgen für flüssige Bewegungen z.B. in Videospielen (früher haben das die CPUs quasi mit übernommen).
Die neueste Entwicklung in diesem Bereich stellen die so genannten neuronalen Recheneinheiten (“neural processing units” oder NPUs) dar, also Chips für die Beschleunigung von Rechenoperationen im Bereich der Artificial Intelligence und des Machine Learnings. Aus diesem Grund werden diese Prozessoren oft auch als AI Chips bezeichnet.
Bzgl. der Einteilung von Logik-Chips bzw. Mikroprozessoren kann in drei Kategorien unterteilt werden:
- 32- bzw. 64-Bit-Prozessoren für Server und PCs
- 32- bzw. 64-Bit-Prozessoren für Smart TVs, Tablets, Smartphones und andere mobile Endgeräte
- 8-, 16- und 24-Bit-Prozessoren für Spielzeuge und Fahrzeuge
Erstere basieren im Wesentlichen auf der durch Intel entwickelten und an AMD sowie VIATech lizensierten x86-Chiparchitektur.
Mobile Geräte hingegen verwenden in der Regel die offene Chiparchitektur des britischen Chipdesigners ARM Holdings.
Analoge Chips (Analog)
Analoge Chips bzw. Schaltkreise unterscheiden sich insofern von der digitalen Variante, als dass sie ganz konkrete Signale für die physische Welt, also z.B. Strom, Radiowellen oder Licht, erzeugen oder umwandeln.
Ohne den Einsatz analoger Chips wäre es z.B. nicht möglich, eine Batterie aufzuladen, einen Elektromotor anzutreiben oder (über Radiowellen) zu telefonieren. Daher sind die meisten Geräte, die Strom benötigen, auch auf analoge ICs angewiesen.
Im Gegensatz zu den Herstellern digitaler Chips stehen die Hersteller analoger ICs allerdings nicht unter dem permanenten Druck, die Anzahl an Transistoren auf einer vorgegebenen Fläche weiter erhöhen zu müssen, sondern sind stattdessen auf spezialisiertes Fachwissen in sehr spezifischen Anwendungsbereichen (z.B. Antriebstechnologie eines Elektromotors) angewiesen.
Standard-Chips (“commodity”)
Standardchips, die auch als Standard-ICs bezeichnet werden, sind einfache Chips, die für die Ausführung sich wiederholender Verarbeitungsroutinen verwendet werden.
Diese Chips werden in großen Stückzahlen hergestellt und in der Regel in Einzweckgeräten wie z.B. einem Barcode-Scanner verwendet.
In die Kategorie der Standard-Chips fallen tendenziell auch die so genannten diskreten Chips (“discrete” Chips bzw. Application Specific Integrated Chips oder ASICs), also Chips für eine ganz bestimmte Anwendung bzw. einen ganz bestimmten Zweck.
Sonderfall: System on a Chip (SoC)
Einen Sonderfall bzgl. der Klassifizierung von Semiconductors nach ihrer Funktion stellt das so genannte System on a Chip oder SoC dar. Bei einem SoC handelt es sich um einen Chip, auf dem alle wesentlichen elektronischen Komponenten für ein bestimmtes System zusammengefasst sind.
Hier einmal beispielhaft die Aufteilung der Fläche des Apple A13 Bionic SoC:
Flächenanteile verschiedener Prozessoren auf dem Apple A13 [mm²]; Quelle: Wikipedia
Der A13 Bionic (2019) enthält also neben einer zentralen Prozesseinheit (CPU) auch einen Grafikchip (GPU) sowie eine neuronale Recheneinheit (NPU).
Der neueste Chip für das Macbook (der M1, 2020) hat darüber hinaus bereits zwei DRAM Speichermodule auf der insgesamt 120mm² großen Fläche mit integriert (rechts zu sehen):
Apple M1 Chip; Quelle: Apple
Apple ist hier (wie so oft) der Vorreiter. Man kann also vermutlich davon ausgehen, dass sich dieses Konzept zukünftig weiter etablieren wird… wobei viele Anwendungen natürlich nicht annähernd die gleichen Anforderungen an Performance und Größe stellen (und auch zukünftig nicht stellen werden).
Anwendungen von Halbleiterchips
Eine weitere Segmentierung des Marktes für Semiconductors bzw. Halbleiter kann nach der Endanwendung vorgenommen werden. Eine typische Klassifizierung sieht hier wie folgt aus (analog zur bereits weiter oben gezeigten Grafik):
- Server und PCs: Cloud, AI, Streaming, PCs, Tablets
- Wireless: Smartphones
- Wired: Sicherheitsinfrastruktur, Kabel / DSL / FTTH etc.
- Unterhaltungselektronik (“consumer electronics”): Videospiele, Audio-Equipment, Haushaltsgeräte, Smartwatches, Wearables, TV-Geräte etc.
