Initiale Unternehmensanalyse: Wo starten wir am besten?

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Wenn wir ein neues Unternehmen analysieren möchten, dann stellt sich bei der heutzutage typischerweise vorhandenen Flut an Informationen zunächst die Frage: Wo fangen wir mit unserer Unternehmensanalyse denn eigentlich am besten an? Welche Informationen lesen wir uns als erstes durch?

Auf einer hohen Flughöhe würde ich sagen sollten wir – bevor wir uns mit irgendwelchen News oder kurzfristigen Entwicklungen beschäftigen – zunächst einmal Geschäftsmodell und Wettbewerbsumfeld verstehen… also mit welchen Produkten und Dienstleistungen und welchen Monetarisierungsstrategien das Unternehmen auf welchen Märkten Geld verdient und welchem Wettbewerb es dort ausgesetzt ist (und warum).

Für diese erste Unternehmensanalyse bieten sich zuallererst die durch das Unternehmen selbst veröffentlichten Informationen an.

In diesem Artikel möchte ich einmal einen kurzen Überblick über eine mögliche Vorgehensweise bzw. Abfolge beim Lesen / Durchsehen der ersten Dokumente geben.


Übersicht über erste Quellen für die Unternehmensanalyse

Aus meiner Erfahrung bekommen wir den besten ersten Überblick über ein Unternehmen mithilfe der durch das Unternehmen selbst veröffentlichten Dokumente. Zu nennen wären hier natürlich zuallererst die aktuelle Investorpräsentation bzw. die Präsentation(en) vom letzten Kapitalmarkttag (falls vorhanden) sowie die offiziellen Unternehmensberichte (also Jahres- bzw. Quartalsberichte).

Hier aber einmal die vollständige Liste der üblichen Informationsquellen für die Unternehmensanalyse in einer möglichen zeitlichen Abfolge:

  1. Aktuelle Investorpräsentation bzw. CMD-Präsentation (“Capital Markets Day” Präsentation)
  2. Möglichst lange Reihe historischer Finanzdaten (z.B. die Key Financials vorne aus dem Geschäftsbericht oder alternativ historische Daten über Finbox, Morningstar etc.)
  3. Aktuellster Jahres- und Quartalsbericht
  4. Ältester Geschäftsbericht bzw. ältere Geschäftsberichte
  5. IPO- oder Spin-off-Dokumente (falls noch relevant)
  6. Einladung / Tagesordnung der letzten Hauptversammlung bzw. Proxy Statement
  7. Erste “High Level” Wettbewerbsanalyse, insbesondere Identifikation der wesentlichen Wettbewerber und historischer Vergleich der operativen Margen (z.B. ebenfalls über Finbox)
  8. Langfristige Aktienkurs- bzw. Multiple-Entwicklung

Im Folgenden möchte ich nochmal etwas näher auf die einzelnen Punkte eingehen.

Strukturierte Notizen machen und weiter nachbohren

Wie ihr vielleicht bereits erkennen könnt, handelt es sich bei der Liste nicht um einen fest vorgegebenen Ablaufplan oder sogar eine Checkliste oder Ähnliches, sondern stattdessen eher um ein paar erste  Ansatzpunkte für die Unternehmensanalyse. An jeder beliebigen Stelle können sich weitere Fragen ergeben, deren Antworten wieder zu neuen Fragen führen und so weiter.

Aus diesem Grund sind aus meiner Sicht in diesem Zusammenhang drei Dinge besonders wichtig:

  1. Wir sollten versuchen, die wesentlichen Erkenntnisse unserer Recherche (inkl. der entstandenen offenen Fragen) schriftlich festzuhalten
  2. Wir sollten versuchen, die wesentlichen, das Geschäftsmodell betreffenden Fragen, nachzuverfolgen und zu beantworten
  3. Für die Beantwortung sollten wir uns nicht mehr ausschließlich auf die obigen Informationsquellen beschränken, sondern unter Umständen auch “exotischere” Quellen berücksichtigen

Zum ersten Punkt: Da ich mit zwei verschiedenen Monitoren arbeite, kann ich meine Notizen direkt einfach in digitaler Form anlegen (ich nutze dafür die App Evernote, auf die man von jedem beliebigen Gerät zugreifen kann). Ich habe mir dabei angewöhnt, sozusagen jeweils eine größere Notiz zu einer Branche bzw. einem Markt anzulegen, die dann die individuellen Wettbewerber mit umfasst. Ich denke, dass ein wesentlicher Vorteil langfristig darin besteht, das über die Zeit angelesene Wissen irgendwo festzuhalten, um es nicht zu verlieren.

