Microsoft (MSFT) ist ja bekanntlich eine der größten und bekanntesten Old School Tech-Firmen. Lange Zeit hatte Microsoft ein etwas angestaubtes Image. Die wesentlichen Produkte wie Windows, Office, Laptops und Smartphones schienen nicht mehr auf dem Stand der Technik zu sein. Es schien als hätte Microsoft den Anschluss verloren. Es drohte ein langsames Dahinsiechen.
Mittlerweile hat sich diese Wahrnehmung (wenn es denn nur eine Wahrnehmung war) aber wieder komplett gedreht. Microsoft ist wieder voll im Trend. Mit den neuen Produkten aus den Bereichen Cloud Computing (speziell Azure) und Datenspeicherung sowie den gleichzeitigen Verknüpfungen mit den traditionellen Produkten wie Office oder Windows ist Microsoft wieder voll auf der Höhe.
Wie attraktiv das Business aus meiner Sicht wirklich ist, wie ich die aktuelle Bewertung der Aktie sehe und was das für ein potenzielles Investment in Microsoft bedeutet, darauf möchte ich in diesem Artikel einmal etwas näher eingehen.
Investment Thesis
- Microsoft hat nach längerer Stagnation wieder einen Wachstumskurs eingeschlagen
- Das Geschäft mit der Cloud (Azure), das LinkedIn Netzwerk sowie die weitere Umstellung auf Office 365 werden in den kommenden Jahren für weiteres Gewinnwachstum sorgen
- Dieses Wachstum wird vor allem innerhalb des “Franchise” (also in Segmenten mit starken Wettbewerbsvorteilen) stattfinden und damit die Position von Microsoft weiter stärken
- Bewertung mithilfe des DCF Ansatzes: Unter Berücksichtigung dieses Wachstums scheint MSFT mit 95 USD/Aktie aktuell aber bereits mehr oder weniger fair bewertet zu sein
Microsoft = Wettbewerbsvorteil + Wachstum
The Intelligent Cloud – Intelligent Edge paradigm is fast becoming a reality. Azure growth accelerated. LinkedIn growth accelerated. Microsoft 365 and Dynamics 365 are driving our growth and transforming the workplace. Xbox is reaching new customers with new offers. – Satya Nadella, Microsoft CEO (Q2 2018 Earnings Call)
Im letzten Geschäftsjahr (endete am 30.6.2017) hat Microsoft einen Umsatz von 96,6 Mrd. USD und einen Nettogewinn von 25,5 Mrd. USD erreicht, was einer Nettomarge von über 25% entspricht (falls ihr die Zahlen im Geschäftsbericht nicht wiederfindet: MSFT hat ein paar seiner Accounting Policies verändert, sodass die Zahlen nun etwas anders aussehen, das Backup dazu gibts im letzten Quartalsbericht Q2 2018). Im Vergleich zum Geschäftsjahr 2016 stellt das eine Verbesserung von ca. 4 Prozentpunkten dar.
Microsoft hat seit 2015 nur noch drei Segmente (natürlich plus die zusätzliche Corporate-Ebene):
- Productivity and Business Processes
- Intelligent Cloud
- More Personal Computing
Wie ihr sehen könnt ist das Segment Productivity and Business Processes dasjenige mit dem größten Gewinnbeitrag. Umsatzseitig ist das Personal Computing Segment am größten:
Umsatz- und Gewinnanteile der MSFT Segmente, Quelle: MSFT Geschäftsbericht 2017
Im Wesentlichen bedeutet das nichts anderes, als dass die Segmente unterschiedliche Gewinnmargen haben. Hier die Entwicklung der operativen Marge je Segment über die letzten paar Quartale:
Operative Marge je Segment, Quelle: MSFT Geschäftsberichte
Mit Margen zwischen 30 und 40% können wir vor allem die beiden Segmente Intelligent Cloud und Productivity and Business Processes als sehr attraktiv ansehen. Allerdings ist aber auch recht klar ersichtlich, dass die Margen in beiden Segmenten in den letzten drei Jahren etwas unter Druck geraten sind. Trotzdem deuten die Werte bereits auf einen gewissen Wettbewerbsvorteil hin.
Der Rückgang könnte unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass (1) das Wachstum des Cloud-Business im Vergleich etwas kapitalintensiver ist und Marktführer Amazon die Preise unten hält und dass (2) LinkedIn aktuell noch (!!) eine leicht negative Gewinnmarge zu verzeichnen hat.
