APV Adjusted Present Value

Adjusted Present Value (APV) – Eine Alternative zum klassischen DCF-Ansatz

APV Adjusted Present Value

Inhalt

APV Adjusted Present Value

Ich bin ja auf DIY Investor schon recht detailliert auf die Abschätzung des intrinsischen Wertes mithilfe der DCF-Methode und auch auf die Ermittlung der zugehörigen Kapitalkosten eingegangen. Es gibt allerdings auch noch ein paar Abwandlungen des “Standard” DCF-Ansatzes, wozu unter anderem auch der so genannte “Adjusted Present Value” oder APV gehört.

Was ich am Adjusted Present Value Verfahren interessant finde, ist die Trennung der Kapitalkosten in einen Eigen- und einen Fremdanteil und die Aufspaltung des intrinsischen Wertes in einen hypothetischen Wert (100% Eigenkapitalfinanzierung) sowie einen Vorteil durch Fremdfinanzierung.

Im Grunde genommen also eine “Was wäre wenn” Kalkulation. Wie hoch wäre der Unternehmenswert, wenn das Unternehmen zu 100% mit Eigenkapital finanziert wäre? Und was ist im zweiten Schritt nun der konkrete Effekt der Fremdfinanzierung?

In diesem Artikel möchte ich einmal etwas detaillierter auf die Kalkulationsmethodik des APV eingehen.


Recap: Discounted Cash Flow

Bevor wir im Detail Adjusted Present Value eingehen, möchte ich zunächst nochmal ein paar Worte zum klassischen DCF-Ansatz verlieren.

Im Rahmen der DCF-Bewertung ermitteln wir typischerweise die zukünftigen Cash Flows in zwei Schritten:

  1. Wir schätzen die individuellen Cash Flows für die nächsten sagen wir mal 5 Jahre ab
  2. Wir ermitteln den so genannten Endwert (Terminal Value), der die Jahre 6 bis unendlich abdeckt bzw. den Unternehmenswert in 5 Jahren repräsentiert

Diese Cash Flows diskontieren wir anschließend mit den Kapitalkosten auf den heutigen Zeitpunkt zurück, um den so genannten Enterprise Value zu ermitteln. In einem finalen Schritt reduzieren wir diesen Enterprise Value um die Nettoverschuldung (das Net Financial Debt oder NFD), um zum Wert des Eigenkapitals zu gelangen.

Die folgende Abbildung veranschaulicht das Vorgehen einmal auf einer aggregierten Ebene:

DCF Logik - Adjusted Present Value

Nutzen wir die für alle Kapitalgeber – also Anteilseigner und Gläubiger – zur Verfügung stehenden Cash Flows (Stichwort Free Cash Flow to Firm oder FCFF), dann verwenden wir für die Abzinsung typischerweise die entsprechend der Kapitalstruktur gewichteten Kapitalkosten, auch genannt WACC.

Die Kapitalstruktur findet im klassischen DCF-Verfahren also ausschließlich über die Kapitalkosten Berücksichtigung.

Ãœbersicht Adjusted Present Value

Der Adjusted Present Value Ansatz ist bei weitem nicht so weit verbreitet wie die traditionelle Discounted Cash Flow-Methode, obwohl – um es einmal vorweg zu nehmen – beide am Ende bei konsistenten Annahmen zum gleichen Ergebnis führen sollten (warum trotzdem meist nicht das Gleiche herauskommt, darauf gehe ich weiter unten noch ein).

Im Grunde genommen unterscheiden sich die beiden Ansätze auch nicht großartig. Der APV bietet uns lediglich etwas mehr Transparenz bezüglich des Einflusses der Fremdfinanzierung auf den Unternehmenswert.

