Holding bzw. Holding-Struktur: Was entscheidet über Conglomerate Discount oder Value Add?

Inhalt

Holding und Holdingstruktur

Der Begriff Konglomeratsabschlag sagt vermutlich den meisten von euch bereits etwas. In einem früheren Artikel hatte ich hier auf DIY Investor bereits die wesentlichen drei Argumente für die Errichtung einer Konzernstruktur aufgezeigt: (1) Synergien zwischen den einzelnen Geschäftsfeldern, (2) einheitliche Führungs- und Managementkompetenzen und (3) die effizientere Bereitstellung von Dienstleistungen durch fokussierte zentrale Einheiten (entweder über die entsprechenden Zentralfunktionen oder über so genannte Shared Service Center). Auf die Verknüpfung zu einer konkreten Aufbauorganisation, also z.B. einer Holding bzw. Holdingstruktur oder einem Stammhauskonzept, bin ich bisher allerdings noch nicht eingegangen.

In diesem Artikel möchte ich deshalb nun einmal auf die verschiedenen (archetypischen) Ausgestaltungsmöglichkeiten von so genannten “Corporate Headquarters” (Konzernzentralen) eingehen und einige Beispiele zum besseren Verständnis aufführen.


Recap: Value-Add einer Konzernstruktur

In einem Unternehmen mit mehreren operativen Geschäften oder Geschäftseinheiten (“Business Units”) gibt es typischerweise ein so genanntes Corporate Headquarter bzw. eine Konzernzentrale. Dieses Corporate Headquarter kann je nach Größe und Diversität der einzelnen Geschäfte verschiedene Aufgaben übernehmen und dadurch (jedenfalls theoretisch) einen Mehrwert (“Value-Add”) gegenüber dem quasi unabhängigen Betrieb der Geschäfte generieren.

Ganz generell gibt es drei Möglichkeiten, um als Corporate Headquarter einen Mehrwert für die einzelnen Geschäfte bzw. Business Units und damit auch den Gesamtkonzern zu schaffen:

  • Führung: Die Weiterentwicklung der einzelnen Geschäfte mithilfe einer effizienten Kapitalallokation, die richtige Incentivierung der Manager, die zentrale Bereitstellung von Tools und Methodenkompetenz etc. sowie ggf. auch der aktive Eingriff in das Management der einzelnen Geschäfte bzw. Tochtergesellschaften
  • Synergien: Z.B. gemeinsamer Einkauf von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, Wissenstransfer oder gemeinsame Markennutzung. Bei diesem Aspekt geht es um Beziehungen bzw. Verknüpfungen der einzelnen Geschäftsbereiche untereinander
  • Services: Die zentrale Bereitstellung bestimmter Services, entweder über die so genannten Zentralfunktionen oder Corporate Functions (z.B. zentrale IR-, Steuer- oder M&A-Abteilung) oder ein Shared Service Center (IT-Helpdesk, Lohnbuchhaltung etc.)

Hier einmal eine grafische Darstellung der wesentlichen Werthebel eines Corporate Headquarters (“Corporate”) in einer Konzernstruktur:

Mischkonzern und Konglomeratsabschlag

Die Tatsache, dass viele Mischkonzerne am Markt mit einem Abschlag (dem so genannten Konglomeratsabschlag oder Conglomerate Discount) von 5-10% bewertet werden, spricht dafür, dass der Markt oft nicht daran glaubt, dass das Management diese Werte tatsächlich heben kann… eine Annahme, die auf Basis meiner bisherigen Erfahrungen in vielen Fällen tatsächlich nicht ganz unbegründet ist.

Nochmal kurz als Erläuterung: Das Vorhandensein eines Konglomeratsabschlags bedeutet im Grunde nichts anderes, als dass die operativen Unternehmen für sich alleine genommen in Summe mehr wert sind bzw. höher bewertet werden, als unter dem Dach eines Mischkonzerns bzw. einer Holdingstruktue (Stichwort Sum-of-the-Parts oder SOTP).