Productivity and Business Processes
Der Fokus des Segments Productivity and Business Processes ist es, den Menschen zu einer höheren Produktivität zu verhelfen. Dazu versucht Microsoft die uns allen bekannten Programme (bzw. jetzt Apps) Word, Excel, Powerpoint und Outlook intelligent zu verlinken und in die Cloud zu bringen.
Das Segment beinhaltet vor allem
- Office Commercial, also Volumenlizenzen und Abos für Office 365. Diese Pakete beinhalten i.W. Office, Exchange, SharePoint und Skype for Business
- Office Consumer, also Office für den Privatgebrauch, verkauft über den Einzelhandel bzw. das Internet. Diese Abos bzw. Produkte beinhalten vor allem natürlich Office, aber auch Dienstleistungen wie Skype, Outlook.com und OneDrive
- Microsoft Dynamics Business Lösungen, i.W. die Dynamics ERP (Enterprise Resource Planning) und CRM (Customer Relationship Management) Lösungen
- Das Karrierenetzwerk LinkedIn
Office 365
Die Nutzerzahlen von Office 365 Commercial (der neuen Abo-Lösung für das klassische Office-Paket bestehend i.W. aus Word, Powerpoint und Excel) wachsen aktuell pro Quartal um ca. 30 bis 35%. Die Nutzerzahlen von Office 365 Consumer sind vom ersten Quartal 2017 zum 1. Quartal 2018 um ca. 17% auf aktuell 29,2 Mio. angestiegen. Auch auf iOS und Android gibt es inzwischen weit über 45 Mio. Nutzer.
Über die weitere Vernetzung zwischen Office, Windows und Azure sowie neue Big Data Analysetools zur Verbesserung der Sicherheit wird das Produkt in den nächsten Quartalen und Jahren aus meiner Sicht weiterhin attraktiv bleiben. Auch die Option auf kontinuierliche Updates wird noch viele Nutzer von der Abo-Variante begeistern… und wie viele Unternehmen arbeiten noch mit Office 2007?
Microsoft fügt darüber hinaus kontinuierlich weitere Features zu seinem Angebot hinzu (u.a. Teams als Wettbewerber zur Kollaborationssoftware Slack oder die neue Diktierfunktion).
Bzgl. Office müssen wir uns glaub ich grundsätzlich zwei Dinge fragen:
- Wird es in Zukunft überhaupt noch einen Bedarf für Powerpoint etc. geben oder gibt es eventuell eine disruptive Technologie, die Powerpoint Präsentationen und Excel mehr oder weniger überflüssig machen wird?
- Gibt es Alternativen zum Office Paket? Sind z.B. die Google Office Suite, Open Office bzw. LibreOffice etc. Ernst zu nehmende Wettbewerber?
Mit meinem aktuellen Wissensstand würde ich beide Fragen mit einem klaren Nein beantworten.
Vor ein paar Jahren gab es ja mal die Hypothese, dass Office in nicht allzu ferner Zukunft durch etwas viel Interaktiveres ersetzt werden würde (und es gibt ja auch entsprechende Apps). Inzwischen sind die Office Tools mit den ganzen Add-ins etc. aber so effizient geworden und so gut vernetzt, dass ich auf absehbare Zeit keine nennenswerten Alternativen sehe.
Ein wesentlicher Faktor sind außerdem die hohen Wechselkosten (Switching Costs). Welches Unternehmen würde schon auf eine Alternativlösung mit sehr ähnlichem Umfang umsteigen und alle Mitarbeiter auf eine neue, unbekannte Office-Lösung umschulen? Auch im Falle eines Preiskampfes wäre Microsoft aufgrund der Größe und der Skalenvorteile problemlos in der Lage, quasi jeden potenziellen Wettbewerber auszustechen.
Wir sprechen hier also nach wie vor von einem sehr stabilen Wettbewerbsvorteil.
