Disney: Wie Streaming die Medien- und Entertainmentbranche verändert

Disney Streaming

Inhalt

In meinem Jahresrückblick 2017 hatte ich mir vorgenommen, in diesem Jahr einige Industrien besser zu verstehen. Dazu gehörte unter anderem auch die Medien-/Entertainment-Branche, die ja gerade mit gleich mehreren großen Übernahmen (AT&T – Time Warner und Disney – Fox bzw. Comcast – Fox) von sich Reden macht. Da ich ja irgendwo mal den Anfang machen muss, habe ich mir Disney (DIS) als einen der großen Player für meine erste Analyse ausgesucht.

In diesem Artikel möchte ich einmal versuchen, die Funktionsweise der Entertainmentbranche, die Geschäftsmodelle etc. am Beispiel von Disney etwas besser zu verstehen. Wie ihr außerdem sehen werdet, verschwimmen die Grenzen zwischen der Erstellung von Inhalten und der Verfügbarmachung der Inhalte zunehmend.


Investment Thesis (die Disney “Story”)

Disney hat wie keine andere Firma aus der Medienbranche in den letzten Jahren und Jahrzehnten auf hochqualitative Inhalte und bekannte Marken gesetzt. Damit hat Disney eine etwas andere Strategie verfolgt, als z.B. Netflix, das den Fokus aus eine schnell und einfach skalierbare Form der Verfügbarmachung gelegt hat. Hierbei findet allerdings aktuell bereits viele Nachahmer, die mehr oder weniger den gleichen Ansatz verfolgen.

Wenn die Anbieter zu einem bestimmten Zeitpunkt dann alle mehr oder weniger die gleichen Methoden verwenden, wird der Wettbewerb sich wieder auf die Inhalte fokussieren. Dabei hat Disney den klaren Vorteil über die besten und vielfältigsten Inhalte zu verfügen. Darüber hinaus fließen die Inhalte bei Disney in mehrere Segmente, die zusätzlich etwas zum Umsatz beitragen und helfen, die Produktionskosten niedrig zu halten (niedriger jedenfalls, als der Wettbewerb bestehend aus Netflix und anderen Streaming-Anbietern es kann).

Aktuell (und ohne Berücksichtigung der FOX-Übernahme) scheint Disney mit ca. 100-110 USD je Aktie mehr oder weniger fair bewertet zu sein. Das größte Risiko für Disney besteht in den nächsten Jahren darin, dass die Abonnenten der Kabelnetzwerke (v.a. ESPN) weiter abnehmen und Disney es gleichzeitig nicht schafft, diese in die verschiedenen Streaming-Angebote zu überführen.


Startpunkt Disney: Gewinnrückgang bei Media Networks

Wenn wir uns die Financials der letzten fünf Jahre (2013 bis 2017) ansehen, dann sehen eine recht positive Entwicklung der Profitabilität, nämlich

  • einen Anstieg der EBIT-Marge von ca. 21% auf ca. 25%
  • einen Anstieg des ROIC (NOPAT/Investiertes Kapital) von unter 12% auf über 18%

Darüber hinaus wuchsen sowohl Umsatz als auch operativer Gewinn mit einer relativ konstanten Rate (CAGR) von durchschnittlich 4,6% bzw. 8,6% pro Jahr. Der Predictability Rank bzw. die Vorhersagbarkeit von Umsatz und Gewinn ist recht hoch bei über 90%.

Wir müssen also schon auf Segmentebene schauen, um genauer zu verstehen, in welche Richtung sich das Unternehmen entwickelt (und auch, um die Motivation für die Übernahme der FOX Assets zu verstehen).

Disney besteht aus insgesamt vier Segmenten:

  • Media Networks
  • Parks and Resorts
  • Studio Entertainment
  • Consumer Products & Interactive Media

Fokus: Disney’s Segmente

Media Networks – Kabel- und Antennenfernsehen

Im Media Networks Segment hat Disney seine Aktivitäten rund um das Thema Fernsehen (Kabel-TV und terrestrisches Fernsehen) zusammengefasst. Zum Media Networks Segment gehören unter anderem die Kabelnetze ESPN, Disney und Freeform, das TV-Netzwerk ABC (welche alle auch ihre eigenen Programme, also ihren eigenen Content erstellen) sowie mehrere TV-Stationen in den USA. Darüber hinaus hält Disney noch Equity-Beteiligungen, z.B. an Hulu (30%, mehr dazu später) oder A+E (u.a. History Channel).

