Behavioral Finance: Wie unsere Psyche unser Investitionsverhalten beeinflusst…

Behavioral Finance

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Wie wir alle wahrscheinlich aus eigener Erfahrung wissen, gibt es viele menschliche Verhaltensmuster, die unsere Investitionsentscheidungen stark beeinflussen können, derer wir uns aber oft gar nicht bewusst sind. Diese Verhaltensmuster führen dazu, dass wir Investitionen viel weniger rational bewerten, als es eigentlich sein sollte bzw. als die Theorie der effizienten Märkte annimmt. Hier spielen unsere Emotionen, Neigungen und auch externe Einflüsse eine große Rolle. Das recht neue wissenschaftliche Feld der Behavioral Finance befasst sich genau mit diesen Verhaltensmustern.

Im folgenden Artikel möchte ich einmal die wesentlichen unserer Neigungen, deren Ursachen und die Einflüsse auf unser Investitionsverhalten erläutern.


Was du in diesem Artikel lernst

  • Was die Markteffizienzhypothese ist und warum Märkte oft nicht effizient sind
  • Wie Behavioral Finance versucht, diese Ineffizienzen besser zu erklären
  • Welche wesentlichen Verhaltensmuster deine Investitionsentscheidungen beeinflussen
  • Welche Auswirkungen diese Verhaltensmuster auf deine Entscheidungen haben
  • Wie du lernen kannst, die Verhaltensmuster zu erkennen und beim Investieren zu berücksichtigen

Theorie der effizienten Märkte versus Behavioral Finance

Markteffizienzhypothese

Die Markteffizienzhypothese geht zunächst mal davon aus, dass alle Marktteilnehmer, also Verkäufer und Käufer, vollständig rational handeln. Darüber hinaus haben alle zum gleichen Zeitpunkt Zugang zu den gleichen Marktdaten, Unternehmensinformationen, Wirtschaftsdaten etc.

Da nun alle Käufer und Verkäufer komplett rational handeln, ziehen sie aus den verfügbaren Informationen alle die gleichen Schlüsse, machen die gleichen Vorhersagen und handeln entsprechend, indem sie Aktien oder andere Wertpapiere kaufen oder verkaufen. Das führt dann dazu, dass alle verfügbaren Informationen jederzeit bereits in den Aktienkursen reflektiert sind. Der Markt ist also “effizient”.

Es ist also für den einzelnen Marktteilnehmer nicht möglich, dauerhaft bessere Renditen als der Gesamtmarkt zu erzielen („Der Markt kann nicht langfristig geschlagen werden“).

markteffizienzhypothese
Quelle: Forbes (2009)

Entwickelt wurde das Modell der Markteffizienzhypothese im Jahr 1970 von Eugene Fama, der dafür auch im Jahr 2013 den Wirtschaftsnobelpreis erhielt.

Da auch damals schon Kritik an der Gültigkeit der Markteffizienzhypothese aufkam, wurde sie nochmal in drei Stufen unterteilt:

  • Schwache Effizienz
  • Mittelstarke Effizienz
  • Starke Effizienz

Schwache Effizienz: Informationen aus der Vergangenheit sind bereits in die Kurse eingepreist. Wir können nicht aus den Kursverläufen der Vergangenheit auf die der Zukunft schließen. Die Kurse verlaufen zufällig.

Mittelstarke Effizienz: Alle marktrelevanten öffentlich zugänglichen Informationen (nicht Insider-Informationen) sind zusätzlich zu den Kursverläufen der Vergangenheit bereits im Kurs enthalten. Die Fundamentalanalyse macht deshalb keinen Sinn mehr, handeln auf Basis von Insiderinformationen schon.

Starke Effizienz: Die Markteffizienzhypothese gilt vollständig. Alle marktrelevanten Informationen (auch Insider-Informationen) sind bereits in den aktuellen Aktienkursen reflektiert. Es lohnt sich für uns als Anleger weder eine detaillierte Fundamentalanalyse, noch ein Handeln auf Basis von Insiderinformationen. Am besten wäre in diesem Fall ein passiver Indexfonds, der den Index komplett abbildet (weil es für uns keine Möglichkeit gibt, besser abzuschneiden).

Die Entwicklungen vor allem auf dem Gebiet der Behavioral Finance deuten darauf hin, dass die Markteffizienzhypothese höchstens in ihrer schwachen Form gültig ist (empirische Untersuchungen, u.a. von Robert J. Shiller, weit vor den Forschungen auf dem Gebiet der Behavioral Finance haben das allerdings auch schon gezeigt).