Um diese Transparenz zu schaffen, wird in der Berechnungslogik des Adjusted Present Value in zwei Schritten auf den intrinsischen Wert (Enterprise Value) hingeleitet:

  1. Es wird zunächst der Wert eines hypothetischen unverschuldeten Unternehmens ermittelt (also ohne die Berücksichtigung der Hebelwirkung des Fremdkapitals)
  2. Anschließend wird der Effekt der Fremdfinanzierung nochmal separat bewertet und zum Wert des unverschuldeten Unternehmens hinzuaddiert

Dieses schrittweise Vorgehen bzw. diese Unterteilung habe ich einmal versucht grafisch darzustellen:

Adjusted Present Value

Die Adjusted Present Value Methode hilft uns also dabei, den Effekt der Nutzung von Fremdkapital auf den Unternehmenswert besser zu verstehen… ganz ähnlich zur Logik hinter den verschiedenen Kapitalrenditen: Der Return on Invested Capital (ROIC) gibt uns Aufschluss über die Effektivität des Kapitaleinsatzes eines Unternehmens. Der Vergleich mit dem Return on Equity (ROE), also der Eigenkapitalrendite, erlaubt uns Rückschlüsse auf die Effekte des Einsatzes von Schulden.

Im Wesentlichen entstehen diese positiven Effekte der Verschuldung auf den Unternehmenswert durch zwei Hebel:

Die Nutzung des Adjusted Present Value Verfahrens eignet sich also insbesondere für Situationen, in denen ein Unternehmen eine stark gehebelte Kapitalstruktur besitzt, also beispielsweise in Leveraged Buyout (LBO) Situationen.


Konkrete Berechnung des Adjusted Present Value bzw. APV

Wie läuft nun die Berechnung mithilfe des Adjusted Present Value (im Vergleich zum traditionellen DCF-Verfahren) genau ab?

Die gute Nachricht zuerst: Die Bestimmung der freien Cash Flows und auch des Terminal Value können wir ganz äquivalent zum DCF-Ansatz übernehmen.

Die wesentlichen Unterschiede kommen aus dem Ansatz für die Kapitalkosten. Im Rahmen der klassischen DCF-Methode (auf Basis des FCFF) schauen wir uns wie oben dargestellt zunächst ja auch die für alle Kapitalgeber verfügbaren Cash Flows an, zinsen diese dann aber mit einem entsprechend der aktuellen Kapitalstruktur gewichteten Kapitalkostensatz auf den heutigen Zeitpunkt ab.

Für die Ermittlung des APV nutzen wir zunächst die (unverschuldeten) Eigenkapitalkosten, um die Cash Flows auf den heutigen Zeitpunkt abzudiskontieren, weil wir ja erstmal keine Steuer- oder andere Finanzierungseffekte erfassen möchten.

Für die Berechnung des Adjusted Present Value gehen wir dem entsprechend in zwei Schritten vor:

  1. Der erste Schritt besteht darin, den Wert eines Unternehmens ohne die Hebelwirkung des Fremdkapitals abzuschätzen, indem wir den Barwert der freien Cash Flows auf Basis der Eigenkapitalkosten ermitteln
  2. Im nächsten Schritt folgt dann die Berechnung des erwarteten Steuervorteils aus Fremdfinanzierung. Diesen zinsen wir im einfachsten Fall mit den entsprechenden Fremdkapitalkosten ab und addieren den Barwert der Steuereffekte (also mit anderen Worten des Tax Shields) zum unverschuldeten Barwert hinzu

Formeltechnisch sieht das Ganze dann so aus:

Adjusted Present Value = ungehebelter Firmenwert + Nettoeffekt der Verschuldung

wobei der Nettoeffekt der Fremdverschuldung aus der abgezinsten jährlichen Steuerersparnis herrührt.

Bei Annahme einer ewigen Rente würden wir dies beiden Formelbestandteile folgendermaßen bestimmen:

  • Ungehebelter Firmenwert = Free Cash Flow to Firm / unverschuldete Eigenkapitalkosten
  • Nettoeffekt der Verschuldung = (Fremdkapitalkosten x Schuldenstand x Steuersatz) / Fremdkapitalkosten

Der Begriff “unverschuldete” Eigenkapitalkosten trägt dem Umstand Rechnung, dass auch die Kapitalkosten von der Verschuldung abhängen. Mit zunehmender Verschuldung (und ab einem bestimmten Verschuldungsgrad) wird natürlich auch das Halten des Eigenkapitals risikoreicher und der Aktionär würde eine höhere Risikoprämie verlangen.