LinkedIn macht aktuell zwar noch keinen Gewinn. Aus meiner Sicht gibt es aber eine ganze Reihe an Gründen, die dafür sprechen, dass dem bald so sein wird:
- Der Netzwerk-Effekt ist ähnlich stark wie bei Facebook, d.h. will man sich professionell vernetzen, dann gibt es auf globaler Ebene eigentlich keine Alternativen zu LinkedIn
- Die Anzahl an Sessions auf LinkedIn nimmt momentan je Quartal um mindestens 20% zu
- Facebook hat bereits gezeigt, dass das Geschäftsmodell grundsätzlich funktioniert (und noch dazu sehr profitabel sein kann)
- Für bestimmte Advertiser ist LinkedIn aufgrund der Ausrichtung auf Professionals attraktiver als Facebook
- LinkedIn könnte ein riesiger Verkaufskanal für diejenigen Microsoft-Produkte werden, die sich speziell an Unternehmen richten, sprich Sales- und CRM-Lösungen von Microsoft Dynamics
- Microsoft Dynamics bietet perspektivisch eine reibungslose Schnittstelle zu Tools wie dem LinkedIn Sales Navigator (wer also über LinkedIn verkauft und Kunden gewinnt, kommt an MS Dynamics dann nur schwer vorbei)
- Die steigende Nachfrage nach Werbemöglichkeiten, Jobangeboten etc. schlägt sich bereits in einem entsprechenden Umsatzwachstum nieder:
Umsatzentwicklung LinkedIn, Quelle: MSFT Geschäftsberichte
Wobei LinkedIn – das muss man ganz klar sagen – lange noch nicht soweit ist wie Facebook. Facebook hat aktuell bereits eine Nettogewinnmarge von 40%, LinkedIn ist erst auf dem Weg dahin, soll es aber offenbar bereits in 2018 in die schwarzen Zahlen schaffen.
Intelligent Cloud
Das Segment Intelligent Cloud besteht aus Server Produkten und Cloud Angeboten sowie Dienstleistungen für Geschäftskunden (Enterprise Services). Die Server-/Cloud-Angebote beinhalten im Wesentlichen:
- Microsoft SQL Server
- Windows Server
- Visual Studio
- System Center
- Azure
Enterprise Services besteht vor allem aus Beratungsdienstleistungen.
Azure ist weiterhin der wesentliche Treiber des Microsoft Cloud Geschäfts (Wachstum 98% FX-bereinigt im zweiten Quartal 2018 ggü. dem Vorjahr). 60% der Fortune 500 Unternehmen nutzen bereits mindestens die Microsoft Cloud Angebote.
Inzwischen nutzt Microsoft außerdem die Power von Advanced Analytics und Machine Learning, um die Sicherheit der Cloud zu gewährleisten, was speziell für die Geschäftskunden bzw. die Kunden aus dem öffentlichen Sektor wichtig ist. Microsoft investiert hier weiter in Datencenter und Sicherheit.
Wichtige Kunden wie z.B. Adobe und SAP haben Azure für ihre eigenen Angebote gewählt. Neben Microsoft (ca. 30% der installierten Basis) gibt es aktuell eigentlich nur Amazon Web Services (AWS) mit einem Marktanteil von über 40% als wesentlichen Wettbewerber im Bereich der Cloud-Lösungen. IBM SoftLayer und die Google Cloud Platform sowie weitere kleinere Anbieter sind aktuell nur Nachzügler mit recht geringem Marktanteil.
Wir haben hier also so etwas wie ein Oligopol vorliegen, ein recht attraktives Umfeld. Die Research Firma Gardner geht davon aus, dass das Geschäft mit Cloud Services bis mindestens 2021 um ca. 30% pro Jahr wachsen wird.
Auch hier sind die Wechselkosten übrigens hoch, vor allem wegen der typischerweise tiefen Integration mit vielen, vielen anderen Anwendungen. Darüber hinaus kann Microsoft mit einer cleveren Strategie zusätzliche Service-Umsätze generieren (z.B. Maintenance Services).
More Personal Computing
Das More Personal Computing Segment besteht aus verschiedensten Produkten und Dienstleistungen:
- Windows inkl. OEM Lizenzen, Geschäfts- und Privatkundenlizenzen, Windows Cloud Angebote
- Hardware inkl. Microsoft Surface, Smartphones, Virtual bzw. Mixed Reality Brillen (Holo Lens) und PC Teile (Mäuse etc.)
