Kraft Heinz… oder warum wir uns nicht nur auf die Kennzahlen verlassen sollten

Kraft Heinz Kennzahlen

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Kraft Heinz

In einem meiner früheren Artikel hatte ich ja mal über den 52-Wochen-Tief Screen geschrieben. Zwar nutze ich die 52-Wochen-Tiefs aktuell nicht sehr oft, um neue Ideen zu finden. Ich schaue mir die Kursverläufe des letzten Jahres für die Werte auf meiner Watchlist aber regelmäßig an. Interessanterweise gibt es da aktuell recht viele Unternehmen, deren Kurs sich um das 52-Wochen-Tief herum bewegt. Dazu gehört auch Kraft Heinz, das Unternehmen welches vor ein paar Jahren durch den Merger der zwei Nahrungsmittelhersteller Kraft Foods und H.J. Heinz entstanden ist… und bei dem Warren Buffett’s Berkshire Hathaway und die Private Equity Firma 3G Capital die Aktienmehrheit besitzen.

Ich habe mir Kraft Heinz zunächst mal in der App von SeekingAlpha angesehen und mich dort etwas eingelesen. Ich nutze die App recht häufig, um die Aktien in meinem Portfolio bzw. auf meiner Watchlist zu beobachten und mehr über die verschiedenen Geschäftsmodelle und Industrien bzw. Branchen zu lernen.

In diesem Artikel geht es aber nicht so sehr um die App selbst, sondern eher darum, dass wir uns nicht zu sehr an den dort (und auf anderen Finanzwebseiten) veröffentlichten Kennzahlen, Ratios und Bewertungen orientieren sollten (auch wenn die Zahlen vielleicht sogar rechnerisch richtig sind).

Speziell möchte ich hier auf die Kennzahlen KGV, Payout Ratio, Stabilitätskennzahlen und Kurs-Buchwert-Verhältnis eingehen.


Kraft Heinz auf den ersten Blick

Schaut euch mal folgenden Screenshot der aktuellen Kennzahlen von Kraft Heinz (KHC) auf SeekingAlpha an (ich vermute, dass diese auf Yahoo Finance oder anderen Finanzwebseiten sehr ähnlich aussehen würden, jedenfalls auf Gurufocus.com stehen die meisten Indikatoren auch auf grün):

Kennzahlen Kraft Heinz SeekingAlpha

Kennzahlen Kraft Heinz, Quelle: SeekingAlpha App

Hier nochmal die offensichtlichen Vorzüge der Kraft Heinz Aktie:

  • Ein KGV von 6,3
  • Eine Dividendenrendite von 4,4% bei einem Payout Ratio von 27%
  • Ein Kurs-Buchwert-Verhältnis von nur knapp über 1,0
  • Warren Buffett’s Berkshire Hathaway und die Private Equity Firma 3G Capital als Hauptaktionäre
  • Ein Nahrungsmittelhersteller mit bekannten und starken Marken (Heinz Ketchup, Kraft, Philadelphia etc.)
  • Ein Aktienkurs auf einem 52-Wochen-Tief und ggü. dem 52-Wochen-Hoch (ca. 90 USD ja Aktie) mit einem Abschlag von fast 50%

Ich kam wie gesagt auf Kraft Heinz, weil das Unternehmen in meinem “Guru-Screen” bzw. meiner Guru-Watchlist enthalten ist und mich das niedrige KGV und die hohe Dividendenrendite angesprochen hatten… und weil die Aktie gerade nahe ihrem 52-Wochen-Tief handelt.

Ein erster Impuls sagt da doch sofort “Kaufen”! Oder etwa nicht?

Bei mir war jedenfalls ein gewisser Drang zu spüren.

Nach allem, was ich aber bisher über das Thema First- und Second Level Thinking gelesen (und auch geschrieben) habe, habe ich mir dann doch noch etwas Zeit eingeräumt, mir das Unternehmen etwas genauer anzuschauen.


Kraft Heinz auf den zweiten Blick

Im nächsten Schritt habe ich mir also die gesamten Financials der letzten 5 Jahre einmal per Makro in mein Bewertungs-Excel geladen.

