In einem meiner letzten Artikel hatte ich euch einen Überblick über die besten Informationsquellen für eine erste Unternehmensanalyse vorgestellt. Eine der wesentlichsten und wichtigsten Quellen auf dieser Liste stellt natürlich der Geschäftsbericht bzw. der Jahresbericht (bzw. in den USA auch der 10-K) dar. Unabhängig vom individuellen Research-Prozess wird das Lesen des Geschäftsberichts von quasi allen erfolgreichen und fundamental orientierten Investoren als essentiell erachtet.
Was heißt “Geschäftsbericht lesen” aber eigentlich genau? Sollten wir tatsächlich den gesamten Bericht – manchmal 100 oder auch 200 Seiten – komplett lesen, insbesondere dann, wenn wir zunächst nur ein paar grundsätzliche Dinge über ein Unternehmen verstehen wollen?
In diesem Artikel möchte auf diese und einige weitere Fragen einmal etwas näher eingehen… und vor allem auch darauf, wie wir möglichst effizient an die Lektüre eines Geschäftsberichts oder eines 10-K herangehen können.
Geschäftsbericht versus 10-K
Bevor wir in die relevanten Inhalte von Geschäftsberichten bzw. 10-Ks einsteigen, zunächst aber nochmal ein paar inhaltliche Abgrenzungen bzw. Unterscheidungen.
Das Erscheinungsbild und auch die Inhalte von Geschäftsberichten unterscheiden sich nicht nur von Land zu Land, sondern ggf. auch von Unternehmen zu Unternehmen, jeweils abhängig davon, wie konsequent bzw. detailliert die Regulierungsbehörden bzw. die Börsenaufsicht (in den USA z.B. die SEC) das Inhaltliche regeln bzw. vorgeben und welche Zusatzinformationen die Unternehmen auf freiwilliger Basis veröffentlichen.
Pflichtteil
Sowohl in Deutschland als auch in den USA gibt es einen so genannten Pflichtteil, den alle Unternehmen in ihrem Jahresabschluss veröffentlichen müssen. Dieser Teil beinhaltet die prüfungspflichtigen bzw. prüfungsrelevanten Informationen.
USA
In den USA trägt dieser Pflichtteil den Namen 10-K (bzw. 20-F, das Äquivalent zum 10-K für ausländische, aber in den USA gelistete Unternehmen) und muss je nach Unternehmensgröße innerhalb von 60 bis 90 Tagen nach Ablauf des Geschäftsjahres bei der SEC (der US Securities and Exchange Commission) eingereicht werden, wo interessierte Investoren den Bericht dann entsprechend herunterladen und analysieren können.
Hier einmal das Standard-Inhaltsverzeichnis eines 10-K, welcher aus vier Teilen besteht (eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Punkte findet ihr auch auf der Seite der SEC):
Teil I
- Item 1: Business
- Risk Factors
- Unresolved Staff Comments
- Item 2: Properties
- Item 3: Legal Proceedings
- Item 4: Mine Safety Disclosure
Teil II
- Item 5: Market for Registrant’s Common Equity, Related Shareholder Matters and Issuer Purchases of Equity Securities
- Item 6: Selected Financial Data (bis Februar 2021 verpflichtend)
- Item 7: Management Discussion and Analysis (MD&A) of Financial Condition and Results of Operations
- Quantitative and Qualitative Disclosure about Market Risk
- Item 8: Financial Statements and Supplementary Data
- Item 9: Changes in and Disagreements with Accountants on Accounting and Financial Disclosure
- Controls and Procedures
- Other Information
Teil III
- Item 10: Directors, Executive Officers and Corporate Governance
- Item 11: Executive Compensation
- Item 12: Security Ownership of Certain Beneficial Owners and Management and Related Stockholder Matters
- Item 13: Certain Relationships and Related Transactions, and Director Independence
- Item 14: Principal Accountant Fees and Services
Teil IV
- Item 15: Exhibits and Financial Statement Schedule
- Item 16: 10-K Summary
Inhaltsverzeichnis 10-K, Quelle: Apple Inc.
Deutschland
In Deutschland regeln IFRS bzw. HGB die wesentlichen Inhalte. Der Pflichtteil beinhaltet im Wesentlichen Folgendes:
- Bericht des Aufsichtsrats
- Lagebericht
- Jahresabschluss
- Segmentberichterstattung (nur verpflichtend, wenn das Unternehmen nach IFRS bilanziert)
- Bestätigungsvermerk des Wirtschaftsprüfers
- Gewinnverwendungsvorschlag
- Corporate Governance-Erklärung
Die Inhalte des so genannten Lageberichts werden im §289 des HGB geregelt. Das gilt auch für Unternehmen, die nach IFRS reporten, weil IFRS “nur” eine unverbindliche Anwendungsrichtlinie veröffentlicht hat, die Umsetzung etc. allerdings bei den nationalen Aufsichtsbehörden liegt.