- Gaming, also die Xbox und die zugehörigen Spiele, Xbox Live
- Umsätze aus Werbung (Suchmaschinen, Xbox, MSN Display Advertising)
Auch hier gibt es einige positive Entwicklungen. Windows 10 läuft inzwischen auf über 400 Mio. Geräten, das Gaming-Geschäft (Xbox und Xbox live) wächst leicht und die neue Hardware (die Laptops/Tablets Surface Pro und Surface Book, der Desktop-Rechner Surface Studio, der intelligente Lautsprecher/Assistent Cortana) ist sehr vielversprechend, wenn man den Kritiken glauben kann. Ich habe das Surface Pro selbst mal ausprobiert und war recht begeistert davon. Auch Virtual bzw. Mixed Reality Angebote nehmen immer weiter zu. Inzwischen gibt es bereits eine ganze Reihe an konkreten Anwendungen, von der virtuellen Raumplanung bis hin zur Aufzugswartung.
Microsoft Surface Pro, Quelle: Unsplash
Ob dieses Segmant aber nachhaltig wachsen kann, ist mir aktuell noch nicht klar. Dafür ist das Segment auch zu divers. Der Wettbewerb gerade im Hardwarebereich ist doch enorm und Windows… naja… das ist halt Standard und könnte durch den zunehmenden Wechsel hin zu Tablets etc. noch etwas mehr unter Druck geraten. Für die Bewertung würde ich hier deshalb eine etwas konservativere Annahme wählen.
CEO Satya Nadella: Kulturwandel hat oberste Priorität
Kommen wir nun zum Management.
In den meisten Fällen ist es ja recht schwierig, die Qualität des Managements wirklich gut einzuschätzen. Im Falle von Satya Nadella, seit 2014 CEO von Mircosoft, gibt es aber ein paar relativ klare Indikationen, dass es sich hier um einen exzellenten Manager handeln könnte (plus es gibt ein Buch, aus dem wir noch viel mehr erfahren können):
- Zwischen 2011 und 2013 transformierte Nadella die Sparte “Server and Tools” (heute Intelligent Cloud), indem er Microsofts Datenbank, Windows Server und Entwickler-Tools in die Azure Cloud brachte. Die Umsätze des Cloud Business stiegen innerhalb von 1 1/2 Jahren von 16,6 auf 20,3 Mrd. USD
- Seit seinem Antritt als CEO hat sich die Marktkapitalisierung von Microsoft um mehr als 250 Mrd. USD erhöht
All das ist natürlich kein Zufall, sondern vor allem das Ergebnis aus zwei größeren Veränderungen:
- einem radikalen Kulturwandel (das toppt natürlich alles): In den drei Jahren seit Amtsantritt hat Nadella es geschafft, aus den sich gegenseitig bekriegenden Abteilungen bei Microsoft wieder eine Einheit zu machen, die sich gemeinsam auf ihre Kernkompetenzen fokussiert, nämlich innovativ zu sein
- einer neuen Offenheit gegenüber anderen Plattformen und Technologien: Früher hat Microsoft Entwicklungen für andere Plattformen wie iOS mehr oder weniger blockiert, heute gibt es bestimmte Microsoft-Produkte bzw. -Features sogar zuerst für iOS
Nachzulesen ist das Ganze unter anderem auch in Nadella’s Buch Hit Refresh, in dem der Kulturwandel bei MSFT sehr viel Raum einnimmt.
Hier ein vielsagendes Zitat daraus:
Because I’ve made culture change at Microsoft such a high priority, people often ask how it’s going. My response is very Eastern: We’re making great progress, but we should never be done. This is a way of being. It’s about questioning ourselves each day. – Satya Nadella
So ist denn auch der neue Claim bzw. das Mission Statement von MSFT:
To empower every person and every organization on the planet to achieve more.
Im Grunde genommen erinnert mich die Story etwas an den Turnaround von IBM Anfang der 2000er (Who Says Elephants Can’t Dance?), wo der Kulturwandel ebenfalls DAS übergeordnete Thema war.
Wie dem auch sei. Der Einfluss auf die Dynamik und die Agilität der Firma und daraus abgeleitet auf die Bottom Line ist enorm.
Dividendenhistorie und Aktienrückkäufe
Und wo wir schonmal dabei sind… schauen wir uns doch mal die Entwicklung der Dividende und der Aktienrückkäufe an. Hierauf achte ich inzwischen vermehrt, da mein Fokus sich – je älter ich werde – ja immer weiter zu Investitionen hin verschiebt, die mir ein passives Einkommen ermöglichen.