Wichtig ist aus meiner Sicht außerdem, dass wir uns bzgl. unklarer Sachverhalte  immer wieder die “Warum?”-Frage stellen  und den Dingen tiefer auf den Grund gehen… oder jedenfalls so tief wie nötig.


Investorenpräsentation bzw. Kapitalmarkttag-Präsentation

Die aktuellste Investorpräsentation (und insbesondere auch die Präsentation vom letzten Kapitalmarkttag / Capital Markets Day) ist – sofern vorhanden – vermutlich die beste Quelle, um schnell etwas Hintergrundwissen über Unternehmen, Branche und Wettbewerbsumfeld zu sammeln.

Mit dem Lesen der Investorpräsentation schaffen wir uns also in vielen Fällen eine gute Basis, um die weitergehenden Dokumente wie Geschäfts- und Quartalsberichte etc. zu lesen (bei so umfangreichen Dokumenten hilft es oft, wenn man ungefähr weiß, welche Schwerpunkte man setzen muss).

Weiterer positiver Aspekt: Auch zu eher exotischen Branchen und Industriezweigen finden wir in den Investorpräsentationen oft sehr nützliche Informationen.

Wer z.B. einmal einen guten ersten Überblick über die Funkturmbranche und das zugehörige Geschäftsmodell erhalten möchte, der wird vermutlich keine besseren Anlaufstellen finden, als die Investorpräsentationen von American Tower oder die CMD-Präsentation von Vantage Towers.

Hinweis

Wir sollten die Investorpräsentation immer mit einer großen Portion Vorsicht genießen bzw. eine gewisse Skepsis bzgl. der Tonalität an den Tag legen.

Denn: Die Investorpräsentation ist im Grunde genommen ein Verkaufsprospekt, der genau auf eine bestimmte Zielgruppe – nämlich uns, die Investoren – zugeschnitten ist.

Insofern sollten wir uns nicht wundern, wenn in den Investorpräsentationen eine überwiegend positive Positionierung zu finden ist.

Aus diesem Grund kann die Investorpräsentation also zwar ein guter Einstieg in die Materie sein, mit Sicherheit aber nicht der Weisheit letzter Schluss, was unsere Unternehmensanalyse angeht.


Startpunkt Unternehmensanalyse: Lange Zeitreihe der wesentlichen Financials

Hierbei geht es nicht ausschließlich darum, nur die historische Gewinnentwicklung über einen möglichst langen Zeitraum zu betrachten, sondern vor allem auch darum, bestimmte Eigenheiten des Geschäftsmodells zu verstehen und herauszuarbeiten.

Ich denke, dass sich anhand des von Joel Greenblatt im Rahmen seiner Columbia-Vorlesung verwendete Beispiel der Duff & Phelps Credit Rating Company sehr gut illustrieren lässt, welche Art von Erkenntnissen wir aus der Analyse der historischen Finanzzahlen gewinnen können.

Hier nochmal die entsprechende Zeitreihe aus dem Geschäftsbericht sowie die wesentlichen Themen zur Illustration:

Duff & Phelps Credit Rating Co. Financials

Duff & Phelps Credit Rating Co. wesentliche Financials; Quelle: Geschäftsbericht 1999

Ohne zu sehr in die Details abzutauchen, können wir die Charakteristika des Geschäftsmodells betreffend bereits eine ganze Reihe an interessanten Beobachtungen machen:

  1. Es handelt sich um ein Small Cap mit einem Umsatzniveau (Basis 1999) unterhalb von 100 Mio. USD
  2. Die durchschnittliche jährliche Umsatzwachstumsrate (CAGR) liegt bei über 20%, die des operativen Gewinns bei ca. 25%, was ca. einer Verdopplung innerhalb der letzten drei bis vier Jahre entspricht. Die Nettomarge hat sich dem entsprechend von ca. 16% bis auf 20% erhöht
  3. Umsatz- und Gewinnentwicklung deuten also auf signifikante Skaleneffekte hin
  4. Während sich der Umsatz verdoppelt hat, ist die Bilanzsumme (hier mal als Proxy für das eingesetzte Kapital) in etwa stabil geblieben. Das bedeutet, dass das Unternehmen im Grunde genommen ohne die Reinvestition des erwirtschafteten Kapitals weiter wachsen kann (die inkrementelle Kapitalrendite ist also mehr oder weniger gleich unendlich)
  5. Der erwirtschaftete Cash Flow wurde offenbar mindestens teilweise dazu genutzt, um Schulden zu tilgen

Ein weiterer positiver Aspekt dieser Langfristbetrachtung besteht darin, dass sie uns ggf. dabei helfen kann, die aktuellen Entwicklungen in den richtigen Kontext zu setzen.

Ich bin übrigens seit einiger Zeit ein großer Fan von visuellen Darstellungen der wesentlichen Kennzahlen, wie sie z.B. Finbox über den Chart Analyzer bietet, wie wir sie uns aber im Grunde genommen auch mithilfe eines einfachen PivotCharts oder eines Dashboards in Excel bauen können.


Aktueller Geschäfts- und Quartalsbericht

Die Lektüre des aktuellsten Geschäfts- und Quartalsberichts (in den USA sind das der 10-K und der 10-Q) ist denke ich die wesentlichste Quelle, wenn es darum geht, sich im Rahmen unserer Unternehmensanalyse einen ersten Überblick über die aktuelle Lage des Geschäfts zu verschaffen und etwas tiefer in die konkreten operativen und strategischen Themen einzusteigen.

Darüber hinaus lernen wir durch die Analyse der Financials und des Anhangs natürlich auch viel darüber, was das Unternehmen wie in seinen Jahresabschlüssen erfasst. Bewertungsrelevante Fragen können in diesem Zusammenhang z.B. sein:

  • Wie setzt sich der Gewinn zusammen? Wie groß ist regelmäßig der Anteil an nicht-operativen und / oder nicht-zahlungswirksamen Erträgen?
  • Wie setzen sich die Abschreibungen zusammen?
  • Wie schnell werden die verschiedenen Vermögenswerte abgeschrieben?
  • Wie lange hat das Unternehmen bestimmte Vermögenswerte – wie z.B. Grund und Boden – in den Büchern?
  • Sind die Immobilien geleast oder befinden sie sich im Eigentum? Wie werden die Immobilien wertmäßig behandelt?
  • etc.

Im Normalfall können wir uns mit einigen dieser Detailfragestellungen auch noch zu einen späteren Zeitpunkt befassen. Ich denke keinen von euch wird es aber überraschen, dass die Lektüre der aktuellsten Finanzberichte hier als eine der ersten und wichtigsten Informationsquellen angegeben ist.


Ältere Geschäftsberichte

Das stichprobenartige Lesen einiger älterer Geschäftsberichte ist – vielleicht im Zusammenspiel mit der auf der Unternehmenswebseite oft vorhandenen Unternehmenshistorie – in gewisser Weise ein Shortcut, um zu verstehen, wie sich Unternehmen und Branche über einen längeren Zeitraum entwickelt haben.

Dabei sind bestimmte Zeitpunkte in der Unternehmenshistorie besonders interessant (ausgehend vom typischen Lebenszyklus eines Unternehmens bzw. eines Produkts):

  • Die Ursprünge des Unternehmens und die initiale Wachstumsphase… um zu verstehen, welche Werttreiber das Unternehmen mit welchen strategischen Moves damals adressiert hat (Wo lagen z.B. die Investitionsschwerpunkte? Wo hat das Unternehmen ggf. einmal eine falsche Richtung eingeschlagen und korrigiert? Was hat funktioniert und was nicht?)
  • Der Eintritt in die nächste Wachstumsphase (z.B. Internationalisierung), die Reifephase o.Ä... um zu verstehen, ob und wie der Wettbewerb es geschafft hat, in den Markt einzutreten, ob konkrete Eintrittsbarrieren vorlagen etc.

