Beherrschungsvertrag, Spruchverfahren, Nachbesserung – Beispiel MAN

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MAN VW - Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag

Vor kurzem hatte ich den Merger von Linde und Praxair im Detail beleuchtet und war auch auf den Squeeze-Out und das anstehende Spruchverfahren eingegangen. Da eine definitive Entscheidung bzgl. der Abfindung bzw. Nachbesserung allerdings noch mehrere Jahre dauern kann, habe ich mir mit MAN einmal einen Fall angesehen, in dem das Spruchverfahren bereits abgeschlossen wurde. Im Fall von MAN liegt die Ursache des Spruchverfahrens darüber hinaus nicht in einem Squeeze-Out, sondern im Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages (BGAV) begründet, was das Thema zusätzlich interessant macht.

In diesem Artikel möchte ich einmal auf die Historie der Übernahme von MAN durch VW und im Zuge dessen vor allem auf den Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages sowie den Ablauf des anschließenden Spruchverfahrens eingehen.

Falls euch also auch interessiert, wie ein Spruchverfahren genau abläuft und welchen Ansatz die Gerichte typischerweise bei der Überprüfung verfolgen, dann lest weiter.


Historie der Übernahme der MAN SE durch Volkswagen

Bevor wir in die Details des Beherrschungsvertrages einsteigen, möchte ich zunächst einmal auf die Übernahme von MAN durch Volkswagen eingehen.

Wie ihr an der folgenden Chronik sehen könnt, hat die Volkswagen AG die MAN SE nicht im Rahmen eines offiziellen Übernahmeangebots komplett übernommen und die verbliebenen Minderheitsaktionäre anschließend über einen Squeeze-Out herausgedrängt, sondern über einen längeren Zeitraum immer wieder MAN Aktien hinzugekauft, bis schließlich ein Stimmrechtsanteil von ca. 75% erreicht war.

Hier die Eckpunkte der Übernahme der MAN SE durch VW im Zeitablauf:

  • 3. Oktober 2006: Volkswagen gibt an, einen Anteil von 15,06% an MAN erworben zu haben
  • 26. Februar 2007: VW erhöht seinen Stimmrechtsanteil über die Börse auf 29,9%
  • 9. Mai 2011: VW überschreitet die 30%-Schwelle und muss deshalb den restlichen MAN-Aktionären ein Pflichtangebot zur Übernahme aller Aktien unterbreiten. Der festgelegte Übernahmepreis beträgt 95,00 EUR je Stammaktie und 59,90 EUR je Vorzugsaktie
  • 29. Juni 2011: Ende der Annahmefrist
  • 9. November 2011: Das Pflichtangebot wird vollzogen und der VW-Anteil erhöht sich auf 55,9% der Stammaktien und 53,71% der Vorzugsaktien. Seit diesem Zeitpunkt wird die MAN SE als mittelbare Tochtergesellschaft vollkonsolidiert in den Konzernabschluss der Volkswagen AG einbezogen
  • 6. Juni 2012: Nach weiteren Zukäufen erreicht VW einen Stimmrechtsanteil von 75,03% sowie einen Anteil am Grundkapital von 73,41%
Eigentümerstruktur MAN

Eigentümerstruktur MAN Mitte 2013

Nach Erreichen der 75%-Schwelle leitete VW dann den Abschluss eines Beherrschungsvertrages ein mit dem Ziel einen integrierten Nutzfahrzeugkonzern bestehend aus dem MAN-Anteil, der Scania-Beteiligung und Volkswagen Trucks zu bauen. Heute firmiert das Ganze unter dem Namen Traton und soll demnächst an die Börse gebracht werden.


Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags

Der Abschluss des BGAV war aufgrund der Stimmrechtsmehrheit von VW nur eine Formsache und wurde im Rahmen einer außerordentlichen Hauptversammlung der MAN SE am 6. Juni 2013 beschlossen.

