Vielleicht haben einige von euch den Begriff Covenants oder Financial Covenants schonmal gehört. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um ein Instrument für die Banken, um das Finanzrisiko eines Unternehmens zu begrenzen bzw. zu kontrollieren. Ganz praktisch erhalten die Unternehmen bestimmte Vorgaben bzgl. der Leverage Ratios, die sie während der Laufzeit eines Kredits einhalten müssen. Eine Nichteinhaltung der Covenants führt oft unmittelbar zu einer Rückforderung des vollen Kreditbetrages und damit einem signifikantem Insolvenzrisiko.
In diesem Artikel möchte ich einmal auf die wesentlichen heute gebräuchlichen Financial Covenants eingehen und auch die Unterschiede zwischen kurzfristigen und langfristigen Schulden bzw. verschiedenen Kreditverträgen etwas detaillierter darstellen.
Was sind Financial Covenants?
Bei Financial Covenants handelt es sich in den meisten Fällen um Grenzwerte für bestimmte Finanzkennzahlen oder Leverage Ratios, die der Kreditnehmer (also das Unternehmen) einhalten muss, um einen Kredit von einer Bank zu erhalten. Diese Grenzwerte werden außerdem in den Kreditverträgen verankert und müssen vom Unternehmen auch während der Kreditlaufzeit eingehalten werden. Ansonsten hat die Bank das Recht, den ausstehenden Betrag unmittelbar zurückzufordern, was das Unternehmen nahe an die Insolvenz bringen könnte.
Die Banken möchten also sicherstellen, dass das Unternehmen nicht nur bei Aufnahme des Kredits ist, sondern auch während der Laufzeit dauerhaft kreditwürdig bleibt.
Je nach Bank, Branche oder Unternehmen können sich die verwendeten Financial Covenants unterscheiden. Am gängigsten sind heutzutage aber die folgenden Leverage Ratios:
- Zinsdeckung (Interest Coverage) – mit abnehmender Bedeutung
- Financial Gearing
- Net Debt / EBITDA – mit zunehmender Bedeutung
- Debt-to-Equity
Dies sind also auch die Ratios, die wir als Value Investoren uns bei unserer Analyse der finanziellen Stabilität bzw. der finanziellen Lage des Unternehmens ansehen sollten.
Über die Finanzkennzahlen hinaus sind außerdem ggf. noch weitere Anforderungen, Beschränkungen oder Vorgaben im Kreditvertrag verankert (ebenfalls Teil der Financial Covenants). Je nach Situation können dies zum Beispiel sein:
- eine Beschränkung des Kaufs neuer Vermögenswerte
- ein Mitspracherecht bei einem Kontrollwechsel (also einer Akquisition)
- eine Vorgabe bzgl. der Verwendung der geliehenen Mittel
- Beschränkungen von Dividendenzahlungen
- Einflussnahme auf die Kompensation der Vorstandsmitglieder
- etc.
Wie ihr sehen könnt, sind die Banken manchmal recht kreativ darin, ihr verliehenes Vermögen zu schützen. Aus Investorensicht stellen Covenants für das Unternehmen aber eine Art Kontrollmachanismus dar.
Zinsdeckung bzw. Interest Coverage Ratio
Die Zinsdeckung bzw. das Interest Coverage Ratio war historisch eine der am häufigsten in den Kreditverträgen verwendeten Financial Covenants. Bei der Zinsdeckung handelt es sich um eine reine GuV-Kennzahl, die folgendermaßen berechnet wird:
Zinsdeckung = Interest Coverage = EBIT / Zinszahlungen
Die Zinsdeckung bzw. das Interest Coverage gibt also an, wievielmal die Zinszahlung auf die verschiedenen Kredite mit dem operativen Gewinn abgedeckt werden kann. Hier wird bereits die aktuelle Problematik dieser Kennzahl sichtbar. Da die Zinsen ja seit längerer Zeit eigentlich gar nicht mehr repräsentativ sind für das unternehmerische Risiko des jeweiligen Unternehmens (weil so niedrig) bzw. mittelfristig wieder auf ein “normales” Niveau steigen können, liefert die Zinsdeckung aktuell ein etwas verzerrtes Bild. Vermutlich ist dies auch ein Grund, warum die Banken heute eher andere Kennzahlen (z.B. Net Debt / EBITDA) für die Financial Covenants verwenden.
Weil die Gewinne ja außerdem auch schonmal recht stark schwanken können, ist die Zinsdeckung erst ab einem Wert von 10 als wirklich komfortabel anzusehen, alles was unter 5 liegt eher als unsicher. Auf die Zinsdeckung bzw. das Interest Coverage Ratio wird im Buch Invest like a Guru von Charlie Tian etwas detaillierter eingegangen.
