CapEx, Sachanlagen (Net PPE bzw. Net Property, Plant & Equipment), Abschreibung! Jede dieser drei Positionen finden wir an einer anderen Stelle des Jahresabschluss wieder – nämlich in Kapitalflussrechnung, Bilanz und GuV. Trotzdem sind alle drei untrennbar miteinander verknüpft: Jeder in neue Anlagen, neue Läden oder neue Software investierte Euro führt zu einer Erhöhung der Vermögenswerte bzw. der Sachanlagen. Diese werden dann wiederum über ihre Nutzungsdauer abgeschrieben und landen so als Aufwendungen in der GuV. Aus diesem Grund sollten wir bei der Erstellung unseres Finanzmodells darauf achten, dass die Kennzahlen zueinander korrespondieren.
In diesem Artikel möchte ich deshalb einmal einen Ansatz vorstellen, mit dem wir sowohl CapEx als auch PPE und Abschreibung in einer in sich geschlossenen und konsistenten Art und Weise ermitteln können.
Vorgehensweise zur Ermittlung von CapEx und Abschreibung
Wie schon gesagt: Jeder in einen neuen Produktionsstandort, ein neues Restaurant oder eine neue Software investierte Euro erscheint – sofern aktivierungspflichtig – als Zahlungsmittelabfluss aus Investitionstätigkeit in der Cash Flow Rechnung, als Vermögenswert in der Bilanz und schlussendlich auch als Abschreibung in der Gewinn- und Verlustrechnung.
Mathematisch lässt sich dieser Zusammenhang zwischen Net PPE, CapEx und Abschreibung über die folgende Formel ausdrücken:
Sachanlagen (Net PPE)Jahr 1 = Sachanlagen (Net PPE)Jahr 0 + Investitionen in Sachanlagen (CapEx) – Abschreibungen
Dabei gehen wir jeweils vom Bilanzstichtag aus. Das heißt die Höhe der Sachanlagen am Geschäftsjahresende ergibt sich aus den Sachanlagen am Geschäftsjahresanfang sowie den über das Jahr getätigten Investitionen und den entstandenen planmäßigen Wertverlusten, also den Abschreibungen.
Grundsätzlich gibt es nun zwei Möglichkeiten, um Abschreibungen und Investitionen zu prognostizieren:
- Ausgehend von den erforderlichen Sachanlagen
- Ausgehend von den erforderlichen Investitionen
Lest auch den DIY Investor Artikel zum Forecast der Financials, um die Abschätzung von CapEx, Vermögenswerten und Abschreibungen im Gesamtkontext zu verstehen.
PPE als Prozentanteil vom Umsatz
In Option 1 treffen wir zunächst eine Annahme bzgl. der Vermögenswerte, die das Unternehmen zur Generierung eines vorgegebenen Umsatzwachstums benötigt und ermitteln darauf basierend die jährliche Abschreibung. Den für die Cash Flow Ermittlung und die anschließende Bewertung wichtigen CapEx leiten wir im nächsten Schritt nach der folgenden Logik ab:
Investitionen in Sachanlagen (CapEx) = Sachanlagen (Net PPE)Jahr 1 – Sachanlagen (Net PPE)Jahr 0 + Abschreibungen
Im Buch Valuation von McKinsey wird dieser Ansatz bevorzugt, weil das Verhältnis der Sachanlagen zum Umsatz in der Regel über die Zeit stabiler ist, als das Verhältnis aus CapEx und Umsatz.
CapEx als Prozentanteil vom Umsatz
In der Option 2 verlinken wir den erwarteten Umsatz ohne Umwege mit den Investitionen. Wir gehen also davon aus, dass jedem Umsatzwachstum zunächst eine Investition vorausgehen muss. Diese “direkte” Abschätzung der Investitionen ist eng mit dem Konzept der Kapitalrendite (ROIC) und der Unit Economics verknüpft und deshalb für meine Begriffe etwas leichter verständlich und überprüfbar.
Recht einfach illustrieren lässt sich die Logik am Beispiel der Systemgastronomie. Die Eröffnung eines neuen Restaurants – sagen wir mal bei Vapiano – führt zu einer Erhöhung des Jahresumsatzes von ca. 3 Mio. EUR. Für Einrichtung und Ausstattung des Restaurants müssen allerdings zunächst ca. 2 bis 2,5 Mio. EUR investiert werden… verständlicherweise wird sich der Umsatz ohne diese Anfangsinvestition um keinen einzigen Euro erhöhen.