Für die Identifikation dieser Wendepunkte (oder “Inflection Points”) in der Unternehmenshistorie kann uns natürlich die bereits angesprochene lange Zeitreihe der wesentlichen Financials, insbesondere die historische Entwicklung von Wachstumsrate und Kapitalrendite, helfen.

Falls für euch von Interesse, schaut euch einmal die alten Geschäftsberichte von Walmart an, so um das Jahr 1980 herum. Ihr werdet überrascht sein, welche Erkenntnisse über die damalige Wachstumsstrategie, die Kanalisierung der Investments, die Unternehmenskultur usw. ihr aus den Berichten gewinnen könnt… die alten Reports waren darüber hinaus auch nicht so lang und ausführlich, wie die heutigen Geschäftsberichte (also ca. 30 Seiten, mit vielen großformatigen Bildern 🙂 ).

Natürlich können wir auch versuchen, die gesamte Unternehmenshistorie anhand der einzelnen Geschäftsberichte lückenlos nachzuvollziehen. In vielen Fällen wäre das aber vermutlich  ein zu hoher Zeitaufwand für ein Unternehmen, von dem wir noch gar nicht wissen, ob es für uns als Investment überhaupt in Frage kommt … es sei denn natürlich, es handelt sich um ein noch recht junges Unternehmen (jedenfalls was die Börsennotierung und die Veröffentlichungspflichten angeht).

Wir sollten also erstmal das Grundsätzliche verstehen… um die Details können wir uns zu einem späteren Zeitpunkt immer noch kümmern.


IPO- oder Spin-Off-Dokument

Ein Börsenprospekt (im Rahmen eines IPO oder eines Spin-Offs zu erstellen) ist in der Regel ein sehr umfangreicher Bericht, der neben einer Menge an Detailinformationen über das Unternehmen auch einen Marktüberblick, d.h. Informationen über Marktgrößen, Wachstumsraten, Wettbewerber etc., enthält.

Aus diesem Grund – und weil die Prospekte in der Regel nicht unbegrenzt auf den Unternehmenswebseiten verfügbar bleiben – sollten wir diese unbedingt immer abspeichern, auch wenn sie manchmal nicht direkt relevant erscheinen. Mindestens die Marktinformationen könnten sich später – ggf. auch in einem anderen Kontext – nochmal als hilfreich erweisen.

Um einmal beim obigen Beispiel zu bleiben: Der Börsenprospekt von Vantage Towers – das Unternehmen wurde im März/April 2021 von Vodafone an die Börse gebracht – besteht aus über 400 Seiten und enthält neben einer Detailsicht auf das Unternehmen (und allem was damit zu tun hat) auch eine Fülle an hilfreichen und relevanten Marktinformationen.

Die Kerninhalte des Börsenprospekts werden den potenziellen Investoren natürlich im Rahmen eines Kapitalmarkttages oder einer Roadshow nochmal in einer leichter verdaulichen Form vorgestellt und sind deshalb meist auch in den entsprechenden Investorpräsentationen enthalten.

Beim Börsenprospekt handelt es sich allerdings um ein offizielles Dokument, in welchem auf Interpretationen und übermäßig positive Auslegungen der Fakten verzichtet wird (bzw. werden muss). Allein aus diesem Grund lohnt sich in der Regel ein Blick in einen solchen Prospekt.


Einladung zur HV / Proxy Statement

Die Einladung zur Hauptversammlung inklusive der Tagesordnung (im amerikanischen Raum das Proxy Statement) enthält wie der Name schon sagt die Tagesordnungspunkte und Beschlussanträge der Jahreshauptversammlung (bzw. des Annual General Meetings oder AGM) sowie einige Zusatzinformationen zu ebendiesen Anträgen.