Die möglichen Ursachen hierfür haben die Berater von Stern Stewart aus meiner Sicht sehr gut zusammengefasst (hier findet ihr das gesamte Paper):

  • Der aus der Aufbauorganisation erwachsende Führungsanspruch der Holding wird oft nicht konsequent wahrgenommen
  • Eine aktive Steuerung des Portfolios erfolgt zu zögerlich oder beschränkt sich darauf, nicht performende Geschäfte abzustoßen
  • Die Setzung von Zielen und die Kapitalallokation sind oft politisch motiviert und basieren auf Bottom-up-Planungen und Budgets
  • Die Ziele, insbesondere für die gut laufenden Geschäfte, haben oft nicht das richtige Ambitionsniveau

Im Folgenden möchte ich einmal auf ein paar Beispiele eingehen und erläutern, wie unterschiedliche Mischkonzerne ihre Konzernzentrale (ihr “Corporate Headquarter”) genau ausgestaltet haben… vorher allerdings noch eine kleine Einführung in das Thema Aufbauorganisation. 🙂


Intro: Verschiedene Aufbauorganisationen für die Konzernsteuerung

Einen etwas anderen Blickwinkel auf die Ausgestaltung eines Corporate Headquarters bzw. einer Konzernstruktur stellt der organisatorische Aufbau des Unternehmens für die Konzernsteuerung dar (die so genannte Aufbauorganisation).

Für die Konzernsteuerung gibt es auf der obersten Ebene im Wesentlichen zwei verschiedene Ausgestaltungsmöglichkeiten:

  • Stammhaus
  • Holdingstruktur

Stammhauskonzept

Das Stammhauskonzept repräsentiert die traditionelle bzw. klassische Variante der Aufbauorganisation eines Konzerns. Als Stammhaus wird hier das ursprüngliche Kerngeschäft bezeichnet, welches sich über die Zeit über die Akquisition von Tochterunternehmen sozusagen in eine Konzernstruktur “hineinentwickelt” hat. Die Konzernführung erfolgt durch das Stammhaus, d.h. in der Regel besitzen Konzern und Kerngeschäft das gleiche Management.


Holdingstruktur

Das Holdingkonzept lässt sich vom Stammhauskonzept insbesondere durch die klare Trennung der gestaltungs- und führungsbezogenen Funktionen der Holding von den operativen Tätigkeiten der Tochtergesellschaften unterscheiden. Heißt konkret: Die Holdinggesellschaft (= Muttergesellschaft) nimmt die Führung aller Tochtergesellschaften wahr, hat aber selbst kein operatives Geschäft (mehr).

Die Etablierung einer Holding(struktur) kann z.B. notwendig werden, wenn ein Konzern aufgrund starken historischen Wachstums (organisch oder anorganisch) in der aktuellen Struktur aufgrund der Komplexität nicht mehr kontrollier- bzw. steuerbar ist.

Neben der Verbesserung der Kontrollmöglichkeiten gibt es aber in der Theorie noch weitere positive Effekte bzw. Zielsetzungen:

Zum einen sollte die Holdingstruktur den Tochtergesellschaften bzw. operativen Einheiten durch den Einsatz eines eigenen Management-Teams eine größere Marktnähe und einen stärkeren Fokus auf die Kernkompetenzen ermöglichen (mit nachgelagerten Effekten wie z.B. einer verbesserten Innovationskraft).

Zum anderen sollte die Transparenz nach innen wie nach außen durch die Etablierung separater Zahlenwerke und KPIs substantiell gesteigert werden können.


Verschiedene Ausprägungen der Holding

Je nachdem, wie tiefgreifend der Konzernvorstand in die Geschäfte der Töchter eingreifen will, gibt es drei verschiedene Untervarianten der Holding:

  • Finanz-Holding
  • Strategische Holding
  • Operative Holding

Die Finanz-Holding ist das Konstrukt, bei dem der Holding-Vorstand den geringsten Einfluss auf die Tochtergesellschaften ausübt. Die Tochtergesellschaften werden i.W. als Kapitalbeteiligungen angesehen (daher auch der Alternativbegriff “Beteiligungsgesellschaft”). Ein starker Fokus liegt dem entsprechend auf dem Thema Kapitalallokation. Das prominenteste Beispiel einer Finanzholding ist vermutlich das von Warren Buffett geführte Berkshire Hathaway.

