Measuring the Moat: Checkliste für die Beurteilung von Wettbewerbsvorteilen

Inhalt

Economic Moat - Burggräben von Unternehmen verstehen

Ein Moat bzw. Economic Moat (übersetzt Burggraben) ist ein von Warren Buffett geprägter Begriff, der das Vorhandensein eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils anzeigt. Denn analog zu einer von einem tiefen Burggraben umgebenen Festung sind Unternehmen mit nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen vor Angreifern (Wettbewerbern) effektiv geschützt. Wie viel Wert ein Unternehmen für seine Eigentümer generiert hängt nun vor allem davon ab, wie hoch der aus dem Moat resultierende Gewinn ausfällt (Kapitalrendite) und wie lange das Unternehmen dazu in der Lage ist, diesen Wettbewerbsvorteil aufrecht zu erhalten.

In diesem Artikel möchte ich euch einmal eine Checkliste zur Beurteilung der Tiefe eines solchen Moats (übersetzt: der Nachhaltigkeit eines Wettbewerbsvorteils) vorstellen.

Disclaimer: Diese Checkliste entstammt größtenteils nicht meiner eigenen Feder, sondern wurde in einem Paper von Michael Mauboussin und Dan Callahan (“Measuring the Moat: Assessment the Magnitude and Sustainability of Value Creation”) veröffentlicht. Wie ihr aber sehen werdet, finden sich dort viele der hier auf DIY Investor vorgestellten Konzepte und Themen wieder.


Economic Moat – Übersicht

Die folgende Checkliste ist entsprechend der Logik des Papers aufgebaut.

Zu Beginn der Checkliste stehen erstmal ein paar generelle Fragen zur Einordnung des Unternehmens bzw. der Branche. Hier geht es vor allem um eine Einschätzung hinsichtlich der aktuellen Position im Competition Life Cycle und um die Fragen nach der Höhe der Kapitalrendite (im Vergleich zu den Kapitalkosten) und der aktuellen Trends.

Im Anschluss wird zunächst die Branche auf ihre Attraktivität hin überprüft. Da geht es dann vor allem um die Struktur der Branche (“Industry Map“), Porter’s Five Forces sowie Trends hinsichtlich möglicher Disruptionen und Desintegrationen.

Im letzten Teil der Checkliste geht es dann um das betreffende Unternehmen im Speziellen, vor allem um die konkreten Wettbewerbsvorteile, den Wert der Marke etc.


1. Nachhaltige Wertgenerierung

Wie bereits angedeutet hat eine nachhaltige Wertgenerierung zwei wesentliche Dimensionen:

  1. Wie hoch ist die Überrendite (ROIC > WACC), die das Unternehmen aufgrund seines Moats erzielen kann?
  2. Über welchen Zeitraum ist das Unternehmen in der Lage, diese Überschussrenditen zu verdienen?

Beide Dimensionen sind sowohl für die Anteilseigner als auch für das Management des Unternehmens von überragender Bedeutung, denn nachhaltige Wertschöpfung allein durch Führungskompetenz kommt de facto nur sehr selten vor. Dem entsprechend sagt auch Warren Buffett:

“The most important thing to me is figuring out how big a moat there is around the business. What I love, of course, is a big castle and a big moat with piranhas and crocodiles.” – Warren Buffett

Wir sollten uns also zunächst ansehen, ob das betreffende Unternehmen eine Überrendite erzielt und wo im Competitive Life Cycle es sich aktuell befindet.

Für die Checkliste

  • In welcher Phase des Wettbewerbslebenszyklus befindet sich das Unternehmen aktuell (Start-up/Innovation, Wachstum, Reifephase etc.)?
  • Verdient das Unternehmen derzeit seine Kapitalkosten (d.h. ist ROIC > WACC)?
  • Erzielt das Unternehmen eine konstante Kapitalrendite (ROIC, ROE)? Oder steigt bzw. fällt diese? Falls ja, warum?
  • Wie entwickeln sich die Investitionen (CapEx) des Unternehmens?

2. Branchenanalyse

Mithilfe der Branchenanalyse möchten wir ein paar wesentliche Industrietreiber verstehen. Entsprechend der verschiedenen und für die Einschätzung des Moat relevanten Themen unterteilen wir die Branchenanalyse in drei Bestandteile:

  1. Ein Verständnis des Wettbewerbsumfelds. Hierzu gehört vor allem die Erstellung einer Industry Map, um die Wettbewerbsbedingungen und die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Spielern entlang der Wertschöpfungskette besser zu verstehen
  2. Das Verständnis der Attraktivität der Branche anhand von Porter’s Five Forces, wobei ein spezielles Augenmerk auf Eintrittsbarrieren und Rivalitäten innerhalb der Branche gerichtet wird
  3. Eine Beurteilung möglicher disruptiver Innovationen und horizontaler oder vertikaler Integrationsbestrebungen

Wettbewerbsumfeld und Industry Map

Für ein erstes Verständnis einer Branche bietet sich das Erstellen einer so genannten Industry Map an. Eine solche Map sollte alle (wesentlichen) Unternehmen und Stakeholder enthalten, die eine Auswirkung auf die Rentabilität des Unternehmens haben können. Ziel sollte ein tieferes Verständnis der potenziellen Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Marktteilnehmern sein.