Im Wesentlichen geht es dabei um die folgenden Punkte:

  • Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat für das abgelaufene Geschäftsjahr
  • Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns (ausschütten oder thesaurieren?)
  • Wahl neuer Aufsichtsratsmitglieder (Board of Directors)
  • Wahl des Wirtschaftsprüfers
  • Billigung des Vergütungssystems des Vorstands
  • Beschlussfassung über die Vergütung des Aufsichtsrats
  • Andere relevante Themen, z.B. Beschlussfassung über den Spin-Off eines Teilgeschäfts, ein Aktienrückkaufprogramm etc.

In den USA sind die enthaltenen Informationen sogar noch etwas weitreichender. Im Proxy Statement sind auch Informationen zu den größten Anteilseignern bzw. zum Aktienbesitz von Insidern und zu deren Stimmrechten enthalten.

Auch die Einladung bzw. Tagesordnung zur HV bzw. das Proxy Statement kann dem entsprechend ein recht umfangreiches Dokument sein (manchmal bis zu 100 Seiten).

Natürlich sind auch die Informationen zur Verwendung des Bilanzgewinns bzw. der Beschluss eines Aktienrückkaufprogramms für uns grundsätzlich von Interesse. Vorwiegend können wir das Proxy Statement im Rahmen unserer Unternehmensanalyse aber dazu nutzen, um ein besseres Bild über die einzelnen Mitglieder des Management Teams und des Aufsichtsrats zu erhalten. Dies bezieht sich insbesondere auf Vergütung und Expertise sowie ggf. auch auf bestehende Querverbindungen zu Großaktionären und mögliche Ungleichgewichte zwischen Aktienbesitz und Stimmrechtsanteilen.

Zur Relevanz der Inhalte: Nehmen wir z.B. einmal General Mills, den amerikanischen Lebensmittelhersteller (ein Beispiel aus dem Chris Bloomstran Interview bei “Invest Like the Best”).

Bei General Mills ist die variable Vorstandsvergütung laut Proxy Statement unter anderem an das organische Umsatzwachstum gekoppelt, wobei der Zielwert bei einem Wachstum von -1,4% liegt. Das heißt, der Vorstand erhält den vollen Bonus selbst dann, wenn der Umsatz um 1,4% abnimmt. Diese Festlegung sagt schon Einiges über den Zustand des Geschäfts aus und wird in der Form mit Sicherheit nicht in der Investorpräsentation angesprochen.


Initiale Wettbewerbsanalyse

Die initiale Wettbewerbsanalyse, insbesondere der Vergleich der operativen Gewinnmargen über die Zeit, kann ebenfalls eine wichtige Komponente unserer ersten Bestandsaufnahme bzw. Unternehmensanalyse sein.

Hier seht ihr einmal einen Vergleich der EBITDA-Margen für drei der vier weltweit größten Hersteller von Aufzügen und Fahrtreppen für die letzten 10 Jahre dargestellt:

Unternehmensanalyse - Wettbewerbsvergleich

Vergleich EBITDA-Marge Aufzugshersteller [%], Quelle: Finbox

Wie ihr sehen könnt, ist OTIS, der weltweit größte Aufzugshersteller, regelmäßig dazu in der Lage, eine um ein- bis zwei Prozent höhere operative Marge zu erwirtschaften, als die direkten Wettbewerber Kone und Schindler.

Hierfür lassen sich (nach einigem weiteren Research wohlgemerkt) zwei wesentliche Ursachen feststellen:

  • Erstens ist der Anteil des höhermargigen Service-Geschäfts am Umsatz bei OTIS signifikant höher als bei Kone und Schindler (~57% versus 47-52%)
  • Zweitens profitiert OTIS aufgrund der signifikant höheren Anzahl an Instandhaltungsverträgen von positiven Skaleneffekten (installierte Basis bzw. Anzahl an Maintenance-Kontrakten ~2,1 Mio. Stk. versus ~1,4 Mio. Stk)

Zwar ist das Wissen um diese Unterschiede wie gesagt das Ergebnis einer weitergehenden Analyse für die wir ggf. etwas tiefer auch in die Reports der Wettbewerber abtauchen müssen… alles in allem sind es aber solche Insights, die uns dabei helfen, die aktuelle Stärke wie auch die mögliche zukünftige Entwicklung eines Geschäftsmodells besser einzuschätzen.