Bei ESPN dreht sich alles um Sport. ESPN betreibt in den USA 8 und international 19 verschiedene Sportsender. Das Netzwerk besitzt die Übertragungsrechte an mehreren größen Sportevents (u.a. MLB, NBA, NFL, US Open, Wimbledon, Golf Masters, Fußball). Dazu kommen Webseiten (ESPN.com), Events, Apps sowie auch ein zweiwöchentlich erscheinendes Magazin. Disney hat international über 100 Kanäle (in 162 Ländern) und macht die Inhalte darüber hinaus auch über eigene Internetangebote (z.B. Disneychannel.com) und Video-on-Demand (also über Netflix etc.) verfügbar.

ABC ist eins der größten TV-Netzwerke in den USA und erreicht über die eigenen Stationen sowie Affiliate-Verträge mit über 240 TV-Stationen quasi 100% der amerikanischen Bevölkerung.

Umsätze werden im Segment Media Networks im Wesentlichen aus folgenden Bereichen generiert:

  • Gebühren für Kabel-, Satelliten- und Telekommunikationsdienstanbieter (traditionelles Mehrkanal-Video), digitale (over-the-top oder OTT) Multichannel Video Programming Distributoren (MVPDs) und verbundene Fernsehsender, die Disney’s Programme ihren Kunden / Abonnenten zur Verfügung stellen (“Affiliate-Gebühren”)
  • den Verkauf von TV-Werbeplätzen an Werbetreibende (“Anzeigenverkauf”)
  • den Verkauf von Nutzungerechten an Fernsehsender und -distributoren (“Programmverkäufe”), unter anderem auch an die Subscription Video-on-Demand (SVOD) Services wie Netflix, Hulu und Amazon Prime

Operative Kosten entstehen vor allem aus Programm- bzw. Porduktionskosten für TV-Programme, technische Kundenbetreuung, Personal- und Distributionskosten.


Parks and Resorts – Freizeitparks, Casino Hotels, Resorts und Kreuzfahrten

Walt Disney Co. ist unter anderem auch Betreiber verschiedener Freizeitparks und Resorts. Im speziellen gehören zu Disney:

  • Walt Disney World Resort in Florida
  • das Disneyland Resort in Kalifornien
  • das Disneyland Paris
  • Aulani (Disney Resort & Spa in Hawaii)
  • der Disney Vacation Club
  • die Disney Cruise Line (dazu gehören 4 Kreuzfahrtschiffe)
  • Adventures by Disney
  • ein 47%-Anteil am HongKong Disneyland Resort
  • ein 43%-Anteil am Shanghai Disney Resort

Das Segment Parks and Resorts generiert Umsätze aus einer Vielzahl verschiedener Geschäftsmodelle. Ein wesentlicher Punkt sind natürlich die Umsätze aus dem Ticketverkauf für die Themenparks. Aber auch mit Übernachtungen in den zahlreichen Resort-Hotels, dem Verkauf von Speisen, Getränken und Merchandise, dem Verkauf von Kreuzfahrt- und anderen Urlaubspaketen sowie auch der Vermietung von Ferienclubs werden Einnahmen generiert. Darüber hinaus kommt durch Sponsoring und Co-Branding Verträge, Immobilienvermietungen- und verkäufe sowie auch durch Lizenzgebühren (hauptsächlich für den Betrieb des Tokyo Disney Resorts) Gelder in die Kasse.

In jedem Resort befinden sich eine Vielzahl an Hotels (teils eigene, teils von externen Firmen betriebene), oft mit angeschlossenen Casinos.


Studio Entertainment – Großes Kino

Das Segment Studio Entertainment generiert Umsätze vor allem aus der Distribution von Filmen für Kino, Home Entertainment, TV und SVOD (Subscription Video-on-Demand). Darüber hinaus wird ein geringer Teil der Umsätze mit dem Vertrieb von Musik sowie der Lizensierung geistigen Eigentums (z.B. die bei Disney entwickelten Musicals wie Aladin, König der Löwen etc.) erwirtschaftet.

Zum Bereich Studio Entertainment gehören vor allem die Marken bzw. Produktionsstudios Walt Disney Pictures, Pixar, Marvel, Lucasfilm und Touchstone.

Die Produktion und Distribution einiger Marvel Produktionen (z.B. Spiderman, X-Men, Fantastic Four) wurden übrigens bereits vor der Akquisition von Marvel im Jahr 2010 an externe Produktionsstudios lizensiert. Für diese Produktionen bzw. Franchises hat Disney heutzutage also i.W. nur die Rechte am Merchandising.

Eine ähnliche Logik gilt im Falle von Lucasfilm, welche im Jahr 2013 übernommen wurde. Die Rechte an Merchandising sowie elektronischer Distribution der ersten 6 Star Wars Filme gehören weiterhin Lucasfilm. Die Distribution im Home Entertainment- und Kinobereich ist an eine dritte Partei lizensiert. Die Rechte fallen allerdings 2020 zurück an Lucasfilm bzw. Disney.