Die strategische Holding gibt ihren Tochtergesellschaften in der Regel mindestens kurz- und mittelfristige Ziele und Strategien vor. Dies wird in der Praxis in vielen Fällen über einen jährlichen Budget- und / oder Strategieprozess sowie über nachgelagert regelmäßig (z.B. monatlich) stattfindende Controlling- oder Budgetgespräche bewerkstelligt. Darüber hinaus nimmt die Muttergesellschaft Einfluss auf die Personalentscheidungen der Töchter (mindestens auf Vorstandsebene) und gibt – meist über die entsprechenden Mandate bzw. Mehrheiten im Aufsichtsrat – Investitionsvorhaben frei (oder blockiert diese). In der Schlussfolgerung heißt das, dass die Töchter nicht mehr vollständig losgelöst von der Muttergesellschaft agieren können. Die Einflussnahme beschränkt sich allerdings auf die “strategischen” Belange, also die Festlegung von Zielen / Strategien und die damit verbundenen Investitionsentscheidungen (bzw. konkret die Allokation des Kapitals auf die verschiedenen Gesellschaften).

Die operative Holding ist von der Intensität der Einflussnahme irgendwo zwischen strategischer Holding und Stammhausstruktur angesiedelt. Das heißt die operative Holding greift zusätzlich zu den Kompetenzen der strategischen Holding auch unmittelbare in das operative Geschäft der Tochtergesellschaften ein. Die so genannten Zentralfunktionen sind in einem solchen Konstrukt typischerweise recht stark ausgebildet und übernehmen eine Reihe von Tätigkeiten für die Tochtergesellschaften mit. Ganz praktisch nehmen die Vorstandsmitglieder der Holding in vielen Fällen auch den CEO-Posten einzelner Tochtergesellschaften ein und haben darüber auch die Ressortverantwortung für bestimmte operative Funktionen (z.B. den Vertrieb, die Technik o.Ä.).

Ausprägungen einer Holding bzw. Holdingstruktur

Eine Sonderform der operativen Holding ist die Management-Holding, bei der nicht einzelne Tochtergesellschaften, sondern so genannte Divisionen, Business Areas oder Business Units von der Holding gesteuert werden. Viele der heutigen Groß- bzw. Mischkonzerne sind als operative Management-Holding ausgestaltet.


Beispiele für verschiedene Holdingstrukturen

Im Folgenden möchte ich einmal auf ein paar Beispiele eingehen und erläutern, wie unterschiedliche Mischkonzerne ihre Konzernzentrale (ihr “Corporate Headquarter”) genau ausgestaltet haben.

Ich muss allerdings dazu sagen, dass meine Einschätzung bzw. Einkategorisierung eher subjektiver Natur ist. Eine eindeutige Zuordnung ist zugegebenermaßen auch schwierig, weil in der Praxis vieles auf historisch gewachsenen Strukturen beruht bzw. sich irgendwie organisch aus diesen entwickelt hat.

Aber starten wir einmal mit einem relativ klaren Fall: Berkshire Hathaway!


