Finanzielle Freiheit + Passiv Investieren: Oft ein Widerspruch

Passives Einkommen

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Passives Einkommen

Es wurde ja schon viel geschrieben über das Thema “Finanzielle Freiheit”. Und darüber ob und wie wir sie erlangen können… ob finanzielle Freiheit eigentlich unser Ziel sein sollte (eher eine philosophische Fragestellung) und wie wir finanzielle Freiheit eigentlich definieren. Ich lese auch viel darüber, wie wir diese finanzielle Freiheit praktisch ohne viel Zutun, also einfach über ein paar passive Investitionsstrategien, erlangen können.

Ich glaube in der Tat, dass es mehrere realistische Wege gibt, die in die finanzielle Freiheit führen können. Kein einziger dieser Wege kommt allerdings aus meiner Sicht ohne signifikanten Aufwand (Zeit, Geld und vor allem auch Lehrgeld) aus. Den “entspannten Weg zum Reichtum” gibt es aus meiner Sicht leider nicht.

Ich weiß… wir alle suchen irgendwo nach der einen Methode, mit der wir praktisch ohne Zeit aufzuwenden schnell (oder auch über Zeit) reich werden können… vor allem deshalb funktionieren solche Slogans ja auch so gut. Realistisch ist vieles davon aus meiner Sicht aber nicht.

In diesem Artikel möchte ich euch also einmal meine Sicht auf das Thema finanzielle Freiheit geben und auch erklären, warum ich den Value Investing Ansatz in diesem Zusammenhang für besonders gut geeignet halte.


Finanzielle Freiheit: Meine eigene Definition

Nach meiner Definition bedeutet finanzielle Freiheit Folgendes:

Ich erwirtschafte mit meinen Vermögenswerten ein passives (oder quasi-passives) Einkommen, das ausreichend hoch ist, um alle monatlichen Ausgaben zur Finanzierung meines bzw. unseres (recht bescheidenen) Lebensstils zu decken.

Oder so ähnlich.

Vermögenswerte können dabei alles Mögliche sein: Aktien, Eigentumswohnungen oder andere Immobilien, Unternehmensanteile etc. Einzige Voraussetzung: Die Vermögenswerte müssen früher oder später einen regelmäßigen Cash Flow generieren.

Ich möchte also eigentlich nur selbst entscheiden können, was ich tagtäglich tue und nicht ein Jetset Leben in Saus und Braus führen (das wäre auch nochmal eine ganz andere Diskussion).


Mehrere Wege in die finanzielle Freiheit

Wie gesagt gibt es aus meiner Sicht mehrere Wege, die in die finanzielle Freiheit führen können. Wenn wir das Ganze mal grafisch darstellen, dann ergeben sich im Wesentlichen zwei Hebel, die wir konkret beeinflussen können, um finanziell frei zu werden:

  • Hebel Nr. 1: Die Höhe des Betrags, den wir in jedem Monat zurücklegen
  • Hebel Nr. 2: Der Return, den wir auf diese Rücklage erzielen

Beides muss irgendwo Hand in Hand gehen.

Das folgende Chart zeigt einmal (in grün hinterlegt) mit welchen Kombinationen aus monatlicher Rücklage und erzieltem Return wir innerhalb von 20 Jahren ein Vermögen von mindestens 1 Mio. EUR aufbauen können.

Finanzielle Freiheit

Die Werte habe ich im Wesentlichen willkürlich gewählt. Wir könnten das Ganze natürlich auch für eine Situation darstellen, in der wir in 15 Jahren ein Vermögen von 2 Mio. EUR aufbauen möchten.

Was wir genau anstreben, hängt von unserer Ausgangssituation, unserer Zielsetzung, unseren Familienverhältnissen, unserem Lebensstil und vermutlich noch einigen anderen persönlichen Faktoren ab. In Excel könnt ihr die Rechnung ja einfach nachvollziehen und ggf. mit anderen Eckdaten durchführen.

Ich denke mit einem Vermögen in Höhe von 1 Mio. EUR nach 20 Jahren können wir aber schonmal etwas anfangen. Und es geht hier ja auch vorrangig um die Illustration der Wege in die finanzielle Freiheit.