Consumer Products & Interactive Media

Das Segment Consumer Products & Interactive Media lizenziert die Marken von Disney an Hersteller von Spielzeugen, Spieleentwickler, Verlage und Einzelhändler in der ganzen Welt. Darüber hinaus entwickelt und veröffentlicht Disney auch selbst Spiele, Bücher, Zeitschriften und Comics.

Der Geschäftsbereich vertreibt außerdem Markenware direkt über den Einzelhandel (teilweise über eigene Disney Stores) sowie den Online- und Großhandel.

Das Segment Consumer Products & Interactive Media erzielt Umsatzerlöse vor allem aus:

  • der Lizenzierung von Markenrechten
  • den Verkauf von Waren über eigene Einzelhandelsgeschäfte, Onlineshops und Großhändler
  • den Verkauf von Spielen über App-Distributoren und online sowie durch In-Game-Käufe von Konsumenten
  • den Verkauf von selbst veröffentlichten Kinderbüchern, -magazinen und Comicbüchern an Großhändler
  • den Verkauf von Werbung in Online-Videoinhalten

Wie ihr an der Umsatz- und Gewinnentwicklung auf Segmentebene sehen könnt, gibt es da schon ein paar Verschiebungen, gerade in den letzten paar Jahren bzw. Quartalen.

Disney - Segment Umsätze

Umsatzentwicklung Disney, Quelle: Disney Finanzberichte

Vor allem der Bereich Parks and Resorts konnte über den gesamten Zeitraum konstante Umsatzzuwächse verzeichnen. Bei allen anderen Segmenten ging der Umsatz im letzten Geschäftsjahr mehr oder weniger stark zurück. Das größte Segment Media Networks (macht über 40% des Gesamtumsatzes aus) verzeichnete wie auch das Geschäft mit den Consumer Products eigentlich bereits seit 2016 eine (starke) Abschwächung des Wachstums.

Disney - Gewinnentwicklung Segmente

Entwicklung des operativen Gewinns Disney, Quelle: Disney Finanzberichte

Schauen wir auf den operativen Gewinn, dann wird das Bild für das Segment Media Networks noch etwas deutlicher. Während der Umsatz in 2017 nur um 0,8% zurückging, brach der operative Gewinn (EBIT) um satte 11% ein. Wenn wir noch genauer hinsehen, dann können wir für das Segment Media Networks bereits seit 2012 einen rückläufigen Trend bei der EBIT-Marge ausmachen.

Hier sieht man das aber nochmal etwas deutlicher:

Disney - Segmente EBIT-Marge

Die EBIT-Marge ging also über die letzten 5 Jahre um ca. 5-6% zurück… trotzdem ist die Marge natürlich im Vergleich zu vielen anderen Industrien noch attraktiv.

Diese Entwicklung lässt aber schon erahnen, dass die starken Veränderungen in der Art und Weise, wie wir als Kunden die Inhalte konsumieren, einen signifikanten Einfluss auf das Geschäftsmodell der Anbieter von Pay-TV, Kabel- und Satellitenfernsehen haben… unter anderem also auch Disney.

Um unser Gefühl noch weiter zu erhärten: Laut Business Insider ging die Zahl der ESPN-Abonnenten seit 2010 um fast 15% zurück, nämlich von ca. 100 Mio. auf aktuell (Mai 2018) knapp über 86 Mio. Abonnenten. Aber auch andere Netzwerke, z.B. MSNBC oder Fox News haben Abonnenten in signifikanter Höhe verloren (6-7%).


Komplikation: Disruptive Veränderungen in der Medien- und Entertainmentbranche

Vergangenheit: Alles linear

Viele Jahre lang hatten die wir als Konsumenten nur sehr begrenzte Möglichkeiten, um visuelle Medien (also Fernsehen und Filme) zu konsumieren: Wir konnten ins Kino gehen, TV schauen (Free- oder auch Pay-TV) oder Videos bzw. DVDs leihen oder kaufen. Diese Optionen hatten alle eine Gemeinsamkeit. Wir konnten uns nicht aussuchen, wann wir diese Inhalte konsumieren, sondern mussten uns nach den Programmen der Kinos und TV-Sender richten.