Microsoft hat sowohl bei seinen Aktienrückkäufen als auch bei seinen Dividendenzahlungen bereits eine recht lange Historie vorzuweisen.
So wurde z.B. die Anzahl der sich im Umlauf befindlichen Aktien seit 2011 kontinuierlich um ca. 9% reduziert.
Entwicklung Shares Outstanding (Basic) MSFT, Quelle: MSFT Finanzberichte
Die Dividende wurde zusätzlich dazu seit 2011 um fast 15% pro Jahr gesteigert und wird im laufenden Jahr voraussichtlich 1,68 USD/Aktie betragen. Das entspricht bezogen auf den aktuellen Kurs einer Dividendenrendite von ca. 1,75%.
Entwicklung Dividende je Aktie MSFT, Quelle: MSFT Finanzberichte
Mit einem Payout Ratio von zwischen 22% und 47% (berechnet auf Basis des Anteils der tatsächlichen Ausschüttungen am freien Cash Flow seit 2011) verbleibt außerdem noch genug Kapital im Unternehmen, um weiteres Wachstum zu finanzieren. In dem Umfeld, in dem Microsoft sich aktuell bewegt – mit signifikanten Wachstumschancen innerhalb des “Franchise” oder “Burggrabens” (also da wo Microsoft wirkliche Wettbewerbsvorteile hat) – scheint das ein sehr sinnvolles Verhältnis zu sein.
Ich gehe davon aus, dass Microsoft die Dividende noch über einen längeren Zeitraum in ähnlicher Art und Weise steigern kann, ohne dass das Payout Ratio stark nach oben angehoben werden muss und die Firma beginnt, von der Substanz zu leben.
Intrinsischer Wert der Microsoft Aktie: Aktuell auf Basis eines DCF-Modells bei ~95-100 USD
An Geschäftsmodell, Wettbewerbsposition, Qualität des Managements sowie auch die Dividenden- und Ausschüttungspolitik können wir also schonmal einen Haken machen.
Da stellt sich also fast nur noch die Frage nach dem intrinsischen Wert der Aktie.
Bevor ich damit aber nochmal bei Null anfange, vielleicht ein kurzer Rückblick.
Recap: Bisherige Bewertungen von MSFT auf DIY Investor
Ich hatte den intrinsischen Wert von Microsoft ja bereits zu einigen anderen Gelegenheiten bestimmt (damals mehr oder weniger zu Illustrationszwecken):
- Ich hatte Microsoft im Mai 2017 mithilfe eines 3-stufigen DCF-Modells bewertet und kam auf einen fairen Wert von ca. 95 USD je Aktie. Beim damaligen Kurs von ca. 69 USD je Aktie entsprach das einer Sicherheitsmarge von ca. 26%
- Im Februar 2018 hatte ich mithilfe des Owner Earnings Ansatzes einen fairen Wert von ca. 40-53 USD/Aktie ermittelt (ohne Berücksichtigung von Wachstumsoptionen, schaut euch meinen DIY Blueprint für die Unternehmensbewertung für mehr Details zu den intrinsischen Bewertungsverfahren an). Zu diesem Zeitpunkt lag der Kurs allerdings bereits bei ca. 95 USD je Aktie
Da es sich bei Microsoft um ein Unternehmen handelt, bei dem das erwartete Gewinnwachstum der wesentliche Treiber des intrinsischen Wertes ist, werde ich hier beim DCF-Ansatz bleiben. Eine Bewertung ohne die Berücksichtigung dieses Werttreibers (also z.B. ein Owner Earnings– oder EPV-Ansatz) wäre aus meiner Perspektive hier wenig zielführend bzw. würde quasi per Definition eine klare Überbewertung der Aktie zeigen (s.o.).
Heute liegt der Aktienkurs übrigens immernoch in der Größenordnung von 95 USD je Aktie. Microsoft wäre also auf Basis des DCF-Modells vom letzten Jahr aktuell mehr oder weniger fair bewertet… wenn wir den Annahmen von damals noch glauben können.