Im Grunde genommen ist die Industry Map der erste Baustein für das Verständnis des Geschäftsmodells. Eine Industry Map kann aussehen wie eine Mind Map. Sie kann aber z.B. auch entlang der Struktur des Business Model Canvas (aus dem Buch Business Model Generation) erstellt werden.

Hier ein paar weitere, über die Industry Map hinausgehende Punkte für die Checkliste:

Für die Checkliste

  • Welchen Prozentsatz der Branche repräsentieren die einzelnen Spieler bzw. Wettbewerber (Stichwort Marktanteile)?
  • Wie hoch ist die Rentabilität der einzelnen Wettbewerber?
  • Wie haben sich die Marktanteile über Zeit entwickelt?
  • Ganz generell: Als wie stabil kann die Branche angesehen werden?
    • Wie stabil sind die Marktanteile?
    • Wie sehen die Preistrends aus?
  • Welchem Archetyp kann die Branche zugeordnet werden (fragmentiert, aufstrebend, gereift, rückläufig, international, vernetzt oder hyperkompetitiv)?

Porter’s 5 Forces

Das Five Forces Modell von Michael Porter wird immernoch als eins der besten (wenn nicht das beste) Tools angesehen, um eine Industrie zu analysieren und zu verstehen.

Wie auch Bruce Greenwald, der in seinem Buch Competition Demystified einen besonderen Wert auf die Eintrittsbarrieren bzw. die Wettbewerbsvorteile legt, sehen Mauboussin und Callahan die beiden Felder Eintrittsbarrieren und Rivalität innerhalb der Branche als wesentlichste Kräfte für die Definition eines Economic Moat an.


Eintrittsbarrieren (Barriers to Entry)

Zunächst also mal zu den Eintrittsbarrieren, der wohl wichtigsten der fünf Wettbewerbskräfte von Porter.

Der Themenkomplex der Eintrittsbarrieren ist zwar relativ breit. Wenn wir aber etwas überspitzen, dann können wir das Ganze auf zwei große Themenkomplexe eingrenzen.

Zum einen können wir der Frage nachgehen, wie die wahrscheinliche Reaktion der bestehenden Wettbewerber auf den Angriff eines neuen Marktteilnehmers aussehen würde. Darüber hinaus können wir uns fragen, wie stark der Hebel ist, den die aktuellen Branchenunternehmen haben, um Angreifer abzuschrecken und Wettbewerb erst gar nicht aufkommen zu lassen (Stichwort Economies of Scale, Wechselkosten etc.).

Für die Checkliste

  • Wie sind die Ein- und Ausstiegsraten in der Branche/Industrie (d.h. gibt es neue Wettbewerber, die in den Markt eintreten und etablierte Anbieter, die den Markt verlassen)?
  • Was sind die erwarteten Reaktionen der etablierten Anbieter auf neue Marktteilnehmer?
  • Was haben die etablierten Anbieter für eine Reputation?
  • Wie hoch ist die Asset-Spezifität (je spezifischer die Vermögenswerte auf das aktuelle Geschäft ausgerichtet sind, desto stärker wird ein Unternehmen versuchen, seine Position zu behaupten)?
  • Was ist die “Minimum Efficient Scale”, also die effiziente Mindestgröße (Stichwort Economies of Scale)?
  • Gibt es in der Branche Überkapazitäten?
  • Gibt es eine Möglichkeit der Produktdifferenzierung?
  • Was ist die erwartete Payoff für einen neuen Marktteilnehmer (erwarten sie über einen längeren Zeitraum Überrenditen zu erzielen?)?
  • Haben die etablierten Unternehmen Langfristverträge mit ihren Kunden abgeschlossen?
  • Sind die etablierten Unternehmen durch Lizenzen oder Patente geschützt?
  • Gibt es Lernkurvenvorteile?

Rivalität zwischen den Unternehmen

Mit der Analyse der Rivalität zwischen den Unternehmen einer Branche möchten wir herausarbeiten, wie hart Unternehmen in Bezug auf Menge, Preis, Service, Produkteinführungen, Werbung etc. miteinander konkurrieren.

