Ansätze zur Abschätzung des Maintenance Capex

Inhalt

Maintenance CapEx bzw. Erhaltungsinvestitionen abschätzen

Neben der Bewertung des reinen Sachwertes (also entweder des Net Current Asset Value oder des Ersatzwertes bzw. Replacement Value) ist der konservativste Bewertungsansatz die Bewertung auf Basis der aktuellen Cash Flows ohne Berücksichtigung irgendwelcher unsicheren Wachstumsoptionen. Für diese Bewertung stehen uns i.W. zwei Verfahren, nämlich der Owner Earnings Ansatz von Warren Buffett sowie der Earnings Power Value (EPV) Ansatz von Bruce Greenwald zur Verfügung. Beide Ansätze erfordern eine Abschätzung der so genannten Erhaltungsinvestitionen bzw. des Maintenance CapEx.

Unter Maintenance CapEx verstehen wir im Wesentlichen die Investitionen, die ein Unternehmen für die Aufrechterhaltung des aktuellen Umsatzniveaus benötigt. Oder wie Warren Buffett es formuliert:

[…] the average annual amount of capitalized expenditures for plant and equipment, etc. that the business requires to fully maintain its long-term competitive position and its unit volume. – Warren Buffett (Berkshire Hathaway Letter to Shareholders 1986)

Die Herausforderung besteht also darin, herauszufinden, welcher Teil der jährlichen Investitionen in Sachanlagen (CapEx) für die Aufrechterhaltung des aktuellen Geschäftsumfangs erforderlich ist. Und welcher Teil für weiteres Wachstum aufgewendet wird. Für diese Abschätzung gibt es mehrere Lösungsansätze mit den entsprechenden Vor- und Nachteilen.

In diesem Artikel möchte ich einmal die verschiedenen Ansätze vorstellen, die mir zur Abschätzung der Erhaltungsinvestitionen bisher über den Weg gelaufen sind.


Einordnung und Übersicht der Ansätze

Für eine detailliertere Übersicht der Bewertungsverfahren sowie die DIY Bewertungslogik schaut euch am besten zunächst einmal die folgenden Artikel an:

Im Rahmen der konservativen Owner Earnings Bewertung oder der Bewertung auf Basis des Earnings Power Value (EPV) unterstellen wir, dass es kein Umsatz- und/oder Gewinnwachstum gibt und passen alle Kennzahlen dem entsprechend an (nach unten wie auch nach oben).

Im Gegensatz zum traditionellen DCF-Ansatz auf Basis des freien Cash Flows (FCFF oder FCFE) benötigen wir deshalb gerade NICHT die tatsächlichen Investitionen, sondern nur den für die Aufrechterhaltung des aktuellen Umsatzniveaus erforderlichen Anteil.


Erste Vereinfachung: Erhaltungsinvestitionen = Abschreibungen

Dem entsprechend besteht der einfachste Ansatz zur Abschätzung des Maintenance CapEx darin, einfach die jährlichen Abschreibungen als Proxy / Annäherung für die Erhaltungsinvestitionen bzw. den Maintenance CapEx zu verwenden.

Konkret bedeutet dies, dass wir vor allem die typische Anpassung im Rahmen der Berechnung des freien Cash Flow (FCFF, FCFE), nämlich das Hinzuaddieren der Abschreibungen und das anschließende Abziehen des CapEx nicht durchführen.

Warum ist das so? Ganz einfach: Die Abschreibungen sind ja nichts anderes, als die auf die vorgesehene Nutzungsdauer der Vermögenswerte verteilten Investitionen der Vergangenheit. Das heißt, wenn die im Accounting-System hinterlegten Nutzungsdauern (z.B. 20 Jahre für eine bestimmte Maschine oder Produktionsanlage) mit den tatsächlichen Nutzungsdauern übereinstimmen und gleichzeitig die Maschinen heute in der Anschaffung noch genauso teuer sind wie bei der Erstanschaffung, dann sollten die Abschreibungen die tatsächlich erforderlichen Erhaltungsinvestitionen gut repräsentieren.

Da dies leider unter anderem aufgrund des technologischen Fortschritts oft nicht der Fall ist, werden die Abschreibungen in vielen Fällen tatsächlich oberhalb des heutzutage benötigten Maintenance CapEx liegen (natürlich gilt diese Regel nicht immer und nicht für alle Industrien).

In der Literatur wird deshalb des öfteren z.B. ein Abschlag von pauschal 25% auf die Abschreibungen definiert. Dieser wird dann wieder zum Gewinn bzw. zum EBIT hinzuaddiert (“Excess Depreciation”).


Durchschnittlicher CapEx = Maintenance CapEx

Ein zweiter, vereinfachter Ansatz besteht darin, die durchschnittlichen Investitionen in Sachanlagen über die letzten Jahre anzuschauen und einfach anzunehmen, dass diese im Grunde genommen die Erhaltungsinvestitionen bzw. den Maintenance CapEx reflektieren.

