Zur Relevanz des ROCE bzw. der Kapitalrendite für den langfristigen Return einer Aktie

Relevanz des ROCE für den langfristigen Return

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Relevanz des ROCE für den langfristigen Return

Grundsätzlich kann man sagen, dass ein Unternehmen zusätzlichen Shareholder Value generiert, wenn die erwirtschaftete Kapitalrendite (ROCE bzw. ROE) oberhalb der relevanten Kapitalkosten (WACC bzw. EK-Kosten) liegt.

Soweit so gut… aber bedeutet das gleichzeitig auch, dass ein Investment in die Aktie eines solchen wertgenerierenden Unternehmens quasi immer attraktiv ist? Oder hängt das nicht maßgeblich auch von der Bewertung der Aktie zum Kauf- und zum Verkaufszeitpunkt ab?

In diesem Artikel möchte ich einmal versuchen, diese beiden Fragen bestmöglich zu beantworten.

Zur Info: Die Grundlage für diesen Artikel ist ein sehr guter Thread, den ich kürzlich auf Twitter gelesen habe (falls ihr auf Twitter seid, solltet ihr auf jeden Fall dem 10-K Diver folgen).


Intro: Verschiedene Return-Komponenten

Vereinfacht gesprochen hängt der mit einer Aktie erzielbare Gesamt-Return von drei verschiedenen Komponenten ab (Dividenden und Aktienrückkäufe als Verwendungsmöglichkeiten für die erwirtschafteten Cash Flows einmal außen vor gelassen):

  • Erstens vom Einkaufspreis (also im Wesentlichen dem KGV zum Kaufzeitpunkt)
  • Zweitens von der erzielten Gewinnsteigerung während der Haltedauer der Aktie
  • Und drittens vom Verkaufspreis (also dem KGV zum Verkaufszeitpunkt)

Die Gewinnsteigerung wiederum lässt sich zerlegen in die Kapitalrendite auf das bestehende und zukünftige eingesetzte Kapital sowie die Reinvestitionsquote (gegeben den Verzicht auf Dividenden und Aktienrückkäufe hier gleich 100% angesetzt).


Background Kapitalrendite bzw. ROCE

Der ROCE ist eine dem ROIC sehr ähnliche Kennzahl und ergibt sich – wenn wir das Ganze nach Steuern betrachten – als Quotient aus dem NOPAT bzw. dem operativen Nachsteuergewinn und dem eingesetzten Kapitel bzw. Capital Employed:

ROCE = NOPAT / Capital Employed = EBIT x (1 – Steuersatz) / Capital Employed

Die Kennzahl sagt also aus, wie viel EUR Gewinn je EUR eingesetztem Kapital erwirtschaftet werden.

Grundsätzlich gilt deshalb: Je höher der ROCE ausfällt, desto attraktiver ist das unterliegende Geschäftsmodell zu bewerten und desto schneller kann weiteres Gewinnwachstum erfolgen – hinreichend attraktive Investitionsgelegenheiten natürlich vorausgesetzt.

Um den letzten Punkt einmal zu erläutern: Stellt euch ein Unternehmen mit einem eingesetzten Kapital (Capital Employed) von 100 Mio. EUR vor. Dieses Unternehmen erwirtschaftet eine Kapitalrendite von 18%. Der operative Gewinn bzw. NOPAT am Ende des Jahres liegt dem entsprechend bei 18 Mio. EUR.

Diese 18 Mio. EUR werden nun komplett ins Unternehmen reinvestiert. Das eingesetzte Kapital erhöht sich somit um 18 Mio. EUR auf 118 Mio. EUR:

ROCE - Compounding

Wenn das Unternehmen nun aufgrund eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils dazu in der Lage ist, die Kapitalrendite von 18% auf das existierende Kapital – das so genannte „Legacy Capital“ – aufrechtzuerhalten und gleichzeitig das neu hinzukommenden Kapital (das inkrementelle Kapital oder „Incremental Capital“) langfristig ebenfalls zu 18% ins Business zu reinvestieren, dann kann über einen längeren Zeitraum ein Wachstum von Gewinn und eingesetztem Kapital von 18% pro Jahr generiert werden.


Langfristigen Return einer Aktie approximieren über ROCE

In so einen Fall und über einen sehr langen Zeitraum von sagen wir mal 30 bis 40 Jahren – das hat Charlie Munger mal gesagt und das lässt sich auch mathematisch nachweisen – lässt sich der Return einer Aktie am besten durch die Kapitalrendite approximieren… und zwar fast unabhängig vom ursprünglich gezahlten Kaufpreis.