Dem entsprechend war auch die Wertschöpfungskette der Industrie recht stabil und die Player hatten ihre angestammten Tätigkeitsfelder:

  1. Content -> Filmstudios, Kabelnetzbetreiber und Fernsehstudios
  2. Distribution/Aggregation -> Pay-TV, Kabel-, Satellitenfernsehsender
  3. Übertragung -> Pay-TV, Kabel-, Satellitenfernsehsender
  4. Konsum -> i.W. Hersteller von TV-Geräten

Zukunft: Neue End-to-End Wettbewerber

Inzwischen hat sich die Infrastruktur stark verbessert und Breitband-Internet ist fast überall verfügbar. Entstanden ist daraus ein neuartiger Distributions- bzw. Übertragungsweg für Filme und Serien über das Internet, das so genannte OTT (Over-The-Top). Dies hat die angestammten Systeme der Medien- und Entertainmentbranche kräftig durcheinandergewirbelt, was aktuell zu einem Paradigmenwechsel in unseren Konsumgewohnheiten führt. Auf einmal können wir nämlich kontrollieren, was wir wann wie konsumieren (im Zweifel alle Folgen einer Serienstaffel an zwei Abenden 🙂 ). Daher auch die oben beschriebene Entwicklung bei ESPN.

Die neu entstandenen OTT-Plattformen verfolgen dabei eine Reihe ganz verschiedener Geschäftsmodelle, z.B.

  • Pay-Per-View, z.B. Xfinity oder teilweise auch Apple TV und Amazon
  • Video-Streaming, z.B. Netflix, Youtube oder wieder Amazon
  • “TV-Streaming”, z.B. Sling, Playstation Vue oder waipu.tv (Beteiligung des deutschen Anbieters Freenet)

Darüber hinaus sind, wie ihr an der unten stehenden Abbildung sehen könnt, auf einmal im Bereich Übertragung auch die Telekommunikationsanbieter (Deutsche Telekom, AT&T etc.) mit von der Partie, denn sie stellen ja neben den Kabelnetzbetreibern ebenfalls Internet zur Verfügung.

Media Entertainment Industry Landscape

Quelle: In Anlehnung an RedChalk (www.redchalk.com)

Und eine weitere Sache kommt noch hinzu: Die neuen Anbieter vertreiben nicht mehr ausschließlich nur die durch die Film- und Fernsehstudios produzierten Inhalte, sondern produzieren vor allem (hochqualitative) Serien inzwischen auch selbst. Die besten Beispiele hierfür sind Netflix, Amazon Prime und auch die Disney-Beteiligung Hulu.

Die neuartigen Player wie Netflix decken also die gesamte Wertschöpfungskette von der Erstellung der Inhalte (Content Creation) bis hin zur Bereitstellung der Hardware für den Konsum zu Hause ab.
Disney - Medien Entertainment Industrie

Quelle: In Anlehnung an RedChalk (www.redchalk.com)

Im Grunde genommen sind also bis auf die Produktion der Inhalte alle Schritte in der Wertschöpfungskette mehr oder weniger stark unter Druck.

In gewisser Weise vom Wettbewerb abgeschirmt sind da höchstens noch die Besitzer der natürlichen Monopole, nämlich die Betreiber von Kabel- und Telekommunikationsnetzen (also die Telekom, Vodafone, AT&T, Spectrum/Charter Communications etc.). Während wir aber früher noch beides brauchten (also Kabel- plus Telefonanschluss), kommen wir heute ggf. bereits mit einem von beidem aus… jedenfalls wird diese Entwicklung noch eine Weile weitergehen. Perspektivisch könnten sogar die Mobilfunknetze (5G und Nachfolger) einen größeren Anteil der über das Internet versendeten Datenmengen übernehmen.


Reaktionen: Disney und andere Medienriesen setzen auf Streaming und Content

1. Downstream: Impressionen und Werbeerlöse durch eigenes Streaming

Als Reaktion auf diese veränderten Gegebenheiten haben viele traditionelle Medienunternehmen ihre eigenen Standalone-Streaming-Dienste gestartet. Hierzu gehören unter anderem Sling TV von Dish Network und DirectTV Now von AT&T. Weiterhin haben z.B. Netzwerke wie CBS, reine Content-Ersteller wie HBO und Starz, Sport-Ligen wie die MLB und die NBA und sogar Telekommunikations-Player wie Verizon und soziale Netzwerke wie Facebook (Watch) bzw. Instagram (IG TV) ihre eigenen OTT-Dienste angekündigt. In Deutschland ist das Bild recht ähnlich. Auch die deutschen Medienkonzerne (z.B. ProSiebenSat1 und RTL) haben inzwischen eigene Angebote aufgebaut. Aus dem Telekom-Sektor ist Freenet mit seiner Beteiligung an Exaring bzw. waipu.tv bei Amazon Fire TV, Apple TV etc. vertreten.

