Obwohl der EBITDA (oder das EBITDA?), also der Gewinn vor der Berücksichtigung von Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Amortisation nicht offiziell im Rahmen der Rechnungslegungsgrundsätze (GAAP) verwendet wird, ist der EBITDA weltweit eine der am weitesten verbreiteten Finanzkennzahlen. Besonders oft wird der EBITDA als Annäherung für den operativen Cash Flow und als Bewertungsmetrik im Rahmen des EV/EBITDA Bewertungsansatzes oder der SOTP-Bewertung verwendet. Darüber hinaus soll das Weglassen der „nicht operativen“ Aufwendungen – so die Theorie – eine bessere Analyse der operativen bzw. “intrinsischen” Profitabilität eines Unternehmens ermöglichen.
In diesem Artikel möchte ich einmal auf die positiven und negativen Aspekte des EBITDA als Cash Flow-Proxy, als Bewertungskennzahl und als Maß für die operative Performance eingehen.
Definition des EBITDA
Wie gesagt handelt es sich beim EBITDA um ein Non-GAAP Measure. Das heißt eigentlich nichts anderes, als dass der EBITDA in der typischen Gewinn- und Verlustrechnung eigentlich gar nicht vorkommt. Nach IFRS und US-GAAP sind die Abschreibungen (und die Amortisation) in der GuV bereits Bestandteil der Umsatzkosten (Costs of Goods Sold) und werden deshalb gar nicht explizit ausgewiesen.
Hier einmal zum besseren Verständnis eine vereinfachte Gegenüberstellung von offizieller GAAP-Logik und Non-GAAP Struktur inkl. des EBITDA:
Wie ihr sehen könnt, passt der EBITDA gar nicht in die Standardstruktur der GuV, weil einerseits Abschreibungen noch nicht berücksichtigt, andererseits aber die so genannten Zentralkosten (also SG&A, R&D etc.) bereits abgezogen sind.
Obwohl es sich also um eine Non-GAAP Kennzahl handelt, wird der EBITDA heutzutage von vielen Unternehmen vor allem in Investorpräsentationen als Steuerungsgröße und als Kennzahl für die operative Performance angegeben.
Ein wesentliches Argument für die Nutzung des EBITDA ist dabei, dass es sich um eine “saubere” Rentabilitätskennzahl ohne Verzerrungen durch Rechnungslegungsgrundsätze (Abschreibungsdauer etc.), Kapitalstruktur und Steuergesetzgebung handelt. Der EBITDA konzentriert sich ausschließlich auf die Umsatzkosten sowie die operativen Betriebskosten wie Vertriebs- und Marketingkosten, allgemeine Verwaltungskosten und Kosten für Forschung und Entwicklung.
Ursprung des EBITDA
Das Konzept des EBITDA wurde zum ersten Mal von John Malone, damals CEO von TCI (Tele-Communications Inc.) und später Gründer von Liberty Media angewandt. Anstatt nämlich den damals an der Wall Street üblichen Gewinn je Aktie (EPS) zu verwenden, legte Malone in der Kommunikation mit seinen Investoren den Fokus auf den Cash Flow. Der EBITDA als Kennzahl war i.W. ein Nebenprodukt dieser Logik.
In The Outsiders (solltet ihr übrigens unbedingt lesen) schreibt William Thorndike über John Malone und TCI:
To Malone, higher net income meant higher taxes, and he believed that the best strategy for a cable company was to use all available tools to minimize reported earnings and taxes and fund internal growth and acquisitions with pretax cash flow.
Malone war der Meinung, dass der Gewinn je Aktie die Skalierbarkeit des Geschäftsmodells eines Kabelnetzbetreibers wie TCI nicht richtig widerspiegelte bzw. die falsche Steuerungsgröße darstellte. Eine Maximierung des EPS hätte nämlich das Wachstum eingeschränkt und damit dazu geführt, dass die für das Business als Werttreiber so wichtigen Skaleneffekte nicht entsprechend realisiert hätten werden können.