Exkurs: Notwendige Annahmen für die Abschätzung des FCFF
Welches sind nun aber die wesentlichen Annahmen, die wir treffen bzw. überprüfen müssen? Falls ihr euch an die Logik der DCF-Bewertung erinnert, berechnen wir zunächst den Free Cash Flow to the Firm (FCFF):
FCFF = Nettogewinn + Abschreibungen und Amortisation + Zinsen x (1 – Steuersatz) + Änderungen des Non-Cash Working Capital + weitere nicht zahlungswirksame Bestandteile – CapEx
Das Ganze können wir dann umschreiben in
FCFF = NOPAT – Reinvestitionen + weitere nicht zahlungswirksame Bestandteile
wobei
NOPAT = EBIT x (1 – Steuersatz) = Nettogewinn + Zinsen x (1 – Steuersatz),
Reinvestitionen = (CapEx – Abschreibungen) -Änderungen des Non-Cash NWC
Der Term CapEx – Abschreibungen wird auch als Nettoinvestitionen (Net Capital Expenditures) bezeichnet. Der EBIT berücksichtigt bereits Investitionen in Höhe der Abschreibung, sodass die Nettoinvestitionen nur noch das berücksichtigen, was über die Abschreibungen hinaus an Investitionen erforderlich ist.
Der CapEx beinhaltet übrigens auch Akquisitionen – im Grunde genommen ist es ja für uns egal, ob das Gewinnwachstum über organisches Wachstum oder über M&A Aktivitäten erreicht wird (nur die Kapitalrendite ist ggf. eine andere… dass eine Akquisition erfolgreich ist, ist nämlich recht selten).
Ausgehend von der obigen Formel müssen wir also folgende Kennzahlen abschätzen:
- EBIT
- Steuersatz
- Reinvestitionen
- Andere nicht zahlungswirksame Bestandteile
Glücklicherweise hängen viele der Kennzahlen recht eng zusammen, wie ihr an der folgenden Abbildung seht (ich hoffe die ist nicht zu komplex):
Den EBIT können wir auf Basis des Vorjahres mithilfe des Umsatzwachstums und der EBIT-Marge ermitteln. Der NOPAT ergibt sich dann unter Berücksichtigung des Steuersatzes. Zum freien Cash Flow gelangen wir schließlich, indem wir die Reinvestitionen vom NOPAT abziehen. Diese berechnen wir auf Basis der Reinvestitionsrate bzw. der Wiederanlagequote (hierauf bin ich ja in meinem Artikel zur Cash Flow Prognose bereits etwas detaillierter eingegangen).
Das zukünftige Gewinnwachstum g, mit dem wir ja später die freien Cash Flows der Folgejahre berechnen, ergibt sich dann aus der Multiplikation von Reinvestitionsrate und Kapitalrendite (Quotient aus NOPAT (also EBIT x (1 – Steuersatz)) und investiertem Kapital).
Wesentliche Annahmen zur Abschätzung des FCFF
Die Abschätzung der einzelnen Inputs erfolgt etwas iterativ. Ich versuche, dabei immer nach der folgenden Logik vorzugehen und auf Basis meiner Einschätzung der beeinflussten Faktoren erstmal zu einer qualitativen Aussage der Werttreiber zu gelangen:
Quelle: In Anlehnung an Alfred Rappaport und Michael J. Mauboussin, Expectations Investing: Reading Stock Prices for Better Returns (Harvard Business School Press, 2001)
Gehen wir einmal von einfach nach schwierig vor:
1. Der Steuersatz
In den letzten 5 Jahren war der effektive Steuersatz recht volatil (schwankte zwischen 8% und 34%). Gerade im Q2 2018 hat MSFT aufgrund der neuen Steuergesetzgebung eine Rückstellung in Höhe von über 13 Mrd. USD gebildet, vermutlich um Teile der im Ausland gehorteten Barmittel zurück in die USA zu holen. Für unsere DCF-Bewertung nutzen wir einen Steuersatz von 21%, also den offiziellen Unternehmenssteuersatz der USA, weil dies der über die Zeit korrekte Steuersatz sein sollte und dieser nicht langfristig durch irgendwelche Accounting-Tricks beeinflusst werden kann. Den Aufsatzpunkt für die Bewertung im DCF-Modell (TTM bzw. Jahr 1) habe ich entsprechend normalisiert
2. Die EBIT-Marge
Die EBIT-Marge können wir auf Basis der erwarteten Profitabilität der einzelnen Geschäftsfelder abschätzen:
- Für das Segment Productivity and Business Processes gehe ich davon aus, dass die Marge durch die zunehmende Monetarisierung von LinkedIn sowie auch durch die weitere Umstellung auf Office 365 einen leichten Aufwärtstrend zeigen wird (Volumen- und Preiseffekt)
- Das Geschäft mit der Cloud wird vermutlich recht stark wachsen, ist aber auch recht kapitalintensiv und aufgrund von Amazon’s Preispolitik recht kompetitiv. Trotzdem gehe ich davon aus, dass es bei weiterem Wachstum eine gewisse Fixkostendegression geben wird, die zu einer leicht höheren Marge führt (Economies of Scale)
- Das Hardwaregeschäft ist typischerweise durch intensiven Wettbewerb gekennzeichnet, wobei MSFT schon versucht, seine Produkte im Premiumsegment zu platzieren (das Surface Notebook z.B. konkurriert klar mit dem Macbook). Um konservativ zu bleiben, gehe ich hier von einer konstanten bis leicht abnehmenden Marge aus
- Alles in allem sehe ich also eine leicht zunehmende EBIT-Marge und gehe von einem Anstieg von aktuell 25,5% auf 28% aus
3. Die Reinvestitionsrate bzw. Wiederanlagequote
Diese schätze ich auf Basis der Historie ab und berücksichtige dabei ggf. Veränderungen der Investment Effizienz:
- Historisch lag die Wiederanlagequote zwischen -21% und 114%. Der Median bzw. Durchschnitt lag bei ca. 25% bzw. 32%. Die starken Schwankungen sind auf das Geschäftsmodell zurückzuführen. In manchen Jahren werden recht große Investitionen (oder auch Akquisitionen) getätigt, in manchen Jahren wird konsolidiert
- Die Veränderung des Non Cash Working Capital wirkt in letzter Zeit auch in Wachstumsjahren tendenziell positiv auf den freien Cash Flow, was bedeutet, dass trotz des erzielten Umsatz- bzw. Gewinnwachstums noch Mittel frei werden (das ist auch am abnehmenden Cash Conversion Cycle – dieser wurde in den letzten 5 Jahren von 30 auf 17 Tage reduziert – zu erkennen). D.h. Microsoft wird effizienter und profitiert ggf. von der Umstellung auf das Abo-Modell, in dem die Kunden ja (1) vorab und (2) regelmäßig zahlen
- Für die Zukunft gehe ich also davon aus, dass Microsoft eine etwas niedrigere Reinvestitionsrate als in der Vergangenheit aufweisen wird und nehme für die Bewertung einen Wert von 25% an.
4. Das Umsatzwachstum
Das Umsatzwachstum ist mit am schwierigsten zu prognostizieren. Ich behelfe mir hier aber des Zusammenhangs zur Kapitalrendite.
Für die Berechnung der Kapitalrendite benötigen wir ja den NOPAT, der wiederum von den drei Inputs Umsatzwachstum, EBIT-Marge und Steuersatz definiert wird (wovon wir zwei Inputs ja bereits abgeschätzt haben).
Die Kapitalrendite ist außerdem etwas, das wir auf Basis historischer Entwicklungen und größenordnungsmäßig einschätzen können. Ich wähle das Umsatzwachstum also im ersten Schritt so aus, dass die Kapitalrendite in einer auf historischer Basis vernünftigen Größenordnung liegt.
Etwas konkreter: Mit einem Umsatzwachstum von ca. 11% ergibt sich nach meiner Überschlagsrechnung eine Kapitalrendite für MSFT von ca. 65%. Dies ist zwar niedriger als der historische Durchschnitt (der liegt nach meiner Berechnungslogik bei ca. 95% und wäre noch höher, wenn der aufgrund der neuen Steuergesetzgebung hohe Steuersatz im laufenden Jahr (TTM) die Kapitalrendite nicht stark drücken würde), das Umsatzwachstum befindet sich aber damit noch im Rahmen (historisch ohne Ausreißer zwischen 6,3 und 11,5%).
5. Die Resultierende: Das Gewinnwachstum
Haben wir die perspektivische Kapitalrendite sowie auch die Wiederanlagequote abgeschätzt, können wir das zukünftige Gewinnwachstum ermitteln. Dieses ergibt sich in meinem Szenario zu ca. 16%:
Gewinnwachstum g = Reinvestitionsrate 25% x Kapitalrendite 65% = ~16,2%
6. Weitere nicht-zahlungswirksame Bestandteile
Die weiteren nicht-zahlungswirksamen Bestandteile – dazu gehören die Amortisation von Goodwill, unverdiente Erträge etc. – halte ich im Wesentlichen konstant.
