Predictability Rank: Ein Indikator für die Stabilität des Gewinns

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Predictability Rank - Stabilität des Gewinns

In einem meiner letzten Beiträge bin ich auf die Berechnung des CAGR (der Compound Annual Growth Rate) eingegangen. Dabei handelt es sich um die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate einer beliebigen Kennzahl, z.B. des Gewinns oder der Dividende. Leider ist es aber so, dass der CAGR bzw. die Wachstumsrate sehr stark vom gewählten Anfangs- und Endpunkt einer Zeitreihe abhängt. Eine hohe Wachstumsrate liefert uns deshalb sozusagen nur eine notwendige Bedingung für die Aktienauswahl, ist aber nicht hinreichend. Zur weiteren Erhärtung benötigen wir eine weitere Kennzahl, die uns sagt, wie die Zwischenjahre verlaufen sind: die Vorhersagbarkeit / Stabilität des Gewinns bzw. besser die Stabilität des Gewinnwachstums (Gurufocus macht daraus den so genannten Predictability Rank und vergibt einen bis fünf Sterne).

In diesem Artikel möchte ich einmal eine Berechnungslogik für die Gewinnstabilität bzw. den Predictability Rank vorstellen.


Ausgangspunkt: Gewinnwachstum als Kennzahl ist nicht aussagekräftig genug

Zum Thema Gewinnwachstum als Kennzahl habe ich ja im Artikel zur CAGR-Berechnung bereits einiges geschrieben. Ich denke die Kernbotschaft ist folgende:

Die Wachstumsrate allein (z.B. als Bestandteil eines Screeners) reicht zur Bewertung des Wachstumspotenzials eines Unternehmens nicht aus, weil die durchschnittliche Wachstumsrate maßgeblich von der Wahl des Anfangs- und Endpunktes der Berechnung abhängt.

Dieser Umstand wird glaube ich ganz gut anhand der folgenden Grafik illustriert (kennt ihr vielleicht noch aus dem Artikel zur Berechnung des CAGR):

Gewinnstabilität - Stabilität des Gewinns

Wie ihr seht, weisen beide der oben dargestellten fiktiven Unternehmen die gleiche Wachstumsrate des Gewinns je Aktie auf. Allerdings ist das links dargestellte Unternehmen eines mit einer sehr stabilen Entwicklung (also einer hohen Gewinnstabilität), das rechte eher ein Zykliker.

Diese unterschiedlichen Gewinnentwicklungen haben natürlich einen direkten Einfluss auf den intrinsischen Wert.


Gewinnstabilität, Risiko und Wert

Um einen Zusammenhang zwischen der Stabilität des Gewinns und dem intrinsischen Wert eines Unternehmens herzustellen, schauen wir uns ein vereinfachtes, einstufiges DCF- / Discounted Cash Flow-Modell auf Basis des FCFE oder der Owner Earnings an:

Wert pro Aktie heute = Erwarteter Cash Flow pro Aktie im nächsten Jahr / (Eigenkapitalkosten – Erwartete Wachstumsrate)

Die Höhe der Eigenkapitalkosten hängt dabei direkt mit unserer Einschätzung des Investment-Risikos des Unternehmens zusammen. Wenn wir also ein Unternehmen vor uns haben, das in den letzten 10 Jahren seine Gewinne kontinuierlich gesteigert hat, dann schätzen wir dieses vermutlich als weniger risikoreich ein, als ein Unternehmen, welches eine sehr volatile Gewinnentwicklung gezeigt hat und in einer zyklischen Industrie beheimatet ist. Da ein niedrigeres Investitionsrisiko in der Regel niedrigere Kapitalkosten bedeutet, führt das Ganze zu einem höheren intrinsischen Wert.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es hier natürlich einen gewissen Trade-Off gibt. Unternehmen mit einer hohen Vorhersagbarkeit des Gewinns (einem hohen Predictability Rank) sind in der Regel bereits etablierte Firmen in einer reifen Industrie, die tendenziell ein etwas niedrigeres Wachstum zeigen.


