Wir lesen ja recht oft über die riesigen Cash-Bestände, die Firmen wie Apple oder auch Microsoft in ihren Bilanzen stehen haben. Trotzdem nehmen diese Firmen aber Quartal für Quartal mehr Schulden auf, vor allem um die Dividenden an die Eigentümer auszuzahlen. Habt ihr euch auch schonmal gefragt, warum das so ist?
In diesem Artikel möchte ich einmal genau dieser Frage nachgehen.
Recap: Was ist eigentlich Cash?
Hierauf bin ich ja in meinem letzten Artikel zur Definition des Begriffs “Cash” schon etwas detaillierter eingegangen.
Im Grunde genommen handelt es sich dabei je nach Blickwinkel um drei wesentliche Bilanzpositionen (alternative Bezeichnungen und Abweichungen aufgrund verschiedener Rechnungslegungsvorschriften nicht mitgerechnet):
- Cash und Äquivalente (Cash & Equivalents)
- Kurzfristige Investments (Short-Term Marketable Securities)
- Langfristige Investments (Long-Term Marketable Securities)
Langfristige Investments sind nur zu berücksichtigen, wenn es um die Bewertung von nicht operativen Vermögenswerten geht (mehr Infos zum Wert der operativen Assets – dem Enterprise Value – und den nicht operativen Assets findet ihr hier).
Cash-Bestand und Schuldenentwicklung bei Apple
In der Finanzpresse und auf den verschiedenen Finanzplattformen (wie Seeking Alpha etc.) lesen wir nun des öfteren über den Wert des Cash-Bestandes – aktuell hauptsächlich von Tech-Firmen.
Der hohe Cash-Bestand von Apple oder Microsoft wird z.B. regelmäßig als Begründung für eine Kaufempfehlung herangezogen.
Aktuell hat Apple z.B. einen Cash-Bestand (inkl. der oben angesprochenen langfristigen Investments) von über 260 Mrd. USD. Das entspricht ca. 50 USD je Aktie.
Entwicklung Cash-Bestand Apple, Quelle: AAPL Geschäftsberichte / MarketXLS Excel Add-In
Der Cash-Bestand – wenn man auch die langfristigen Investments mit einbezieht – macht also fast 30% des aktuellen Aktienkurses (aktuell ca. 170 USD je Aktie) aus.
Zum Vergleich: 260 Mrd. USD… das ist mehr als der aktuelle Börsenwert von VW, BMW und Daimler zusammen.
Gleichzeitig haben sich die Schulden von Apple in 2017 (in diesem Fall berechnet als Summe aus Commercial Paper, Current Portion of Long-Term Debt und Long-Term Debt) nochmal um ca. 30 Mrd. USD auf nun ca. 116 Mrd. USD erhöht. Diese Schulden wurden im Wesentlichen aufgenommen, um die Dividende auszuzahlen.
Also warum macht Apple nichts mit dem vorhandenen Cash und nimmt stattdessen sogar Schulden auf, um die Dividenden an die Aktionäre zahlen oder eigene Aktien zurückkaufen zu können?
Steuervermeidung: Wichtig ist wo sich die Barmittel physisch befinden
Der Hauptgrund für diese Strategie ist, dass Apple aktuell einen Großteil seiner Barmittelbestände (i.W. ja entstanden aus den Gewinnen der letzten Jahre) noch nicht versteuert hat. Bzw. genauer gesagt in den USA noch nicht versteuert hat.
Das Geld liegt nämlich zu mehr als 90% auf Konten außerhalb der USA, hauptsächlich in Irland. In Irland sitzt die Holding Company für das internationale Geschäft von Apple. Das heißt alle internationalen Umsätze und Gewinne laufen zunächst mal dort auf und werden mit dem dort gültigen Steuersatz von 12,5% besteuert.
Warum also noch Steuern in den USA zahlen?
Das US-Steuersystem sieht vor, dass Steuern dort gezahlt werden müssen, wo die Wertschöpfung entsteht. Und da bei Apple der Großteil des Engineerings, der Produktentwicklung, des Produktdesign etc. in den USA stattfinden, müsste das Cash bzw. müssten die Gewinne auch in den USA noch versteuert werden.