Passive Strategie: Hohe regelmäßige Rücklagen erforderlich

Was wir anhand dieses Charts relativ gut sehen:

Rechnen wir auf absehbare Zeit nicht damit, dass wir monatlich mehr als 500 EUR zurücklegen können, dann benötigen wir schon eine Rendite von mindestens 15% pro Jahr, um unser Investment-Ziel zu erreichen.

Das sehen wir daran, dass wir in der ganz rechten Spalte nach 20 Jahren ein Vermögen von über 1 Mio. EUR erreicht haben.

Wenn wir bereits etwas mehr zurücklegen können, z.B. weil wir einen gut bezahlten Job oder ein eigenes Unternehmen haben, dann kommen wir ggf. auch mit einem niedrigeren Return und damit mit einem passiven Ansatz an unser Ziel.

Ein passiver Ansatz, mit dem wir einen Return von ca. 9% erzielen können, funktioniert also nur mit höheren regelmäßigen Rücklagen (ab 1.500 EUR pro Monat).

Falls wir übrigens gar nicht investieren und unser Geld einfach auf unserem Girokonto liegen lassen (was glaub ich noch viel zu viele von uns machen), dann müssten wir pro Jahr schon 50.000 EUR (!!) zurücklegen, um in 20 Jahren unser Ziel zu erreichen. Selbst wenn wir tatsächlich einen so hohen Betrag zurücklegen könnten, wäre dieser Ansatz natürlich nicht besonders clever.


Unsere Optionen: Return >15% oder Rücklage x3!

Nun, da wir die beiden Hebel kennen, die wir konkret beeinflussen können, stellt sich natürlich die Frage, welche konkreten Strategien es für eine Umsetzung gibt.

Nehmen wir mal an, wir sind in einer Situation, in der wir monatlich ca. 500 EUR zurücklegen und alles in einen passiven Indexfonds oder ETF (Return-Potenzial wie gesagt vermutlich irgendwo um die 9%) investieren. Aus meiner Sicht erstmal eine realistische Situation. In diesem Fall hätten wir nach 20 Jahren ein Vermögen von ca. 590.000 EUR aufgebaut.

Das ist zwar schon ein ansehnlicher Betrag, aber zum Aussteigen vielleicht noch etwas zu wenig.

Wenn wir nun für die Erlangung der finanziellen Freiheit ein Ziel von ca. 1,5 Mio. EUR festlegen, dann können wir dieses über zwei Wege erreichen (analog zur oben gezeigten Grafik):

  1. Indem wir einen anderen Investment-Ansatz wählen (z.B. einen aktiven Value Investing bzw. DIY Investing Ansatz) und damit einen Return von 15%+ erzielen – das wäre Hebel 2
  2. Indem wir unsere Rücklage mindestens verdreifachen (nämlich von 500 auf ca. 1.500-2.000 EUR je Monat) und bei einem passiven Investment-Ansatz bleiben – das wäre Hebel 1
Eine Erhöhung unseres Returns von 9 auf 15% ist also äquivalent zu einer Verdreifachung unserer monatlichen Rücklage!

Kleine Randnotiz: Ich bin natürlich an dieser Stelle bewusst plakativ und etwas schwarz-weiß, um die Trade-Offs, also die Zielkonflikte dieser beiden Ansätze einmal zu illustrieren. Natürlich können wir parallel mehrere Wege einschlagen. Ich glaube aber, dass wir uns am Ende auf irgendetwas fokussieren müssen, um wirklich etwas zu erreichen.

Schauen wir uns die beiden Optionen einmal an.


Value Investing Ansatz: Return >15%

Der Value Investing Ansatz ist einer der wenigen Investment-Ansätze (vielleicht sogar der einzige?) mit dem wir nachhaltig einen Return von mehr als 15% erreichen können. Es gibt viele weithin bekannte Beispiele von Investoren, die mit einem Value Ansatz über einen langen Zeitraum sehr gute Returns erzielt haben (z.B. Ben Graham, Warren Buffett, Mohnish Pabrai um nur einige zu nennen). Wir können also schonmal festhalten, dass der Ansatz funktioniert.