Und Disney? Disney ist mit seiner 30%-Beteiligung an Hulu sowie mit dem gerade gestarteten Service ESPN+ dabei und hat für das Jahr 2019 unabhängig von der Akquisition von 21 Century Fox (FOX) einen weiteren Streaming-Dienst angekündigt (dann laufen auch einige der Lizenz-Verträge mit Netflix aus). Dafür hat Disney mit seiner Akquisition von BAMTech bereits den ersten Schritt gemacht (auch ESPN+ funktioniert übrigens mit der Technologie von BAMTech).

Das gesamte Segment befindet sich aus meiner Sicht noch in der Wachstumsphase des Produktlebenszyklus und aktuell ist noch nicht ganz klar, welche Geschäftsmodelle bzw. welche Player mittelfristig in diesem Segment überleben werden.

Wenn man sich diese Entwicklung aber einmal anschaut, dann wird relativ schnell klar, dass z.B. Netflix keine besonderen Wettbewerbsvorteile besitzt, die andere Player davon abhalten würden, einen eigenen Streaming-Service aufzubauen. Denn guten Content – das scheint jedenfalls die Voraussetzung für einen erfolgreichen Streamingdienst zu sein – haben andere Player auch (speziell was Filme angeht).

Warum also will jeder Content-Besitzer selbst streamen? Wäre nicht eine Lizensierung wie bisher (die Star Wars Filme z.B. sind exklusiv bei Netflix enthalten und können ansonsten für einen bestimmten Betrag geliehen oder gekauft werden) eine vergleichbar gute Lösung… und würde gleichzeitig ohne viel CapEx auskommen?

Ich glaube der Kernaspekt hier ist der direkte Zugang zum Konsumenten und damit die Möglichkeit, die bereitgestellten Inhalte über Werbung zusätzlich zu monetarisieren.

Folgendes sagte nämlich Randall Stephenson, CEO von AT&T, zur Übernahme von Time Warner (TWX) durch AT&T (T):

Time Warner and Turner have a a massive inventory of advertising that amounts to more than 750 billion impressions per year. DirecTV and AT&T’s mobile network give the telecom another 150 billion to 200 billion impressions. It’s bordering on one trillion impressions per year we are going to be able to monetize.

Es geht also vor allem darum, stark auf die Konsumenten zugeschnittene Werbung zu platzieren und damit Geld zu verdienen. Dies beißt sich übrigens nicht mit der Vorstellung einer monatliche Abo-Gebühr. Abonnent bei Amazon Prime zu sein heißt z.B. nicht, dass keine Werbung innerhalb der App mehr platziert wird (gerade gestern war dort z.B. eine Anzeige bzw. ein Spot der Volksbank zu sehen).

Mein Fazit also: Je besser die Inhalte, desto mehr Kunden und Impressionen und desto höher die Werbeeinnahmen, sofern es einen direkten Zugang zum Konsumenten gibt. Wer den entsprechenden Content hat, wird sich vermutlich auch im Streaming-Geschäft eine gute Position erarbeiten können. Für die Anbieter ohne eigenen Content besteht immer das Risiko, dass Contenteigner ihre Inhalte auf einmal nur noch über ihre eigenen Plattformen vertreiben bzw. streamen.

In diesem Zusammenhang könnte ein erfolgreiches Modell darin bestehen, verschiedene Streaming-Dienste zu bündeln (wie es ja Amazon z.B. bereits macht). Über den Amazon Fire TV Stick nämlich könnt ihr die digitalen Programme der bekannten TV-Sender schauen, aber z.B. auch Zugang zu Netflix, waipu.tv und anderen Streaming-Angeboten erhalten. Ob die Konsumenten allerdings gewillt sind, mehrere Abos gleichzeitig abzuschließen, bleibt in der Tat abzuwarten.

2. Upstream: Content ist immer noch King

Dem entsprechend besteht der zweite Trend in der Industrie darin, sich Zugang zu den besten Inhalten zu verschaffen. Dies funktioniert im Wesentlichen über drei Vehikel:

  • eine (exklusive) Lizensierung von Inhalten anderer Produzenten (die ggf. keinen eigenen Streaming-Service haben)
  • die eigene Produktion von Serien und Filmen (hierfür haben z.B. sowohl Netflix, Amazon und Gerüchten zufolge auch Apple Drehbuchautoren, Regisseure etc. von den großen, etablierten Produktionsfirmen abgeworben)
  • die Übernahme bzw. Akquisition von Produktionsfirmen mit großen Inhaltsbibliotheken

Gerade Letzteres ist aktuell für viele angestammte Player scheinbar die Option der Wahl. Beispiele hierfür sind

  • Comcasts Vertrag zum Kauf von NBC / Universal im Jahr 2013 sowie die Übernahme von DreamWorks im Jahr 2016
  • die gerade vollzogene Übernahme von Time Warner durch AT&T
  • der Bieterwettstreit um die Assets von 21st Century Fox zwischen Disney und Comcast
  • das langfristige Ziel von Netflix, 50% Originalinhalte auf seiner Plattform zu haben

Disneys Aktivitäten in diesem Bereich beschränken sich ebenfalls nicht allein auf den FOX-Deal. Im Gegenteil. In den vergangenen Jahren hat Disney mit Marvel Entertainment (Comics und Comic-Verfilmungen der Marvel Helden) und mit Lucasfilm (Star Wars) gleich zwei gewichtige Produktionsfirmen übernommen.

