In meinem letzten Artikel hatte ich die sechs Unternehmenskategorien von Peter Lynch vorgestellt. Über die reine Kategorisierung von Unternehmen aus Investmentsicht hinaus gibt uns Lynch – wie nicht anders zu erwarten – in One Up on Wall Street aber auch ein paar nützliche Hinweise, welche Dinge wir uns im Rahmen unserer Bewertung bzw. unserer Aktienanalyse für Unternehmen in den einzelnen Kategorien schwerpunktmäßig ansehen sollten.
Lynch’s so genannte “finale Checkliste” enthält deshalb auch eine Reihe an Fragen, die wir ideal in unsere eigene Pre-Investment Checkliste übernehmen können.
Was die “finale Checkliste” genau beinhaltet und welche Schwerpunkte Lynch bei der Aktienanalyse legt, darauf möchte ich in diesem Artikel einmal kurz eingehen.
Recap: Die 6 Unternehmenskategorien
Bevor wir aber zu den konkreten Fragen für unsere Checkliste kommen, hier noch einmal kurz eine Übersicht über die 6 Unternehmenskategorien:
- Slow Growers: Unternehmen, die nur sehr langsam – meist mit dem langfristigen Wirtschaftswachstum – wachsen
- Stalwarts: Unternehmen mit mittelmäßig hohen Wachstumsraten. Oft handelt es sich hierbei um Großunternehmen, deren Märkte bereits aus der Wachstumsphase in eine Phase der Konsolidierung übergegangen sind
- Fast Growers: Unternehmen, die mit Raten von 20-25% oder mehr wachsen
- Cyclicals: Unternehmen in zyklischen Industrien wie der Automobilindustrie oder dem Rohstoffsektor. Die Profitabilität schwankt hier in Abhängigkeit vom Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage stark
- Turnarounds: Dies können Unternehmen sein, die kurz vor der Insolvenz stehen, oder andere kurzfristig wichtige Probleme haben (Beispiel Dieselgate). Auf der anderen Seite kann es sich auch um Unternehmen handeln, die zur Maximierung des Shareholder Value restrukturiert werden
- Asset Plays: Im Wesentlichen ein Unternehmen mit versteckten Assets wie Immobilien, Beteiligungen, Cash etc. deren Wert das Management über Zeit heben könnte
Wir sehen bereits an der Kurzbeschreibung, dass die Unternehmen in den einzelnen Kategorien vermutlich ganz unterschiedliche Charakteristika haben und wir deshalb im Rahmen unserer Unternehmensanalyse auch ganz andere Fragen stellen müssen.
Peter Lynch’s Checkliste
In seiner finalen Checkliste trägt Peter Lynch diesen Unterschieden nun Rechnung, indem er zusätzlich zu ein paar allgemeinen Fragen, die wir für alle Unternehmen gleichermaßen (d.h. unabhängig von der Kategorie) beantworten sollten, ganz spezifische Fragen für jede Unternehmenskategorie definiert.
Hier die Übersicht.
Aktien allgemein
Das Kurs-Gewinn-Verhältnis: Ist das KGV für unser zu analysierendes Unternehmen niedrig oder hoch (auch im Vergleich zu vergleichbaren Unternehmen in der gleichen Industrie)?
Der Anteil an Institutionen wie Aktienfonds, Pensionsfonds etc. an der Eigentümerstruktur: Je niedriger, je besser.
Insiderkäufe und Rückkaufprogramme: Kaufen Unternehmensinsider gerade Aktien des Unternehmens? Kauft das Unternehmen eigene Aktien zurück? Beides sind positive Signale.
Gewinnwachstum über Zeit: Wie stark sind die Gewinne über Zeit gewachsen? Waren die Gewinne stabil oder eher volatil? Diese Frage ist einzig bei Asset Plays ggf. nicht ganz so wichtig.
Bilanz: Hat das Unternehmen eine starke oder eine schwache Bilanz (können wir z.B. am Debt-to-Equity Ratio festmachen)?
Cash Position: Hat das Unternehmen hohe überschüssige Barmittel in der Bilanz stehen? Diese bilden ggf. die Preisuntergrenze für die Aktie.
Slow Growers
Dividende: Wurden Dividenden immer gezahlt in den letzten Jahren? Wurden die Dividenden regelmäßig sogar erhöht?
Payout-Ratio: Welcher Anteil des Gewinns wird regelmäßig als Dividende ausgeschüttet? Ist dieser Anteil niedrig, dann kann das Unternehmen die Dividende auch dann noch aufrecht erhalten, wenn die Gewinne z.B. aufgrund einer Krise mal zurück gehen sollten. Wenn der Anteil hoch ist, dann ist die Dividende stärker im Risiko.
