In meinen letzten Jahresrückblicken hatte ich ja immer so etwas wie eine sich wiederholende, fast schon standardisierte Struktur für meinen Jahresrückblick. Alles sehr zahlenorientiert und stark auf die Entwicklung des Net Worth bzw. des NAV ausgerichtet.
Nun, in diesem Jahr ist alles anders, weshalb ich in diesem Jahresrückblick auch einmal auf ein paar für mich persönlich relevante Themen eingehen möchte. Einen Absatz zur generellen Entwicklung der Kennzahlen etc. habe ich aber natürlich auch drin (allerdings in einer etwas anderen Detailtiefe).
Generelle Entwicklung in 2022
Ich bin mir nicht sicher, ob ich das Gleiche mit Bezug auf Corona vor ein bis zwei Jahren auch schonmal geschrieben hatte… falls ja, dann habe ich mich damals geirrt. 2022 war nun tatsächlich ein echtes Jahr der Konsolidierung. Ich kann mich rückblickend an kein Jahr erinnern, in dem so viele (größtenteils) negative Entwicklungen zugleich stattgefunden haben. Echt ein wildes Jahr.
Und dabei beziehe ich mich nicht nur auf die generelle Entwicklung der Weltwirtschaft und des allgemeinen Umfelds, sondern auch auf ganz konkrete Themen, die insbesondere mich persönlich betreffen. Gehen wir mal in die Details.
Entwicklung NAV
Der Net Asset Value (NAV) hat sich entsprechend meiner Vorrede nicht ganz so entwickelt, wie zu Beginn des Jahres erhofft bzw. sogar erwartet. Zum ersten Mal seit Beginn meiner Aufzeichnung vor ca. 10 Jahren gab es mehrere Quartale in Folge, in denen der NAV im Vergleich zum Vorquartal zurückgegangen ist.
Insgesamt habe ich das Jahr 2022 ein Minus von ca. 4% beendet. Dabei stand einem Wertzuwachs im Immobilienportfolio (ca. 4%) eine Wertverlust im Aktienportfolio (GmbH plus privat) von ca. 10% gegenüber.
Beachtet, dass ich für das Immobilienportfolio keine stillen Reserven berücksichtige. D.h. der Wertzuwachs ggü. dem ursprünglichen Einstandspreis setzt sich ausschließlich zusammen aus dem Aufbau von Eigenkapital durch Schuldentilgung sowie aus hart nachweisbaren Wertsteigerungen in Folge von Mietanpassungen.
Immobilienportfolio
Hier eine kurze Übersicht der wesentlichen Entwicklungen im Immobilienportfolio:
- Gleich in drei Wohnungen hatte ich Mietausfälle zu beklagen, die leider in zwei Fällen zu einer Räumungsklage bzw. einer Schadenersatzklage vor Gericht geführt haben
- Insgesamt kam es zu vier Wasserschäden, die teilweise zu Leerständen und teilweise auch zu nicht von den jeweiligen Versicherungen übernommenen (substantiellen) Kosten geführt haben. Aufgrund der Nichtverfügbarkeit von Handwerkern und krankheitsbedingten Ausfällen haben sich die Arbeiten teilweise über Monate hingezogen (bzw. sind verspätet losgestartet)
- Nach dem Verkauf einer Immobilie im Ausland und dem nachgelagerten Transfer des Kaufpreises nach Deutschland wurde zwischenzeitlich das entsprechende Konto eingefroren (vermutlich wegen eines Verdachts auf Geldwäsche… wirklich informiert wird man da von der Bank natürlich nicht)
- Aufgrund der Kosteninflation ist in einer Eigentümergemeinschaft im Zuge einer größeren Dach- und Fassadensanierung das Geld ausgegangen, was zu einer substantiellen Sonderumlage geführt hat
- An zwei weiteren Objekten wurden ebenfalls Dachsanierungen angestoßen und Sonderumlagen eingesammelt
Das alles hat in der Konsequenz dazu geführt, dass ich gerade im aktuell günstigen Kapitalmarktumfeld (meint niedrige Aktienkurse) nicht die Menge an Kapital in Unternehmensbeteiligungen investieren konnte, die ich eigentlich dafür vorgesehen hatte.
Auf der positiven Seite gibt es aber natürlich auch etwas zu berichten. Die notorischen Nichtzahler sind aus den Wohnungen raus. In einem Fall habe ich bereits einen Rückzahlungsplan vereinbart. Beide Wohnungen sind außerdem bereits wieder neu vermietet (inkl. angemessener Mietsteigerungen). Auch das besagte Konto wurde inzwischen wieder freigegeben.