Was die Gurus zum Thema sagen

Wenn ihr mal im Netz nach Artikeln zur Stabilität des Gewinns sucht, dann sind die Resultate erstmal recht überschaubar. Was allerdings nicht heißt, dass sich die Top-Investoren über dieses Thema noch nicht den Kopf zerbrochen hätten… im Gegenteil.

Ben Graham hat z.B. in seiner 10 Punkte-Checkliste eine Anforderung formuliert, die quasi genau zum Thema Gewinnstabilität passt: Eins seiner Kriterien für die Aktienauswahl besagt, dass ein Unternehmen ein stabiles Gewinnwachstum über die letzten 10 Jahre aufweisen müsse (maximal zwei Gewinnrückgänge von 5% oder mehr sind erlaubt).

Graham hat sich allerdings damals nicht mit der konkreten Berechnung der Stabilität des Gewinns auseinandergesetzt, sondern sich im Wesentlichen die Entwicklungen einfach angesehen und darauf basierend eine Einschätzung getroffen… was natürlich im Grunde genommen auch super funktioniert.

Manche der bekannten Finanzwebseiten sind da schon etwas weiter. Auf Gurufocus.com z.B. gibt es zu jeder Aktie den so genannten Predictability Rank (eine 1- bis 5-Sterne-Bewertung), der eine Aussage genau zur Gewinnstabilität bzw. zur Vorhersagbarkeit des Gewinns macht. Wenn ihr euch die Seite zur Beschreibung des Predictability Rank einmal anschaut, dann werdet ihr feststellen, dass es sich dabei um die gleiche Logik handelt, die ich gleich beschreiben werde… nur dass die konkrete Berechnung nicht erläutert wird. 🙂


Die Stabilität des Gewinns als Kennzahl

Wenn es um die Bewertung der Stabilität des Gewinnwachstums geht, haben wir grundsätzlich mehrere Möglichkeiten:

  1. wir können die Stabilität des Gewinns bzw. die Stabilität des Gewinnwachstums wie Ben Graham anhand einer grafischen Darstellung ablesen und eine Einschätzung treffen
  2. wir können die Korrelation mit dem idealtypischen Verlauf der Gewinnentwicklung ermitteln. Ist diese gleich 1, dann entspricht die reale Wachstumsrate in den Zwischenjahren exakt dem CAGR. Je niedriger die Korrelation, desto volatiler ist auch die Gewinnentwicklung verlaufen

Vorteil der Option 2: Wir könnten die Gewinnstabilität als quantitative Kennzahl mathematisch ermitteln und z.B. auch im Rahmen von Aktienscreenern verwenden, ohne grafisch aufbereitet die gesamte Zeitreihe vor uns haben zu müssen. Die angesprochene Korrelation bzw. den Korrelationskoeffizienten können wir außerdem ganz einfach mithilfe einer (linearen) Regressionsanalyse bestimmen.

Der eigentliche Sinn und Zweck einer Regressionsanalyse besteht ja darin, herauszufinden, ob die Entwicklung einer Kennzahl Y (abhängige Variable) von der Entwicklung einer Kennzahl X (unabhängige Variable) abhängt. Z.B. sollte ja die Anzahl verkaufter Regenschirme irgendwie von der Anzahl an Regentagen oder der gesamten Regenmenge in einer Region abhängen (d.h. mit ihr korrelieren).

Diese Logik greift für unseren Anwendungsfall natürlich nicht. Trotzdem können wir das Konzept in identischer Weise nutzen. Um nun nämlich eine Kennzahl für die Stabilität des Gewinns bzw. die Stabilität des Gewinnwachstums mithilfe einer Regressionsanalyse abzuleiten, müssen wir einfach folgendes definieren:

  • der idealtypischen Verlauf der Gewinnentwicklung (also der Gewinn wächst jedes Jahr mit der gleichen durchschnittlichen Wachstumsrate) ist die unabhängige Variable (also X)
  • die real beobachtete Gewinnentwicklung ist die abhängige Variable (also Y)
Das Konzept funktioniert übrigens gleichermaßen für Umsatz, Gewinn und Dividende.