In den meisten Branchen besteht nämlich ein Spannungsfeld zwischen Koordination und Täuschung. Während die unternehmensübergreifende Koordination hinsichtlich der Preise (z.B. durch Signaling) beispielsweise die Industrie insgesamt besser stellt, hat ein Unternehmen doch typischerweise einen Anreiz zur Täuschung (d.h. die Preise trotz impliziter Absprache trotzdem zu senken), weil dies – jedenfalls kurzfristig – höhere Gewinne verspricht.

Wir können Rivalität deshalb in gewisser Weise als Verständnis der Kompromissfähigkeit der Unternehmen einer Branche verstehen. Ein hohes Maß an Koordination lässt auf eine geringe Rivalität und attraktive Returns schließen… und umgekehrt.

Für die Checkliste

  • Gibt es eine Preiskoordination?
  • Wie ist die Branchenkonzentration?
  • Wie ist die Größenverteilung der Unternehmen?
  • Wie ähnlich sind sich die Firmen in Bezug auf Anreize, Unternehmensphilosophie und Eigentümerstruktur?
  • Gibt es Nachfrageschwankungen?
  • Gibt es hohe Fixkosten?
  • Wächst die Branche?

Lieferanten, Kunden, Substitute

Zum Abschluss des Abschnitts zum Thema Five Forces enthält die Checkliste ein paar Fragen zu den anderen drei Wettbewerbskräften, nämlich Lieferanten, Kunden und Substituten.

Für die Checkliste

  • Wie groß ist die Verhandlungsmacht der Lieferanten?
  • Kann das Unternehmen die Preissteigerungen der Lieferanten an seine Kunden weitergeben?
  • Gibt es Ersatzprodukte bzw. Substitute?
  • Gibt es Wechselbarrieren bzw. fallen bei einem Anbieterwechsel Wechselkosten an?
  • Wie groß ist die Verhandlungsmacht der Kunden?
  • Wie informiert sind die Kunden?

Disruption und Disintegration

Die meisten Strategie-Frameworks konzentrieren sich hauptsächlich darauf, herauszufinden, welche Branchen attraktiv und welche Unternehmen darin gut positioniert sind und sich einen Moat erarbeitet haben. Mauboussin und Callahan fügen dieser klassischen und zu Großteilen auf Michael Porter basierenden Sicht noch eine weitere Ebene hinzu, nämlich eine Analyse der Branche hinsichtlich möglicher Disruptionen (genauer disruptiver Innovationen) und (Des-)Integrationstrends.

Zur Info: Unter Desintegration verstehen wir die Auflösung einer vertikal integrierten Wertschöpfungskette durch die Modularisierung von Komponenten über die Zeit. Sobald eine Komponente zu einem standardisierten Modul weiterentwickelt wurde, kann die Herstellung ggf. outgesourced werden. Auf diese Weise können ganz neue Kategorien von (dominanten) Unternehmen entstehen.

Für die Checkliste

  • Ist die Branche anfällig für disruptive Innovationen?
  • Fördern neue Innovationen Produktverbesserungen?
  • Schreitet die Innovation schneller voran als die Marktbedürfnisse?
    • Haben die etablierten Spieler die Leistungsschwelle überschritten?
    • Ist die Branche entlang der Wertschöpfungskette vertikal integriert oder hat es eine Verlagerung hin zu horizontalen Märkten gegeben?

3. Unternehmensanalyse

Haben wir die Branche einmal hinlänglich genau verstanden, wenden wir uns den unternehmensspezifischen Fragestellungen zu.

Die Fähigkeit eines Unternehmens zur Wertgenerierung ist lauf Mauboussin eine Funktion der verfolgten Strategie, der Interaktion mit den Wettbewerbern und des Umgangs mit den Nicht-Wettbewerbern. Es gibt drei Hauptquellen für den Mehrwert:

  • Produktionsvorteile
  • Verbraucher- bzw. Kundenvorteile
  • externe (z. B. staatliche bzw. regulatorische) Faktoren

Beachtet, dass es zwischen Unternehmens- und Branchenanalyse in der Regel erhebliche Überschneidungen gibt.


Moat aus Produktions- und Kundenvorteilen

Die Produktions- und Kundenvorteile haben Mauboussin und Callahan in ihrer Checkliste zu einem größeren Block zusammengefasst. Im Grunde genommen handelt es sich hierbei um eine alternative Sicht auf den Themenkomplex der nachhaltigen Wettbewerbsvorteile. Interessanterweise behandeln die Autoren das Thema Marke aber nochmal separat (siehe weiter unten). Aus meiner Sicht könnte man es aber – beispielsweise aufgrund des Effekts auf die Suchkosten – als Kundenvorteil klassifizieren.