Hier einmal die typischen Inhalte des Lageberichts (auf Basis des Inhaltsverzeichnisses der Volkswagen AG):
- Ziele und Strategien
- Steuerung und Kennzahlen
- Struktur und Geschäftstätigkeit
- Ãœbernahmerechtliche Angaben
- Geschäftsverlauf
- Aktie und Anleihen
- Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage
- Nachhaltige Wertsteigerung
- Prognosebericht
- Risiko- und Chancenbericht
- Aussichten für das laufende Jahr
- Vergütungsbericht
Oder hier nochmal die Struktur des Lageberichts für die Freenet AG:
- Organisationsstruktur und Geschäftsmodell
- Unternehmensstrategien und -ziele
- Unternehmenssteuerung
- Wirtschaftsbericht
- Gesamtwirtschaftliche Entwicklung (freiwilliger Teil)
- Branchenbezogene Entwicklung (freiwilliger Teil)
- Wesentliche Ereignisse im Geschäftsjahr
- Geschäftsverlauf (Überblick, Vergleich zur Prognose, Gesamteinschätzung)
- Vermögens-, Finanz- und Ertragslage
- Chancen- und Risikobericht
- Prognosebericht
- Nachtragsbericht
- Nichtfinanzielle Erklärung
- Corporate Governance
Wie ihr seht, enthält der Lagebericht einen Großteil der Informationen, die im 10-K im ersten Teil unter “Business” und “Risk Factors”, im zweiten Teil unter “Management Discussion & Analysis” sowie im dritten Teil unter “Corporate Governance” und “Executive Compensation” enthalten sind.
Eine 1-zu-1 Zuordnung der Inhalte zum 10-K ist zwar nicht möglich, der bei Weitem größte Teil der Informationen ist aber an der ein oder anderen Stelle in beiden Berichten zu finden.
Freiwilliger Teil
Auf freiwilliger Basis können Unternehmen den Jahresbericht noch um einige weitere Bestandteile ergänzen. Hier einmal die wesentlichsten:
- Aktionärsbrief bzw. Shareholder Letter (tatsächlich ist dieser kein Pflichtbestandteil)
- allgemeine wirtschaftliche Situation
- wirtschaftliche Situation der Branche
- weitere Angaben zum Geschäftsverlauf
- Sozial-, Umwelt-, Risiko- und Forschungsbericht
In den USA ist es oft so, dass der auf der Unternehmenswebseite veröffentlichte Jahresbericht aus dem weit verbreiteten Aktionärsbrief (Letter to Shareholders) sowie dem standardisierten 10-K zusammengesetzt ist… unter anderem veröffentlichen Berkshire Hathaway und Amazon ihre Jahresberichte nach dieser Logik. Es gibt den 10-K allerdings immer auch separat, mindestens auf der Seite der SEC.
In Deutschland gibt es dagegen nur einen einzigen integrierten Report, der sowohl die Pflichtangaben, als auch den freiwilligen Teil beinhaltet.
Andere Länder können ggf. natürlich etwas andere Reporting-Strukturen und -inhalte verwenden.
Im Folgenden werde ich daher versuchen, etwas zu vereinheitlichen und die wesentlichen Bestandteile sozusagen regionen- / länderübergreifend zu adressieren (jedenfalls was die USA und Deutschland angeht).
Erste Analyse von Geschäftsbericht bzw. 10-K
Da unser Ziel zunächst darin besteht, das Unternehmen initial “kennenzulernen” – also ein grundlegendes Verständnis zu erlangen -, werden wir uns auf ein paar spezifische Bereiche konzentrieren:
- Unternehmensbeschreibung und Geschäftsmodell (Business Description)
- Chancen und Risiken (Risk Factors)
- Ausgewählte Finanzdaten (Selected Financials)
- Wirtschaftsbericht (grob vergleichbar mit der Management Discussion & Analysis)
- Jahresabschluss & ausgewählte Teile des Anhangs (Financial Statements & Supplementary Data)
1. Unternehmensbeschreibung und Geschäftsmodell (Business Description)
Der Teil zur Unternehmensbeschreibung und zum Geschäftsmodell erstreckt sich in den meisten Fällen über ca. 10 Seiten (äquivalent zu ca. 15 bis 30 Minuten Lesezeit würde ich sagen). Entsprechend der Struktur eines typischen Lageberichts würde ich hierunter die Informationen zu Organisation und Geschäftsmodell, Strategien und Zielen sowie zur Unternehmenssteuerung verstehen… beim 10-K sollten die wesentlichen Informationen Teil des Items Nr. 1, also der “Business Description”, sein.