4 fiktive Szenarien

Um die Logik zu illustrieren, schauen wir uns einmal 4 fiktive Szenarien an. Im Szenario 0 entspricht die reale Entwicklung genau dem idealtypischen Verlauf der Geraden. In den anderen Szenarien wächst der Gewinn in den ersten Jahren mal etwas schneller und mal etwas langsamer, als in der perfekten Welt:

Falls ihr den Verlauf anhand der obigen Tabelle nicht so gut nachvollziehen könnt, dann schaut mal auf die folgende Grafik. Hier sind nochmal alle Szenarien in unterschiedlichen Farben sowie das Szenario 0 als Gerade dargestellt (lasst euch aber durch die Gerade aber nicht verwirren… es handelt sich dabei nicht um die Regressionsgerade bzw. Trendlinie. Die wird im Rahmen der Analyse durch die Punkte gelegt).

Wir ihr sehen könnt, weichen die Zahlen im Szenario 3 am weitesten von der CAGR-Linie ab. In diesem Szenario wird der Gewinn in einem Jahr sogar mal negativ. Dies ist gleichzeitig auch das Szenario, welches die geringste Stabilität des Gewinns aufweist und für welches wir die geringste Korrelation mit dem idealtypischen Gewinnverlauf erwarten würden.

Am Ende wird natürlich die Stabilität des Gewinns bzw. der Predictability Rank umso höher sein, je besser die reale Gewinnentwicklung den idealtypischen Gewinnverlauf trifft.

Wie berechnen wir nun die Stabilität des Gewinns? Dazu schauen wir uns als Erstes die Berechnungsformel für den Korrelationskoeffizienten an:

Auf die Details zum Zustandekommen der Formel und zur Regressionsanalyse im Allgemeinen gehe ich hier nicht weiter im Detail ein. Im Netz gibt es denke ich genug Ressourcen zu dem Thema (z.B. hier).

Wir müssen also nichts weiter tun, als

  • die Mittelwerte der jeweiligen X- und Y-Werte ausrechnen
  • für jeden X- und Y-Wert die Differenz zum Mittelwert bestimmen
  • die erhaltenen Werte entsprechend der obigen Formel aufsummieren, ausmultiplizieren und den Korrelationskoeffizienten r berechnen

In Excel lässt sich das Ganze recht einfach umsetzen. Für die 4 fiktiven Szenarien kommt dann folgendes heraus:

Wie ihr sehen könnt, ist die Korrelation mit der idealtypischen Gewinnentwicklung im Szenario 0 gleich 1, im am stärksten von der idealtypischen Gewinnentwicklung abweichenden Szenario (Szenario 3) nur gleich 0,6 bzw. wenn wir das Bestimmtheitsmaß r2 ansehen gleich 0,36.


Predictability Rank

Wir haben also nun verstanden, wie wir die Korrelation ermitteln können. Die Frage, die sich allerdings noch stellt, lautet: Was ist nun ein guter Wert und was ein nicht so guter?

In diesem Zusammenhang macht es Sinn, zunächst mal die möglichen Ergebnisse anzusehen. Grundsätzlich kann die Korrelation irgendwo zwischen -1 und +1 liegen, wobei +1 einen mit konstanter Wachstumsrate ansteigenden und -1 einen mit konstanter Wachstumsrate fallenden Gewinnverlauf kennzeichnet.

In den vorgestellten Beispielen würde ich sogar das Szenario 1 (die orangenen Punkte in der Grafik) in puncto Predictability Rank bereits als grenzwertig betrachten. Aus diesem Grund würde ich den Grenzwert für ein 5-Sterne-Ranking auch irgendwo knapp oberhalb eines R2 von 0,9 ziehen. Der Aktienfinder nutzt einen Grenzwert von 0,8, wobei ich nicht genau sagen kann, inwieweit die Berechnungslogik von der hier vorgestellten abweicht.