MAN Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag

Auch hier ein paar Details zum zeitlichen Ablauf:

  • 9. Januar 2013: VW teilt MAN mit, dass ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (BGAV) abgeschlossen werden soll. Ziel ist der Bau eines integrierten Nutzfahrzeugkonzerns
  • 16. bis 25. April 2013: Volkswagen bringt seine gesamten Anteile an MAN sowie zusätzlich 3,25 Mrd. EUR Cash in die Tochter Truck & Bus GmbH ein
  • 26.04.2013: Der vom Landgericht München I bestellte Prüfer (Rödl & Partner) bestätigt die Angemessenheit der von von KPMG und PwC im Vorfeld gemeinschaftlich ermittelten Abfindung (80,89 EUR/Aktie) sowie des regelmäßigen Ausgleichs / der regelmäßigen Garantiedividende (3,07 EUR)
  • 6. Juni 2013: Die Hauptversammlung von MAN beschließt den BGAV. Als Abfindungspreis wird 80,89 EUR festgelegt, der regelmäßige Ausgleich – d.h. die Garantiedividende – beträgt 3,30 EUR brutto bzw. 3,07 EUR netto nach Abzug von Körperschaftssteuern und Solidaritätszuschlag
  • 16. Juli 2013: Eintragung des Beherrschungsvertrages in das Handelsregister
  • 17. Juli 2013: Bekanntmachung durch das Amtsgericht gemäß §10 HGB

Aufgrund des Beherrschungsvertrages schüttete MAN seit dem Geschäftsjahr 2014 keine Dividende mehr aus. Stattdessen verpflichtete sich die beherrschende Muttergesellschaft – also Volkswagen bzw. genauer gesagt die Truck & Bus GmbH – zur Zahlung einer Garantiedividende in Höhe von 3,07 EUR je Aktie an die Minderheitsaktionäre (gilt sowohl für Stammaktien als auch für Vorzugsaktien).

Jeder Aktionär konnte sich innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntmachung des Vertrages entweder gegen eine Barzahlung von 80,89 EUR abfinden lassen oder zukünftig eine garantierte Dividende von jährlich 3,07 EUR/Aktie erhalten.

Festlegung von angemessener Abfindung und Ausgleich nach §304 bzw. §305 AktG

Aus dem Ablauf des Mergers zwischen Linde und Praxair wissen wir, dass im Vorfeld der Hauptversammlung zum Beschluss eines Squeeze-Out ein Gutachten zur Festlegung einer angemessenen Abfindung erstellt und anschließend von einem vom Gericht bestellten und damit unabhängigen Prüfer auf Angemessenheit geprüft wird.

Im Falle des Abschlusses eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages verhält es sich ganz ähnlich. Auch hier erhalten die Aktionäre die Gelegenheit, gegen eine Barabfindung aus der Gesellschaft auszuscheiden. Für diejenigen, die sich nicht abfinden lassen möchten, wird eine Garantiedividende – der so genannte Ausgleich – festgelegt.


Angemessene Abfindung

Die Bestimmung der angemessenen Abfindung erfolgt in der Regel auf Basis des Ertragswertverfahrens entsprechend IDW S1 2008, einer Richtlinie des Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.

Im Grunde genommen handelt es sich dabei um eine Abdiskontierung der zukünftig erwarteten und ausgeschütteten Gewinne (und nicht der Cash Flows).

Hier einmal das Bewertungsmodell von KPMG und PwC zur Bestimmung der ursprünglichen Abfindung i.H.v. 80,89 EUR je Aktie:

MAN - Gutachten Abfindung BGAV

Ermittlung der Abfindung im Vorfeld der Hauptversammlung zum Beschluss des BGAV, Quelle: KPMG/PwC Gutachten

Der erwartete Jahresüberschuss für die Jahre 2013 bis 2018 stammt dabei vor allem aus der damaligen internen 5-Jahres-Planung von MAN. Zwar wurden die Annahmen für die Entwicklung der einzelnen Business Units geprüft und mit externen Marktdaten abgeglichen. Im Grunde genommen wurde die Planung aber ohne große Änderungen übernommen. Weitere Details könnt ihr im Gutachten nachlesen.

Auch im Falle eines BGAV gelten übrigens die gesetzlichen Vorgaben zur Bestimmung der Mindestgegenleistung. Es gilt der höhere Wert aus

  • dem Wert der höchsten von der Bieterin gewährten oder vereinbarten Gegenleistung der letzten 6 Monate
  • dem Durchschnittskurs der letzten 3 Monate vor dem Angebot

In diesem Fall gilt die VW-Ankündigung vom 9. Januar 2013 als relevanter Stichtag. Im Zeitraum zwischen dem 9. Oktober 2012 und dem 8. Januar 2013 lag der Durchschnittskurs für die MAN-Stammaktie bei 79,08 EUR… also leicht unterhalb der von KPMG und PwC ermittelten Abfindung.