Der Forecast von CapEx, Abschreibung und Net PPE nach diesem Ansatz erfolgt in fünf Schritten:
- Abschätzung des CapEx als Prozentanteil vom Umsatz
- Ermittlung der durchschnittlichen Abschreibungsdauer der Sachanlagen
- Fortschreibung der aktuellen Abschreibungen
- Berechnung der hinzukommenden Abschreibungen auf Basis des jährlichen CapEx und der durchschnittlichen Nutzungsdauer
- Abschätzung der Sachanlagen (Net PPE) aus Investitionen und Abschreibungen
Forecast von CapEx und Abschreibung: Beispiel Bayer AG
Im Folgenden möchte ich den letzteren Ansatz einmal etwas näher beleuchten und die Berechnungen Schritt für Schritt am Beispiel der Bayer AG illustrieren.
Schritt 1: Abschätzung des CapEx
Um im ersten Schritt herauszufinden, welche Investitionen für die Generierung weiterer Umsätze erforderlich sind, können wir einen Blick auf die Unternehmenshistorie werfen und uns ansehen, wie viel Prozent des Umsatzes das Unternehmen in der Vergangenheit durchschnittlich investiert hat und welches Umsatzwachstum damit generiert werden konnte. In diesem Zuge verstehen wir hoffentlich auch besser, wie viel regelmäßig für die Instandhaltung (Maintenance CapEx) und wie viel für Wachstum (Growth CapEx) ausgegeben wird.
Manche Unternehmen geben darüber hinaus eine eigene Prognose für die mittelfristige CapEx-Entwicklung ab. Hier seht ihr einmal einen Ausschnitt aus der Präsentation der Bayer AG vom Kapitalmarkttag Ende 2018:
Das Unternehmen erwartet also zukünftig insgesamt 5-6% des Umsatzes in die Instandhaltung der existierenden Anlagen sowie auch in weiteres Wachstum zu investieren und möchte damit einen fokussierteren Ansatz verfolgen, als in der Vergangenheit. Ich habe für meinen Forecast einmal Investitionen in Höhe von 5% bis ca. 5,5% vom Umsatz bis zum Jahr 2023 angenommen:
Dabei gehe ich davon aus, dass große Einzelinvestitionen für die nächsten Jahre erstmal kein Thema sein werden und deshalb insgesamt weniger investiert werden wird (so jedenfalls meine Interpretation der Aussage von Bayer).
Als Ausgangspunkt verwende ich im Ãœbrigen die Pro Forma Zahlen inkl. des vollen Monsanto-Anteils… nur zur Info, falls ihr auf die Idee kommt, die Zahlen exakt nachvollziehen zu wollen. 🙂
Schritt 2: Durchschnittliche Abschreibungsdauer
Im zweiten Schritt ermitteln wir die durchschnittliche Abschreibungsdauer sowie ggf. den Restbuchwert, um darauf basierend den jährlichen Abschreibungsbetrag zu ermitteln.
Die Formel hierzu lautet wie folgt:
Jährliche Abschreibung = (Investitionen in Sachanlagen – Restbuchwert) / Erwartete Nutzungsdauer
Der Restbuchwert ist der Wert, zu dem ein Vermögenswert nach Ablauf der Nutzungsdauer noch verkauft werden kann.
Air Lease, ein Unternehmen, das Flugzeuge an die großen Airlines verleast, rechnet für seine Maschinen beispielsweise mit einer Nutzungsdauer von 25 Jahren und einem Restbuchwert von 15% der Anschaffungskosten. Kostet ein Flugzeug also sagen wir mal 70 Mio. USD, dann ergibt sich – sofern das Flugzeug nicht vorher wieder verkauft wird – eine jährliche Abschreibung für die nächsten 25 Jahre von ca. 2,4 Mio. USD:
Abschreibung pro Jahr = (70 Mio. USD x 85%) / 25 Jahre = ~2,4 Mio. USD
Leider lassen sich die Nutzungsdauern der Vermögenswerte nicht für alle Unternehmen so leicht abschätzen. Gerade Großunternehmen mit mehreren Business Units und Geschäften besitzen oft eine Vielzahl verschiedener Vermögenswerte mit teilweise ganz unterschiedlichen Charakteristika. Hier z.B. einmal die Übersicht über die Nutzungsdauern der Bayer AG:
Hier ist es nun wichtig, dass wir uns nicht in den Details verlieren. Ich kann mir zwar einen mathematischen Ansatz vorstellen, um die Abschreibungsdauer quasi exakt zu ermitteln. In der Regel ist eine grobe Schätzung auf Basis einiger pragmatischer Annahmen aber genauso gut.