Als nächsten größeren Schritt habe ich für das Immobilienportfolio folgende Aktivitäten geplant:
- eine gewisse Portfolio-Bereinigung, sofern die Preise sich noch einigermaßen halten können (die Spekulationsfrist ist für viele Objekte inzwischen abgelaufen)
- Überführung der Wohnungen in eine Kapitalgesellschaft, um die stillen Reserven zu heben. Hierfür schwebt mir aktuell eine GmbH & Co. KG vor, ich muss aber zugegebenermaßen erst noch etwas Zeit mit der Analyse der Optionen verbringen (wie aufwendig und komplex das sein kann, könnt ihr für die “gewöhnliche” VV GmbH hier nachlesen)
- ggf. wieder selektive Zukäufe (in Abhängigkeit von der Preis-, Miet- und Zinsentwicklung), wobei ich allerdings noch den Eindruck habe, dass es noch lange dauern wird, bis die Immobilienbewertungen wieder annehmbare Größenordnungen erreichen werden. Mein wahrscheinlichstes Szenario: Die Preis stagnieren bzw. nehmen ggf. leicht ab während die Bewertungen mit steigenden Mieten über die Zeit sukzessive wieder attraktiver werden… aber mal abwarten
VV GmbH
Die vermögensverwaltende GmbH hat inzwischen den ersten Jahresabschluss und das erste volle Geschäftsjahr hinter sich (den Abschluss habe ich allerdings wie ihr euch denken könnt bisher noch nicht erstellt).
Nachdem mein Steuerberater Ende letzten Jahres kurzfristig abgesprungen war und mich und meine Firma nicht betreuen wollte bzw. konnte (weshalb er im Grunde eigentlich gar nicht “mein” Steuerberater war), habe ich für die Buchhaltung nun ein aus meiner Sicht sehr gut funktionierendes und auch günstiges und wenig zeitraubendes System etabliert:
Ich werde darauf zu einem späteren Zeitpunkt nochmal etwas detaillierter eingehen. Das Kernelement des gesamten Systems bildet aber natürlich die Buchhaltungs-Software, in diesem Fall Buchhaltungsbutler (nach meiner Recherche mit das einzige Cloud-Tool, das auch doppelte Buchführung und Bilanzerstellung kann).
Für den Upload der Transaktionsdaten (Käufe / Verkäufe) sowie die Cash-relevanten Daten (Dividendenzahlungen, Steuerabzüge etc.) von Interactive Brokers, dem aktuellen Broker meiner GmbH, habe ich ein simples Excel-Tool gebaut, welches die Rohdaten in Buchungssätze umwandelt.
Inzwischen habe ich schätzungsweise ca. 40-50% meines Investitionskapitals in die GmbH “überführt” (zu den verschiedenen Möglichkeiten dieser “Überführung” schaut euch einmal den fünften Teil meiner Artikelserie zur VV GmbH sowie das zugehörige Excel-Tool an).
Beteiligungsportfolio
Der Blick auf das Portfolio selbst ist durchwachsen (wie oben angesprochen Gesamtentwicklung ca. -10% im abgelaufenen Jahr).
Auf der einen Seite hatte ich im Vorgriff auf die Übertragung des Kapitals in die GmbH bereits zu Beginn des Jahres einen relativen hohen Cash-Bestand aufgebaut… d.h. einen Teil des Portfolios liquidiert.
Auf der anderen Seite habe ich allerdings mit meinen neuen Investments den echten Tiefpunkt an den Aktienmärkten (auch insbesondere bei den Tech-Werten) nicht 100%ig getroffen, weshalb sich einige Beteiligungen aktuell noch im Minus befinden.
Ganz generell sehe ich mich aber immer noch sehr gut positioniert, um von einer möglichen Erholung in den kommenden Monaten / Jahren zu profitieren.
Direktinvestment Solaranlage
In 2022 habe ich mich zum ersten Mal wirklich intensiv mit dem Bau bzw. dem Kauf einer Solaranlage befasst (Details dazu folgen hoffentlich bald). Das Ergebnis ist allerdings bisher sehr ernüchternd.
Auf den Punkt gebracht: Weder bei größeren Pachtobjekten, noch bei Anlagen auf dem eigenen Dach sehe ich gerade einen nachhaltig tragbaren Investment-Case (d.h. ich sehe kein Szenario, in dem sich die Anlage nach Ablauf der Jahre mit hoher Steuerersparnis selbst trägt). Grund dafür sind insbesondere die aktuell sehr hohen Investitionskosten… vermutlich zu einem großen Teil auf die Disruption der Wertschöpfungsketten als Folge der Corona-Pandemie und des Ukraine-Konflikts zurückzuführen.
Positiver Aspekt allerdings: Ich habe nun ein entsprechendes Bewertungstool in Excel erstellt, welches mir in Zukunft eine zügige Bewertung neuer Investitionsgelegenheiten ermöglichen sollte.