Ausgleichszahlung bzw. Garantiedividende

Die Garantiedividende wird in der Regel nicht an den erzielten Gewinn im jeweiligen Geschäftsjahr gekoppelt, sondern auf Basis eines nachhaltig erzielbaren Gewinns ermittelt. Die Garantiedividende ergibt sich deshalb aus der ermittelten angemessenen Abfindung sowie einem das Unternehmensrisiko reflektierenden Verrentungsfaktor:

Garantiedividende = Ertragswert x Verrentungsfaktor

KPMG und PwC haben für die Ermittlung des Verrentungsfaktors eine 20-jährige VW-Anleihe (Laufzeit also bis 2033) zu Rate gezogen:

Verrentungsfaktor = Basiszins + Risikoaufschlag VW-Anleihe = 2,50% + 1,30% = 3,80% 

Mithilfe dieses Verrentungsfaktors ergibt sich die den Minderheitsaktionären zustehende jährliche Nettoausgleichszahlung bzw. Garantiedividende (vor Kapitalertragssteuer  – KapEst – und Solidaritätszuschlag – SolZ – von 26,375%) zu

Garantiedividende (netto) = 80,89 EUR/Aktie x 3,80% = 3,07 EUR/Aktie

Exkurs: Netto- versus Bruttoausgleichzahlung

Aufgrund der durch die MAN SE auf die inländischen Wertanteil noch zu zahlenden Körperschaftssteuer (inkl. Solidaritätszuschlag 15,825%) ergibt sich für die Truck & Bus GmbH ein höherer zu zahlender Ausgleich, nämlich die so genannte Bruttoausgleichszahlung… die Dividende von 3,07 EUR soll ja in voller Höhe bei den verbliebenen MAN-Aktionären ankommen.

Dieser inländische Wertanteil, also der Anteil des Ertragswertes, der auf den in Deutschland erzielten Gewinnen beruht und für den Körperschaftssteuern zu entrichten sind, wurde von KPMG und PwC mit 31,64 EUR/Aktie (von insgesamt 80,89 EUR/Aktie) ermittelt. Der Bruttoausgleich ergibt sich deshalb wie folgt:

Bruttoausgleich = Nettoausgleich + Körperschaftssteuer und Soli auf den inländischen Wertanteil = 3,07 EUR/Aktie + 0,23 EUR/Aktie = 3,30 EUR/Aktie

wobei Körperschaftssteuer und Soli wie folgt ermittelt werden:

Kst + SolZ = (31,64 / 80,89 x 3,07 EUR/Aktie) / (1 – 0,15825) – (31,64 / 80,89 x 3,07 EUR/Aktie) = 1,43 – 1,20 = 0,23 EUR/Aktie

Uns als potenziellen Investoren in eine solche Sondersituation kann die Bruttoausgleichszahlung eigentlich egal sein… für uns relevant ist ja der oben angesprochene Nettoausgleich.


Anschließendes Spruchverfahren und Nachbesserung

Analog zum Squeeze-Out wird auch beim Abschluss eines Beherrschungsvertrages oft gegen die beschlossene Abfindung und Garantiedividende geklagt, weil diese von den Minderheitsaktionären als zu niedrig angesehen wird.

Im Folgenden möchte ich sowohl auf den Ablauf eines typischen Spruchverfahrens, als auch auf die Ermittlung der angemessenen Barabfindung durch das Gericht eingehen… das Ganze natürlich weiterhin am Beispiel MAN.


Ablauf des Spruchverfahrens

Ein Antrag auf Überprüfung der festgelegten Abfindung sowie des festgelegten Ausgleichs kann bis zu drei Monate nach Eintragung ins Handelsregister und Bekanntmachung des Beherrschungsvertrages beim zuständigen Landgericht (im Falle von MAN das Landgericht München) gestellt werden.

Das Landgericht leitet dann das so genannte Spruchverfahren ein und überprüft die Einwände der Antragsteller Punkt für Punkt. Gegebenenfalls zieht es dabei auch verschiedene Industrieexperten zu Rate oder beauftragt externe Prüfer. Aus diesen Gründen dauert die Überprüfung in der Regel mehrere Jahre.

Wie ihr an der folgenden Chronik sehen könnt, hat das Landgericht im Fall MAN zwei Jahre benötigt, um die angemessene Abfindung auf 90,29 EUR (von vorher 80,89 EUR) zu erhöhen. Aufgrund weiterer Beschwerden, vor allem gegen die Nichtanpassung der Ausgleichszahlung, dauerte das Verfahren schlussendlich bis Ende 2018.