- Industrie: Medizintechnik, Aerospace, Defense, Strom / Energie (inkl. Solar, Speichern und Charging etc.) Beleuchtungen, Robotik, Industriemotoren, IoT
- Automotive: Autos, Trucks etc.
Wohlwissend, dass sich aus neuen Technologien wiederum neue Anwendungen und Einsatzgebiete für Semiconductors ergeben können, können aus den typischen Endanwendungen die folgenden Nachfragetreiber abgeleitet werden:
Nachfragetreiber für Semiconductors; Quelle: McKinsey
Aktuell wird insgesamt erwartet, dass das Automobil- und das Industriesegment in den kommenden Jahren am stärksten wachsen werden. Für die Umsätze in der Unterhaltungselektronik, der Datenverarbeitung und der Kommunikationselektronik wird ein eher stetiges bzw. moderates Wachstum erwartet.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass sich die Anforderungen an einen Semiconductor für Industrie- oder Automotive-Anwendungen substantiell von denjenigen für die Unterhaltungselektronik bzw. die Kommunikation und Datenverarbeitung unterscheiden.
Die Konzeption und Herstellung von Semiconductors für die Automobilindustrie (digitale sowie auch analoge ICs) erfordert – im Gegensatz zur Herstellung von Smartphone-Chips – ein relativ spezialisiertes Fachwissen.
Die Automobilindustrie benötigt z.B.
- Spezifikationen für einen sehr breiten Temperaturbereich (-44 bis ~155°C) bzw. ganz andere Umgebungsbedingungen
- Eine sehr lange Lebensdauer sowie ein längerfristig unverändertes Design (10+ Jahre)
- Sehr geringe (bzw. eigentlich keine) Fehlertoleranzen aufgrund der hohen Sicherheitsanforderungen
- etc.
Auf der anderen Seite besteht in der Regel kein Platzmangel, weshalb die Chips nicht zwangsläufig mit der letzten 7 oder 5nm Technologie hergestellt werden müssen. Viele Auto-Chips bewegen sich deshalb noch im Bereich zwischen 150 und 28nm.
Fazit
Die Herstellung eines Halbleiterchips bzw. eines Semiconductors ist vermutlich einer der komplexesten Produktionsprozesse der Welt. Insbesondere die neuesten Produktionsprozesse sind extrem anspruchsvoll. Die neuesten Chips von Apple beispielsweise enthalten mehr als 10 Mrd. Transistoren… und das auf einer Fläche von ca. 100mm².
Die Herstellung eines Semiconductors erfolgt in 4 Produktionsschritten:
- Der erste Schritt beinhaltet den Abbau und die metallurgische Behandlung des Siliziums
- Im zweiten Schritt wird aus dem quasi-reinem Silizium (Polysilizium) ein so genannter Wafer hergestellt (eine runde Si-Platte mit einem Durchmesser von meist ca. 300mm und einer Dicke von 0,75mm)
- Auf diesen Wafer wird anschließend in einem hochkomplexen Fertigungsprozess mehrere hundert Chips bzw. integrierte Schaltkreise (jeweils ca. 100mm² groß) aufgebracht, von denen jeder wiederum mehrere Mrd. Transistoren enthalten kann
- Diese Chips werden anschließend voneinander getrennt und in ein entsprechendes Chipgehäuse “verpackt”. Parallel wird regelmäßig die Funktionsweise geprüft bzw. getestet und Ausschuss direkt aussortiert
Das finale Produkt, der Semiconductor bzw. Halbleiterchip, lässt sich in verschiedene Kategorien einteilen:
- Speicher-Chips (heute i.W. DRAM und NAND)
- Logik-Chips bzw. Mikroprozessoren (CPUs, GPUs und neuerdings NPUs bzw. AI Chips)
- Analoge ICs (für Anwendungen, in denen mit anderen physischen Devices kommuniziert werden muss)
- Weitere Chips bzw. Standard-Chips
Einen Sonderfall stellen darüber hinaus die so genannten SoCs (Systems on a Chip) dar, bei denen im Grunde alle erforderlichen Chip-Typen auf einer Struktur kombiniert werden. Der neueste M1-Chip von Apple beispielsweise hat CPU, GPU und NPU auf einem Chip kombiniert und darüber hinaus bereits zwei DRAM-Memory-Einheiten direkt angebunden.
Im nächsten Teil dieser Reihe werde ich von der Wertschöpfungskette ausgehend etwas tiefer in die einzelnen Geschäftsmodelle einsteigen.
1 Kommentar zu „Semiconductors 1×1: Wertschöpfung, Marktsegmentierung, Endanwendungen“
Super Beitrag! Genauso etwas bitte öfter über andere Industrien (z.B. SaaS, Renewables, Cloud-Platform, Oil&Gas etc.)