Alle Investitionen oberhalb des Durchschnitts würden dann entsprechend für weiteres Wachstum aufgewendet.

In vielerlei Hinsicht ist dieser zwar sehr einfache Ansatz zwar nicht ganz abwegig. Weil viele Unternehmen in der Realität aber tatsächlich in jedem Jahr Investitionen in Wachstumsprojekte tätigen (u.a. auch einfach nur, weil Großinvestitionen meist über mehrere Jahre laufen), haben wir auch hier eine gewisse Unsicherheit.


Maintenance CapEx nach Bruce Greenwald

Den aus meiner Sicht bekanntesten Ansatz stelle Bruce Greenwald in seinem Buch Value Investing vor.

Greenwald’s Startpunkt ist im Wesentlichen das jährliche Umsatzwachstum. Sein Ansatz basiert auf der Annahme, dass jeder EUR zusätzlicher Umsatz durch entsprechende Investitionen unterstützt werden muss. Ohne zusätzliche Investitionen z.B. in weitere Produktionsanlagen also kein Umsatz- oder Gewinnwachstum.

We calculate the ratio of PPE to sales for each of the five prior years and find the average. We then multiply this ratio (the average) by the growth (or decrease) in sales dollars the company has achieved in the current year. – Bruce Greenwald


Logik

Im Einzelnen folgt Greenwald’s Ansatz den folgenden Schritten:

  1. Berechnung des durchschnittlichen PPE/Sales Ratios bzw. Sachanlagen/Umsatz Verhältnisses
  2. Ermittlung der Wachstumsinvestitionen bzw. des Growth CapEx aus PPE/Sales Ratio und Umsatzwachstum
  3. Berechnung der Erhaltungsinvestitionen bzw. des Maintenance CapEx auf Basis von Gesamtinvestitionen und ermittelten Wachstumsinvestitionen

In einem ersten Schritt berechnen wir, wie viele Vermögenswerte wir für die Generierung eines bestimmten Umsatzniveaus benötigen. Dazu ermitteln wir z.B. für die letzten 5 Jahre jeweils das Verhältnis aus Sachanlagen (Property, Plant and Equipment) und Umsatz.

Hier ein Beispiel:

Wie wir sehen, lag der Anteil der Sachanlagen am Umsatz immer irgendwo zwischen 15% und 24%, im Durchschnitt vielleicht bei ca. 18%. Das heißt jeder USD (bzw. EUR), der zusätzlich in neue Vermögenswerte investiert wird, sollte zu einem Umsatzwachstum von ca. 5,5 USD (bzw. EUR) führen (1/18%).

Bei der Berechnung des PPE/Sales Ratios sollten wir darauf achten, auch z.B. operative Leasing-Verträge zunächst zu aktivieren und ebenfalls als Bestandteil der Sachanlagen zu berücksichtigen.

Wenn wir also im zweiten Schritt das jeweils tatsächlich aufgetretene Umsatzwachstum mit dem durchschnittlichen PPE/Sales Ratio multiplizieren, erhalten wir den Anteil der Gesamtinvestitionen, die in einem gegebenen Jahr für Wachstum aufgewendet wurden, den so genannten Growth CapEx. Also z.B. für 2014:

Growth CapEx = Umsatzwachstum x durchschnittl. Net PPE/Sales = 39 Mio. USD x 18% = 7 Mio. USD

Im gleichen Jahr wurden nun insgesamt ca. 63 Mio. USD in neue Vermögenswerte (Sachanlagen) investiert. Ziehen wir hiervon die für zusätzliches Wachstum erforderlichen Investitionen ab, dann erhalten wir als Rest (theoretisch) alles das, was für den Erhalt des aktuellen Umsatzniveaus aufgewendet wurde:

Gesamtinvestitionen = Maintenance CapEx + Growth CapEx

bzw.

Maintenance CapEx = Gesamtinvestitionen – Growth CapEx = 63 Mio. USD – 7 Mio. USD = ~56 Mio. USD

In diesem Beispiel hätten wir entsprechend 56 Mio. EUR an Erhaltungsinvestitionen für das Jahr 2014.

Haben wir die Erhaltungsinvestitionen einmal für die letzten ca. 5 Jahre ermittelt, können wir daraus einfach den Durchschnitt bilden, um zu einer Abschätzung des Maintenance CapEx zu gelangen.


Weitere Spezifika

Was Greenwald in Value Investing nun nicht so genau erläutert, ist die Frage nach dem Umgang mit negativen Umsatzveränderungen.

Nach der Logik würde ja ein Umsatzrückgang zu entsprechend negativen Wachstumsinvestitionen führen, was natürlich nicht richtig ist.

