WACC vor Steuern: Anwendungsfälle und Berechnungslogik

WACC vor Steuern

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WACC vor Steuern

Die Gesamtkapitalkosten (WACC) werden im Rahmen der DCF-Bewertung typischerweise für die Abzinsung der nachsteuerlichen Cash Flows verwendet. Dem entsprechend repräsentiert der WACC aus Konsistenzgründen auch die  Returnanforderungen der Kapitalgeber nach Steuern.  Nichtsdestotrotz kann es Anwendungsfälle geben, in denen sowohl die Unternehmen selbst, als auch wir Investoren einen WACC vor Steuern ermitteln müssen.

In diesem Artikel möchte ich deshalb einmal auf die mögliche Ermittlung eines WACC vor Steuern eingehen.


Recap: WACC

Die Gesamtkapitalkosten bzw. der WACC (Weighted Average Cost of Capital) sind im Wesentlichen dazu da, um zukünftige Cash Flows auf den heutigen Zeitpunkt abzudiskontieren… Investoren stellen sich natürlich die Frage nach dem heutigen Wert dieser (mehr oder weniger unsicheren) zukünftigen Cash Flows.

Darüber hinaus stellt der Vergleich des WACC mit der erwirtschafteten Kapitalrendite (ROIC bzw. ROCE) einen weiteren wesentlichen Anwendungsfall dar: Das Ergebnis dieses Vergleichs zeigt dem Investor an, ob ein Unternehmen in der Vergangenheit Shareholder Value (bzw. Economic Profit) für die Investoren generiert hat oder nicht.

Die Gesamtkapitalkosten sind das gewichtete Mittel aus Eigenkapital- und Fremdkapitalkosten, wobei die Gewichtungsfaktoren aus der Kapitalstruktur abgeleitet werden:

Kapitalkosten bzw. WACC = EK-Kosten x EK-Anteil + FK-Kosten x (1 – Steuersatz) x FK-Anteil

Eine Anleitung zur konkreten Berechnung des WACC sowie der zugehörigen Komponenten (Eigenkapitalkosten und Fremdkapitalkosten) findet ihr in den entsprechenden Artikeln (einfach den Verlinkungen folgen :-)).

Aus Konsistenzgründen wird der WACC im Normalfall auf Basis der nachsteuerlichen Returnanforderungen der Kapitalgeber ermittelt, einfach weil NOPAT, ROCE, freier Cash Flow etc. ebenfalls die Ertragsteuern berücksichtigen.


Rationale für einen WACC vor Steuern

Die Ermittlung eines Vorsteuer-WACC kann sowohl aus Unternehmens- bzw. Konzernsicht, als auch aus Investorensicht in gewissen Situationen sinnvoll sein.

Unternehmen mit mehreren Geschäftsfeldern oder so genannten Cash Generating Units (CGUs) wenden den WACC vor Steuern typischerweise in zwei Situationen an:

  • für die wertorientierte Steuerung der Einzelsegmente
  • im Rahmen des regelmäßigen Impairment Tests der CGUs (Cash Generating Units)

Auf den Aspekt der wertorientierten Steuerung bin ich ja im Artikel zum Economic Value Added (EVA) bereits im Detail eingegangen… die Konzernholding will in der Regel wissen, welche Tochterunternehmen bzw. Geschäfte ihre Kapitalkosten verdienen (ROCE > WACC) und welche nicht. Hieraus wird dann die Unternehmensstrategie (Corporate Strategy) bzw. die Portfoliostrategie abgeleitet.

Beim Impairment Test handelt es sich i.W. um eine DCF-Bewertung auf Basis der jährlich aktualisierten Planzahlen (Drei- oder Fünfjahresplanung), mithilfe derer ermittelt wird, ob der auf der Bilanz stehende Buchwert einer Tochtergesellschaft bzw. eines Businesses (die so genannte Cash Generating Unit oder CGU) noch gerechtfertigt ist… oder aber, ob eine Sonderabschreibung (Wertberichtigung oder Impairment) vorgenommen werden muss.

Die Logik aus Unternehmenssicht ist eindeutig: Die Steuererklärung wird federführend von “Corporate” erstellt und eingereicht (hier sitzt typischerweise auch die Steuerabteilung), sodass auf Segment- oder Divisionsebene in der Regel keine Steuern anfallen bzw. zugeschlüsselt werden.  Eine segment-spezifische Steuerung findet also oft auf Basis einer Vorsteuerbetrachtung statt. 

