Value Creation: Der kleine aber wesentliche Unterschied zwischen EVA und SVA

Inhalt

Value Creation: Economic Value Added (EVA) versus Shareholder Value Added (SVA)

In der Literatur gibt es verschiedene Kennzahlen, mit der wir die Wertgenerierung eines Unternehmens (die “Value Creation” bzw. den “Value Added”) in einem bestimmten Jahr bzw. über die Zeit messen können. Zu nennen wären hier vor allem der von Alfred Rappaport bzw. Alcar Group/LEK Consulting ins Leben gerufene Shareholder Value Added (SVA) sowie der etwas später von Stern Stewart entwickelte Economic Value Added (EVA).

Obwohl beide Ansätze konzeptionell i.W. identisch sind, gibt es doch einen wesentlichen Unterschied auf den ich hier einmal etwas genauer eingehen bzw. hinweisen möchte… vor allem im Hinblick auf die weite Verbreitung des EVA im Vergleich zum SVA ist das aus meiner Sicht relevant.

Vorwarnung: Wundert euch übrigens nicht, dass ich im Folgenden zunächst einmal etwas allgemeiner auf das Thema Value Creation bzw. Performancemessung schaue und nicht direkt zum eigentlichen Punkt (sprich dem im Titel dieses Artikels angekündigten wesentlichen Unterschied zwischen EVA und SVA) komme. Ich denke in diesem Kontext erleichtert ein etwas breiterer Einstieg das spätere Verständnis enorm.


Value Creation Intro: Das Messen von Performance

Im Grunde genommen dreht sich alles um die gleiche Frage: Wie können wir als Investoren (oder auch als Manager) am besten messen, ob ein Geschäft gut performt bzw. abschätzen ob es zukünftig gut performen wird? Was heißt Performance in diesem Zusammenhang überhaupt?

Meine Sichtweise: Schlussendlich kann – jedenfalls aus Investorenperspektive – eine gute Performance nur gleichgesetzt werden mit der Generierung von Shareholder Value. Also gilt im Grunde genommen das Folgende:

Gute Performance = Wertsteigerung über die Zeit

Um nun ganz grundsätzlich die Performance eines Unternehmens zu messen, können sich Management, Anteilseigner und Analysten ganz verschiedener Metriken bedienen. Unter anderem kommen in Frage:

Um etwas genauer herauszuarbeiten, warum wir uns schlussendlich im Wesentlichen mit dem EVA und dem SVA befassen werden, möchte ich im Folgenden zunächst einmal auf die wesentlichen Anforderungen an das Thema Performancemessung bzw. Messung der Value Creation eingehen.


Kennzahlen zur Performancemessung

Was muss also eine gute Kennzahl zur Performancemessung bzw. zur Messung der Wertgenerierung überhaupt leisten? Hier einmal die wesentlichen von Alfred Rappaport in Creating Shareholder Value definierten Anforderungen:


Investitionen

Die Kennzahl sollte nicht nur die historischen Abschreibungen, sondern auch die darüber hinaus getätigten  inkrementellen Investitionen in das betriebsnotwendige Kapital  (also in langfristige Vermögenswerte oder Working Capital) berücksichtigen.

Allein schon deshalb taugt der operative Gewinn oder auch der Nettogewinn nicht als Maßzahl für die Performancemessung… es sei denn, wir können über einen Vergleich mit der so genannten Threshold-Marge eine direkte Indikation bzgl. der Wertgenerierung erhalten.

Besser ist hier schon die Kapitalrendite (z.B. ROIC oder ROCE) geeignet, weil diese auch die Kapitalintensität eines Geschäfts berücksichtigt. Allerdings kommen wir auch mit der Kapitalrendite, jedenfalls isoliert betrachtet, noch nicht bis ans Ziel.


Risiko

Eine passende Kennzahl zur Abschätzung der Value Creation sollte nämlich außerdem die Unterschiede im geschäftlichen oder finanziellen Risiko eines Unternehmens berücksichtigen.

Oder anhand eines Beispiels ausgedrückt: Investoren stellen an ein sehr stabiles Geschäftsmodell (z.B. ein Vermieter von Wohnimmobilien) geringere Return-Anforderungen, als an ein sehr volatiles Geschäftsmodell (z.B. ein Bergbauunternehmen oder einen Halbleiterhersteller). Banken erlauben stabilen Geschäftsmodellen eine höhere Verschuldung mit weniger strengen Covenants und ggf. günstigeren Zinssätzen. Die Mindestanforderungen unterscheiden sich also.

