In vielen Aktienanalysen, in denen ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil hervorgehoben wird, steht etwas von der starken Marke des jeweiligen Unternehmens. Meistens handelt es sich dabei – jedenfalls aus meiner Sicht – aber um eine recht undifferenzierte Standarderklärung, wenn eine Aktie zum Kauf empfohlen werden soll. Oder ist der Zusammenhang zwischen einer starken und bekannten Marke und einem Preispremium bzw. einer hohen Kapitalrendite und einem nachhaltigen Wettbewerbsvorteil in der Regel tatsächlich so stark? Und woran können wir einen solchen Zusammenhang genau festmachen?
In diesem Artikel möchte ich mich einmal an der Beantwortung dieser Fragen versuchen.
Nicht alle starken Marken führen zu einem Preispremium
Bevor wir in die Details bzgl. der Relevanz einer Marke für einen Wettbewerbsvorteil einsteigen, vielleicht noch ein paar Worte zu den Zusammenhängen.
Wann können wir bei einer Marke eigentlich von einem Wettbewerbsvorteil sprechen? Jedenfalls aus meiner Sicht sollte der Zusammenhang ungefähr folgendermaßen aussehen:
- Ein Unternehmen investiert über einen längeren Zeitraum signifikant in den Aufbau und die Positionierung seiner Marke (z.B. Unternehmens- bzw. Konzernmarke und/oder Produktmarke)
- Aufgrund dieser Markenpositionierung ist das Unternehmen in der Lage, ein Preispremium zu verlangen, welches größer ist, als die Kosten, die regelmäßig für das Marketing und den weiteren Markenaufbau auftreten
- Dieses Preispremium führt zu einer höheren Kapitalrendite und erlaubt dem Unternehmen schneller zu wachsen, günstigeres Kapital aufzunehmen etc. als der Wettbewerb
Dies führt uns zum Beispiel zu den folgenden Fragen, wie wir als Bestandteil unserer Pre-Investment Checkliste abarbeiten können:
- Führt die Marke zu wirksamen Markteintrittsbarrieren?
- Ändert die Marke das Konsumverhalten bzw. liegt eine veränderte Preis-Nachfrage-Kurve vor?
- Reduziert die Marke die Suchkosten auf Kundenseite signifikant?
- Investiert das Unternehmen weiter in die Markenbildung? Wenn ja, wie?
Wie ihr aus den Fragen eventuell bereits ableiten könnt: Nicht bei allen Unternehmen mündet ein starke und gut positionierte Marke schlussendlich in einem Wettbewerbsvorteil bzw. einem nachhaltigen Preispremium. Daher ist es wichtig, sich nicht einzig und allein auf das Vorhandensein einer bekannten Marke zu verlassen (und schon gar nicht dem Analysten zu vertrauen, der das Argument bringt). Die Details möchte ich euch gerne im Einzelnen in den folgenden Abschnitten einmal erläutern.
Führt die Marke zu wirksamen Markteintrittsbarrieren?
Eine Marke kann nur als wirksame Markteintrittsbarriere funktionieren, wenn bei den Konsumenten ein gewisses Maß an Markentreue (Brand Loyalty) vorhanden ist.
Im Wesentlichen bedeutet Markentreue oder Markenloyalität, dass wir als Verbraucher der bestehenden Marke oder dem Unternehmen gegenüber loyal sind und nicht so einfach zu einem Alternativprodukt bzw. zur Konkurrenz wechseln würden.
Ein Unternehmen schafft Markenloyalität im Wesentlichen durch den Aufbau einer konsistenten Historie, qualitativ hochwertige oder innovative Produkte, bestehende Patente, exzellente After-Sales- und Value-Added-Services und kontinuierliches Marketing. Ein Wettbewerber müsste also viel Geld und Ressourcen (vor allem Zeit) in Werbung und Markenbildung investieren, um die eigene Marke entsprechend zu positionieren. Aus diesem Grund kann Markentreue potentielle Marktteilnehmer durchaus abschrecken.
It takes 20 years to build a reputation and five minutes to ruin it. Warren Buffett
Beispiel SABMiller (heute Anheuser-Busch InBev): In Kolumbien sind die Menschen den Bieren und Getränken der ehemaligen Bavaria Brauerei (Marken unter anderem Águila, Poker, Club Colombia) gegenüber so loyal, dass SABMiller heute immer noch rund 98% des kolumbianischen Biermarktes kontrolliert.
Oder Beispiel Coca-Cola: Das Unternehmen hat ein Marketingbudget von mehreren Mrd. USD und über Dekaden eine sehr erfolgreiche und starke Marke aufgebaut. Die Eintrittsbarrieren sind zwar relativ gering, denn Einzelhändler und kleinere Hersteller bringen in regelmäßigen Abständen individuelle Cola-Getränke auf den Markt. Die Markentreue führt jedoch regelmäßig dazu, dass Coca-Cola bei Produkten mit Potenzial (z.B. Cola ohne Zucker) relativ schnell nachziehen und dann den Großteil des Marktes für sich einnehmen kann. Kleinere Player sind dadurch quasi zu einem Nischendasein verdammt.