Sinn und Zweck dieser Abschnitte ist es, den Investoren einen umfassenden Überblick über den wirtschaftlichen Zweck des Unternehmens, die wesentlichen Produkte bzw. Dienstleistungen, das Geschäftsmodell sowie die wichtigsten Steuerungs-KPIs zu geben.
In den meisten Fällen wird das Management dazu sowohl auf das Unternehmen als Ganzes, als auch auf die für Management- und Berichtszwecke relevanten Segmente eingehen. Üblicherweise werden hier bereits die wesentlichsten Zahlen, Daten und Fakten in tabellarischer Form heruntergebrochen dargestellt. Weiterhin wird in der Regel auf Aspekte wie geistiges Eigentum, Kunden, Wettbewerb, saisonale und andere Faktoren eingegangen.
Das Lesen dieser einführenden Informationen hat gleich mehrere Vorteile:
- Die Erläuterung des Geschäftsmodells sollte es uns ermöglichen, die wesentlichen branchenüblichen Begrifflichkeiten zu verstehen und ggf. in konkrete und für uns einfacher verständliche Logiken zu übersetzen
- Die Aufschlüsselung von Umsätzen und operativen Gewinnen nach Segmenten, Produkten oder auch Vertriebskanälen (z.B. Offline versus Online) sollte uns in der Regel ein erstes Gefühl für die Relevanz oder auch Dominanz einzelner Kategorien geben
- Ganz allgemein sollten wir außerdem das Bestreben bzw. den Willen des Managements erkennen können, das Geschäft für Investoren einfach und verständlich genug zu erklären
Wenn wir also das Ende dieses Teils erreicht haben und uns immer noch fragen, wie das Unternehmen eigentlich genau sein Geld verdient, dann kann das entweder bedeuten, dass das Management – bewusst oder unbewusst – schlechte Arbeit bei der Erklärung des Geschäftsmodells geleistet hat oder dass sich das Unternehmen bzw. die Branche deutlich außerhalb unseres Kompetenzkreises bzw. unseres “Circle of Competence” befindet.
In beiden Fällen sollten wir unsere initiale Analyse vermutlich hier am besten direkt abzubrechen und uns einem anderen Unternehmen zuwenden… es sei denn natürlich, es ist unser erklärtes Ziel, unseren Kompetenzkreis in genau diese Richtung zu erweitern.
2. Chancen- und Risikobericht (Risk Factors)
Der nächste wichtige Punkt bei der Analyse eines Geschäftsberichts bzw. eines 10-K beinhaltet das Überfliegen der wesentlichen Risiken, denen das Unternehmen und die zugehörige Branche ausgesetzt sind.
Im 10-K ist hierfür der Abschnitt “Risk Factors” (das Item Nr. 1b) vorgesehen. Normalerweise wird hier jedes relevante Risiko als fett gedruckte Ãœberschrift dargestellt… gefolgt von einer kurzen und meist sehr allgemein gehaltenen Beschreibung.
Im Geschäftsbericht eines deutschen Unternehmens sind die wesentlichen Geschäftsrisiken Teil des so genannten “Chancen- und Risikoberichts”, in dem die Risiken ebenfalls aufgelistet und kurz beschrieben werden. Darüber hinaus gibt es in der Regel aber noch eine etwas detailliertere Beschreibung des eingesetzten Risikomanagement-Systems sowie auch eine tabellarische Auflistung der relevanten Risiken inklusive einer Indikation für erwartetes Schadensausmaß (in der Regel das EBIT-Risiko) und Eintrittswahrscheinlichkeit (jeweils nach der Logik “hoch”, “mittel”, “niedrig”).
Aufgrund der juristischen Relevanz der veröffentlichten Risiko-Informationen sind die Inhalte der entsprechenden Abschnitte aber oft eher am Schutz vor möglichen Klagen als an der detaillierten Aufklärung bzgl. der Risiken ausgerichtet. Inhaltlich sollten wir also nicht zu viel erwarten.
Auf dieser Basis sollten wir den Chancen- und Risikobericht – in Summe meist ebenfalls ca. 10-15 Seiten – vermutlich grob überfliegen, sodass wir die einzelnen Risiken und deren Relevanz grob verstehen, ohne jedoch unbedingt jede einzelne (Standard-)Beschreibung komplett durchzulesen.