Insofern ist es wichtig, gegen welche Basis wir die Kapitalrendite vergleichen.

Der Economic Value Added berücksichtigt nun zusätzlich das Risiko, indem die Kapitalrendite in Bezug gesetzt wird zu den Kapitalkosten (dem WACC). Nichts desto trotz werden Verzerrungen im Accounting nur teilweise behoben, jedenfalls wenn wir den absoluten EVA und nicht die Veränderung von Jahr zu Jahr betrachten.


Accounting-Verzerrungen und Wertansätze

Wenn wir an Accounting-Effekte denken, dann tun wir das in der Regel mit Blick auf die Gewinn- und Verlustrechnung (GuV). Im Wesentlichen geht es hier darum, eine möglichst “Cash Flow nahe” Definition des Gewinns zu finden.

Natürlich können Nachsteuer-EBIT bzw. NOPAT je nach Definition auch noch verzerrende Accounting-Effekte beinhalten.

Unser Blick sollte hier aber eher auf die bilanzielle Ebene gerichtet sein. Als Input für die Ermittlung des EVA benötigen wir nämlich außerdem das investierte Kapital bzw. das Capital Employed, welches – in der Regel – größtenteils  auf der Basis von bereits (teil-)abgeschriebenen Vergangenheitswerten ermittelt wird. 

Und hier unterscheidet sich nun der Economic Value Added auch wesentlich vom Shareholder Value Added.

Bevor ich nun aber nochmal tiefer in den Vergleich zwischen Economic Value Added und Shareholder Value Added einsteige, möchte ich euch zum Abschluss noch die Übersicht über die verschiedenen Metriken zur Performancemessung inkl. einer Einschätzung der Vor- und Nachteile von Alfred Rappaport zeigen (entnommen aus Creating Shareholder Value):

EVA versus SVA - Kennzahlen zur Messung der Value Creation

Meine Kurzzusammenfassung dieser Grafik:

Mithilfe der Veränderung des EVA im Jahresvergleich können wir jedenfalls schonmal sagen, ob die Value Creation positiv oder negativ ausfällt.

Aufgrund des Aufsatzpunktes auf der Bilanz können wir allerdings keine solide Aussage über die absolute Wertgenerierung über die Zeit treffen… im Folgenden möchte ich einmal erläutern, warum das so ist.


Deep Dive EVA versus SVA

Die grundsätzliche Intention sowohl des Economic Value Added wie auch des Shareholder Value Added ist es, Managern und Investoren eine Kennzahl an die Hand zu geben, auf deren Basis sie (1) abschätzen können, ob ein Unternehmen historisch in der Lage war, den Unternehmenswert zu steigern und (2), ob zukünftig geplantes Umsatzwachstum, operative Margen und Investitionen in einem wertsteigernden Verhältnis zueinander stehen… im Idealfall führen geringe Reinvestitionen ja zu hohen Umsatzsteigerungen und wenn möglich sich aufweitenden Gewinnmargen (z.B. über Economies of Scale).


EVA – Economic Value Added

In der Praxis (bzw. rein rechnerisch) funktioniert das beim EVA, indem wir für jedes Jahr den über die Kapitalkosten hinaus erwirtschafteten Gewinn ermitteln, wobei wir die Kapitalkosten für die Prognose jeweils auf Basis des Capital Employed zum Beginn des Jahres bestimmen:

EVA = NOPAT – WACC x Capital Employed

(Falls ihr euch an das TAKKT-Beispiel zum EVA erinnert: Für die historische Betrachtung wird oft das durchschnittliche CE, also der Mittelwert aus Jahresanfang und Jahresende als Basis verwendet.)

Anschließend rechnen wir die jeweiligen EVAs mithilfe des WACC auf den heutigen Zeitpunkt um. Die Summe aus anfänglichem Capital Employed (CE im Jahr 0) und den Barwerten der EVAs ergibt dann den intrinsischen Wert.