Wichtig aber noch: Die bereits für die Berechnung des EBIT als Aufwendungen abgezogenen Aktienoptionen (Share-based Compensation) addiere ich für die Berechnung des FCFF nicht wieder zum NOPAT hinzu, weil ich analog zu Buffett davon ausgehe, dass es sich um reale Kosten handelt, auch wenn bisher noch kein Cash geflossen ist.
Somit haben wir alle wesentlichen Inputs zusammen, um den FCFF zu prognostizieren.
Bewertung mithilfe eines dreistufigen DCF-Modells
Für die Ermittlung des intrinsischen Wertes gehe ich wieder von einem 3-stufigen DCF-Modell aus, welches die folgenden Phasen vorsieht:
- eine 5-jährige Wachstumsphase (Wachstum des NOPAT mit der ermittelten Wachstumsrate von ~16%, Kapitalrendite bei 65%). Ich glaube mindestens über diesen Zeitraum wird Microsoft noch weiteres Wachstum erzielen können
- eine 5-jährige Übergangsphase (Reduktion der Kapitalrendite bis auf die Kapitalkosten/den WACC und damit Verringerung des Wachstums über die Zeit)
- eine unendliche Phase des stabilen Wachstums in Höhe der Inflationsrate (Kapitalrendite = WACC und Wachstum = Inflationsrate)
Hier seht ihr die auf Basis der obigen Annahmen prognostizierten Cash Flows:
Ergänzend dazu sollte ich nochmal festhalten, dass ich über den gesamten Zeitraum mit einem WACC von 8% kalkuliert habe. Diese Annahme halte ich aufgrund der Sicherheit und der Stabilität des Geschäftsmodells von MSFT für angemessen. Auf Basis des aktuellen, hohen Eigenkapitalanteils (berechnet mithilfe des Marktwertes des EK) wäre ggf. sogar eine Erhöhung der fremdfinanzierten Anteils und damit eine Senkung des WACC möglich.
Ausgehend von den prognostizierten Cash Flows ergibt sich ein fairer Aktienkurs von ca. 97 USD je Aktie:
Dabei macht der Endwert mit ca. 62% am Enterprise Value den größten Anteil aus. Weiterhin kompensiert der hohe Barmittelüberschuss (ca. 20 USD je Aktie, beinhaltet neben den tatsächlichen Barmittelbeständen auch die kurzfristigen und langfristigen Investments / Marketable Securities) die gesamten Schulden der Firma.
Eine Kapitalisierung der operativen Leasingverträge habe ich in diesem Fall nicht vorgenommen, ggf. hätte das noch einen gewissen Einfluss auf die Bewertung.
An was wir glauben müssen
Warren Buffett sagte ja mal:
Es ist besser, ein großartiges Unternehmen zu einem fairen Preis zu bekommen, als ein faires Unternehmen zu einem großartigen Preis.
Insofern könnten wir argumentieren, dass wir im Falle von Microsoft mit einer relativ geringen Sicherheitsmarge arbeiten können.
Wir können außerdem annehmen, dass die Dividendenrendite (bezogen aus unseren Kaufkurs von heute) in spätestens 5 Jahren bei ca. 3%, in 10 Jahren bei über 5% liegen wird.
Auf der anderen Seite ist eine Sicherheitsmarge ja aber nicht nur dazu da, um mehr Upside-Potenzial zu haben, sondern auch, um potenzielle Fehler in unserer Bewertung (heißt Fehleinschätzungen der zukünftigen Entwicklung etc.) zu berücksichtigen.
Insofern habe ich die Aktie aktuell weiterhin auf meiner Watchlist und hoffe, dass sich in den nächsten Monaten nochmal ein günstigerer Einstiegszeitpunkt ergibt.
Disclaimer
Disclaimer 1: Die Inhalte dieses Artikels wurden mit größtmöglicher Sorgfalt und nach bestem Wissen erstellt. DIY Investor übernimmt jedoch keine Gewähr für die Aktualität, Vollständigkeit und Richtigkeit der bereitgestellten Informationen und haftet nicht für Investitionsentscheidungen, die auf Basis dieser Informationen getroffen werden.
Disclaimer 2: Ich bin long MSFT.