Ergo ist die Kapitalrendite eine der wesentlichsten, wenn nicht sogar die wesentlichste Kennzahl – mit einer hohen Relevanz auch für die Unternehmensbewertung.

Charlie Munger zum Zusammenhang zwischen ROCE und Return einer Aktie

Im Grunde genommen sagt Munger hier zwei Dinge:

  • Erstens: Der Return einer Aktie wird langfristig nur schwerlich höher ausfallen, als der Return des ihr unterliegenden Geschäfts
  • Und Zweitens, weil der Return ja vom Kaufpreis abhängt: Diese Regel gilt auch in den Fällen, in denen man einen stark vom intrinsischen Wert abweichenden Kaufpreis für die Aktie zahlt

Wenn also ein Geschäft über 30 bis 40 Jahre im Durchschnitt eine Kapitalrendite von 6% erwirtschaftet, dann wird auch der Return der Aktie sich in dieser Größenordnung bewegen… und zwar auch dann, wenn die Aktie ursprünglich mit einem signifikanten Abschlag auf den fairen Wert erworben wurde.

Die gleiche Logik gilt umgekehrt für ein Unternehmen, welches 18% auf sein Kapital verdient und für das man einen vergleichsweise hohes Multiple im Einkauf zahlt.


Beispiel: Einfluss von ROCE und Multiples auf Total Return

Um das Ganze nochmal etwas genauer zu illustrieren betrachten wir einmal die zwei von Munger angesprochenen Unternehmen im Vergleich:

  • Das eine (Unternehmen A) erwirtschaftet eine Kapitalrendite von 6% per Annum, das andere (Unternehmen B) einen Kapitalrendite von 18%
  • Beide Unternehmen haben anfänglich ein eingesetztes Kapital in Höhe von 1 Mio. EUR und sind außerdem dazu in der Lage, ihr Kapital zu stabilen Returns für einen Zeitraum von 30 Jahren zu reinvestieren
  • Das Unternehmen A wird am Kapitalmarkt zum 8-fachen Gewinn, das Unternehmen B zum 50-fachen Gewinn gehandelt
  • Nach 30 Jahren gehen wir von einem einheitlichen Multiple vom 20-fachen Gewinn aus

Sehen wir uns nun die Kennzahlen nach Ablauf der 30-jährigen Reinvestitionsphase einmal an (die Detailberechnung im Zeitablauf findet ihr unten im Anhang):

ROCE und Return einer Aktie - Unternehmensvergleich

Während Unternehmen A nach 30 Jahren sein eingesetztes Kapital ca. versechsfacht hat, hat das Unternehmen B das seinige um den Faktor 143 gesteigert (also von 1 Mio. EUR auf 143 Mio. EUR).

Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Gewinn. Das Unternehmen A hat nach 30 Jahren ein Gewinnniveau von ca. 0,34 Mio. EUR erreicht, das Unternehmen B liegt bei ca. 26 Mio. EUR.

Schauen wir nun einmal durch die Brille des Investors:

Entsprechend der ursprünglichen Bewertung konnte dieser das Unternehmen A zu Beginn der 30-jährigen Reinvestitionsphase zu einem Kurs von 0,48 Mio. EUR (60.000 EUR Gewinn x Faktor 8) und das Unternehmen B zu einem Kurs von 9 Mio. EUR (gleich 180.000 EUR Gewinn x Faktor 50) erwerben.

Nach Ablauf von 30 Jahren werden die Unternehmen vom Kapitalmarkt folgendermaßen bewertet:

  • das Unternehmen A mit einem Wert von 7 Mio. EUR (das sind 0,34 Mio. EUR Gewinn x Faktor 20)
  • das Unternehmen B mit einem Wert von 516 Mio. EUR (das sind 25,8 Mio. EUR Gewinn x Faktor 20)

In Summe bedeutet das, dass der durchschnittliche jährliche Return für das Unternehmen A bei ca. 9,3% und der für das Unternehmen B bei ca. 14,5% liegt.

Trotz der hohen Bewertung beim Kauf (Multiple von 50) ist der mit einem Investment in das Unternehmen B zu erzielende Return also substantiell höher, als derjenige für das Unternehmen A.

Heißt mit anderen Worten:  Der hohe Return bzw. der Zinseszinseffekt überwiegt über die lange Frist bei Weitem den hohen anfänglichen Kaufpreis. 

Das Ganze lässt sich nun natürlich für ganz verschiedene Multiple-Kombinationen vergleichen. Das Ergebnis allerdings ist in den meisten Fällen gleich.