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Natürlich handeln wir als Investoren in den wenigsten Fällen rational. Unser Umfeld und unsere Gefühle haben einen sehr starken Einfluss auf unsere Entscheidungen. Das Feld der Behavioral Finance befasst sich mit den Einflüssen der Psychologie auf das (Investitions-)Verhalten von Investoren und dem daraus resultierenden Einfluss auf die Märkte. Damit hilft Behavioral Finance die Ineffizienzen an den Finanzmärkten zu erklären.

Behavioral Finance
Quelle: Forbes (2009)


Verhaltensmuster resultierend aus unseren Lernprozessen (Heuristiken)

Wir Menschen lernen am besten, indem wir Dinge einfach tun. Das wurde schon in vielen Büchern beschrieben und ich kann es aus meinen eigenen Erfahrungen mit meinen Immobilien-Investments nur bestätigen. Wir können uns zwar viel Wissen durch Lesen aneignen, erst in der Umsetzung bzw. der Anwendung und Aktivierung unseres Wissens lernen wir aber wirklich hinzu.

In Bezug auf das Investieren in Aktien oder andere gehandelte Wertpapiere bringt das Lernen durch Ausprobieren bzw. Experimentieren und durch persönliche Erfahrung allerdings ein paar Nachteile mit sich. Anstatt uns z.B. die Jahresabschlüsse, das Geschäftsmodell und die Qualität des Managements einer Firma anzuschauen, nutzen wir bekannte Investment-Regeln. Z.B. kaufen wir nur Aktien auf Basis eines sehr niedrigen Kurs/Buchwert-Verhältnisses, weil wir darüber schon gehört oder gelesen haben. Wenn wir damit dann einmal schlechte Erfahrungen gemacht haben, passen wir unsere Strategie schnell an, vielleicht auf Basis einer Analyse, die wir in Börse-Online gelesen haben und die überdurchschnittliche Renditen verspricht.

Sowieso haben wir eine Tendenz dazu, uns von den News und Nachrichten leiten zu lassen, die entweder am einfachsten verfügbar oder am prominentesten platziert sind. Wenn das Handelsblatt z.B. über die deutschen Solarfirmen als die kommenden Aufsteiger am Börsenhimmel schreibt, dann fällt es uns schwer, diese Information zu ignorieren, auch wenn sie vielleicht falsch sind (was bei populären Börsen- und Wirtschaftspublikationen recht oft der Fall sein sollte).

Hersh Shefrin, Universitätsprofessor, Autor und einer der Pioniere auf dem Gebiet der Behavioral Finance identifiziert 4 Schritte, wie wir über unseren Lernprozess eine solche Neigung entwickeln:

  1. Wir entwickeln zunächst allgemeine Grundsätze, wenn wir Dinge für uns selbst herausfinden
  2. Wir entwickeln dann darauf basierend Daumenregeln (Heuristiken), um Schlussfolgerungen aus den Informationen ziehen zu können, die für uns einfach verfügbar sind
  3. Wir sind deshalb anfällig für bestimmte Fehler, einfach weil unsere Heuristiken ebenfalls fehlerbehaftet sind
  4. Wir begehen schließlich tatsächlich Fehler in bestimmten Situationen, weil wir uns auf unsere fehlerhaften Daumenregeln verlassen

Nutzung von Stereotypen und Wenn-Dann Beziehungen

Wir tendieren dazu, Unternehmen anhand von Stereotypen als gute Unternehmen und gleichzeitig gute Investments zu klassifizieren. Oft nutzen wir dabei Erfahrungen, die wir in der Vergangenheit gemacht haben bzw. Informationen, von denen wir glauben, dass sie richtig sind. Das heißt im Wesentlichen, dass wir einzelne Charakteristika von Unternehmen als gut beurteilen und deshalb glauben, es handele sich allgemein um ein gutes Unternehmen.

Zum Beispiel könnte es sein, dass wir das Gefühl haben, dass Indien das nächste China sein wird und dass deshalb die Wirtschaft dort auf absehbare Zeit stark wachsen wird. Wir haben nun die Tendenz dazu, pauschal jedes indische Unternehmen als gutes Investment anzusehen. Oder wir sehen pauschal jedes Unternehmen mit Fokus auf Nachhaltigkeit und Umweltaspekte als gutes Unternehmen an, einfach weil wir das Gefühl haben, dass Nachhaltigkeit eins der wichtigen Zukunftsthemen sein wird.