MAN Spruchverfahren

Hier nochmal der Ablauf des Spruchverfahrens auf der Zeitachse wie gehabt:

  • 16. Juli 2013: Eintragung des Beherrschungsvertrages in das Handelsregister
  • Bis spätestens 17.10.2013 (also drei Monate später): Antrag von 162 Antragstellern beim Landgericht München auf Überprüfung von Abfindung und Ausgleich
  • 31. Juli 2015: Beschluss des Landgerichts München und Festsetzung der Barabfindung auf 90,29 EUR, jedoch keine Anhebung der Garantiedividende
  • Sowohl VW (aufgrund der Erhöhung der Barabfindung) als auch die ursprünglichen Antragsteller (aufgrund der Nichtanhebung des Ausgleichs bzw. der Garantiedividende) legen Beschwerde gegen den Beschluss ein
  • 24.11.2015: Das Landgericht leitet das Verfahren an das Oberlandesgericht (OLG) München weiter
  • 26. Juni 2018 (bzw. korrigiert am 31. Juli 2018): Das OLG München bestätigt die Abfindung und beschließt eine erhöhte Garantiedividende von 5,10 EUR ab dem Geschäftsjahr 2014. Für das Jahr 2013 verbleibt die Garantiedividende bei 3,07 EUR
  • 6. August 2018: Bekanntmachung des Beschlusses im Bundesanzeiger
  • Mehrere Antragsteller beantragen eine Klarstellung bzw. Ergänzung des Beschlusses hinsichtlich der Dividende für das Jahr 2013
  • 17. Dezember 2018: Das OLG München legt fest, dass die erhöhte Garantiedividende (5,47 bzw. 5,10 EUR) auch für das Jahr 2013 gilt
  • 17. März 2019: Ende der Frist zur Andienung der Aktien zu 90,29 EUR
  • Februar und März 2019: Auszahlung der Differenz in der Garantiedividende (2,03 EUR = 5,10 – 3,07) für das Jahr 2013 in zwei Schritten, wobei die zweite Zahlung nur Aktionären zusteht, die die MAN-Aktie am 15. Mai 2014 gehalten und nicht im Rahmen des Abfindungsangebots angedient wurde
  • Mai 2019: Letzte Ausgleichszahlung im Rahmen des BGAV

Das entsprechende Urteil des OLG besagt außerdem folgendes: “Der Betrag ist ab dem 18.7.2013 mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz unter Berücksichtigung geleisteter Zahlungen zu verzinsen.”

Das heißt im Grunde genommen, dass zusätzlich zur Abfindung bzw. Nachbesserung auch noch eine Verzinsung von 5% über dem jeweiligen Basiszinssatz der Bundesbank gezahlt wird… und zwar für den gesamten Zeitraum zwischen Inkrafttreten des Beherrschungsvertrages (bzw. Bekanntmachung im Bundesanzeiger) und Festlegung der neuen Abfindung durch das Landgericht bzw. Oberlandesgericht bzw. dem Andienen der Aktie.

Bisher geflossene Ausgleichszahlungen werden allerdings auf die Verzinsung angerechnet.

Über die Abfindung bzw. Nachbesserung hinaus steht dem Minderheitsaktionäre also auch eine Verzinsung auf ebendiese zu. In gewisser Weise handelt es sich ja um so etwas wie einen Kredit, den der Investor dem Unternehmen für die Laufzeit des Spruchverfahrens gewährt.

Ermittlung der angepassten Barabfindung

Wie gesagt geht das Gericht die von den Antragstellern vorgebrachten Gründe für eine höhere Abfindung bzw. Ausgleichszahlung Punkt für Punkt durch. Typischerweise ist davon jeder Teilaspekt des Ertragswertverfahrens von der Umsatz- und EBIT-Planung bis hin zur Barwertberechnung betroffen.

Hier die wesentlichen Angriffspunkte der Antragsteller im Falle MAN:

  • Unternehmensplanung: Der Terminal Value ist wegen eines geplanten Ergebnisrückgangs zu niedrig angesetzt worden
  • Bewertungsparameter: Die Eigenkapitalkosten, insbesondere die Bestandteile risikofreier Zins, Beta, und Marktrisikoprämie sind zu hoch angesetzt worden
  • Angemessener Ausgleich bzw. Garantiedividende: Aufgrund des tatsächlich höheren Ausfallrisikos ist der Verrentungszinssatz zu niedrig angesetzt worden
  • Rolle der ursprünglich eingesetzten unabhängigen Prüfer: Das Bewertungsmodell wurde durch den vom Gericht bestellten Prüfer nur zur Kenntnis genommen, nicht aber im Detail geprüft

Tatsächlich griff das Gericht viele der von den Antragstellern vorgebrachten Punkte auf. Die EBIT-Planung wurde zwar an bestimmten Stellen angepasst, die geplanten Ausschüttungen waren aber davon unberührt, sodass sich kein Einfluss auf die Bewertung ergab.