Wie ihr an den hier dargestellten „Heat Maps“ erkennen könnt, schneidet das Unternehmen mit der niedrigeren Kapitalrendite eigentlich für so gut wie alle Kombinationen aus Kaufs- und Verkaufs-Multiple schlechter ab, als das Unternehmen mit der hohen Kapitalrendite:

Return-Vergleich

Lediglich im recht unwahrscheinlichen Fall einer extrem hohen Verkaufsbewertung für das Unternehmen A und einer gleichzeitig extrem niedrigen Verkaufsbewertung für das Unternehmen B lassen sich mit dem Investment in A ähnliche Returns erzielen (diese Bereiche sind in der Grakfik oben in orange umrandet).

Schlussfolgerung: Wenn wir eine relativ lange Haltedauer vorsehen bzw. einen langen Anlagehorizont haben, dann dann sollten wir immer auf eine entsprechende Kapitalrendite achten.


Formeltechnische Ableitung

Wenn wir diesen Umstand auch noch mathematisch belegen möchten, dann benötigen wir dafür die hier dargestellten drei Formeln:

Zunächst mal setzt sich der Kaufpreis aus dem Gewinn des Jahres 1 und der zugehörigen Marktbewertung zum gleichen Zeitpunkt (also im Wesentlichen dem Kurs-Gewinn-Verhältnis) zusammen… also formeltechnisch gesprochen: Gewinn im Jahr 1 mal zugehöriges Multiple im Jahr 1.

Der Gewinn des Jahres n+1 lässt sich aus dem Gewinn des Jahres 1 und der durchschnittlich erwirtschafteten Kapitalrendite über n Jahre ermitteln, also

Gewinn Jahr n+1 = Gewinn Jahr 1 x (1 + ROCE)n Jahre

Nochmal zur Info: Wir unterstellen hier eine 100%ige Reinvestition der Gewinne. Das heißt im Grunde genommen nichts anderes, als dass der komplette Gewinn im Unternehmen verbleibt und sich dort entsprechend weiter vermehren kann. Bei einer teilweisen Ausschüttung müssten wir die Formel entsprechend anpassen.

Die Ermittlung des Verkaufspreises schließlich erfolgt ganz äquivalent zur Berechnung des Kaufpreises, also im Wesentliche über die Multiplikation von Gewinn und Multiple. Den Gewinn des Jahres n+1 können wir hier bereits durch die zweite Formel ersetzen.

Ausgehend von der CAGR-Formel für die durchschnittliche jährliche Rendite – Verkaufspreis durch Kaufpreis hoch eins durch n Jahre und das Ganze dann noch minus 1 – ermitteln wir nach Einsetzen der Formel für Verkaufs- und Kaufpreis und einigem Umstellen der Formeln das folgende Ergebnis:

CAGR in Abhängigkeit von ROCE und Multiples

Wie ihr sehen könnt, nimmt die Relevanz der Multiple-Veränderung mit zunehmender Haltedauer exponentiell ab… zu erkennen an dem in rot umkringelten und zur Haltedauer inversen Exponenten.

Das heißt mit jedem weiteren Jahr verringert sich die Relevanz bzw. die Abhängigkeit des Returns von vom Kaufkurs weiter… quod erat demonstrandum!


Key Take Aways

Der Return, den wir mit dem Investment in eine Aktie erzielen, hängt neben den Kursen, zu denen wir die Aktie kaufen bzw. verkaufen, insbesondere von der Entwicklung des Gewinns bzw. Cash Flows über die Haltedauer der Aktie ab (wenn wir davon ausgehen, dass in der Zwischenzeit keine Dividenden ausgeschüttet werden).

Die Gewinnentwicklung bzw. das Gewinnwachstum wiederum steht – rein mathematisch gesprochen – mit der Höhe der Kapitalrendite in Zusammenhang.

Mit zunehmender Haltedauer nimmt nun der Einfluss von Einkaufs- und Verkaufspreis immer weiter ab, was sich auch mathematisch ableiten lässt.

Daher können wir sagen, dass die Kapitalrendite (und deren Nachhaltigkeit… die Stichworte sind hier Wettbewerbsvorteile und “Runway for Growth”) für alle langfristig orientierten Investoren quasi zwangsläufig einen hohen Stellenwert einnehmen muss.


Backup

Hier die angesprochene Zeitreihe mit der Ermittlung von Gewinn und eingesetztem Kapital:

ROCE und Compounding - Unternehmensvergleich über Zeit

1 Kommentar zu „Zur Relevanz des ROCE bzw. der Kapitalrendite für den langfristigen Return einer Aktie“

  1. Pingback: Schmankerl der Woche KW27 2021 –

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