Klarman, Munger, Buffett: Kritik am EBITDA
Obwohl der EBITDA in der Unternehmenswelt weit verbreitet ist, gibt es einige schwergewichtige Kritiker der Kennzahl. Unter anderem haben Seth Klarman, Charlie Munger und auch Warren Buffett Kritik an der Nutzung des EBITDA geäußert.
Im Berkshire Hathaway Shareholder Letter des Jahres 2000 formulierte Buffett es so:
References to EBITDA make us shudder – does management think the tooth fairy pays for capital expenditures?
Und dann nochmal in 2002:
Trumpeting EBITDA (earnings before interest, taxes, depreciation and amortization) is a particularly pernicious practice. Doing so implies that depreciation is not truly an expense, given that it is a “non-cash” charge. That’s nonsense. In truth depreciation is a particularly unattractive expense because the cash outlay it represents is paid up front, before the asset acquired has delivered any benefits to the business.
Und in 2014:
Depreciation charges, we want to emphasize, are different: Every dime of depreciation expense we report is a real cost. That’s true, moreover, at most other companies. When CEOs tout EBITDA as a valuation guide, wire them up for a polygraph test.
Wie aus den Kommentaren recht deutlich wird, bezieht sich Buffett’s Hauptkritik darauf, dass das Konzept des EBITDA wesentliche operative Kosten, namentlich die Abschreibungen bzw. die Instandhaltungsinvestitionen (Maintenance CapEx), unberücksichtigt lässt.
“Adjusted” EBITDA
Eine weitere Ursache für die Kritik von Warren Buffett, Charlie Munger und Co. ist mit Sicherheit aber auch die Tatsache, dass viele Unternehmen ihre eigene Definition des EBITDA verwenden… meistens eine Definition die – vorsichtig ausgedrückt – die Zahlen etwas vorteilhafter aussehen lässt.
Hier z.B. einmal die Definition des “Adjusted” EBITDA von Twitter:
We define Adjusted EBITDA as net loss adjusted to exclude stock-based compensation expense, depreciation and amortization expense, interest and other expenses and provision (benefit) for income taxes.
Neben den bereits erörterten Abschreibungen wird hier also zusätzlich noch die Aktien-basierte Vergütung i.H.v. >600 Mio. USD herausgerechnet (wobei wir diese im Cash Flow natürlich auch nicht sehen würden, da es sich nicht um eine zahlungswirksame Aufwendung handelt). Wer aber Buffett’s Ausführungen zum Thema Owner Earnings gelesen hat, der weiß, dass Buffett Aktien-basierte Vergütungen wie reale Kosten behandelt, auch wenn es – erstmal – keinen zugehörigen Barmittelabfluss gibt.
Die Restaurantkette Shake Shack definiert den EBITDA beispielsweise vor Berücksichtigung der zentralen Verwaltungskosten (General & Administrative expenses). Der Grund hierfür ist der Fokus auf die durchschnittliche Profitabilität auf Restaurant-Ebene, also sozusagen eine Betrachtung der Unit Economics.
Use Cases für den EBITDA
“Saubere” operative Performance?
In Bezug auf den EBITDA als Kennzahl für die operative Performance hat Buffett die Problematik hinsichtlich der Nichtberücksichtigung von Abschreibungen bzw. Investitionen ja recht gut beschrieben. Darüber hinaus gibt es aber auch noch weitere Aufwendungen, die wir uns ansehen sollten, insbesondere die Fremdkapitalzinsen und die Steuerzahlungen.