Schlanke Finanz-Holding: Beispiel Berkshire Hathaway

Berkshire Hathaway ist vermutlich das beste und bekannteste Beispiel für eine sehr schlank aufgestellte Finanz-Holding. CEO Warren Buffett lässt dem Management der einzelnen Geschäfte typischerweise große Freiräume. Im Grunde genommen nutzt Buffett für die Steuerung von Berkshire nur zwei Instrumente:

  1. Die Verantwortung für die Allokation des erwirtschafteten Cash Flows auf die Geschäfte (d.h. die Tochtergesellschaften) liegt bei der Holding bzw. insbesondere beim CEO selbst
  2. Es gibt ein Incentive-System, welches die Vergütung der Manager der Tochtergesellschaften sehr stark an den Unternehmenserfolg koppelt

Dies hat in der Vergangenheit bestens funktioniert und zu einer Premiumbewertung geführt. Voraussetzung ist allerdings, dass der CEO der Holding auch etwas von Kapitalallokation versteht. Hier einmal ein Auszug dazu aus einem alten Berkshire Aktionärsbrief:

The lack of skill that many CEOs have at capital allocation is no small matter: After ten years on the job, a CEO whose company annually retains earnings equal to 10% of net worth will have been responsible for the deployment of more than 60% of all the capital at work in the business.
CEOs who recognize their lack of capital-allocation skills (which not all do) will often try to compensate by turning to their staffs, management consultants, or investment bankers. Charlie and I have frequently observed the consequences of such “help.” On balance, we feel it is more likely to accentuate the capital allocation problem than to solve it. – Warren Buffett (Berkshire Shareholder Letter 1987)

In Summe arbeiten übrigens im “Corporate Headquarter” von Berkshire Hathaway nur ca. 25 Mitarbeiter (nur mal zum Vergleich: Das Umsatzniveau im Jahr 2021 lag bei ca. 275 Mrd. USD). Diese übernehmen nach meinem Verständnis insbesondere die folgenden Aufgaben:

  • Portfolio Management / M&A: Kapitalallokation, Management des Aktienportfolios, Vorbereitung und Durchführung größerer Übernahmen (z.B. BNSF, Precision Castparts, KraftHeinz)
  • Accounting / Steuern: Erstellung des konsolidierten Jahresabschlusses, Einreichung der Steuererklärungen, Erstellung von 13F-Meldungen und anderen Pflichtveröffentlichungen etc.
  • Investor Relations / Kommunikation: Bearbeitung von Aktionärs- und Medienanfragen, Erstellung der Quartals- und Jahresberichte, Organisation der jährlichen Hauptversammlung
  • Koordination der Vorstandsaktivitäten
  • etc.

Berkshire Hathaway beschränkt die Tätigkeiten der Holding also auf das absolute Minimum. Als Holding noch weniger zu machen geht eigentlich nicht. Die Kehrseite der Medaille: Mögliche Potenziale aus der Zentralisierung bestimmter Tätigkeiten (z.B. eine zentrale Lohnbuchhaltung, ein zentraler IT-Helpdesk, ein einheitliches CRM-System etc.) werden nicht gehoben.


Strategische Holding: Beispiel Danaher

Bei Danaher handelt es sich ebenfalls um ein Konglomerat à la Berkshire Hathaway, allerdings in etwas kleinerem Umfang. Wie auch Berkshire ist Danaher im Grunde genommen sowas wie ein Gemischtwarenladen.

Zu Danaher gehören ca. 30 im Wesentlichen unabhängige Einzelunternehmen, die ausschließlich für das externe Reporting drei verschiedenen Segmenten zugeordnet werden: Life Sciences, Diagnostics und Environmental & Applied Solutions. Die Organisationsstruktur ist sehr dezentral ausgerichtet und durch eine starke Autonomie der einzelnen Geschäftsführer gekennzeichnet… im Grunde also analog zu Berkshire Hathaway.

Im Gegensatz zu Berkshire resultiert der Erfolg von Danaher allerdings gerade daraus, dass die Holding bzw. “Corporate” bestimmte (Management-)Kompetenzen und Tools für die Tochtergesellschaften zur Verfügung stellt… auch hier geht es also nicht primär um Synergien zwischen den Geschäften untereinander oder die Bereitstellung von zentralen Dienstleistungen.