Eine Übernahme von 21st Century Fox würde dann neben den Entertainment Assets von 20th Century Fox (Avatar, X-Men, Deadpool etc.) auch den Sender Fox Sports (Ergänzung zu ESPN) und einen weiteren 30%-Anteil an Hulu (und damit die Mehrheit am Streaming-Dienst) bedeuten.


Disney’s Burggraben: Inhalte und Synergien

Disney’s Marken und Inhalte sind unbestritten der wesentliche Treiber des Wettbewerbsvorteils, den das Unternehmen gegenüber den meisten anderen Wettbewerbern besitzt. Disney hat über Jahre (bzw. eher Jahrzehnte) großartige und hochqualitative Inhalte (Geschichten, Filme, Serien etc.) herausgebracht, an denen die Firma auch heute noch die Rechte besitzt. Und die Erfahrung hat ja bereits mehrmals gezeigt, dass alte Themes nach einer gewissen Zeit auch wieder reaktiviert werden können (siehe z.B. Spiderman, Star Wars, Hulk etc.).

Auch wenn es sich beim Segment Studio Entertainment umsatz- bzw- gewinntechnisch nicht um das wichtigste Segment für Disney handelt, kommt dem Bereich doch für die anderen Segmente eine ganz besondere Bedeutung zu. Langfristig sind es nämlich vor allem die Franchise Filme, aus denen später eigene Bereiche in den Freizeitparks entstehen (z.B. das Toy Story Land oder das Star Wars Galaxy’s Edge), neue TV-Sendungen entwickelt werden (z.B. Star Wars Rebels oder Spiderman als Animationsserie) und die in Form von Klamotten, Accessoires etc. in den Disney-Shops und im normalen Einzelhandel vermarktet werden.

Jedenfalls: Das alles treibt die Umsätze und Gewinne in den anderen Segmenten weiter an. Darüber hinaus hat Disney mit Star Wars Episode 9, Toy Story 4, Avengers 4, Captain Marvel, Aladin etc. für die kommenden Jahre einige potenzielle Blockbuster in der Pipeline. Wobei Disney ja gerade einen kleinen Rückschlag mit dem aktuellsten Star Wars Film (Solo) hinnehmen musste und auch der letzte Film der Trilogie (Der letzte Jedi) nicht ganz so gut verkauft hat.


Was in diesem Zusammenhang die Fox Akquisition bedeutet

Die vorgeschlagene Übernahme bestimmter Assets von 21st Century Fox (i.W. 20th Century Fox Studios, Fox Sports, 30%-Anteil Hulu) für aktuell 38 USD je Aktie (71 Mrd. USD insgesamt, davon 50% in bar, 50% in eigenen Aktien) hätte – wie oben bereits angedeutet – mehrere positive Effekte:

  • weiterer Ausbau der Inhaltsbibiliothek mit u.a. Avatar, Ice Age, X-Men, Simpsons. In dieser Größenordnung könnte Disney mehrere Filme pro Monat rausbringen und so den Umsatz weiter stabilisieren
  • Direct-to-Consumer Streaming-Service: Zusammen mit dem 30%-Anteil von Fox hätte Disney die Mehrheit an Hulu und könnte darauf (und zusammen mit dem dann sehr umfangreichen Inhalten) eine starke Position im Streaming-Markt aufbauen
  • Analog zum Toy Story Land könnte es zukünftig auch ein Avatar Land oder Ähnliches geben

Durch die Freigabe des Deals zwischen AT&T und Time Warner ist übrigens eine recht schnelle Übernahme von Fox nun durchaus möglich geworden. Ein höheres Gegenangebot von Comcast steht allerdings nach wie vor im Raum.

Auf die Effekte aus Investorensicht (i.W. Verwässerung Anteile, veränderte Stabilitätskennzahlen wg. zusätzlicher Schulden, ggf. Effekt auf zukünftige Dividendenzahlungen) gehe ich zu einem späteren Zeitpunkt nochmal etwas genauer ein.