Financial Gearing
Das so genannte Financial Gearing wird ebenfalls oft als Covenant verwendet. Beim Financial Gearing handelt es sich im Gegensatz zur Zinsdeckung um eine reine Bilanzkennzahl. Das Financial Gearing wird folgendermaßen berechnet:
Gearing = Nettofinanzschulden / Eigenkapital = Net Financial Debt (NFD) / Shareholders’ Equity
Die Nettofinanzschulden oder Nettofinanzverbindlichkeiten (Net Financial Debt) werden dabei aus den zinstragenden Schulden sowie den vorhandenen Barmitteln (i.d.R. Cash plus kurzfristige Finanzanlagen) ermittelt:
NFD = Kurzfristige Schulden + langfristige Schulden – Cash & Äquivalente
Wie ihr sehen könnt, handelt es sich beim Financial Gearing eigentlich nur um ein um die vorhandenen Barmittel angepasstes Debt-to-Equity Ratio.
Auch der Grenzwert für das Financial Gearing kann sich natürlich je nach Industrie oder Unternehmen unterscheiden. So kann sich zum Beispiel ein Immobilienkonzern wie Vonovia oder TAG aufgrund der stabilen und gut prognostizierbaren Erträge (Mieteinnahmen) ein höheres Gearing leisten, während ein Unternehmen mit hohen Fixkosten in einer zyklischen Industrie eher konservativ finanziert sein sollte.
Ein guter Wert für einen solchen Zykliker ist aus meiner Sicht ein Financial Gearing von 1,0 oder 100%. Bei 150% sind einige Covenants bereits gerissen, der Bereich zwischen 100-150% ist bereits etwas kritisch. Ein Unternehmen mit einem Financial Gearing unterhalb von 100% kann also finanziell als recht stabil angesehen werden.
Net Debt / EBITDA
Das Leverage Ratio ist die einzige gemischte Kennzahl, die von den Banken als Covenant verwendet wird (weil es sich um das Verhältnis einer Bilanzposition und einer Position aus der Gewinn- und Verlustrechnung handelt). Darüber hinaus ist die Kennzahl universeller einsetzbar, da sie nicht so stark vom Geschäftsmodell bzw. der Unternehmenskategorie (lest hierzu auch den Artikel zu den verschiedenen Unternehmenskategorien von Peter Lynch) abhängig ist. Dies sind vermutlich auch die wesentlichen Gründe, warum das Leverage Ratio heutzutage immer mehr Zuspruch findet.
Das Leverage Ratio Net Debt / EBITDA wird folgendermaßen berechnet:
Net Debt / EBITDA = Nettofinanzschulden / EBITDA = Net Financial Debt (NFD) / EBITDA
Eine normale Größenordnung für das Ratio können wir vermutlich irgendwo in der Größenordnung 2 bis 2,5 liegen. Bei Unternehmen bzw. Zyklikern mit hohen Fixkosten (“Asset-Heavy” Industrien) wird vermutlich nochmal ein gewisser Abschlag definiert, oder aber mit einem “normalisierten” EBITDA oder einem “Downside” EBITDA über den Zyklus gerechnet.
Sonderfall: Net Debt inkl. Leasing / EBITDAR
Eine kleine Besonderheit greift für Unternehmen mit einem hohem Anteil an operativen Leasingverträgen. Das sind vor allem Unternehmen mit vielen Ladengeschäften oder Fuhrparks. Relevante Branchen sind also vor allem Einzel- und Großhändler (z.B. Hornbach Baumärkte, Ceconomy, Metro) und Restaurantketten (McDonalds, Starbucks etc.). Aber auch Logistikunternehmen wie die Deutsche Post oder Autovermieter wie z.B. Sixt kommen hier in Frage.
Operative Leasingverträge werden zwar in ein paar Jahren der Vergangenheit angehören, weil dann laut US-GAAP und IFRS alle Unternehmen gezwungen sein werden, diese Leasingverträge in der Bilanz entsprechend auszuweisen.
Bis auf Weiteres ist diese Art der Financial Covenants aber noch höchst relevant… und es gibt natürlich auch eine Reihe von Unternehmen die nicht an IFRS bzw. US-GAAP gebunden sind und wo operatives Leasing ggf. ein Thema sein kann (nach HGB z.B. kann es da auch Effekte geben).
Hier die Berechnungslogik des angepassten Leverage Ratios Net Debt / EBITDA:
Net Debt (inkl. Leasing) / EBITDAR = Nettofinanzschulden (inkl. operative Leasingverträge) / EBITDAR
EBITDAR steht für Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation, Amortization and Rental. Dabei handelt es sich um nichts anderes, als um den EBITDA vor Zahlung der Leasingraten.
Im Grunde genommen nehmen wir hier genau die Anpassungen vor, die ich bereits in meinem Artikel zu den operativen Leasingverträgen beschrieben hatte. D.h. der EBITDA wird um die Leasingraten, die Nettofinanzschulden um die kapitalisierten zukünftigen Leasingverbindlichkeiten korrigiert.