Was allerdings wesentlich ist: Vor der Akquisition eines jeden Unternehmens wird genau geprüft, ob Danaher mit seinen Management Skills einen signifikanten Mehrwert für das Zielunternehmen stiften kann. Da mit einem Großteil der weltweit stattfindenden Akquisitionen erwiesenermaßen eher Werte vernichtet als Werte geschaffen werden, ist dies der erste essentielle Baustein des Danaher Konzepts.

Ist ein Unternehmen einmal Teil des Danaher Unternehmensverbunds, ist es dazu verpflichtet, das Danaher Business System zu implementieren bzw. zu übernehmen:

All companies are required to adopt Danaher’s management system, processes and culture (as defined by the Danaher Business System).

Das Danaher Business System (hier findet ihr ein kurzes Video dazu) ist ein ganzheitliches System bestehend aus einer Reihe von Methoden und Tools, die insbesondere die vier Themen Personal (Leadership, Talentmanagement), Planung (strategische Planung, Innovation), Prozesse (stark an Kaizen und Lean-Methoden orientierte Logik) und Performance (kontinuierliche Verbesserung, Kundennähe, Wachstum) adressieren.

Die inzwischen über einen langen Zeitraum durch die Performance belegte Hypothese hinter dem Konzept: Speziell für die kleineren Unternehmen, die Danaher typischerweise akquiriert, kann die Anwendung dieser Methoden und Tools zu einer erheblichen Wertsteigerung führen.

Danaher hat es also – wie nur wenige andere Unternehmen – geschafft, das Geschäftsmodell effektiv mit dem Betriebsmodell zu verknüpfen.

The DBS process system is the soul of Danaher; the system guides planning and execution. – Larry Culp (ehem. CEO von Danaher)

Der typische Ablauf einer Implementierung des Danaher Business Systems gestaltet sich ungefähr folgendermaßen:

  1. Optimierung der Betriebsabläufe / -prozesse durch kontinuierliche Verbesserungen
  2. Aufbau eines tiefgehenden Verständnisses für die Bedarfe der Kunden (Voice of the Customer bzw. VOC)
  3. Verwendung der durch die Optimierung der Abläufe freigewordenen Mittel für zielgerichtete und an den Kundenbedürfnissen orientierte Investitionen (inkl. Innovationen und F&E)
  4. Im Resultat Verbesserung des Wertversprechens (der “Value Proposition”) für den Kunden und Vertiefung der Partnerschaft (bis hin zur konkreten Integration von Danaher-Lösungen in die Arbeitsabläufe der Kunden). Dies erhöht insbesondere die Kundenbindung, die Wechselkosten und die Preissetzungsmacht
  5. Umsetzung des geschaffenen Mehrwerts in weitere Akquisitionen

Anhand der in der Vergangenheit durchgeführten Akquisitionen lässt sich relativ gut beobachten, wie sich das organische Wachstum beschleunigte und die operativen Margen der erworbenen Unternehmen deutlich steigerten. Dies hat dazu geführt, dass die durchschnittliche Kapitalrendite (ROIC, ROCE) deutlich über den Kapitalkosten (WACC) liegt.

Exkurs: Kaizen

Kaizen (kontinuierliche Verbesserung) ist eine Strategie, bei der die Mitarbeiter auf allen Ebenen eines Unternehmens proaktiv zusammenarbeiten, um regelmäßige, schrittweise Verbesserungen im Produktionsprozess bzw. -ablauf zu erzielen. Kaizen bündelt also gewissermaßen die kollektiven Talente innerhalb eines Unternehmens, um einen starken Motor für Verbesserungen zu schaffen.

Durch die konsequente Anwendung von Kaizen (Entwicklung und Umsetzung von Aktionsplänen) entwickelt sich Kaizen über die Zeit zu einer Philosophie… d.h. es gibt hier auch eine relativ starke kulturelle Komponente.

Die Entwicklung der angesprochenen Aktionspläne läuft bei Kaizen im Rahmen von Projekten ab, die sich auf die Verbesserung bestimmter Unternehmensbereiche konzentrieren. An diesen Projekten sind Mitarbeiterteams auf allen Ebenen (d.h. inkl. Leitungsfunktionen) beteiligt, wobei der Schwerpunkt allerdings auf der Einbeziehung der Mitarbeiter in den Betrieben liegt.