Aktienrückkäufe und Dividenden

Über die letzten 10 Jahre hat Disney einen signifikanten Teil seines Free Cash Flows dafür verwendet, um eigene Aktien zurückzukaufen. Dem entsprechend ist auch die Anzahl umlaufender Aktien von ca. 1,95 Mrd. Stück auf ca. 1,54 Mrd. Stück zurückgegangen. Das entspricht einem jährlichen Rückgang von ca. 2,3%.

Disney - Shares Outstanding

Entwicklung umlaufende Aktien Walt Disney Co. [Mio. Stk.], Quelle: Finanzberichte

Wie wir bereits gelernt haben, hängt die Sinnhaftigkeit von Aktienrückkaufprogrammen aber maßgeblich vom Rückkaufkurs ab.

Dazu kommt eine Dividendenrendite von aktuell ca. 1,5%. Wie ihr an der folgenden Grafik sehen könnt, wurde die Dividende in den letzten Jahren kontinuierlich angehoben und liegt inzwischen bei ca. 1,6 USD je Aktie. Das Payout Ratio (bezogen auf den Nettogewinn je Aktie) bewegte sich in den letzten 10 Jahren irgendwo zwischen 15 und 25%, vom Ausreißer in 2015 einmal abgesehen.

Disney Dividende und Payout Ratio

Dividende (rechte Achse) [USD/Aktie] und Payout Ratio [%] Walt Disney Co., Quelle: Finanzberichte

Bisher haben wir eine Verdopplung der Dividende ca. alle drei Jahre gesehen, wobei sich das Dividendenwachstum in den letzten Jahren allerdings etwas abgeschwächt hat.


Bewertung von Disney aktuell fair

Alles in allem sehen die Financials von Walt Disney Co. sehr attraktiv aus. Die Profitabilität hat sich über die Zeit in die richtige Richtung entwickelt und die wesentlichen Bewertungskennzahlen befinden sich im Vergleich zur eigenen Historie auf einem recht günstigen Stand. Hier z.B. die Entwicklung des P/E Ratios bzw. des Kurs-Gewinn-Verhältnisses über die letzten 10 Jahre:

Disney - PE Ratio

Kurs-Gewinn-Verhältnis Walt Disney Co., Quelle: Morningstar

Ein ähnliches Bild erhalten wir, wenn wir uns die anderen relevanten Bewertungskennzahlen einmal ansehen:

Wie ihr (hoffentlich) sehen könnt, liegt das um den Barmittelbestand korrigierte KGV aktuell sogar nur bei ~13,3. Hier spielt natürlich auch die neue Steuergesetzgebung bzw. Abweichungen zwischen Steuerbilanz und Handelsbilanz eine Rolle. Der Effekt ist aber nicht annähernd so signifikant wie z.B. bei Kraft Heinz.

Um aber auf der sicheren Seite zu sein, habe ich den intrinsischen Wert auch mithilfe meines (3-stufigen) DCF-Modells ermittelt und komme auf einen fairen Wert von ca. 100-110 USD je Aktie (Downside 90 USD je Aktie). Wenn wir die Ungenauigkeiten in den Annahmen etc. berücksichtigen, können wir vermutlich sagen, dass die Aktie aktuell mehr oder weniger fair bewertet ist.

Folgende Annahmen liegen meiner DCF-Bewertung zugrunde:

  • Berechnung des FCFF im Jahr 1 (2019):
    • Umsatzwachstum von 4% pro Jahr (10-Jahres-Durchschnitt 4,5%). Hier gibt es natürlich gewisse Risiken, wie einen weiteren / beschleunigten Einbruch im Media Networks Segment ohne Kompensation durch Streamingdienste
    • EBIT-Marge von 25-26% (im Wesentlichen das Niveau der letzten 3 Jahre)
    • Steuersatz von 21% entsprechend der neuen Steuergesetzgebung in den USA (zukünftig keine Vorteile durch eine optimierte Steuerbilanz)
    • Reinvestitionsrate (d.h. CapEx + Akquisitionen – Abschreibungen + Änderungen des Non Cash WC) von 25% (historisch zwischen ca. 10 und 40%, Durchschnitt 24%)
  • Berechnung FCFF der Folgejahre (Jahre 2-10 bzw. 2020 bis 2028)
    • Kapitalrendite (ROIC) von ca. 16% (ergibt sich bereits aus den Annahmen für Jahr 1). Historisch Wachstum von ca. 11% in 2013 auf ca. 17,5% TTM
    • Gewinnwachstum von ca. 4% (= ROIC 16% x Reinvestitionsquote 25%)
  • Berechnung der Endwertes (Terminal Value)
    • Berechnung des Endwertes auf Basis Gewinnwachstum (andere Optionen z.B. EBIT(DA) oder Umsatz Multiple)
    • Langfristige Kapitalrendite reduziert auf 12% (aufgrund des nachhaltigen Wettbewerbsvorteils nach wie vor über Kapitalkosten bzw. WACC)
    • Graduelle Abnahme des Gewinnwachstums ab Jahr 6 auf langfristig 1,5% (Wachstum mit der Inflation)
  • Berechnung des Barwerts bzw. des Eigenkapitalwerts
    • Kapitalkosten angenommen bei ca. 7,5% (das CAPM würde ein recht ähnliches Ergebnis liefern), allerdings langfristig leicht abnehmend aufgrund weiter zunehmender Verschuldung
    • Überschüssige Barmittel: Alles was oberhalb von 2% des Umsatzes an Barmitteln vorhanden ist (Cash & Äq., kurzfristige und langfristige Investments) wird als nicht operatives Cash berücksichtigt
    • Keine Auflösung der latenten Steuerschuld (Deferred Tax Liability), weil ich davon ausgehe, dass Disney auf absehbare Zeit noch höhere Investitionen haben wird (Downside wäre bei Auflösung in ca. 10 Jahren maximal ca. 2-5 USD/Aktie)