Sobald also Apple die Barmittel in die USA zurückholen möchte (als Kapitalerträge bzw. Investment Income), dann würde das Ganze nochmal zusätzlich mit einem Satz von 35% versteuert. Bei der Größenordnung sprechen wir also über Zig Milliarden USD an Steuern, die Apple zusätzlich zahlen müsste.
Dies ist auch der Hauptgrund, warum Apple aktuell eher neue Schulden zur Zahlung der Dividenden aufnimmt, als das vorhandene Cash dafür zu nutzen.
So jedenfalls habe ich mir das aus den vorliegenden Infos zusammengereimt.
Wen noch weitere Details interessieren: Hier ist eine aktuelle Info von Apple selbst zu den Steuerzahlungen: The Facts about Apple Tax Payments.
Positiven Leverage Effekt nutzen
Als weiterer Punkt kommt natürlich hinzu, dass es für ein gut funktionierendes Unternehmen in der Regel günstiger ist, einen Teil des Kapitalbedarfs über die Aufnahme von Schulden zu decken.
Hauptgrund sind Unterschiede in den Finanzierungskosten. Während die Eigenkapitalkosten (also die Return-Erwartungen der Aktionäre) in der Regel bei mindestens ca. 8-10% liegen, bewegen sich die Fremdkapitalkosten aktuell weit darunter.
Solange also die Liquidität (zu checken mithilfe der entsprechenden Finanzkennzahlen) gewährleistet ist, lässt sich der WACC (das gewichtete Mittel aus Eigen- und Fremdkapitalkosten) mithilfe von mehr Fremdkapital also signifikant reduzieren.
Auch das wird noch ein Treiber für die Schuldenaufnahme sein. Bis vor ein paar Jahren war Apple nämlich quasi schuldenfrei.
Zukünftig: Potenziell Steuerentlastungen in den USA
Was nützt abwer nun das ganze Cash, wenn es keine Möglichkeit gibt, es sinnvoll zu nutzen. Sollte man dann nicht doch einfach die Steuern zahlen?
Das wird aktuell nicht gemacht, da es berechtigte Hoffnungen gibt, dass es in nächster Zukunft so etwas wie eine Ausnahmeregelung geben wird. Diese soll den US-Unternehmen erlauben, das Cash mit einem sehr geringen Steuersatz (ich meine irgendwo 10% gelesen zu haben) zu versteuern und so zurück in die USA zu holen.
Die Logik von US-Präsident Trump, der ein wesentlicher Treiber dieser Steuererleichterung ist, ist, dass das Cash dann in den USA für zusätzliche Investitionen verwendet werden wird.
Fazit
US-Firmen mit hohen Barmittelbeständen nehmen in der Regel eher Schulden auf, um ihre Dividenden auszuschütten, als das vorhandene Cash anzutasten.
Das liegt daran, dass Apple, Microsoft und Co. das Cash außerhalb der USA geparkt haben und die zugrunde liegenden Gewinne erst mit einem Steuersatz von 35% versteuern müssten, ehe sie das Geld in den USA entsprechend nutzen könnten.
2 Kommentare zu „Warum Apple und Co. trotz Cash zusätzliche Schulden aufnehmen“
Hallo Axel,
sehr wichtiger Punkt, der da von dir angesprochen wird. Vielen Leuten ist das nämlich gar nicht so klar. Ich bin echt mal gespannt, wie es mit dem Thema Steuern in den USA weitergeht und ob tatsächlich mal ein ‘Tax Holiday’ kommt, bei dem die ganzen Firmen wie Apple, Google, Facebook usw. ihr Geld ‘nach Hause’ bringen.
Es gibt übrigens durchaus auch Firmen, die nicht so lange gewartet haben (siehe Syntel), was dann auch zu interessanten Konstellationen (sprich Kaufgelegenheiten) führen kann. Hier ist der langfristige Ausgang allerdings (zumindest für mich) noch ungewiss..
Danke für diesen wichtigen Beitrag. War mir bisher nicht so wirklich bewusst. Die Schuldenentwicklung bei Apple ist mir auch negativ aufgefallen, konnte ich mir jedoch bisher nicht erklären.