3. Ausgewählte Finanzdaten (Selected Financial Data)
Eine der besten Möglichkeiten, sich einen schnellen Ãœberblick über die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens zu verschaffen, ist der Abschnitt “Ausgewählte Finanzdaten” – wie auch bereits in der Duff & Phelps Case Study von Joel Greenblatt am Beispiel erläutert. Je nach Unternehmen können die ausgewählten Finanzdaten manchmal zwei oder drei, manchmal fünf oder in seltenen Fällen auch schonmal 10 Jahre abdecken.
In den USA war die Veröffentlichung der ausgewählten Finanzdaten im 10-K bisher bisher verpflichtend, ist aber aufgrund der heutzutage breiten Verfügbarkeit der Daten über alternative Informationsquellen (z.B. die SEC-Datenbank EDGAR oder Data Provider wie S&P, Finbox oder Morningstar) mit dem Jahr 2021 weggefallen (siehe hier für ein paar Details). Man muss also einmal abwarten, ob die US-Unternehmen die Mehrjahresübersicht im 10-K von nun an entsprechend wegfallen lassen oder ggf. alternativ in ihrem Geschäftsbericht für die Aktionäre weiterhin veröffentlichen.
In Deutschland gab es die Verpflichtung zur Veröffentlichung einer Mehrjahresübersicht zwar ohnehin nicht. Nichtsdestotrotz stellen auch viele deutsche Unternehmen ihrem Geschäftsbericht eine Übersicht über die ausgewählten Finanzdaten voran bzw. inkludieren eine Mehrjahresübersicht am Ende des Berichts (Fresenius und Freenet beispielsweise veröffentlichen fünf Jahre, Daimler und Volkswagen nur die vorgeschriebenen zwei Jahre analog zum Jahresabschluss).
Obwohl die in diesem Abschnitt dargestellten Informationen in der Regel noch nicht ausreichen, um konkretere Schlussfolgerungen zu ziehen, können sie uns bereits ein gutes Gefühl für Faktoren wie Umsatz- und Gewinnwachstum, operative Gewinnmarge und Kapitalrendite (ROCE oder ROIC), Kapitalintensität (siehe hierzu auch die Duff & Phelps Fallstudie), Verschuldungssituation (Stichwort Credit Rating) oder auch Cash Conversion geben… ggf. sind die Informationen sogar bereits ausreichend, um den Research-Prozess direkt abzubrechen (z.B. wenn die Verschuldung zu hoch oder die nachhaltige Cash-Generierungsfähigkeit zu gering erscheint).
Unter Umständen, d.h. je nach Detailgrad der Informationen, können wir außerdem bereits ungewöhnliche Entwicklungen oder Ausreißer erkennen… z.B. welcher Teil der Aufwendungen und Erträge als einmalig bzw. nicht wiederkehrend klassifiziert wurde (oft zu erkennen an der Differenz zwischen EBIT(DA) und EBIT(DA) Adjusted) oder ob die Nettogewinne stark von steuerlichen Effekten abhingen.
Ein guter Ansatz zur Nutzung der tabellarischen Aufstellung könnte darin bestehen, sich zunächst ein paar Notizen zu den von uns als relevant erachteten Faktoren zu machen, um nach einer detaillierteren Überprüfung des Jahresabschluss (siehe Punkt 5) nochmal darauf zurückzukommen.
4. Wirtschaftsbericht (MD&A)
Der Wirtschaftsbericht ist der Teil des Lageberichts, in dem das Management im Detail auf die Ereignisse des gerade abgelaufenen Geschäftsjahres eingeht.
Im Idealfall werden zunächst einige hilfreiche Informationen zum gesamtwirtschaftlichen Umfeld und zu den Economics der relevanten Branchen (d.h. Marktgröße, Segmentierung, Wachstumsdynamik) bereitgestellt… ist allerdings keine Pflicht.
Im Anschluss wird in der Regel auf die wesentlichen Ereignisse des Geschäftsjahres sowie den Geschäftsverlauf auf Segment- bzw. Produktebene eingegangen (inkl. einer Aufführung der wesentlichen Steuerungs-KPIs) bevor zum Abschluss die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage dargestellt wird. Die Inhalte dieses Teils entsprechen im Wesentlichen denen der Management Discussion & Analysis (MD&A) im US-amerikanischen 10-K Report… mit dem Unterschied, dass der 10-K in der Regel drei anstelle von nur zwei historischen Jahren aufführt.