Es gibt außerdem Sektoren, in denen eine gewisse Sättigung an bekannten und stark positionierten Marken vorhanden ist (d.h. es gibt viele Wettbewerber, die alle recht bekannte Markennamen haben). In diesen Sektoren (dazu gehört z.B. Teile des Konsumgütersektors) ist eine starke Marke heutzutage nicht mehr als eine Grundvoraussetzung zum Überleben. Die Marke hilft vielleicht dabei, dem Unternehmen die entsprechenden Regalplätze beim Einzelhändler zu sichern. Ein Preispremium lässt sich in der Regel aber nicht rechtfertigen.
Hier sollten wir versuchen zu differenzieren.
Konsumverhalten: Liegt eine veränderte Preis-Nachfrage-Kurve vor?
Ein weiteres Kennzeichen dafür, dass eine Marke zu einem nachhaltigem Wettbewerbsvorteil führt, ist eine gewisse Preisinelatistizität der Nachfrage bzw. in manchen Fällen sogar eine positive Korrelation zwischen Preis und Nachfrage.
Das heißt im Wesentlichen, dass sich die Nachfrage bei einer Preissteigerung nicht sonderlich abschwächt bzw. sogar noch weiter zunimmt. Beispiele hierfür gibt es ebenfalls vor allem im Konsumgütersegment.
Reduziert die Marke die Suchkosten auf Kundenseite signifikant?
Die Reduktion der Suchkosten ist vermutlich der wesentlichste Faktor für die Rechtfertigung eines nachhaltigen Preispremiums und für uns Investoren auch am besten zu greifen.
Bei den Suchkosten handelt es sich im Wesentlichen um die monetäre Bewertung der Zeit, die wir als Konsumenten für das Auffinden des richtigen Produkts für die Lösung unseres Problems aufwenden müssen. Benötigen wir z.B. ein Multifunktionsspray, dann werden wir vermutlich trotz des höheren Preises auf WD-40 (WDFC) zurückgreifen, weil uns die Suche nach einem Alternativprodukt einfach zu langwierig wäre. WD-40 kennen wir als Produkt, bringen es mit guter Qualität in Zusammenhang und zahlen unter diesen Umständen gerne den höheren Preis.
Unternehmen, die diesen Zusammenhang kennen und davon entsprechend langfristig profitieren können, haben einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil.
Investiert das Unternehmen weiter in die Markenbildung?
Wie oben bereits angedeutet, erfordert eine Marke eine konstante Pflege und Weiterentwicklung. Es müssen also ausreichende Mittel und Ressourcen vorhanden sein, um in Markenwert und Markenkapital investieren zu können. Z.B. hatte Absolut Vodka vor einigen Jahren eine sehr gute und angesagte Marke. Leider hatte das Unternehmen aber nicht genug Ressourcen, um die Marke weiter auf- und auszubauen. Wir sollten uns also in diesem Zusammenhang einmal die Entwicklung der SG&A-Kosten über Zeit ansehen und auch auf Äußerungen des Managements zur Marke etc. achten.
Ein weiterer für uns leicht beobachtbarer Effekt ist das Streben vieler Unternehmen nach mehr Kontrolle über das Kundenerlebnis (Customer Experience). Aus diesem Grund etablieren Firmen mit bekannten Marken im Premiumsegment auch oft einen zusätzlichen Verkaufskanal in Form eigener Stores (z.B. Tesla, Apple, Hugo Boss, Nespresso) und vermeiden gleichzeitig einen Vertrieb über Supermarktketten o.Ä. Der Effekt dieser Maßnahmen auf Preispremium etc. ist allerdings nur sehr schwer zu bewerten.
Marke nicht separat betrachten
Ich hatte ja weiter oben die Hypothese aufgestellt, dass eine starke Marke zu einem Preispremium führen kann.
Allerdings greifen in den meisten Fällen gegebenenfalls verschiedene Wettbewerbsvorteile ineinander, die ein nachhaltiges Preispremium definieren.
Nehmen wir mal das Beispiel Apple: Es ist glaube ich unbestritten, dass Apple für sein iPhone ein signifikantes Preispremium erzielt. Ein Teil dieses Premiums lässt sich mit Sicherheit über die Markenloyalität und das Design des Produkts erklären. Allerdings spielt auch das vorhandene Ökosystem eine nicht zu unterschätzende Rolle. Ein Wechsel zu einem anderen Smartphone-Anbieter mit einem anderen Betriebssystem, ohne iCloud, dafür mit anderen Apps, anderen Schnittstellen zu Outlook etc. ist ggf. gar nicht so einfach und unter Umständen sogar recht aufwendig.
Gerade bei Apple spielen also auch andere Wettbewerbsvorteile eine entscheidende Rolle, auch wenn oft mit den “Apple-Jüngern” argumentiert wird, die sich immer gleich das neueste iPhone kaufen.
Fazit
Bei der Analyse von Aktien bzw. Unternehmen mit einem starken Markennamen sollten wir uns Markteintrittsbarrieren resultierend aus dem Konsumentenverhalten (Markentreue), Suchkosten und auch Marketingausgaben bzw. -strategie ansehen.
Eine starke und gut positionierte Marke kann ein signifikanter Wettbewerbsvorteil sein. Allerdings sollten wir nicht per sé davon ausgehen, dass ein Unternehmen mit einer bekannten Marke automatisch auch einen Wettbewerbsvorteil besitzt und ein entsprechendes Preispremium durchsetzen kann… eher im Gegenteil.