Gleichzeitig geht es bei Kaizen darum, eine Kultur zu schaffen, in der alle Mitarbeiter aktiv an der Umsetzung von Verbesserungen im Unternehmen mitarbeiten. In wirklich schlank aufgestellten Unternehmen (wie z.B. Danaher) wird Kaizen zu einem integralen Bestandteil der Unternehmens-DNA bzw. der Unternehmenskultur.

Eine typisches Kaizen-Projekt hat in etwa den folgenden Ablauf:

  1. Festlegung der Ziele und Bereitstellen der erforderlichen Hintergrundinformationen
  2. Überprüfung des aktuellen Zustands und Entwicklung eines Plans für Verbesserungen
  3. Umsetzung der Verbesserungen
  4. Überprüfen und korrigieren, was nicht funktioniert
  5. Bericht über die Ergebnisse und Festlegung von Folgemaßnahmen

Diese Art von Kaizen-Prozesszyklus wird häufig als PDCA (Plan, Do, Check und Act) bezeichnet.


Operative Holding: Beispiel Takkt AG

Die TAKKT AG ist euch vielleicht bereits aus meinem Beispiel zur Ermittlung des EVA bekannt. Das deutsche Unternehmen gehört mehrheitlich zur Haniel Gruppe ist ist im Bereich B2B-Versandhandel tätig (größtes Unternehmen ist Kaiser & Kraft).

Die zur Takkt AG gehörigen operativen Unternehmen sind insgesamt drei verschiedenen und kundengruppenorientierten Divisionen (sowas wie Business Units) zugeordnet:

  • Industrial & Packaging
  • Office Furniture & Displays
  • Foodservice

Jede Division ist mit ihrem Produktportfolio auf eine bestimmte Kundenzielgruppe ausgerichtet: Industrial & Packaging auf Industrie- und Logistikkunden, Office Furniture auf Dienstleister, Foodservice auf Hotels, Restaurants und Cateringunternehmen.

Auch auf der Ebene der Divisionen sehen wir also bereits eine gewisse Bündelung von (operativen) Funktionen: Sales, Marketing, E-Commerce und die Sortimentsgestaltung sollen über die einzelnen Vertriebsmarken (Kaiser & Kraft, ratioform, Davpack, NBF, Displays2Go, Hubert, Central etc.) hinweg zusammengeführt werden. Damit sollen einerseits die internen Ressourcen besser genutzt, andererseits aber auch Synergien zwischen den Einzelunternehmen gehoben werden (z.B. über den Ausbau von Cross-Selling Aktivitäten).

Holdingstruktur Beispiel operative Holding

Auf der Ebene der Holding gibt es – über die Standardfunktionen wie Investor Relations, Steuern etc. hinaus – insbesondere vier Funktionen bzw. Corporate Functions, mit denen Takkt über die Geschäfte hinweg durch eine Zentralisierung bzw. Bündelung einen Mehrwert schaffen möchte. Dies sind

  • Operations (Lager und Logistik)
  • Human Resources
  • Technology & Data und
  • Finance

Hier die entsprechende Begründung von Takkt-CEO Maria Zesch:

In den Segmenten Omnichannel Commerce (OCC) und Web-Focused Commerce (WFC) wurde der Aufbau dieser Funktionen bereits gestartet. Es hat sich dabei aber gezeigt, dass eine Integration auf Gruppenebene größere Vorteile bietet als der Betrieb paralleler Strukturen in Segmenten. – Maria Zesch (CEO der TAKKT AG)

Insbesondere über die Funktionen Operations – hier geht es um die Optimierung der Lagerhaltung und der Logistik – und Technology & Data – dies betrifft die Onlineshops und Webauftritte – greift die Holding damit recht stark in das operative Geschäft ein, was aus meiner Sicht eine Klassifizierung des Unternehmens als operative Holding rechtfertigt (aber wie gesagt, wirklich klare Grenzen lassen sich hier nur schwer ziehen).