Die Nutzung von Wenn-Dann Beziehungen kann aber auch ganz andere Formen annehmen. Auch wenn wir auf Basis guter Quartalszahlen folgern, dass die zukünftigen Ergebnisse entsprechend gut ausfallen werden, tappen wir in diese Falle.

Ein ähnliches Verhaltensmuster ist übrigens der so genannte Halo Effekt. Der Halo Effekt beschreibt eine kognitive Verzerrung, bei der von bekannten Eigenschaften einer Person auf die unbekannten Eigenschaften geschlossen wird. Ein typisches Beispiel ist hier die Stimme einer Person am Telefon. Auch wenn wir diejenige Person noch nie gesehen haben, haben wir doch eine genaue Vorstellung davon, wie die Person aussehen muss. In der Realität sieht die Person dann natürlich oft ganz anders aus.


Übersteigertes Selbstvertrauen (Overconfidence)

Übersteigertes Selbstvertrauen bedeutet nichts anderes, als dass wir tendenziell zu viel Vertrauen in unsere eigenen Fähigkeiten haben. Das bezieht sich unter anderem auch auf unsere Fähigkeit, Dinge richtig vorherzusehen. Übersteigertes Selbstvertrauen drückt sich oft darin aus, dass wir das Risiko unserer Investitionen systematisch zu gering einschätzen. In der Realität kann das dann zu Überraschungen führen, weil wir die Bandbreite möglicher Szenarien systematisch unterschätzen. Die echte Entwicklung eines Aktienkurses wird deshalb oft außerhalb außerhalb dessen liegen, was wir erwarten.


Konservatismus (Anchoring and Adjustment)

Der Begriff Konservatismus bezieht sich aus Sicht der Behavioral Finance auf unsere Unfähigkeit, den Einfluss neuer Informationen auf unsere Schätzungen richtig bzw. in ausreichendem Maße zu berücksichtigen. Es kann z.B. sein, dass wir gerade die Bewertung eines Unternehmens abgeschlossen haben, wenn neue Informationen (z.B. in Form des Quartalsberichts) veröffentlicht werden. Auch wenn diese Informationen einen signifikanten Einfluss auf unsere Bewertung haben könnten, haben wir die Tendenz, eher an unserer ursprünglichen Schätzung bzw. an unseren ursprünglichen Annahmen festzuhalten (konservativ). Das heißt wir sind psychologisch mit unserer alten Schätzung verankert.

Wenn z.B. die Informationen im Quartalsbericht, wenn unabhängig betrachtet, auf einen Rückgang des Aktienkurses von 30% hindeuten würden, dann haben wir die Tendenz auf Basis unserer ursprünglichen Analyse einen geringeren Rückgang, z.B. um nur 15% anzunehmen. In vielen Fällen führt das dann zu negativen Überraschungen, wenn der Aktienkurs dann tatsächlich die neuen Informationen entsprechend reflektiert.

Ein anderes Beispiel sind z.B. Vorhersagen der Wirtschaftsentwicklung: In Abhängigkeit vom derzeitigen wirtschaftlichen Umfeld werden wir tendenziell eher zu optimistisch oder zu pessimistisch sein, nämlich abhängig davon, ob wir gerade einen Wirtschaftboom oder eine Krise erleben bzw. hinter uns haben.


Angst vor dem Unbekannten (Aversion to Ambiguity)

Das Konzept der Angst vor dem Unbekannten lässt sich gut anhand von Wahrscheinlichkeiten erklären. Wenn jemand z.B. eine Münze wirft, dann werden viele von uns trotz der niedrigen Gewinnchance von 50% auf eine Seite setzen. Sind die Gewinnchancen allerdings unbekannt, dann werden wir uns tendenziell eher zurückhalten.

Hiermit eng zusammen hängt auch der so genannte Trugschluss des Spielers. Wenn wir z.B. eine Münze bereits 10 Mal geworfen haben und alle 10 Mal hat die Münze “Kopf” (und nicht “Zahl”) angezeigt, dann haben wir das Gefühl, die Wahrscheinlichkeit, dass beim nächsten Wurf dann eine “Zahl” folgt, ist extrem hoch. Wie wir ja aber wissen, ist die Wahrscheinlichkeit nach wie vor bei 50%, denn sie ändert sich ja nicht, unabhängig davon, was die vorhergehenden Würfe ergeben haben.