Da der mit Abstand größte Anteil der Vermögenswerte vermutlich in Fabrikhallen, Tanks und Pipelines sowie Produktionsanlagen zu finden ist, addieren wir noch ein paar Jahre zum Durchschnittswert (arithmetisches Mittel) von 12 Jahren hinzu und landen irgendwo bei 14 bis 16 Jahren. Ich rechne einmal mit 16 Jahren weiter.
Schritt 3: Fortschreibung der aktuellen Abschreibungen
Bevor wir uns nun mit der Ermittlung der Abschreibungen für die neuen Investitionen befassen, müssen wir uns die Frage stellen, wie wir eigentlich mit den aktuellen Abschreibungen, also den Abschreibungen auf bereits in der Vergangenheit erworbene Vermögenswerte, umgehen möchten.
Auch hierfür gibt es verschiedene Möglichkeiten, die davon abhängen, wie viel Zeit und Energie wir mit der Fortschreibung verbringen möchten… und was am Ende der Erkenntnisgewinn daraus ist.
Aufgrund der nur begrenzt verfügbaren Informationen zur Zusammensetzung der Vermögenswerte oder ggf. getätigter Sonderabschreibungen ist eine exakte Berechnung der zukünftigen Abschreibungen nur schwer möglich.
Implizite Restnutzungsdauer
Was wir relativ einfach ermitteln können, ist eine implizite Restnutzungsdauer der Vermögenswerte. Hierfür müssen wir nur den aktuellen Buchwert der Vermögenswerte mit begrenzten Nutzungsdauern – grob kann man sagen handelt es sich dabei um die Sachanlagen und die immateriellen Vermögenswerte mit Ausnahme des Goodwill – durch die aktuellen Abschreibungen und Amortisationen teilen:
Implizite Restnutzungsdauer = Buchwert Sachanlagen und immaterielle Vermögenswerte ohne GW / Abschreibungen und Amortisation
Weil es über die Zeit aber immer mal wieder auch außerplanmäßige Abschreibungen gibt, ist die ermittelte Restnutzungsdauer tendenziell zu niedrig und die resultierenden Abschreibungen zu hoch.
Durchschnittliche Nutzungsdauer
Alternativ können wir auch einfach mit der oben ermittelten durchschnittlichen Nutzungsdauer arbeiten. In diesem Fall reduzieren wir die aktuellen Abschreibungen einfach von Jahr zu Jahr jeweils um ein Sechzehntel (1/16). Wie ihr weiter unten sehen werdet, ist dies der Ansatz, den ich im hier vorgestellten Beispiel verwendet habe.
Mit diesem Ansatz treffen wir zwei implizite Annahmen:
- Es hat über die Jahre keine Preisinflation bei den Produktionsanlagen stattgefunden. Das heißt genauer gesagt: Wenn Bayer heute eine Produktionsanlage aufbaut, dann kostet diese noch genauso viel wie vor 16 Jahren
- Die Investitionen der Vergangenheit verteilen sich gleichmäßig auf die einzelnen Jahre
Wir gehen also davon aus, dass in jedem Jahr jeweils ein Sechzehntel des Anlagenparks bzw. der Vermögenswerte komplett abgeschrieben ist und sich der Restbuchwert auf Null reduziert… und deshalb im darauffolgenden Jahr keine Abschreibung mehr erfolgt.
Weil Investitionen als auch Preise über die Zeit tendenziell zunehmen, werden wir die Restnutzungsdauer mit diesem Ansatz eher überschätzen und deshalb die Abschreibungen unterschätzen.