Gleichzeitig ist das mit einem Value Investing bzw. DIY Investing Ansatz einhergehende (Verlust-)Risiko relativ gering. Wenn wir es denn richtig machen, sollte das Risiko sogar geringer sein, als mit einer passiven Strategie (Risiko hier natürlich definiert als Geschäftsrisiko der Unternehmen in unserem Portfolio).

Ein Value Investing Ansatz erfordert natürlich im Vergleich zu einer passiven Strategie mehr Zeit. Wir sprechen hier aber in keinem Fall von einer Vollzeitbeschäftigung. Im Grunde genommen können wir das nach wie vor gut nebenbei machen (lest hierzu auch die 10 Investment-Tipps von Mohnish Pabrai).

Zu Beginn müssen wir allerdings einmalig die Zeit aufwenden, um unsere Tools für die Unternehmensbewertung und unseren Investment-Ansatz zu entwickeln und unsere Checklisten (Stichwort Routinen und rationale Entscheidungen) einmal aufzusetzen. Ich vermute, dass dies für die meisten von uns die größte Schwierigkeit bzw. Hürde darstellt.

Darüber hinaus lernen wir über einen Value Investing bzw. DIY Investing Ansatz auch unser Portfolio entsprechend zu managen. Das ist für später wichtig, wenn es darauf ankommt, von unseren Cash Flows bzw. unseren Kapitalerträgen auch zu leben. Um später ein passives Einkommen zu erzielen, müssen wir über Zeit ggf. Dividenden stärker in unseren Investment-Ansatz integrieren bzw. einen Ansatz entwickeln, wie wir unser Einkommen aus dem Portfolio entnehmen, ohne gleichzeitig die Werthaltigkeit des Portfolios – also das Kapital – anzugreifen. Das ist glaub ich keine triviale Aufgabe.

Zusammenfassung Value Investing Ansatz

  • Unser Return-Potenzial liegt bei >15% p.a. bei vergleichsweise geringem Risiko (wenn wir es richtig machen)
  • Wir brauchen keinen IQ von 160, um Value Investing richtig zu lernen. Alles was wir brauchen sind Durchhaltevermögen, Routinen und emotionale Stärke
  • Der Zeitaufwand ist noch überschaubar – wenn wir Tools, Checklisten etc. einmal aufgesetzt haben
  • Wir behalten die volle Kontrolle und die aktive Beschäftigung mit unseren Investments wird uns später helfen
  • Wir können unser Ziel viel schneller erreichen, als über einen passiven Ansatz

Monatliche Rücklage verdreifachen und passiv investieren

Wenn wir allerdings bei einem passiven Ansatz bleiben und z.B. in ETFs investieren möchten, dann müssten wir in Konsequenz unsere monatliche Rücklage mindestens verdreifachen.

Ich weiß nicht wie ihr das seht. Aber ich halte eine Erhöhung unserer monatlichen Rücklagen um ca. 1.000 bis 1.500 EUR pro Monat – und zwar Netto nach allen Abzügen für Steuern, Versicherungen etc. – für recht sportlich.

Mit einer Optimierung unserer Ausgaben, die wir natürlich in jedem Fall durchführen sollten, werden wir das nicht annähernd hinbekommen. Eher im Gegenteil. Unsere Ausgaben werden über Zeit tendenziell anwachsen.

Bleibt also nur eine Erhöhung unserer Einnahmen. Hier sehe ich zwei, vielleicht 2 1/2, allerdings sehr unterschiedliche Optionen:

  1. Wir können darauf spekulieren, dass wir als Angestellte in der Hierarchie unseres Unternehmens aufsteigen. Ob wir erfolgreich sein werden, hängt aber vor allem von externen, für uns nicht beeinflussbaren Faktoren ab. Alles in allem ist diese Strategie in den meisten Fällen passiv (abwarten und hoffen) und damit sehr risikoreich
  2. Wir können uns selbständig machen und eine eigene Firma gründen. Potenziell ist dies der schnellste Weg in die finanzielle Freiheit. Allerdings ist auch das Risiko entsprechend hoch und deshalb für die meisten von uns vermutlich keine echte Alternative

Die Option 2 1/2 besteht darin, dass wir uns nebenbei selbständig machen, um erstmal unsere Einnahmen zu erhöhen (vielleicht über einen kleinen Onlineshop oder eine Marketingberatung). Dies halte ich für eine legitime Option, die vor allem den Vorteil hat, dass wir uns ein für uns interessantes Thema aussuchen können. Allerdings wird es auch hier nicht ohne einen gewissen Zeitaufwand gehen.