Hier das Ergebnis:

Disney DCF

Wie ihr seht, erhalte ich einen intrinsischen Wert von ca. 104 USD je Aktie. Jede Ähnlichkeit mit dem aktuellen Kurs ist übrigens reiner Zufall. Mithilfe einiger relativer Bewertungsverfahren komme ich nämlich zu recht ähnlichen Ergebnissen:


Schlussfolgerungen

Wenn wir nochmal einen Schritt zurücktreten und uns ansehen welche langfristigen Trends auf das Business von Disney wirken, dann sind das vor allem die Entwicklung hin zu Streaming-Diensten über das Internet (und weg vom klassischen Fernsehen und vielleicht sogar Kino) sowie die zunehmende Wichtigkeit der eigenen Inhalte.

Bei beiden Themen ist Disney aus meiner Sicht mehr als gut aufgestellt. Mit seinen Marken und der riesigen Bibliothek an Filmen, Serien, Comics, Büchern etc. sowie einem signifikanten Synergiepotenzial über die verschiedenen Segmente hinweg, ist Disney vermutlich von allen Entertainment-/Medienunternehmen am besten aufgestellt.

Netflix hat was das Streaming angeht zwar den Vorteil der Erste am Markt gewesen zu sein, allerdings nimmt der Wettbewerb immer weiter zu und viele andere Unternehmen drängen in den Markt. Rein technologisch gibt es vermutlich wenige bis gar keine Differenzierungsvorteile, sodass am Ende wieder die Qualität der Inhalte das ausschlaggebende Kriterium sein wird.

Das größte Risiko für Disney besteht darin, dass die Konsumenten der Kabelnetzwerke weiter abnehmen und Disney es gleichzeitig nicht schafft, diese in die verschiedenen Streaming-Angebote zu überführen. Daraus ergibt sich allerdings auch das größte Upside-Potenzial: Sollte Disney mit ESPN+, Hulu und/oder einem weiteren Streaming-Dienst erfolgreich sein (sichtbar wird dies vermutlich frühestens in 2020), dann kann die Aktie im Wert durchaus noch weiter zulegen.

Habt ihr euch die verschiedenen Medien- bzw. Telekomunternehmen schonmal angeschaut? Wer ist aus eurer Sicht der stärkste Player?


Disclaimer

Disclaimer 1: Die Inhalte dieses Artikels wurden mit größtmöglicher Sorgfalt und nach bestem Wissen erstellt. DIY Investor übernimmt jedoch keine Gewähr für die Aktualität, Vollständigkeit und Richtigkeit der bereitgestellten Informationen und haftet nicht für Investitionsentscheidungen, die auf Basis dieser Informationen getroffen werden.

Disclaimer 2: Ich bin aktuell nicht im Besitz von Disney-Aktien und plane nicht innerhalb der nächsten 72 Stunden eine solche Position aufzubauen.


Bildnachweis: Jens Johnsson auf Unsplash

2 Kommentare zu „Disney: Wie Streaming die Medien- und Entertainmentbranche verändert“

  1. Die Analyse gefällt mir sehr gut, spiegelt im großen und ganzen auch meine Gedanken wieder.
    Was mir noch fehlt ist die Erwähnung steigender Content-Kosten als Gefahr, wohl vor allem für Netflix. Es werden z.B. ja auch schon relativ aggressiv entsprechende Fachkräfte dafür an- und abgeworben.

  2. Pingback: Warum Disney plus mit Disney+ macht – fuchsblogt

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