Aus Investorensicht kann die Verwendung eines WACC vor Steuern unter anderem dann in Frage kommen, wenn der freie Cash Flow überschlägig auf Basis des Vorsteuergewinns ermittelt wird, z.B. nach der folgenden Formel:

Proxy für den freien Cash Flow = EBITDA – CapEx

Möchten wir in einem solchen Fall eine überschlägige Bewertung vornehmen, müssen wir den WACC ebenfalls vor Berücksichtigung der Ertragsteuern ermitteln.

Wie bereits im Zusammenhang mit den gröbsten Fehlern im Rahmen der DCF-Bewertung erwähnt: Die Konsistenz der einzelnen Berechnungsannahmen bzw. Kennzahlen untereinander ist überaus wichtig, um die richtigen Schlussfolgerungen aus der Bewertung ziehen zu können.

WACC vor Steuern: Berechnungslogik

Der wesentliche Aspekt der Berechnung eines WACC vor Steuern ist, dass wir bei der Ermittlung nicht nur den Tax Shield der Fremdkapitalkosten unberücksichtigt lassen, sondern auch die Eigenkapitalkosten in die “Vorsteuerwelt” überführen müssen. Um die Logik zu verdeutlichen, leiten wir uns den Vorsteuer-WACC einmal mathematisch her.

Ganz allgemein gilt zunächst der folgende Zusammenhang zwischen dem Vor- und Nachsteuer-WACC:

WACCnach Steuern = WACCvor Steuern x (1 – Steuersatz)

Hieraus ergibt sich nach Umstellung und Einsetzen die folgende Formel für den WACC vor Steuern:

WACCvor Steuern = WACCnach Steuern / (1 – Steuersatz) = EK-Kosten / (1 – Steuersatz) + FK-Kosten x (1 – Steuersatz) / (1 – Steuersatz)

Wie ihr sehen könnt, kürzt sich der Term (1 – Steuersatz) in Bezug auf die Fremdkapitalkosten aus der Gleichung heraus, sodass wir den WACC vor Steuern schlussendlich auf den folgenden Zusammenhang zurückführen können:

WACCvor Steuern = EK-Kosten / (1 – Steuersatz) + FK-Kosten

Nehmen wir zur Gegenüberstellung einmal ein einfaches Beispiel:

  • Ein Unternehmen hat eine Kapitalstruktur bestehend zu 70% aus Eigenkapital und zu 30% aus Fremdkapital
  • Die Eigenkapitalkosten, hergeleitet auf Basis des CAPM, betragen 7,5% (Anforderung nach Steuern)
  • Die Fremdkapitalkosten, ermittelt auf Basis eines risikolosen Zinses sowie eines dem Ausfallrisiko entsprechenden Default Spreads, liegen bei 4% (vor Steuern bzw. vor Berücksichtigung des Tax Shield)
  • Das Unternehmen ist in Deutschland angesiedelt. Dem entsprechend liegt der marginale Ertragsteuersatz (Körperschafts- plus Gewerbesteuer) bei ca. 30%

Daraus ergeben sich folgende Kapitalkosten:

WACCnach Steuern = 7,5% x 70% + 4,0% x (1 – 70%) x 30% = 6,1%
WACCvor Steuern = 7,5% / (1 – 30%) x 70% + 4,0% x 30% = 8,7%

Hier nochmal die grafische Aufbereitung der WACC-Berechnung vor und nach Steuern:

WACC vor Steuern versus WACC nach Steuern

Wie ihr sehen könnt, ist die Differenz zwischen Vorsteuer-WACC und Nachsteuer-WACC mit ca. 2,5%-Punkten nicht unbedingt als vernachlässigbar zu bezeichnen. Eine inkonsistente Ermittlung von Cash Flows und Kapitalkosten kann dem entsprechend zu substantiellen Fehlern bei der Ermittlung des intrinsischen Wertes bzw. bei der Bewertung des Geschäftsmodells eines Unternehmens führen.


Key Take Aways

Die Kapitalkosten werden in der Regel unter Berücksichtigung der Ertragsteuern (heißt nach Steuern) ermittelt. Dies ist konsistent mit den anderen wesentlichen Kennzahlen wie NOPAT, ROIC und FCFF.

In bestimmten Situationen, z.B. im Rahmen eines Impairment Tests für ein bestimmtes Business kann jedoch auch eine Ermittlung des WACC vor Steuern angezeigt sein.

Der WACC vor Steuern kann aus dem traditionellen WACC ganz einfach abgeleitet werden, indem sowohl EK- als auch FK-Kosten in ein Vorsteueräquivalent überführt werden.

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