Stattdessen lässt sich die Nachbesserung (90,29 EUR minus 80,89 EUR) fast ausschließlich über die Anpassung zweier wesentlicher Parameter durch das LG/OLG erklären:

  • die Anpassung des risikolosen Basiszins von 2,50% auf 2,25%
  • die Absenkung der Marktrisikoprämie von 5,5% auf 5,0%

Hier eine Übersicht der wesentlichen Unterschiede zwischen dem ersten Gutachten von KPMG / PwC und dem abschließenden Urteil des LG/OLG:

MAN Ergebnis Spruchverfahren Annahmen

Wie ihr sehen könnt, wurde abschließend auch der Verrentungsfaktor für die Berechnung der Garantiedividende angepasst. Aufgrund des Dieselskandals und des daraus resultierenden Finanzrisikos für VW ging das Oberlandesgericht von einem Risikoaufschlag in Höhe der halben Risikoprämie aus, die den Investoren nach Abzug von Kapitalertragssteuer (KapEst) und Solidaritätszuschlag zustehen sollten:

Verrentungsfaktor = (Basiszins + Risikoprämie) / (1 – Steuern) = (2,25% + 2,50%) / (1 – 0,26375) = 5,65%

Die Ausgleichszahlung erhöhte sich im Ergebnis von 3,07 EUR auf 5,10 EUR je Aktie (5,65% x 90,29 EUR Abfindung je Aktie).


Kündigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags zwischen VW und MAN

Nachdem das OLG München die Garantiedividende auf 5,10 EUR je Aktie erhöht hatte, erfolgte kurze Zeit später die außerordentliche Kündigung des BGAV. In der Begründung seitens VW heißt es, dass die regelmäßig an VW abgeführten Gewinne signifikant unterhalb der Garantiedividende liegen würden und der BGAV deshalb nicht mehr sinnvoll wäre.

Hier die zeitliche Abfolge der Ereignisse:

  • 21. August 2018: VW kündigt den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit MAN nach §304 AktG außerordentlich (wirksam zum 1. Januar 2019)
  • 03. Januar 2019: Bekanntmachung der Eintragung der Beendigung des BGAV nach §10 HGB
  • 02. März 2019: Deadline bzw. Ende der zweimonatigen Frist für die Andienung der MAN Aktien
  • 04. März 2019: VW teilt mit, dass die 100%ige Tocher Traton SE nun über 90,36% der Stimmrechte verfügt

Nach der Beendigung des BGAV hatten also auch die verbliebenen Minderheitsaktionäre einen Anspruch auf die erhöhte Abfindung.

MAN Aktienkurs und wesentliche Meilensteine

Ein weiterer Anstieg des Anteils durch Zukäufe über die Börse ist durchaus möglich, vor allem weil der MAN-Aktienkurs nun weit unter den Abfindungskurs von 90,29 EUR gefallen ist.


Fazit

Bei Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages können die Minderheitsaktionäre entweder gegen eine Abfindung als Anteilseigner ausscheiden oder aber zukünftig eine festgelegte Ausgleichszahlung bzw. Garantiedividende erhalten.

Da bzgl. Abfindung und Ausgleichszahlung regelmäßig Meinungsverschiedenheiten zwischen Mehrheitseigner und Minderheitsaktionären auftreten, wird in vielen Fällen ein Gericht mit der Überprüfung betraut (so genanntes Spruchstellenverfahren).

Im Falle von MAN wurden sowohl Abfindung als auch Ausgleichszahlung nach oben angepasst. Vor allem bezüglich der Berechnung der Kapitalkosten zur Abzinsung der Ausschüttungen (zusammengesetzt aus Basiszinssatz, Beta und Marktrisikoprämie) folgte das Gericht der Meinung der Antragsteller.

In einem der nächsten Artikel werde ich euch einmal eine detaillierte Return-Berechnung nach einem Spruchverfahren vorstellen.


Weitere Ressourcen

1 Kommentar zu „Beherrschungsvertrag, Spruchverfahren, Nachbesserung – Beispiel MAN“

  1. Ein sehr interessanter Artikel – gerade auch vor dem Hintergrund des mittlerweile angekündigten Squeeze Outs. Interessant wäre noch eine Einschätzung zum zu erwartenden Squeeze Out Preis, nachdem VW während der Laufzeit des BGAVs wertvolle Unternehmensteile zum Buchwert aus MAN herausgelöst hat…

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