Was bedeutet dieses Konzept nun für das Investieren bzw. aus Sicht der Behavioral Finance? Es könnte z.B. erklären, warum wir tendenziell eher in Märkten investieren, die ein klare Richtung aufweisen (meistens aufwärts). Wenn die Aktienkurse allgemein nach oben gehen und die Stimmung an den Börsen gut ist, dann schätzen wir die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Wachstums größer ein und trauen uns auch, darauf zu wetten, indem wir ebenfalls auf den Zug aufspringen. In einem Markt, der keine klare Richtung zeigt, halten wir uns dann aber eher zurück, weil wir keine Wahrscheinlichkeiten zuordnen können.


Abhängigkeit von Rahmenbedingungen

Die Abhängigkeit von Rahmenbedingungen beinhaltet die Annahme, dass unsere Entscheidungen und unser Handeln abhängig sind vom Rahmen in dem wir z.B. Informationen erhalten (z.B. über die Medien) oder den Umständen, in denen wir uns gerade persönlich befinden (z.B. emotional). Wenn wir Entscheidungen unabhängig von unseren Rahmenbedingungen treffen würden, dann wären diese einzig und allein ökonomischer Natur und unsere Gemütsverfassung etc. hätten keinen Einfluss darauf.

Hier die 4 wesentlichen Verhaltensmuster, die auf unsere Abhängigkeit von den Rahmenbedingungen zurückgeführt werden können.


Verlustangst (Verlustaversion oder Loss Aversion)

Die Verlustaversion ist einer der wesentlichen Grundsätze der Behavioral Finance. Verlustaversion bezieht sich auf unsere Abneigung einen Verlust zu akzeptieren. Eine Aktie kann signifikant unter unserem Kaufpreis gehandelt werden, wir werden sie tendenziell trotzdem weiter halten in der Hoffnung, dass der Kurs bald wieder nach oben geht und wir dann bei plusminus Null noch aussteigen können.

Dieses Verhalten hat auch mit Veränderungen des Status Quo zu tun. Wir sind zögerlich, Dinge zu verändern, weil dies bedeutet, dass wir eine Meinung haben und eine Entscheidung darauf basierend treffen. Und eine Entscheidung zu treffen beinhaltet eine sehr reale Chance, dass die Entscheidung falsch ist. Nichts tun fühlt sich für uns im Gegensatz dazu viel besser an, auch wenn wir wissen, dass es falsch ist.

Die Angst vor Verlusten kann auch dazu führen, dass wir überdurchschnittlich hohe Risiken eingehen in der Hoffnung, noch den Break Even zu erreichen.

Interessanterweise gibt es einen großen Unterschied zwischen dem Gefühl zu gewinnen und dem Gefühl zu verlieren. Wir hassen es noch viel mehr zu verlieren, als wir uns darüber freuen, zu gewinnen. Das haben viele Untersuchungen gezeigt. In der Science wurde z.B. ein interessantes Experiment veröffentlicht, in dem 2 Gruppen von Probanden jeweils 50 USD ausgehändigt und dann unabhängig voneinander jeweils 2 Optionen angeboten wurden:

  • Gruppe 1 konnte entweder 30 USD direkt behalten oder sich auf ein Spiel einlassen, bei dem mit 50%iger Wahrscheinlichkeit entweder die gesamten 50 USD gewonnen oder verloren würden
  • Gruppe 2 konnte entweder 20 USD direkt verlieren oder sich auf ein Spiel einlassen, bei dem mit 50%iger Wahrscheinlichkeit entweder die gesamten 50 USD gewonnen oder verloren würden

Beiden Gruppen wurde also de facto die gleiche Option präsentiert. Allerdings entschieden sich aus der ersten Gruppe nur 43% für das Spiel, während sich aus der zweiten Gruppe 61% dafür entschieden zu zocken.

Auch Nobelpreisträger Daniel Kahneman (befasst sich ebenfalls seit den 1970er Jahren mit Behavioral Finance) erzählt von einer Frage, die er regelmäßig seinen Studenten stellt:

In my classes, I say: ‘I’m going to toss a coin, and if it’s tails, you lose 10 USD. How much would you have to gain on winning in order for this gamble to be acceptable to you?

People want more than 20 USD before it is acceptable. And now I’ve been doing the same thing with executives or very rich people, asking about tossing a coin and losing 10,000 USD if it’s tails. And they want 20,000 USD before they’ll take the gamble.