Gute Podcasts
Auch in diesem Jahr sind ein, zwei neuen Podcasts auf meine Liste mit aufgenommen worden, die ich euch hier gerne weiterempfehlen möchte.
Zum einen wäre da Handelsblatt Disrupt, ein aus meiner Sicht sehr guter Podcast mit spannenden und abwechslungsreichen Themen sowie interessanten Gästen. Mir in Erinnerung geblieben sind insbesondere die Gespräche mit dem CEO der Asklepios-Kliniken Kai Hankeln, mit United Internet / 1&1 CEO Ralph Dommermuth sowie mit Patrick Spence, dem CEO von Sonos… sind aber nur einige wenige auf der illustren Gästeliste. Zugegebenermaßen ist der Host Sebastian Matthes aus meiner Sicht auch ein echt guter Moderator und Fragensteller (der außerdem noch tief in den Themen drinsteckt).
Zum anderen möchte ich nochmal auf Business Breakdowns hinweisen, einen Podcast, in dem in jeder Folge das Business Model eines (mehr oder weniger) bekannten Unternehmens vorgestellt wird (es geht nur um die Funktionsweise des Geschäftsmodells und um Wettbewerbsvorteile etc., also nicht um Aktienempfehlungen oder Ähnliches). Vom Ablauf her funktioniert das Ganze im Grunde genommen wie ein Interview mit einem Gast, der das besagte Unternehmen in und auswendig kennt (meist ist das entweder ein ehemaliger Mitarbeiter oder ein Investor, der sich mit der Firma bereits intensiv auseinandergesetzt hat). Hier ein paar Beispiele von Unternehmen, die bereits vorgestellt wurden: LVMH, McKinsey, Atlas Copco, PGA Tour, Harvard Business Review, Berkshire Hathaway, Shopify, Rolex, Union Pacific… and the list goes on…
Und zum Abschluss noch ein weiterer Wiederkehrer: Alexander Graf von Kassenzone hat auf seinem Podcast eine Subkategorie namens “Energiezone” ins Leben gerufen. Für alle, die sich für erneuerbare Energien, Wasserstoff etc. interessieren bzw. damit zu tun haben, eine wirklich sehr hilfreiche Informationsquelle. Insbesondere deshalb, weil das Thema sehr politisch ist und weil viele nicht vollständig auf den richtigen Fakten basierende Meinungen bzw. Ansichten im Umlauf sind.
Hier übrigens der Link zu meiner Übersicht der 10 von mir meistgehörten Investment Podcasts.
DIY Investor Bücherliste 2022
Natürlich bin ich auch im Jahr 2022 nicht um das Lesen einiger Bücher herumgekommen. 🙂 Hier die Liste der aus meiner Sicht interessantesten (zugegebenermaßen ist die Liste aber auch schon fast vollständig):
- House of Wirecard von Dan McCrum – Gutes Buch, aber wieder mal keine allzu glückliche deutsche Übersetzung (hab die englische Originalfassung nicht gelesen, aber schätze diese wird um einiges besser sein)
- Die Wirecard-Story von Melanie Bergermann und Volker ter Haseborg – Fast besser als House of Wirecard, mindestens ähnlich viele Fakten und Details. Obwohl etwas untergegangen, hat auch die WirtschaftsWoche damals einiges bzgl. Wirecard recherchiert
- Common Stocks and Common Sense von Edgar Wachenheim III – Sehr gutes “Value Investing” Buch mit vielen interessanten Fallstudien, die man auch gut nachvollziehen kann
- The Key Man: How the Global Elite Was Duped by a Capitalist Fairy Tale von Simon Clark und Will Louch – Über den Anlagebetrug bei der Private Equity Firma Abraaj Capital
- My Father’s Business: The Small-Town Values That Built Dollar General into a Billion-Dollar Company von Cal Turner Jr. – Die Story über die Entstehung und das Wachstum von Dollar General vom ehemaligen CEO himself
- Built from Scratch: How a Couple of Regular Guys Grew The Home Depot from Nothing to $30 Billion von Bernie Marcus und Arthur Blank – Entstehungsgeschichte der US-Baumarktkette Home Depot
- Who Is Michael Ovitz?: The Rise and Fall (and Rise) of the Most Powerful Man in Hollywood von Michael Ovitz – Ovitz ist vermutlich DER Agent / Manager / Berater (oder wie auch immer man seine Tätigkeit bezeichnen möchte) in Hollywood gewesen. Ovitz hat die Agentur CAA aufgebaut und war eine Zeit lang auch COO von Disney. In diesem Buch erzählt er selbst seine Story
- The King of Oil: The Secret Lives of Marc Rich von Daniel Ammann – Marc Rich (ist wohl kein Künstlername oder Ähnliches) war der Gründer des Vorläufers von Glencore, eines der größten Rohstoffhandelshäuser der Welt, und gleichzeitig auch derjenige, der die US-Sanktionen gegen iranische Ölexporte umgangen hat und dafür lange Zeit von den US-Bundesbehörden gesucht wurde
Daneben habe ich noch ein paar wenige andere Bücher gelesen… und einige auch erstmal nur auf Vorrat gekauft. Dazu werde ich aber hoffentlich im Jahr 2023 noch kommen. Wenn ich mir meine “Bibliothek” an Büchern so anschaue, muss ich allerdings aber auch sagen, dass ich viele Bücher eigentlich nochmal lesen müsste (weiß noch, dass die spannend waren, aber die Inhalte sind irgendwie weg 🙂 ).