Nach Analyse der detaillierteren Daten und der Historie muss ich sagen, dass es sehr lohnenswert sein kann, dem ersten Kaufverlangen zu widerstehen, um herauszufinden, welche Geschichte uns die Zahlen wirklich erzählen (Second Level Thinking eben).

Bevor ich aber zu sehr vom Thema abkomme, hier erstmal die Gewinn- und Verlustrechnung von Kraft Heinz. Kleine Info am Rande: 2017 und TTM sind übrigens identisch, weil bis zu meinem Download der Daten letzte Woche noch keine Zahlen für das erste Quartal verfügbar waren.

Wie ihr anhand der Historie sehen könnt, lag der Gewinn bisher bei bestenfalls ca. 3,5 Mrd. USD, nur um im letzten Geschäftsjahr (also 2017) dann auf fast 11 Mrd. USD hochzuschnellen.


Gewinnentwicklung bzw. KGV

Das sehr attraktive Kurs-Gewinn-Verhältnis von 6,3 ist, wie ihr sehen könnt, im Wesentlichen auf einen außerordentlichen positiven Steuereffekt in Höhe von schätzungsweise ca. 6,5 Mrd. USD im Jahr 2017 zurückzuführen.

Korrigieren wir diesen Steuereffekt (nämlich indem wir den Vorsteuergewinn einfach um 21% – den neuen Unternehmenssteuersatz in den USA – reduzieren), dann liegt das KGV bereits beim ca. 16-Fachen des Gewinns.

Bei einem Unternehmen mit einem nicht sichtbar positiven Gewinnwachstum (stattdessen aber mit einem leicht rückläufigen Umsatzniveau) ist das nicht mehr außerordentlich günstig. Wir haben ja bereits bei Vitaly Katsenelson’s Absolute PE Bewertung oder auch bei der Discounted Cash Flow Bewertung gesehen, wie groß der Einfluss eines zukünftigen Gewinnwachstums auf den Unternehmenswert bzw. den Wert des Eigenkapitals typischerweise ist.


Dividendenrendite und Payout Ratio

Die Dividende von Kraft Heinz liegt aktuell bei ca. 2,45 USD je Aktie, was einer Dividendenrendite von über 4% entspricht.

Das ist natürlich sehr attraktiv, gerade bei einem Payout Ratio von “nur” 27%. Leider ist aber auch diese Zahl durch den Steuereffekt etwas geschönt. Tatsächlich liegt das Payout Ratio irgendwo in der Größenordnung um 70%.

Wenn ihr euch mal ein paar Bücher zum Thema Dividendenstrategien durchlest (z.B. Cool bleiben und Dividenden kassieren von den Machern der Webseite Dividendenadel), dann wird oft ein Payout Ratio von maximal 60-70% empfohlen.

Kraft Heinz liegt also gerade noch so am oberen Ende dieses akzeptablen Bereichs. Die große Frage ist aber, ob die Dividende nicht in den kommenden Jahren eventuell sogar gekürzt oder ausgesetzt werden muss?

Schauen wir uns dazu einmal ein paar weitere Kennzahlen an.


Stabilitätskennzahlen

Die Bilanzkennzahlen bzw. Stabilitätskennzahlen zeigen ein etwas gemischtes Bild.

Einerseits liegt das Debt-Equity Ratio unterhalb von 1 und somit die Eigenkapitalquote bei über 50% (beachtet, dass ich hier nicht nur die zinstragenden Schulden, sondern auch Steuerschulden, Pensionslasten etc. berücksichtigt habe).

Andererseits beträgt die Zinsdeckung (bzw. das Interest Coverage Ratio, also EBIT/Zinszahlungen) nur etwa 5. Das entspricht laut Charlie Tian, dem Gründer von Gurufocus und Autor von Invest like a Guru nur einem eher schlechten bis mittelmäßigen Wert (gut wäre ein Wert >10). Ohne Gewinnwachstum und in einem steigenden Zinsumfeld (wie es sich aktuell in den USA andeutet) könnte das irgendwann zu einem Problem werden.