Schritt 4: Ermittlung der neuen Abschreibungen
Im mehr oder weniger letzten Schritt müssen wir noch die von uns im Schritt 1 ermittelten neuen Investitionen über die durchschnittliche Nutzungsdauer der Vermögenswerte verteilen. Wie das genau funktioniert, lässt sich am besten anhand der folgenden Tabelle veranschaulichen:
Jede Investition resultiert im Folgejahr in einer Abschreibung, welche sich anschließend bis zum Ende der Abschreibungsdauer (16 Jahre später) konstant fortsetzt. Die Investition von 2.385 Mio. EUR im Jahr 0 führt zu Abschreibungen in einer Höhe von 153 Mio. EUR in den Jahren 1 bis 16, die Investition von 2.451 Mio. EUR im Jahr 1 zu Abschreibungen i.H.v. 157 Mio. EUR in den Jahren 2 bis 17 usw.
Wie ihr außerdem sehen könnt, ergeben sich die gesamten Abschreibungen als Summe aus den fortgeschriebenen bisherigen Abschreibungen sowie aus der Summe der neuen Abschreibungen für die einzelnen Jahre.
Auf Basis der angenommenen durchschnittlichen Abschreibungsdauer von 16 Jahren reduziert sich der Anteil der Abschreibungen am Umsatz über die Zeit leicht. Das bedeutet nichts anderes, als dass sich die EBIT-Marge aufgrund der reduzierten Investitionen um ca. 0,1 bis 0,2% über 5 Jahre aufweitet.
Schritt 5: Abschätzung der Sachanlagen (Net PPE)
Haben wir die zukünftigen Abschreibungen einmal ermittelt, dann können wir die Entwicklung der Sachanlagen (Net PPE) ganz einfach mithilfe einer Veränderungsrechnung berechnen. Hier nochmal zur Erinnerung der mathematische Zusammenhang:
Sachanlagen (Net PPE)Jahr 1 = Sachanlagen (Net PPE)Jahr 0 + Investitionen in Sachanlagen (CapEx) – Abschreibungen
Haben wir z.B. im Startjahr (Jahr 0) Sachanlagen mit einem Buchwert von 13.938 Mio. EUR in der Bilanz stehen, dann verändert sich dieser Buchwert im Jahr 1 wie folgt:
Sachanlagen (Net PPE)Jahr 1 = 13.938 + 2.451 – 1.826 = 14.563 Mio. EUR
Und so weiter… die Zahlen müsstet ihr in den Abbildungen bzw. Tabellen weiter oben leicht wiederfinden.
Was ist mit immateriellen Vermögenswerten?
Gerade für neue digitale Geschäftsmodelle machen immaterielle Vermögenswerte ggf. einen Großteil der Assets aus. Entgegen der weitläufigen Meinung haben die meisten dieser immateriellen Vermögenswerte ebenfalls eine begrenzte Nutzungsdauer und werden dem entsprechend amortisiert (als Amortisation wird das Äquivalent zur Abschreibung für die immateriellen Vermögenswerte bezeichnet).
Der in diesem Artikel vorgestellte Ansatz zur Ermittlung der Abschreibung lässt sich also für die relevanten immateriellen Vermögenswerte ganz äquivalent anwenden.
So what?
Ein Finanzmodell mit konsistenten Annahmen ist aus meiner Sicht die Basis für eine saubere Unternehmensbewertung. Passen Abschreibungen und CapEx nicht zusammen, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass auch NOPAT bzw. ROIC und freier Cash Flow nicht zusammen passen und wir unter Umständen nicht die richtigen Schlussfolgerungen aus unseren Analysen ziehen.
In diesem Artikel habe ich deshalb einmal einen Ansatz vorgestellt, mit dem wir CapEx, Abschreibungen und Vermögenswerte in unserem Finanzmodell in einer konsistenten Art und Weise abschätzen können.
Dabei bestimmen wir zunächst die für das geplante Umsatzwachstum erforderlichen Investitionen (inkl. der Erhaltungsinvestitionen). Im zweiten Schritt leiten wir mithilfe einer durchschnittlichen Nutzungsdauer die resultierenden Abschreibungen ab. Über eine Veränderungsrechnung bestimmen wir abschließend die Höhe der Vermögenswerte.
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