Das heißt unsere Gewinnchance muss mehr als 2 mal so hoch sein, wie unser maximal möglicher Verlust. Ansonsten lassen wir uns auf das Spiel mit dem Münzwurf tendenziell nicht ein.

Das heißt also, dass erstens unsere Entscheidungen sehr stark davon abhängen, wie uns die Optionen präsentiert werden, zweitens dass ein Verlust für uns emotional viel schwieriger zu akzeptieren ist, als ein Gewinn und drittens, dass wir um Verluste wieder auszugleichen, unangemessen hohe Risiken eingehen würden.


Minimierung des Bedauerns (Minimization of Regrets)

Im Kontext des Investierens bezeichnet Reue bzw. Bedauern rückblickend das Gefühl, eine schlechte Entscheidung getroffen zu haben. “Hätte ich nur…” schießt uns dann typischerweise durch den Kopf. Beispielsweise könnte es passieren, dass wir eine gut laufende Aktie zu früh verkaufen und dann zusehen müssen, wie sie um weitere 100% nach oben geht. “Hätte ich die Aktie nur nicht verkauft” sagen wir uns dann. Wir haben die Tendenz dazu, dieses Reue-Gefühl zu vermeiden bzw. soweit wie möglich auszuschließen.

Es gibt nun zwei typische Situationen, die aus dieser Tendenz resultieren:

  • Wir bleiben eher bei Investments mit denen wir uns wohl fühlen, z.B. Sparbüchern oder festverzinsliche Wertpapiere (was zu niedrigen Renditen und einer nicht ausreichenden Diversifizierung führt)
  • Anstelle profitable Investments zu verkaufen, verwenden wir eher Zinszahlungen oder Dividenden, um unsere Lebenshaltungskosten zu finanzieren

Die Illusion des Geldes (Money Illusion)

Die Illusion des Geldes bezieht sich auf die Art und Weise, wie wir auf die Geldentwertung, also die Inflation reagieren. Weil wir typischerweise in nominalen Beträgen denken und rechnen, vernachlässigen wir bei unseren Investitionsentscheidungen und der Festlegung unserer Renditeziele oft die Inflation. Das heißt wir reagieren positiv auf hohe Renditen, auch wenn die Inflation hoch ist. Umgekehrt reagieren wir negativ auf niedrige Renditen, auch wenn die Inflation quasi bei Null liegt. Wir schauen also tendenziell nicht auf die realen, inflationsbereinigten Werte.


Ineffiziente Märkte entstehen

Die Markteffizienzhypothese geht wie bereits angesprochen davon aus, dass alle Investoren ihre Entscheidungen rational auf Basis der gleichen Informationen treffen (d.h. die Informationen auch gleich interpretieren und die gleichen Vorhersagen machen). Daraus resultieren dann faire Bewertungen für alle Vermögenswerte, es gibt also keine Über- oder Unterbewertungen von Aktienkursen.

Vor allem übersteigertes Selbstbewusstsein, Verlustangst, die Nutzung von Stereotypen und das Festhalten an veralteten Informationen (Verankerung) können aber nun zu (teilweise starken) Ineffizienzen im Aktienmarkt, d.h. zu falsch bewerteten Aktien führen. Hiermit hilft Behavioral Finance, die Ineffizienzen an den Märkten besser zu erklären.

Wenn z.B. Investoren eine Aktie auf Basis des letzten (guten) Quartalsergebnisses kaufen und damit den Preis nach oben treiben kann das kurzfristig zu einer Abweichung des Kurses vom intrinsischen Wert führen, weil typischerweise ein einzelnes Quartalsergebnis kein guter Indikator für die zukünftige Entwicklung der Unternehmensgewinne darstellt.


Bedeutung für uns als Investoren

Die Bedeutung des Behavioral Finance Konzeptes sowie die daraus abgeleiteten Ineffizienzen der Märkte hat für uns als Investoren zwei wichtige Implikationen:

  • Die Tatsache, dass die Märkte zu bestimmten Zeiten ineffizient sind, d.h. dass Aktien auch mal stärker unter- bzw. überbewertet sein können, bedeutet, dass es durchaus möglich ist, auf Basis einer guten, fundamentalen Analyse von Unternehmen den Markt zu schlagen.
  • Aufgrund unserer menschlichen Psyche und den daraus entstehenden Verhaltensmustern sollten wir allerdings lernen, wie wir mit diesen Verhaltensmustern richtig umgehen können

Was also tun?