Langfristige Aktienkurs- und Multiple-Entwicklung

Bzgl. der Betrachtung des historischen Aktienkurses gibt es verschiedene Sichtweisen. Ich habe schonmal von Investoren gehört, die den aktuellen Aktienkurs während ihrer Unternehmensanalyse komplett ausblenden, um sich nicht zu stark von externen Einflüssen leiten zu lassen (Stichwort Behavioral Biases bzw. Ankereffekt).

Ich frage mich allerdings manchmal, wie das ganz praktisch funktionieren kann? Tatsächlich begegnen wir dem Aktienkurs ja fast ganz automatisch, z.B. im Rahmen eines Screening-Prozesses, beim Lesen eines News-Artikels etc. etc.

Davon abgesehen denke ich, dass die Analyse der historischen Aktienkursentwicklung – allerdings komplementiert mit einigen anderen Betrachtungen – ein durchaus hilfreiches Instrument für unsere erste Unternehmensanalyse darstellen kann.

Zunächst mal sollten wir die langfristige Kursentwicklung allerdings umrechnen in eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate (CAGR) bzw. einen Total Shareholder Return (TSR).

Im Wesentlichen sehe ich nun zwei Analysen, die wir durchführen bzw. zwei Vergleiche, die wir anstellen können.

In einem ersten Schritt können wir der Ursache für die historische Aktienkursentwicklung etwas tiefer auf den Grund gehen. War die Entwicklung in der Vergangenheit hauptsächlich durch ein Gewinnwachstum oder auch durch eine Multiple-Aufweitung getrieben (in den meisten Fällen vermutlich beides)? Welche Größenordnung hat das Multiple (also z.B. das EV/EBITDA Ratio oder das KGV) im Vergleich zur Historie inzwischen erreicht (und warum?)?

Hat sich vielleicht die Bewertung in der letzten Zeit vom historischen Multiple entkoppelt? Wie sieht der TSR im Vergleich zur (Eigen-)Kapitalrendite aus?

Speziell der letzte Punkt, also der Vergleich der langfristigen Aktienkursentwicklung mit der Eigenkapitalrendite, sollte uns eine gute erste Indikation darüber geben, wie sich Unternehmensrealität und Marktsicht zueinander verhalten.

Ganz generell suchen wir nach Situationen, in denen eine mutmaßlich hohe Kapitalrendite und eine unterdurchschnittliche Aktienkursentwicklung zusammenkommen (oder umgekehrt). In der (sehr) langen Frist sollten sich nämlich Kapitalrendite und Kurs-Performance irgendwo angleichen.


Fazit zum Einstieg in die Unternehmensanalyse

Es gibt eine ganze Reihe an möglichen Startpunkten für unsere Unternehmensanalyse.

Für die besten Hintergrund- und Brancheninfos sollten wir uns einmal die aktuellste Investorpräsentation oder die Präsentation vom letzten Kapitalmarkttag ansehen (selbst wenn dieser schon etwas her ist).

Erste Insights über das Geschäftsmodell erhalten wir typischerweise aus einer Betrachtung der historischen Financials – gemeint sind hier die wesentlichen Kennzahlen für einen Zeitraum von 5+ Jahren (idealerweise auch noch um einiges länger) – sowie der Geschäftsberichte zu verschiedenen relevanten Zeitpunkten im Lebenszyklus des Unternehmens (initiales Wachstum, Start der Internationalisierung, Start der Digitalisierung, Eintritt in die Reifephase etc.).

Weitere Informationen zu den aktuellen operativen und strategischen Themen und Problemstellungen finden wir schließlich im aktuellsten Quartals- bzw. Jahresbericht.

Wichtig ist am Anfang vor allem, dass wir eine gute übergeordnete Sicht auf das Geschäft sowie die unterliegenden Werttreiber erhalten und nicht so sehr, dass wir jeden Einzelaspekt genau hinterfragen und verstehen.

Habt ihr bzgl. eures Startpunktes bestimmte Präferenzen? Welche Infos schaut ihr euch als Erstes an?

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