Die Anzahl an Datenpunkten spielt ebenfalls eine Rolle für die Aussagekraft der Kennzahl. Extrembeispiel: Bei nur zwei Datenpunkten auf einer Zeitreihe wird die Korrelation immer gleich 1 sein. Idealerweise schauen wir uns hier also einen Zeitraum von mindestens 7-10 Jahren an.

Weitere Ãœberlegungen: Steigende Wachstumsrate

Im Zusammenspiel mit der durchschnittlichen Wachstumsrate liefert der Predictability Rank bzw. die Kennzahl zur Stabilität des Gewinns im Rahmen eines Screening-Prozesses vermutlich eine Liste mit relativ reifen und sehr stabilen Unternehmen (wenn wir denn die Kriterien entsprechend eingestellt haben).

Firmen mit exponentiellem Wachstum – die für uns ja ggf. sogar noch interessanter sind – werden dabei aufgrund des etwas niedrigeren Predictability Ranks vermutlich herausgefiltert. Dies sollte uns auch bei der Nutzung des Predictability Ranks auf Gurufocus.com bewusst sein… im Zweifel also doch besser das Chart nochmal anschauen. 🙂


Fazit

Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate des Gewinns (der CAGR des Gewinns) allein reicht als Kennzahl nicht aus, um die Gewinnentwicklung ausreichend zu beschreiben, da das Ergebnis sehr stark von der Wahl des Anfangs- und des Endpunktes für die Berechnung abhängt.

Aus diesem Grund schauen Investoren in der Regel auch auf die Entwicklung in den Zwischenjahren, um die Stabilität der Gewinnentwicklung bewerten zu können.

Die Webseite Gurufocus z.B. hat dafür eine Kennzahl, den so genannten Predictability Rank, eingeführt. Dabei handelt es sich um nichts anderes, als die Korrelation zwischen dem idealtypischen Verlauf der Gewinnentwicklung (der Gewinn entwickelt sich komplett linear vom Anfangs- zum Endpunkt) und den realen Werten… und das umgesetzt in ein Ranking von 1 bis 5 Sternen.

Die Stabilität des Gewinns bzw. den Predictability Rank können wir also ganz einfach mithilfe einer Regressionsanalyse bestimmen.

Was meint ihr zum Predicatbility Rank bzw. zur Stabilität des Gewinns? Ist euch vielleicht sogar eine andere/alternative Berechnungsmethodik bekannt? Kommentiert einfach unten.

4 Kommentare zu „Predictability Rank: Ein Indikator für die Stabilität des Gewinns“

  1. Hallo Axel,
    sehr gut hast du in den beiden Artikeln Steigerungsrate und Korrelation erklärt. Ich bezeichne die Suche nach guten Aktien mit Hilfe dieser Logik als “Correlation-Growth-Model”.

    R2 nutze ich nicht, weil da die Information verloren geht, ob es sich um eine negative oder positive Korrelation handelt. Bzgl. Grenze 0.8 im Aktienfinder. Grenzen sind immer irgendwo willkürlich gesetzt. Deshalb finde ich es auch sehr hilfreich, wenn man zusätzlich zur Zahl auch den Chart des Gewinnverlaufs sieht.

    Man könnte sogar argumentieren, dass es von den Daten abhängt, wann eine Korrelation “gut” ist. Bilanzierte Gewinne neigen z.B. mehr zu Ausreißern als der operative Cash-Flow. Also könnte man für den OCF eine höhere Korrelation erwarten. Aber das sind schon recht theoretische Ãœberlegungen.

    Lieben Gruß;

    Torsten

    P.S.: Und jetzt hoffen, dass das Kommentarsystem funktioniert.

  2. Ich kann doch auch einfach für 5 Jahre die CAGR und dazu das arithmetische Mittel der Steigerungsrate berechnen – je stärker beides übereinstimmt, umso konstanter die Gewinnentwicklung?
    Klingt für mich zumindest nach weniger komplizierter Rechnerei 🙂 Oder macht`s keinen Sinn?

    Super Artikel, danke für deinen Content!

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