Womit wir wieder bei der Zukunft der Dividende wären. Kraft Heinz hat nämlich zwei Themen, die in den kommenden Jahren wichtig werden und ggf. eine Menge Geld kosten könnten:

  • Schuldentilgung zur Verbesserung der Stabilität
  • Höhere Investitionen in Marketing und F&E bzw. Innovation, um wieder auf einen Wachstumskurs zu kommen (das Unternehmen hat bereits einige White Spots identifiziert, wo noch Wachstum möglich scheint)

Im Grunde genommen würden bei konstanter Dividende noch ca. 1,1 USD je Aktie für Schuldentilgung und die Generierung von Wachstum zur Verfügung stehen (mein nachhaltiger Gewinn je Aktie von ca. 3,6 USD abzüglich der Dividende von 2,5 USD je Aktie). Absolut wären das ca. 1,3 Mrd. USD, was ungefähr den historischen Reinvestitionen entspräche (also das, was über die Abschreibung hinaus jährlich noch investiert und in den Aufbau von Working Capital gesteckt wurde). Und die haben ja erstmal nicht zu einem Gewinnwachstum geführt!

Das scheint also doch recht anspruchsvoll zu sein.


Buchwert

Etwas problematisch ist außerdem, dass ca. 90% der Vermögenswerte keine wirklich “harten” Assets darstellen:

Kraft Heinz Zusammensetzung Vermögenswerte, Quelle: Morningstar

Wie ihr sehen könnt, machen Goodwill und andere immaterielle Vermögenswerte den Großteil der im Unternehmen vorhanden Vermögenswerte aus.

Bei den immateriellen Vermögenswerten handelt es sich hauptsächlich um die Werte der Marken bzw. Markenrechte (“Brand Equity”). Bei drei Marken mit Umsätzen über 1 Mrd. USD (Heinz, Kraft und Planters) sowie einer Reihe von Marken mit Umsätzen über 500 Mio. USD, sind die immateriellen Vermögensgegenstände vermutlich in der Tat recht werthaltig. Diese werden über die Zeit planmäßig auch nicht abgeschrieben und bleiben deshalb ohne entsprechendes Impairment erstmal wertstabil.

Goodwill auf der anderen Seite ist nichts anderes als der über den fairen Wert der Assets hinaus bezahlte Kaufpreis im Rahmen der Übernahme.

Sollten sich Teile des Goodwill oder der immateriellen Vermögenswerte als nicht werthaltig erweisen, dann würde das natürlich direkt auf das Eigenkapital bzw. den Buchwert durchschlagen.

Insofern ist auch das aktuelle Kurs-Buchwert-Verhältnis von ca. 1 bzw. der Buchwert von ca. 49 USD je Aktie etwas in Relation zu sehen.


Fazit

Frage: Würdet ihr auf der Basis dieser Informationen in Kraft Heinz investieren? Hättet ihr es euch auf Basis der Kennzahlen von SeekingAlpha bzw. Gurufocus überlegt?

Ihr merkt worauf ich mit diesem Artikel hinaus will. Ich möchte hier keine Investitionsempfehlung abgeben… und auch keine Aktienanalyse für Kraft Heinz durchführen oder Ähnliches.

Stattdessen möchte ich euch einmal für die Schwächen der Kennzahlen auf den bekannten Finanzportalen sensibilisieren. Auch wenn die Portale einen immensen Mehrwert bieten (ich selbst nutze die Infos ja auch sehr intensiv), sollten wir doch immer noch etwas genauer hinsehen und unsere ersten Rückschlüsse nochmal in Frage stellen.

Jedenfalls bei Kraft Heinz (ohne wie gesagt gegen oder für ein Investment zu sprechen) zeigt der zweite Blick ein völlig anderes Bild als die Kennzahlen in der SeekingAlpha App suggerieren.


Disclaimer

Disclaimer 1: Die Inhalte dieses Artikels wurden mit größtmöglicher Sorgfalt und nach bestem Wissen erstellt. DIY Investor übernimmt jedoch keine Gewähr für die Aktualität, Vollständigkeit und Richtigkeit der bereitgestellten Informationen und haftet nicht für Investitionsentscheidungen, die auf Basis dieser Informationen getroffen werden.

Disclaimer 2: Ich bin nicht im Besitz irgendwelcher in diesem Artikel genannter Aktien und beabsichtige nicht, innerhalb der nächsten 72 Stunden eine Position aufzubauen.

1 Kommentar zu „Kraft Heinz… oder warum wir uns nicht nur auf die Kennzahlen verlassen sollten“

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