Exkurs: Shared Services vs. Zentralfunktionen (Corporate Functions) vs. Outsourcing

Die angesprochene Übernahme von Dienstleistungen durch “Corporate”, d.h. die Zentralisierung bestimmter Aufgaben und Funktionen, kann grundsätzlich über drei verschiedene Wege erfolgen:

  • die Etablierung von starken Zentralfunktionen (also i.W. Mitarbeiter der Konzernzentrale)
  • den Aufbau einer internen Shared Services-Einheit
  • das Outsourcing der Aufgaben an ein externes Unternehmen

Wie genau die Zentralisierung ausgestaltet wird, kann von vielen Faktoren abhängen.

Bei einer Zentralfunktion bzw. “Corporate Function” handelt es sich im Grunde nur um eine Abteilung auf Ebene der Holding, z.B. eine zentrale Personalabteilung, die bestimmte Aufgaben für alle Tochtergesellschaften übernimmt.

Ein Shared Service Center (SSC) wird im Gegensatz zur “Corporate Function” wie ein unabhängiges Dienstleistungsunternehmen geführt. Das bedeutet, dass die Tochtergesellschaften bzw. Geschäftseinheiten für die erbrachten bzw. in Anspruch genommenen Dienstleistungen eine Rechnung erhalten. Die Qualität, Höhe und Art der Verrechnung wird durch so genannte Service Level Agreements (SLA) festgelegt. In der Theorie wird oft von möglichen Kosteneinsparungen zwischen 15% und 40% ausgegangen, hauptsächlich abhängig vom Automatisierungsgrad und dem Standort der Zentren (Stichwort Personalkosten). In der Praxis wird allerdings oft nur zentralisiert und nicht gleichzeitig auch optimiert, weshalb zentral bereitgestellte Dienstleistungen für die Tochtergesellschaften in vielen Fällen teurer sind, als vergleichbare Marktangebote. Allein das Vorhandensein einer Shared Service Einheit ist also keine Garantie für ein niedrigeres Kostenniveau.

Typische Shared Service Dienstleistungen

Typische Dienstleistungen von Shared Service Centern (frei übersetzt); Quelle: Capgemini

Im Rahmen des Outsourcings übernimmt im Wesentlichen eine externe Organisation die Aufgaben des Shared Service Centers. Durch die aus der Aufnahme zusätzlicher Kunden resultierenden Skalenvorteile (Economies of Scale) sollte das Outsourcing bestimmter Prozesse bzw. Aufgaben nochmals günstiger sein, als das interne Shared Service Center (wieder in der Theorie). Allerdings besteht in diesem Fall zunächst mal keine Einbindung in die internen ERP-Systeme etc., was dann wieder zu Ineffizienzen und Zusatzkosten führen kann.


Operative Management-Holding: Beispiel BASF

Es gibt eine ganze Reihe an Mischkonzernen, die ihre Existenz mit dem Vorhandensein von Synergien zwischen den einzelnen Geschäftsfeldern begründen, was in der Praxis allerdings in vielen Fällen stark übertrieben ist.

Ein Konzern, in dem es diese Synergien allerdings meiner Meinung nach tatsächlich gibt, ist BASF. Das Unternehmen ist organisatorisch in 6 so genannte  Segmente gegliedert:

  • Chemicals
  • Materials
  • Industrial Solutions
  • Surface Technologies
  • Nutrition & Care
  • Agricultural Solutions

Dabei stellt das Segment Chemicals mit seinen 6 Verbundstandorten den Kern des BASF-Geschäftsmodells dar und ermöglichen erst die Generierung von Umsätzen und Gewinnen in den anderen, weiter “Downstream” angesiedelten Segmenten.