Die unverschuldeten Eigenkapitalkosten werden – im Gegensatz zu den verschuldeten Eigenkapitalkosten – übrigens mit dem so genannten Unlevered Beta berechnet (falls wir das CAPM verwenden).

Die im Rahmen des Adjusted Present Value Ansatzes verwendeten (unverschuldeten) Eigenkapitalkosten sind nicht notwendigerweise identisch mit den (verschuldeten) EK-Kosten des DCF-Modells. Die Annahmen zur Bestimmung der Eigenkapitalkosten (z.B. im Rahmen des CAPM) sind eine mögliche Ursache für Abweichungen zwischen den Ergebnissen von APV und traditionellem DCF-Ansatz.

Beispiel Adjusted Present Value

Um die Berechnungslogik des Adjusted Present Value Ansatzes zu illustrieren, nehmen wir einmal ein ganz einfaches Beispiel.

Hier zunächst ein paar Grundannahmen:

  • NOPAT = EBIT x (1 – Steuersatz): 70 Mio. EUR (= FCFF, weil Abschreibungen und CapEx identisch sind und es auch ansonsten keine Accounting-Effekte gibt)
  • Unendliche Fortschreibung der Cash Flows, d.h. Anwendung der Formel für die ewige Rente. Für den Fall einer expliziten Cash Flow Prognose, beispielsweise für eine Zeitspanne von 5 Jahren, funktioniert die Logik aber ganz genau so
  • Schuldenstand: 200 Mio. EUR
  • Unverschuldete EK-Kosten: 12%
  • Fremdkapitalkosten (vor Steuern): 5%
  • Steuersatz: 30%

Im ersten Schritt bestimmen wir den Wert des unverschuldeten Unternehmens, indem wir den FCFF mit den unverschuldeten Eigenkapitalkosten in einen Barwert umrechnen:

Wert des unverschuldeten Unternehmens = 70 Mio. EUR / 12% = 583 Mio. EUR

Anschließend ermitteln wir den Wertbeitrag der Fremdfinanzierung:

Nettoeffekt der Fremdfinanzierung = (200 Mio. EUR x 5% x 30%) / 5% = 60 Mio. EUR

Aus beiden Effekten zusammengenommen ergibt sich ein intrinsischer Wert für das Gesamtunternehmen von 643 Mio. EUR (= 583 Mio. EUR + 60 Mio. EUR).


Key Take Aways

Beim Adjusted Present Value (APV) handelt es sich um eine Abwandlung des klassischen DCF-Ansatzes.

Während der Einfluss der Fremdfinanzierung im klassischen DCF-Ansatz über die gewichteten Kapitalkosten (WACC) berücksichtigt wird, werden Eigen- und Fremdanteil im Rahmen der der APV-Methode getrennt erfasst.

Ganz praktisch bedeutet das, dass die ermittelten freien Cash Flows – welche äquivalent zum klassischen DCF-Ansatz ermittelt werden – zunächst mit den (unverschuldeten) Eigenkapitalkosten diskontiert und anschließend um den Effekt des Fremdkapitaleinsatzes korrigiert werden.

Vorteil dieser Methode ist eine erhöhte Transparenz bzgl. des Einflusses der Fremdfinanzierung auf den Unternehmenswert.

Wichtiger Disclaimer: Eine Überleitung zum klassischen DCF-Ansatz ist nur bei konsistenten Kapitalkosten-Annahmen möglich. Aufgrund der unterschiedlichen Risikoprofile für die Eigenkapitalgeber bei unterschiedlichen Fremdkapitalanteilen unterscheiden sich die im APV-Verfahren verwendeten unverschuldete EK-Kosten von den für die Bestimmung des WACC verwendeten verschuldeten EK-Kosten. Auf den Zusammenhang zwischen den beiden Größen (Stichwort Debt Beta) gehe ich zu einem späteren Zeitpunkt nochmal separat ein.

2 Kommentare zu „Adjusted Present Value (APV) – Eine Alternative zum klassischen DCF-Ansatz“

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