Bei der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage handelt es sich übrigens im Wesentlichen um eine Erläuterung der wichtigsten Positionen des Jahresabschlusses, also z.B. von Umsatzentwicklung, Rohertragsmarge, Personalaufwand, Vermögenswerten, Schulden und Eigenkapital sowie Liquidität (also i.W. erwirtschaftete Cash Flows). In der Regel geht das Management hier alle wichtigen Zahlen durch und erläutert die wesentlichsten Veränderungen.
Auch dieser Abschnitt enthält, wie ihr sehen könnt, viele relevante Informationen, die wir aufmerksam lesen und als inhaltliche Ergänzung bzw. weitere Erläuterung des Jahresabschluss verstehen sollten.
5. Jahresabschluss und Anhang (Financial Statements)
Schlussendlich sollten wir natürlich im Rahmen der ersten Durchsicht eines Geschäftsberichts den Jahresabschluss nicht vergessen.
Ich gehe hier einmal davon aus, dass ihr die typischen Komponenten eines Jahresabschlusses bereits kennt (falls nicht, lest euch nochmal unsere kurze Einführung in den Jahresabschluss durch).
Neben der detaillierten Durchsicht von GuV, Bilanz und Kapitalflussrechnung sollten wir im ersten Durchlauf den Anhang eher selektiv lesen. Hierfür bieten sich aus meiner Sicht die folgenden Teilbereiche an:
- Zusammensetzung des Gewinns, insbesondere Größenordnung von nicht-wiederkehrenden oder außergewöhnlichen Erträgen oder Aufwendungen (z.B. Sonderabschreibungen, Asset-Verkäufe, etc.) – um die Nachhaltigkeit des Gewinns zu bewerten
- Damit in Zusammenhang stehend: Entwicklung der Cash Conversion bzw. der wesentlichsten Working Capital Positionen (Lagerbestände, Forderungen)
- Segmentberichterstattung – um herauszufinden, welche Segmente am wesentlichsten für die aktuelle (und zukünftige) Entwicklung des Unternehmens sind… ggf. auch im Hinblick auf unsere spätere Analyse der Unit Economics
- Ãœbersicht über die immateriellen, materiellen und geleasten Vermögenswerte (in der Struktur des 10-K gibt es dafür auch noch den Abschnitt “Properties”) – um zu verstehen, welche Art von Vermögenswerten für den Geschäftsbetrieb benötigt werden, wie diese bewertet sind, ob ggf. irgendwo stille Reserven existieren (z.B. unterbewertetes Immobilienvermögen) etc.
Natürlich hängt die Relevanz bestimmter Teile des Anhangs auch etwas vom Geschäftsmodell ab. Wir sollten deshalb versuchen, aus der Beschreibung des Geschäftsmodells bereits möglichst viele relevante Spezifika im Hinblick auf die Analyse des Jahresabschluss abzuleiten.
Fazit
Um einen ersten Überblick über ein Unternehmen zu erhalten, müssen wir nicht den gesamten Geschäftsbericht bzw. 10-K Seite für Seite lesen.
Stattdessen bietet es sich an, den Fokus zunächst auf die wesentlichsten inhaltlichen Teile des Berichts zu legen, um schneller evaluieren zu können, ob wir uns mit dem Unternehmen überhaupt näher auseinandersetzen möchten… die begrenzte Zeit, die uns zur Analyse von Unternehmen zur Verfügung steht, sollten wir natürlich nicht mit dem Lesen irgendwelcher irrelevanter Accounting-Policies verbringen.
Zu diesen “wesentlichen” Inhalten gehören neben der Unternehmensbeschreibung und der Erläuterung des Geschäftsmodells vor allen die Zusammenfassung der wesentlichen Financials (idealerweise in einer Mehrjahresübersicht), die Ãœbersicht über die Risikofaktoren, sowie die relevanten Teile des Jahresabschlusses bzw. Anhangs.
Bzgl. der Reihenfolge können wir zwar wie hier beschrieben analog des typischen Aufbaus eines Geschäftsberichts vorgehen. Je nach Präferenz können wir allerdings auch zunächst mit dem quantitativen Teil (also 5-Jahres-Übersicht und Jahresabschluss inklusive Anhang) starten und erst danach zu Geschäftsmodell, Risikofaktoren etc. übergehen.
2 Kommentare zu „Geschäftsberichte und 10-Ks effizient lesen: So geht’s“
Auch wenn ich gerade am Strand liege und dabei die Sonne genieße: vielen Dank für Mehrwert und Anleitung für die Bewertung der Unternhmen/Aktien. Werde es nächste Woche noch einmal lesen 🙂
Pingback: Schmankerl der Woche KW30 2021 –