Auf der Grundlage der auf der BASF-Webseite veröffentlichten Organisationsstruktur hat das Unternehmen sowohl eine Reihe stark ausgeprägter Zentralfunktionen zur Steuerung des Unternehmens, als auch eine ganze Reihe an Shared Service-Einheiten, in denen bestimmte Aufgaben zentral gebündelt werden.

Hier zunächst mal eine Übersicht über die Zentralfunktionen im Konzern:

  • Corporate Development (Strategie und M&A)
  • Corporate Finance (Finanzen)
  • Legal, Compliance & Insurance (Rechtsabteilung)
  • Environmental Protection, Health & Safety (Nachhaltigkeit)
  • Human Resources (Personal)
  • Communications & Government Relations (Kommunikation und Lobbying)
  • Investor Relations
  • Audit
  • Taxes & Duties (Steuern)

Über die Verlinkungen dieser Funktionen zu ihren Äquivalenten auf Ebene der Geschäfte wird der Konzern konkret vom Headquarter aus gesteuert.

Darüber hinaus gibt es insgesamt 5 Shared Service-Einheiten, über die wesentliche zentrale Dienstleistungen abgewickelt bzw. bereitgestellt werden:

  • Global Engineering Services (Engineering)
  • Global Digital Services (Digitalisierung)
  • Global Procurement (Einkauf)
  • European Site & Verbundmanagement
  • Global Business Services

Die letztgenannte BASF Global Business Services wurde erst zu Beginn des Jahres 2020 geschaffen. Zu diesem Zeitpunkt transferierten ca. 8.400 Mitarbeiter aus den verschiedenen Geschäften in die Shared Service Center, die es an drei (teilweise Low Cost) Standorten gibt: Berlin, Kuala Lumpur (Malaysia) und Montevideo (Uruguay).

Im Rahmen der nachgelagerten Optimierung der Dienstleistungseinheit (z.B. Vereinheitlichung und Digitalisierung von Prozessen, Abläufen und Systemen etc.) sollen nun Synergien i.H.v. ca. 200 Mio. EUR gehoben werden, was dem Abbau von ca. 2.000 Stellen (also ca. 20-25% der gesamten Stellen in der Einheit) entspricht.

Bezogen auf das große Ganze ist der Effekt aber im Grunde vernachlässigbar (die operative Marge bezogen auf den Gesamtumsatz der BASF wird durch die Maßnahme um weniger als 0,5% zunehmen).


Fazit

Ganz generell gibt es drei Möglichkeiten, um als Konzernzentrale einen Mehrwert für die einzelnen Geschäfte bzw. Business Units und damit auch den Gesamtkonzern zu schaffen: (1) Die richtige Allokation von Kapital und Incentivierung der Manager in den Geschäften, (2) das Heben von Synergien zwischen den Tochtergesellschaften und (3) die Zentralisierung bestimmter Dienstleistungen (über Zentralfunktionen oder Shared Service Center).

In der Praxis kann ein Konzern über die Ausgestaltung der Holding recht gut beeinflussen, wie unabhängig die einzelnen Tochtergesellschaften bzw. Geschäfte operieren können.

Eine Finanz-Holding gibt den Managern der Tochtergesellschaften den maximalen Freiraum. Die Steuerung bzw. Optimierung des Gesamtkonstrukts erfolgt lediglich über die Kapitalallokation und die Incentivierung der Managment-Teams.

Eine strategische Holding greift in Form von strategischen Zielvorgaben und Planungsprozessen bereits etwas stärker in das operative Geschäft der Töchter ein.

Die operative (Management-)Holding ist typischerweise durch starke Zentralfunktionen und ggf. auch separate Shared Service Center gekennzeichnet. Hier findet eine operative (Mit-)Steuerung der einzelnen Geschäfte durch Corporate statt.

Nach all diesen Details und Beispielen glaube ich ein wichtiges Fazit: Es gibt keine Holdingstruktur, die per se in allen Fällen zu bevorzugen wäre. Im Gegenteil hängt die Möglichkeit der Wertgenerierung sehr stark von den Charakteristika der einzelnen Geschäfte und auch den Skills der Manager ab.


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