SVA – Shareholder Value Added

Für die Berechnung des Shareholder Value Added schauen wir uns in jedem Jahr die inkrementellen Investments (= Investitionen in Sachanlagen und Working Capital minus Abschreibungen) sowie das resultierende NOPAT-Wachstum in den Folgejahren an. Anschließend ermitteln wir den Barwert für

  • das einmalige Investment im Jahr x
  • die Annuität des resultierenden FCFF– bzw. NOPAT-Wachstums (heißt NOPAT-Wachstum von Jahr x bis unendlich)

Die Differenz aus beiden Barwerten ergibt den im Jahr x generierten Shareholder Value.

Als Ausgangspunkt bzw. Basiswert verwenden wir in diesem Fall den so genannten Baseline Value bzw. “No Growth” Value oder Earnings Power Value. Das ist i.W. der Wert, der sich aus einer Abzinsung der Annuität (= ewige Rente) des aktuellen FCFF bzw. NOPAT-Niveaus ergibt.


Wesentlicher Unterschied: Der Aufsatzpunkt

Der wesentlich Unterschied zwischen EVA und SVA ist also der Aufsatzpunkt, wie ich nochmal versucht habe, anhand der folgenden Grafik zu illustrieren:

EVA versus SVA - Konzept der Value Creation

Der Shareholder Value Added kommt damit übrigens sehr nah an das von Columbia Business School Professor Bruce Greenwald im Buch Value Investing vorgestellte Konzept der Trennung von aktuellem Wert (Earnings Power Value) und Wert des Wachstums heran (weitere Details dazu findet ihr auch im DIY Blueprint für die Unternehmensbewertung).


Value Creation Beispiel: EVA versus SVA

Zur weiteren Illustration des Unterschieds zwischen Economic Value Added und Shareholder Value Added habe ich mir einmal die folgende fiktive FCFF-Zeitreihe überlegt (wobei ich den freien Cash Flow immer in NOPAT und Reinvestment unterteilt habe):

Beispiel EVA versus SVA

Hier ein paar wesentliche Annahmen bzw. Hinweise zu eurer Information (und vielleicht auch, um Verwirrung zu vermeiden):

  • Im aktuellen Setup (und mit einem Instandhaltungs-CapEx in Höhe der Abschreibungen) erreicht das Geschäft im Ausgangsjahr einen freien Enterprise Cash Flow i.H.v. 375 Mio. EUR. Dieser kann allerdings ohne weitere Reinvestments (z.B. aufgrund aktuell freier Produktionskapazitäten) noch bis auf ca. 470 Mio. EUR erhöht werden… was für das Jahr 1 auch erwartet wird
  • Die Planung geht langfristig von einem Null-Wachstum aus. Die über die (bereits im NOPAT enthaltenen) regelmäßigen Abschreibungen hinausgehenden Investitionen werden dem entsprechend ab dem Übergangsjahr auf Null zurückgefahren

Wie ihr sehen könnt, ergibt sich mittels der DCF-Methode ein Enterprise Value von ca. 9.594 Mio. EUR. Die Frage ist nun: Welcher Anteil entfällt auf die Value Creation über die kommenden Jahre und welcher Anteil auf die bereits vorhandenen und aktuell in Nutzung befindlichen Vermögenswerte?

Um diese Frage zu beantworten schauen wir uns einmal die zwei relevantesten Kennzahlen in diesem Zusammenhang an, nämlich den Economic Value Added und den Shareholder Value Added (Surprise, Surprise!):

Value Creation: Vergleich Economic Value Added (EVA) und Shareholder Value Added (SVA)

Zwei der drei für die Ermittlung von EVA und SVA erforderlichen Kennzahlen liegen uns bereits vor: Den Enterprise Value haben wir oben bereits per DCF-Verfahren berechnet, das Capital Employed können wir auf Basis der Bilanz ermitteln.

Die dritte Kennzahl, den Baseline Value für die Ermittlung des SVA, können wir einfach wie folgt abschätzen (Rundungsfehler übrigens explizit nicht ausgeschlossen):

Baseline Value = FCFFJahr 0 / WACC = 375 Mio. EUR / 5,529% = 6.782 Mio. EUR

Auf Basis des Economic Value Added ergibt sich also eine zukünftige Value Creation von 4.594 Mrd. EUR, auf Basis des Shareholder Value Added eine Value Creation von nur 2.812 Mio. EUR.