Aus meiner Sicht ist es nur wenigen Menschen möglich, das Ausblenden der Emotionen und anderer, nicht rationaler Einflussfaktoren im Investitionsprozess wirklich zu lernen. Es gibt allerdings verschiedene Möglichkeiten, damit besser umzugehen. Was uns allen aber bewusst sein muss: Es erfordert viel Zeit, Erfahrung und vor allem eine Reflektion unserer Entscheidungen.

Am Anfang steht, wie in vielen Fällen, das Bewusstsein. Das heißt, wir müssen uns unsere typischen Verhaltensmuster bewusst machen und diese idealerweise in unserem Investitionsprozess berücksichtigen.


Checklisten

Eine Möglichkeit dies zu tun, sind Checklisten. Idealerweise sollten wir einen festgelegten Investitionsprozess haben, d.h. so etwas wie eine Liste der Analysen, die wir für ein Unternehmen typischerweise durchführen, bevor wir einen Anteil daran erwerben. Ein Teil dieses Prozesses könnte darin bestehen, einmal die typischen Verhaltensmuster durchzugehen und herauszufinden, ob und wo wir ggf. gerade irrationales Verhalten zeigen oder von externen Einflüssen, Gefühlen, Stimmungen beeinflusst werden.


Top 5 Gründe für eine Investition

In diesem Zusammenhang kann es in einem zweiten Schritt sehr hilfreich sein, für jede Investition einmal die wesentlichen Gründe aufzuschreiben, auf Basis derer wir die Entscheidung für ein Investment getroffen haben. Dies ermöglicht uns dann einen Rückblick auf unsere Entscheidungen und ein besseres Verständnis unserer Fehler. Im Zeitverlauf können wir so unsere Checkliste weiter ausarbeiten und auf unsere persönlichen Verhaltensmuster anpassen.

Warum ist das relevant? Nun, da wir uns ja bekanntlich alle mehr oder weniger stark unterscheiden, werden auch die Einflussgrößen für jeden von uns andere sein. Manche von uns reagieren sehr stark auf die Meinung von Autoritäten (z.B. Handelsblatt), andere wiederum sind sehr stark von den eigenen Emotionen beeinflusst. Allein die typischen Verhaltensmuster aus der Behavioral Finance zu kennen, ist also deshalb im Zweifel nicht ausreichend und wir sollten über Zeit versuchen, so viel wie möglich über unsere ganz spezifischen Biases zu lernen.


Detailliert analysieren

Unabhängig von dem was wir bereits über unsere Verhaltensmuster wissen, hilft auch eine gründliche Untersuchung des Unternehmens, also des Geschäftsmodells, des Wettbewerbs und des Managements (sowohl qualitativ als auch quantitativ, z.B. über die Analyse des Jahresabschlusses oder bestimmter Finanzkennzahlen) schonmal weiter. Je mehr Fakten wir sammeln, desto eher werden unsere Emotionen von diesen überlagert und desto eher treffen wir unsere Entscheidung basierend auf diesen Fakten.


Overnight Test

Bisher ging es nur darum, externe Einflüsse, Emotionen etc. bei der Kaufentscheidung richtig einzuschätzen und zu berücksichtigen. Was ist aber, wenn wir überlegen, eine Aktie zu verkaufen? Hierzu wurde in der NY Times einmal ein interessanter Test veröffentlicht, der Overnight Test (ich selbst habe das Experiment allerdings zugegebenermaßen noch nicht selbst ausprobiert).

Bei diesem kleinen Experiment stellen wir uns vor, dass wir ein paar Aktien im Depot haben, die wir damals auf Empfehlung eines guten Bekannten gekauft hatten, die aber seitdem stark an Wert eingebüßt haben. Wir sind nun zögerlich, was den Verkauf angeht, weil wir hoffen, dass die Aktien im Wert wieder steigen werden (Verlustaversion). Nun stellen wir uns außerdem vor, dass über Nacht alle Aktien dieser Firma verkauft und in unserem Depot durch Cash ersetzt wurden. Wir stellen uns die Frage: Sollen wir die Aktien zurückkaufen? Wenn wir diese Frage mit “Ja” beantworten können, dann glauben wir tatsächlich an das Potenzial der Firma. Ansonsten haben wir tatsächlich nur Angst vor der Realisierung unseres Verlustes.

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