Stalwarts
Das Kurs-Gewinn-Verhältnis: Ist das KGV für unser zu analysierendes Unternehmen niedrig oder hoch (auch im Vergleich zu vergleichbaren Unternehmen in der gleichen Industrie)?
DiWORSEification: Verfolgt das Unternehmen eine Strategie der “Diversifizierung” und werden deshalb ggf. die Gewinne in den kommenden Jahren zurückgehen?
Langfristige Wachstumsrate: Hat sich die Wachstumsrate in den letzten Jahren bereits verlangsamt? Sehen wir Anzeichen für eine Konsolidierung der Industrie?
Buy and Hold Strategie: Wie hat sich das Unternehmen während der letzten Krisen geschlagen?
Fast Growers
Produktmix: Hat das Produkt, welches das Wachstum verursacht, einen großen Anteil am Business des Unternehmens?
Gewinnwachstum: Wie hoch war das Gewinnwachstum in den letzten paar Jahren? Peter Lynch bevorzugt Unternehmen mit Wachstumsraten im Bereich von 20-25%. Es ist allerdings vorsichtig, wenn das Wachstum viel höher ausfällt.
Gewinnwachstum: Nimmt das Wachstum weiter zu oder schwächt es sich eher ab? Ein abnehmendes Wachstum kann für die Entwicklung des Aktienkurses fatal sein.
Weiteres Wachstumspotenzial: Hat das Unternehmen seinen Erfolg bereits in anderen Städten oder Regionen repliziert? Wo ist weiteres Wachstum möglich?
Das Kurs-Gewinn-Verhältnis: Handelt die Aktie zu einem KGV irgendwo nahe der Rate des Gewinnwachstums?
Besitzverhältnisse und Bekanntheit: Ist der Anteil an institutionellen Investoren, die die Aktie besitzen, noch niedrig? Haben die meisten Analysten noch nie etwas vom Unternehmen gehört? Für Fast Growers wäre dies ein großes Plus.
Cyclicals
Lagerbestände etc.: Wie haben sich die Lagerbestände in der letzten Zeit entwickelt? Wie sieht die Angebots-Nachfrage-Bilanz der Industrie aus? Entstehen gerade große Überkapazitäten oder werden Überkapazitäten aktuell abgebaut? Kommen neue Wettbewerber in den Markt?
Abnehmendes KGV über Zeit: Antizipieren Investoren bereits ein Ende des Zyklus (wenn die maximalen Gewinne erzielt werden)?
Zyklus: Verstehen wir den Zyklus? Z.B. in der Auto-Industrie sehen wir immer drei bis vier gute Jahre gefolgt von drei bis vier eher schlechten Jahren. Das kommt daher, dass Autos ja irgendwann ersetzt werden müssen. Die Konsumenten können den Neukauf zwar um ein oder mehrere Jahre verschieben, schlussendlich müssen sie aber ersetzt werden.
Turnarounds
Bilanzielle Stärke: Wie hoch ist der Barmittelbestand des Unternehmens? Wie viele Schulden hat das Unternehmen? Wird es in der Lage sein, den Druck der Kreditgeber zu überstehen?
Fremdkapitalstruktur: Wie lange kann das Unternehmen Verluste einfahren, ohne von einer Insolvenz bedroht zu sein? Wenn es bereits bankrott ist: Was wird vermutlich für die Eigentümer übrig bleiben?
Turnaround: Auf welchem Wege plant sich das Unternehmen zu restrukturieren? Gibt es Pläne, um unprofitable Geschäftsfelder, Produktlinien etc. abzustoßen oder zu schließen?
Kostensenkung: Reduziert das Unternehmen aktiv seine Kosten? Wie groß wird der potenzielle Effekt ausfallen?
Asset Plays
Vermögenswerte: Wie hoch ist der Wert der Assets (Sachwert)? Gibt es irgendwelche versteckten Assets?
Schulden: Wie viele Schulden sind vorhanden, die zunächst einmal bedient werden müssen? Nimmt das Unternehmen weitere Schulden auf und reduziert damit den Wert der Vermögenswerte für die Shareholder?
Katalysator: Gibt es einen Aktivist Investor oder einen anderen Umstand, der den Anteilseignern helfen könnte, die versteckten Vermögenswerte zu heben?
Fazit
Wie auch viele andere Value Investoren (prominente Beispiele sind hier z.B. Ben Graham oder auch Mohnish Pabrai), nutzt Peter Lynch eine Checkliste, um seine potenziellen Investments auf Herz und Nieren zu prüfen.
Die in Peter Lynch’s Buch One Up on Wall Street vorgestellte Checkliste ist aus meiner Sicht zwar ein guter Einstieg, für ein detailliertes Verständnis aber noch zu generisch. Ich habe die wesentlichen Fragen daher in meine eigene, detailliertere Checkliste übernommen und diese somit nochmal erweitert.