Verantwortlich für diese starke Abweichung ist, wie ihr an der grafischen Darstellung leicht erkennen könnt, die Tatsache, dass der Baseline Value – also der Barwert der mit dem aktuellen Anlagenpark erzielbaren Cash Flows – viel höher ist, als der in der Bilanz berücksichtigte Buchwert dieser Anlagen (i.W. gleich der um die Abschreibungen verminderten historischen Anschaffungskosten).

Hinweis: Betrachtung eines individuellen Jahres

Der hier dargestellte Vergleich zwischen EVA und SVA setzt eine Betrachtung bis ins Unendliche, also inkl. einer Berücksichtigung des Terminal Value, voraus. Hauptgrund ist die Tatsache, dass der Shareholder Value Added immer den Barwert der gesamten Annuität des NOPAT-Wachstums als Wertzuwachs im Jahr des Investments ansetzt, wohingegen der Economic Value Added nur den im jeweiligen Jahr tatsächlich erwirtschafteten NOPAT berücksichtigt.


Value Creation: Wie ein Investor rechnen würde

Um nun zu verstehen, welche Sicht die richtigere bzw. aussagekräftigere ist, schauen wir uns einmal an, wie ein Investor vermutlich rechnen bzw. wann er in ein Unternehmen investieren würde.

Handelt er rational, dann würde der Investor nur investieren, wenn der von ihm bestimmte intrinsische Wert oberhalb des aktuellen Marktwertes liegt, er also eine gewisse Sicherheitsmarge erzielen kann. Oder mit anderen Worten: Er würde maximal den von ihm ermittelten intrinsischen Wert für einen Anteil am Unternehmen bezahlen.

Natürlich ist dem Investor auch bewusst, dass Mr. Market in den meisten Fällen ein gewisses Gewinnwachstum bereits einpreist. Mutmaßlich würde sich der Investor deshalb auch dafür interessieren, welchen Wert das Geschäft denn hätte, wenn das geplante zukünftige Wachstum nicht oder nur in Teilen eintreten würde… womit wir beim oben bereits angesprochenen Baseline Value oder Earnings Power Value angekommen wären.

Dieser Wert kann nun weitaus höher sein, als der Buchwert des eingesetzten Kapitals bzw. das Capital Employed. Im Gegensatz zum Baseline Value besteht zwischen dem Buchwert und den zukünftig erzielbaren Cash Flows darüber hinaus kein Zusammenhang (heißt der EVA geht quasi von zwei unterschiedlichen Bewertungskonzepten aus).

Ergo: Es scheint aus Investorensicht sinnvoller zu sein, die Value Creation gegen den Baseline Value anstatt gegen irgendeinen auf Basis von historischen Anschaffungspreisen und teilweise willkürlichen Abschreibungen basierenden Buchwert zu messen.


Fazit

Die Kennzahlen Economic Value Added (EVA) und Shareholder Value Added (SVA) sind beide dazu gedacht, die jährliche Wertgenerierung bzw. Value Creation eines Unternehmens abzuschätzen.

Obwohl sich die Kennzahlen konzeptionell sehr ähneln, unterscheiden sie sich doch in einem ganz wesentlichen Aspekt:

Der Economic Value Added nutzt als Ausgangspunkt bzw. als Basis für die Abschätzung der Wertgenerierung das anhand der Bilanzpositionen ermittelte Capital Employed. Der Shareholder Value Added hingegen setzt auf den intrinsischen Wert des Geschäfts ohne weitere Reinvestitionen, dem so genannten Baseline Value, auf.

Im Ergebnis können sich deshalb die ermittelten Werte für die Value Creation über die Zeit sehr stark unterscheiden.

Aufgrund des historischen Charakters und der teilweisen Verzerrung durch die zugrunde gelegten Rechnungslegungsgrundsätze erscheint jedenfalls aus Investorensicht eine Messung der Value Creation gegen den Baseline Value – also die Nutzung des Shareholder Value Added – sinnvoller zu sein.


Weitere Ressourcen

Ich habe beide Bücher glaube ich schonmal empfohlen, ich tue das hier aber gerne nochmal: Sowohl Creating Shareholder Value von Alfred Rappaport als auch Value Investing von Bruce Greenwald sind aus meiner Sicht absolute Must Reads!

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Weitere relevante Artikel zum Thema

Warenkorb
Nach oben scrollen