Aus diesem Grund können (bzw. müssen) wir für Jahre mit einer negativen Umsatzentwicklung einfach annehmen, dass die gesamten Investitionen in die Erhaltung der bestehenden Vermögenswerte bzw. die Erhaltung des Umsatzniveaus geflossen sind.


Annahmen

Bevor wir das Ergebnis dieser Berechnung nun ungeprüft verwenden, sollten wir uns nochmal die wesentlichen Annahmen dieses Ansatzes vergegenwärtigen und prüfen, ob wir diese als gegeben ansehen können. Diese sind i.W.

  1. Das PPE/Sales Ratio wird als konstant angenommen
  2. Es werden historisch mehr oder weniger stabile Wachstumsinvestitionen unterstellt

Wenn wir also ein Unternehmen vor uns haben, das regelmäßigen Preisschwankungen ausgesetzt ist (z.B. in Commodity-Märkten wie Öl, Eisenerz, Stahl etc.) bzw. einem Nachfrageanstieg einfach durch eine Erhöhung der Kapazitätsauslastung begegnen kann, dann wird dieser Ansatz nicht zu einem vernünftigen Ergebnis führen.

Aufgrund der Verlinkung zum Umsatzwachstum funktioniert dieser Ansatz nur bedingt in zyklischen Industrien, in denen wir oft Unterauslastungen sehen und in denen eine Umsatzsteigerung oft durch eine bessere Auslastung der existierenden Vermögenswerte bzw. Produktionsanlagen oder auch einfach durch einen Preisanstieg erreicht werden kann.

Wenn ihr mal die Zahlen der restlichen Jahre für das Beispiel oben auswertet, dann werdet ihr feststellen, dass es sich dabei genau um einen solchen Zykliker handelt, bei dem der Ansatz nicht perfekt funktioniert.


Ein tiefes Verständnis für das Geschäftsmodell entwickeln

Wie ihr gesehen habt, haben alle bisher vorgestellten Ansätze so ihre Einschränkungen.

Deshalb möchte ich den mit Abstand besten Ansatz zur Abschätzung des Maintenance CapEx bzw. der Erhaltungsinvestitionen nicht unerwähnt lassen. Dieser Ansatz besteht natürlich darin, genau und im Detail zu verstehen, in welche Projekte ein Unternehmen investiert bzw. wie die typischen Investitionsmuster aussehen.

Hier ein paar Fragen, die wir uns in diesem Zusammenhang stellen sollten (ggf. auch etwas für unsere Investment-Checkliste):

  • Wie hoch ist der jährliche Erhaltungsaufwand an den aktuell existierenden Produktionsanlagen?
  • Nach wie vielen Jahren müssen die Vermögenswerte in der Regel ersetzt werden (Nutzungsdauer)?
  • Wie alt ist der Anlagenpark im Durchschnitt?
  • Wie teuer ist eine Ersatzinvestition heute (im Vergleich zur ursprünglichen Investition)
  • etc.

Selbst eine Beantwortung von ein paar dieser Fragen sollte uns in Kombination mit einem der oben beschriebenen Ansätze schonmal sehr weiterhelfen. Im Grunde genommen sollten wir diese Themen im Rahmen der Analyse des Geschäftsmodells und der Wettbewerbsvorteile ja sowieso verstehen.


Fazit

Die Bewertungsansätze zur Abschätzung des Wertes der aktuellen Cash Flows, i.W. der Owner Earnings Ansatz von Warren Buffett und der EPV Ansatz von Bruce Greenwald benötigen als Input für die Kalkulation eine Abschätzung des so genannten Maintenance CapEx. Hiermit sind alle Investitionen gemeint, die für die Erhaltung des aktuellen Umsatzniveaus erforderlich sind.

Für die Abschätzung dieser Erhaltungsinvestitionen gibt es mehrere Ansätze. Jeder dieser Ansätze hat bestimmte Vor- und Nachteile.

Ich nutze übrigens immer mehrere dieser Methode parallel und vergleiche anschließend die Ergebnisse, um zu einer besseren Abschätzung der Erhaltungsinvestitionen zu gelangen.

Benutzt ihr ggf. andere Ansätze für die Ermittlung der Erhaltungsinvestitionen oder habt ihr eure eigene Methodik entwickelt? Dann kommentiert einfach unten bzw. schickt mir eine Email.


Weitere Ressourcen

Auch wenn der Greenwald Ansatz in vielerlei Hinsicht nicht perfekt ist, so kann ich doch sein Buch Value Investing uneingeschränkt zur Lekture empfehlen. In diesem Buch findet ihr tatsächlich so viele unkonventionelle Ansätze und Ideen, dass ich ziemlich sicher bin, dass ihr einiges aus diesem Buch in euren eigenen Invest-Prozess übernehmen werdet.

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