Unternehmen mit Produktionsvorteilen schaffen Wert, indem sie Produkte liefern, deren wahrgenommener Verbrauchernutzen stärker von den Kosten abweicht als bei den Wettbewerbern. Dieser Aspekt bezieht sich vor allem auf die Kostenseite. Im Speziellen geht es hier um zwei Themen: Prozesskostenvorteile und Skaleneffekte.

Die so genannten Kundenvorteile repräsentieren nach den Produktionsvorteilen die zweitgrößte Quelle für einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil bzw. Moat. Unternehmen mit Kundenvorteilen generieren einen Mehrwert, indem sie Produkte liefern, die eine größere Spanne zwischen wahrgenommenem Kundennutzen und Kosten aufweisen als der Wettbewerb. Sie tun dies in erster Linie, indem sie die Wettbewerber auf der Nutzenseite übertreffen.

Dies ist also der für das Verständnis des Moat wesentlichste Teil der Pre-Investment Checkliste.

Für die Checkliste

  • Zeigt eine Analyse der Wertschöpfungskette (Value Chain), in welchen Aktivitäten sich das Unternehmen vom Wettbewerb unterscheidet?
  • Hat das Unternehmen Produktionsvorteile?
    • Gibt es Instabilität in der Geschäftsstruktur?
    • Erfordert die Komplexität des Geschäfts spezielles Know-how oder Koordinierungsfähigkeiten?
    • Wie schnell verändern sich die Prozesskosten?
  • Hat das Unternehmen Patente, Urheberrechte, Markenrechte usw.?
  • Gibt es Skaleneffekte?
    • Wie sieht die Distributionsskala des Unternehmens aus?
    • Sind Vermögenswerte und Umsätze geografisch geclustert?
    • Gibt es Einkaufsvorteile bei der Größe?
    • Gibt es Verbundvorteile (Economies of Scope)?
    • Gibt es unterschiedliche Forschungsprofile?
  • Gibt es Verbrauchervorteile?
    • Gibt es Gewohnheiten oder horizontale Differenzierung?
    • Bevorzugen die Kunden das Produkt gegenüber den verfügbaren Konkurenzprodukten?
    • Gibt es viele Produktattribute, die die Kunden berücksichtigen/abwägen?
    • Können Kunden das Produkt nur durch einen Test beurteilen?
    • Gibt es eine Kundenbindung? Gibt es hohe Wechselkosten?
  • Ist das Netzwerk radial oder interaktiv?
  • Was ist die Quelle und Langlebigkeit der Wertschöpfung?
  • Gibt es externe Wertschöpfungsquellen (Subventionen, Zölle, Quoten, Wettbewerbsregulierung, Umweltauflagen)?

Moat aus einer starken Marke

Eine starke Marke für sich selbst genommen verschafft einem Unternehmen noch keinen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil.

Allerdings kann eine starke und richtig positionierte Marke den Kunden dabei helfen, das für ihn passende Produkt schneller und einfacher zu finden (Stichwort niedrige Suchkosten).

Einen konkreten Mehrwert bzw. Moat schaffen Marken nur, wenn sie die Zahlungsbereitschaft der Kunden tatsächlich erhöhen oder die Kosten für die Bereitstellung der Ware oder Dienstleistung vermindern. Dem entsprechend zielen die Fragen in diesem Teil der Checkliste auch auf ein Verständnis dieser Aspekte ab.

Für die Checkliste

  • Möchten Kunden die Marke für die auszuführende Arbeit „einstellen“?
  • Steigert die Marke die Zahlungsbereitschaft?
  • Haben Kunden eine emotionale Verbindung zur Marke?
  • Vertrauen Kunden dem Produkt aufgrund des Namens?
  • Bedeutet die Marke sozialen Status?
  • Kann der Name die Betriebskosten der Lieferanten senken?

Interaktion und Koordination der Wettbewerber

Der Umgang der Unternehmen untereinander spielt eine wichtige Rolle bei der Gestaltung einer nachhaltigen Wertgenerierung. Hier betrachten wir nicht nur, wie Unternehmen mit ihren Konkurrenten interagieren (siehe Checkliste zur Konkurrenzanalyse weiter oben), sondern auch, wie sich Unternehmen gemeinsam entwickeln.

Für die Checkliste

  • Gibt es Unternehmen, die die Branche weiter vergrößern (Beispiel: Mehr Ladestationen für Elektroautos erhöhen die Nachfrage)?
  • Wächst der Wert des Kuchens aufgrund von Unternehmen, die keine Konkurrenten sind? Oder nehmen neue Unternehmen an einem Kuchen mit festem Wert teil?

Weitere Ressourcen

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