Von der Größenordnung her sollten hier ähnliche Grenzwerte gelten wie beim gewöhnlichen Net Debt / EBITDA Ratio.
Traditionelle Kennzahl: Verschuldungsgrad
Der Verschuldungsgrad bzw. das Debt-to-Equity Ratio sind zwar meistens nicht als Covenants in den Kreditverträgen verankert, stellen aber für uns als Value Investoren trotzdem einen guten Anhaltspunkt bzgl. des Finanzrisikos dar, weil es für die Kennzahl typischerweise gute industrieweite Vergleichswerte gibt.
Den Verschuldungsgrad können wir ausgedrückt durch das Debt-to-Equity Ratio
Debt-to-Equity = Zinstragende Schulden / Eigenkapital = D / E
oder durch
D / (D + E) = Zinstragende Schulden / (Zinstragende Schulden + Eigenkapital)
ausgedrückt werden. Zur Risikoabschätzung bietet sich der Einsatz eines Vergleichs mit dem Industriedurchschnitt an, wie er z.B. von Aswath Damodaran in Excel zur Verfügung gestellt wird.
Kurzfristige Kreditlinien
Covenants werden bei kurzfristigen Kreditlinien typischerweise nur bei recht schlechter Bonität verwendet.
Allerdings behelfen sich die Banken hier mit einem Trick. So wird der Zinssatz einer kurzfristigen Kreditlinie oft von der finanziellen Situation bzw. der finanziellen Lage des Unternehmens abhängig gemacht und z.B. folgendermaßen ermittelt:
Kreditzins = EURIBOR + Marge
EURIBOR steht für European Interbank Offered Rate und repräsentiert den Zinssatz, zu dem sich Banken untereinander über Nacht Geld leihen können. Dies ist der Ausgangszinssatz für die kurzfristige Kreditlinie.
Die Marge bzw. der Aufschlag ist von der finanziellen Stabilität bzw. der finanziellen Situation des Unternehmens abhängig.
Zum Beispiel könnte der Aufschlag bei einem NFD / EBITDA Ratio von 1,0 ca. 50 Basispunkte, also 0,5% betragen. Liegt das Leverage Ratio weit darüber, z.B. bei 2,0, dann wird ein entsprechender Aufschlag berücksichtigt. Dabei ist das Rating bzw. der Aufschlag auch abhängig vom Geschäftsmodell.
Der Trick dabei ist, dass dieser Aufschlag variabel ist, d.h. die Bank kann für die kurzfristigen Kreditlinien den Zinssatz flexibel nach oben anpassen, sollte sich die finanzielle Lage des Unternehmens einmal verschlechtern. Hier greift also im Gegensatz zum längerfristigen Kredit ein etwas anderes Risikomanagement.
Der Begriff Kreditlinie sagt es außerdem schon so etwas. Der Kredit wird nur bei Bedarf ausgeschöpft und soll – sobald in Anspruch genommen – eine Laufzeit von mindestens 3 Monaten haben.
Für alles was eine kürzere Laufzeit hat, wird typischerweise ein Kontokorrentkredit vereinbart. D.h. konkret: Aus der gesamten Kreditlinie wird ein gewisser Teil (in vielen Fällen ein Viertel bis vielleicht ein Drittel) direkt als sofort verfügbarer Überziehungskredit zur Verfügung gestellt.
Langfristige Kredite
Langfristige Kredite, also Kredite mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr, enthalten wie gesagt typischerweise Financial Covenants wie die Zinsdeckung oder das Net Debt / EBITDA Ratio.
Allerdings gibt es auch hier noch ein paar weitere Besonderheiten mit denen die Banken ihre Risiken steuern. Zum Beispiel können Banken abhängig vom Geschäftsmodell eine jährliche Mindesttilgung verlangen.
Gerade bei Projektfinanzierungen oder Übernahmen wird oft direkt eine Tilgung über einen gewissen Zeitraum vereinbart. Über die Zeit findet dann die Umwandlung in eine typische “Corporate” Finanzierung statt. Dann funktioniert das Ganze dann wieder über Zinszahlungen und Refinanzierung vor Ende der Laufzeit.
Fazit
Um das Insolvenzrisiko der Unternehmen zu begrenzen, legen die kreditgebenden Banken in den Kreditverträgen Grenzwerte für verschiedene Leverage Ratios wie die Zinsdeckung oder das Gearing fest. Diese so genannten Financial Covenants stellen einen starken Kontrollmechanismus dar, weil die Banken bei einem Überschreiten (oder Unterschreiten, je nach Definition) der Covenants das Recht haben, die ausstehenden Kreditbeträge unmittelbar zurückzufordern.
Wir als Value Investoren sind also gut beraten, im Rahmen unserer Aktienanalyse auch einen Blick auf die Financial Covenants bzw. die Leverage Ratios des Unternehmens zu werfen, um das Finanzrisiko bzw. die finanzielle Lage des Unternehmens einzuschätzen.