Wesentliche Learnings aus 2022
Aufgrund dessen, was in 2022 so alles passiert ist, habe ich einige meiner Herangehensweisen bzw. Grundannahmen (oder Zielsetzungen, Routinen wenn ihr so wollt) nochmal hinterfragt und auf die Probe gestellt.
Beispielsweise habe ich mich immer sehr stark mit der Automatisierung von Abläufen und dem Aufbau von Routinen beschäftigt (vor allem natürlich, weil Zeit in der Regel ein sehr knappes Gut darstellt). Dabei habe ich jedoch in letzter Zeit feststellen müssen, dass sich die für das erfolgreiche Investieren ja so wichtigen Freiräume zum Nachdenken oft nicht mehr in ausreichendem Maße in den Tagesablauf einbauen lassen. Es gibt oft einfach zu viele To Do’s, die abgearbeitet werden müssen.
Ich evaluiere deshalb gerade wieder aktiv, welche Aufgaben bzw. Themen sich entweder komplett eliminieren oder an jemand anderen abgeben oder übertragen lassen. Die wesentliche Fragestellung hier: Wo ist eigentlich mein persönlicher Beitrag am höchsten und aus welchen Aktivitäten kann ich den besten Return je investierter Zeiteinheit für mich und andere erzielen?
Diese Art von Aktivität ergibt sich aus meiner Sicht automatisch in regelmäßigen Abständen… immer dann, wenn sich alles über einen gewissen Zeitraum wieder irgendwie eingependelt hat, ist es Zeit für einen Review.
Darüber hinaus gibt es noch ein paar weitere Themen, mit denen ich mich in der letzten Zeit auseinandergesetzt habe bzw. aktuell auseinandersetze:
- Wer ist eigentlich der bessere Investor bzw. wann bin ich selbst der bessere Investor? Ist es der einsame Analytiker, der mit keinem über seine Investments spricht oder eher der interaktive Kommunikator, der sich von möglichst vielen Menschen Anregungen und Inputs zu einem Unternehmen bzw. einer Investitions-Idee holt? Oder vielleicht keiner von beiden?
- Wie gehe ich am besten mit meinen persönliches Biases um? Wie vermeide ich z.B. so genannte “Rundreisen” und wie stelle ich sicher, dass ich nach dem Erhalt neuer Informationen eine Beteiligung ggf. zügiger verkaufe?
- Wie umfangreich bzw. zeitintensiv muss / sollte eine Unternehmensanalyse sein? Oder besser: Wie kann ich mich von der Illusion der Leichtigkeit einer Investitionsentscheidung, die durch viele Investoren vermittelt wird, lösen?
- Ist eigentlich jeder für den “Job” als Vollzeitinvestor geeignet? Was sind die wesentlichen Voraussetzungen dafür (bzw. was sollte man mitbringen)?
Die Beantwortung dieser Fragen würde vermutlich den Rahmen dieses kurzen Rückblicks sprengen. Daher gibt’s dazu ggf. zukünftig dazu nochmal verschiedene Updates.
Fazit und Ziele für 2023
Zum Abschluss nochmal ein paar Worte zu meinen generellen Plänen für 2023.
Zum Immobilienportfolio hatte ich ja oben bereits ein paar Sätze geschrieben… hier gilt zunächst abwarten und Tee trinken! Ganz generell möchte ich darüber hinaus im Grunde genommen nur ein übergeordnetes Ziel formulieren: Den Ball wieder aufnehmen und den Fokus für 2023 wieder auf Wachstum richten!
Hierfür sind, wie oben bereits angedeutet, ein, zwei konkrete Vorarbeiten notwendig. Insbesondere: Die Tätigkeiten wieder stärker der Relevanz nach abschichten und aufhören, bestimmte Dinge selbst zu erledigen (oder sie einfach ganz sein lassen).
Und daraus abgeleitet: Mehr Zeit mit konkreten Unternehmensanalysen bzw. Investments verbringen, weil hier sowohl der Spaßfaktor als auch der Return je investierter Zeiteinheit vermutlich am höchsten sind.