Weitere Überlegungen

Auch wenn ich glaube, dass uns ein passiver Investment-Ansatz in den meisten Fällen nicht in die finanzielle Freiheit führen wird, so denke ich trotzdem, dass dieser Ansatz für viele unter uns eine gute Alternative darstellt.

Denn eins muss uns klar sein (um nochmal meinen Punkt von vorne aufzugreifen): Um mit einem Value bzw. DIY Investing Ansatz (Ziel: Return erhöhen) oder auch mit einem kleinen Side-Business (Ziel: Rücklagen erhöhen) erfolgreich zu sein, brauchen wir ein gewisses Maß an Durchhaltevermögen und Zeit.

Wenn wir nur halbherzig an das Thema Value Investing herangehen, werden wir im Vergleich zum passiven Ansatz mit hoher Wahrscheinlichkeit schlechter abschneiden.

Fazit

Finanzielle Freiheit zu erlangen ist erstmal nicht unrealistisch. Jedenfalls nicht nach meiner eigenen Definition von finanzieller Freiheit, die auf einem recht minimalistischen Lebensstil basiert.

Allerdings gibt es aus meiner Sicht den entspannten Weg zum Reichtum nicht!

Finanzielle Freiheit über einen rein passiven Investment-Ansatz zu erreichen, wird darüber hinaus in den meisten Fällen nicht funktionieren, weil unsere monatliche Rücklage zu gering ist, um mit einem erzielbaren Return von um die 9-10% über einen recht kurzen Zeitraum genug Kapital aufzubauen.

Um es tatsächlich zu schaffen, können wir entweder einen Value Investing bzw. DIY Investing Ansatz verfolgen und unseren Return auf mindestens 15% erhöhen oder aber unsere monatlichen Rücklagen ca. verdreifachen, z.B. indem wir uns nebenbei mit einem kleinen Side-Business selbständig machen.

Beides erfordert aber mindestens zu Beginn ein gewisses Maß an Zeit und vor allem Durchhaltevermögen.


Weitere Ressourcen

Zwei Bücher, die ihr im Zusammenhang mit dem Thema “finanzielle Freiheit” auf jeden Fall gelesen haben solltet, sind meiner Meinung nach Rich Dad, Poor Dad und Investment Punk:

3 Kommentare zu „Finanzielle Freiheit + Passiv Investieren: Oft ein Widerspruch“

  1. Hi Axel, sehr anschauliche Tabelle! Aktuell investiere ich rund 9.000 im Jahr, womit ich nicht unbedingt reich werde (falls ich die Rate überhaupt so hoch halten kann). Aber als Plan B verlasse ich mich darauf, wenigstens ein bisschen gesetzliche Rente zu bekommen. Notfalls muss ich mein Vermögen aufbrauchen.

  2. Hey Axel,

    Du hast hier einen tollen Artikel geschrieben, herzlichen Glückwunsch ! 🙂

    Ich sehe es ähnlich wie Du, dass ein “normaler” Sparer seine monatlichen Rücklagen kaum über ein gewisses Niveau erhöhen kann. Neben den laufenden Lebenshaltungskosten werden ja auch von Zeit zu Zeit Ersatzinvestitionen (Auto etc.) fällig. Insofern ist der Gedanke richtig nach einem Ansatz zu suchen, der möglicherweise eine höhere durchschnittliche Rendite liefert als der Markt.

    Ich persönlich halte Value-Investing für einen langfristig sehr lukrativen Investment-Ansatz. Die Frage ist, ob sich der “normale” Sparer so intensiv mit Bilanzen, GuV etc. der Unternehmen beschäftigen möchte und es schafft, sich die nötigen Fähigkeiten anzueignen, um Unternehmen rational bewerten zu können. Aber man wächst ja an seinen Aufgaben… 😉

    Viele Grüße
    Christian

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