Fangen wir aber zunächst einmal mit den Abschreibungen an: Die Kosten einer in der Vergangenheit getätigten Investition werden über die voraussichtliche Nutzungsdauer des erworbenen Vermögenswertes verteilt und in der GuV als Abschreibungen ausgewiesen bzw. berücksichtigt. Die ursprüngliche Investition kann dabei aus mehreren Gründen getätigt worden sein:
- Um vorhandene Produktionsanlagen bzw. Vermögenswerte Instand zu halten (Maintenance CapEx) oder mit dem Ziel eines stabilen Outputs zu ersetzen
- Ggf. um regulatorischen Auflagen nachzukommen (z.B. verpflichtender Einbau eines Luftfilters in die Produktionsanlagen)
- Um mithilfe neuer Vermögenswerte weiteres Wachstum zu generieren (Growth CapEx)
Wie ihr anhand dieser Aufzählung vielleicht bereits vermutet, können wir aus meiner Sicht nicht zwangsläufig der Buffett’schen Logik folgen, denn signifikante Investitionen in das Umsatz- und Gewinnwachstum (wie sie auch Malone’s TCI damals getätigt hat) würden die operative Performance natürlich ggf. um einiges schlechter aussehen lassen, als sie tatsächlich ist.
Auf der anderen Seite kann eine Nichtberücksichtigung von Instandhaltungsinvestitionen bzw. resultierenden Abschreibungen (wenn sich die Preise nicht stark verändert haben, sollten Invest und Abschreibung ja ungefähr die gleiche Größenordnung haben) gerade für Unternehmen in kapitalintensiven Branchen die operative Performance stark verzerren. Bei einem größeren Rohstoffunternehmen können z.B. schonmal 50% des EBITDA allein für die Instandhaltungsinvestitionen draufgehen.
Schlussfolgerung: Bzgl. der Berücksichtigung von CapEx bzw. Abschreibungen in einer operativen Performance-Kennzahl wie dem EBITDA gibt es nicht schwarz oder weiß! Aber zwei Guidelines:
- Der operative Gewinn sollte idealerweise vor Berücksichtigung der Wachstumsinvestitionen betrachtet werden (das Argument von Malone)
- Instandhaltunginvestitionen nicht zu berücksichtigen kann je nach Industrie die operative Performance stark verzerren (i.W. das Argument von Buffett)
Fremdkapitalzinsen und Steuern sind insofern als nicht-operativ anzusehen, als dass sie keinen Einfluss auf die operative Effizienz haben… also die Fähigkeit eines Unternehmens, mithilfe der vorhandenen Vermögenswerte Umsätze und Gewinne zu generieren. Aus meiner Sicht ist es deshalb richtig, diese Aufwendungen mit Blick auf die operative Performance unberücksichtigt zu lassen. Im Rahmen der Vorhersage der Financials bzw. der Unternehmensbewertung sollten wir uns diese Positionen aber in jedem Fall ansehen.
EBITDA als Cash Flow-Proxy?
Ein weiterer häufig angeführter Grund für die Verwendung des EBITDA ist die Ähnlichkeit zum operativen Cash Flow. Der EBITDA wird daher oft als Proxy (als Annäherung) für den operativen Cash Flow – wohlgemerkt vor Steuern – verwendet. Speziell für kleinere Unternehmen (Retailer, Restaurantketten, Dienstleister) mit kurzer Unternehmenshistorie sollte der EBITDA in einem bestimmten Jahr den operativen Cash Flow einigermaßen genau approximieren.
Neben den Steuern haben Unterschiede zwischen EBITDA und operativem Cash Flow vor allem zwei Ursachen:
- Veränderungen des Net Working Capital, also der Forderungen bzw. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen sowie der Lagerbestände
- Andere nicht-zahlungswirksame Aufwendungen wie Aktien-basierte Vergütung, die im EBITDA bereits als Aufwand enthalten sind
Wenn es uns um die Einschätzung des aktuellen Niveaus des operativen Cash Flows geht, dann können wir die Änderung des Net Working Capital ggf. erstmal vernachlässigen, denn zusätzliches Working Capital sollte eigentlich nur für weiteres Wachstum benötigt werden (und verzerrt analog zum Growth CapEx also die operative Performance).
Grundsätzlich sollte der EBITDA demnach eine recht gute Approximierung des operativen Cash Flows darstellen. Im Zweifel sollten wir aber vorab nochmal im Einzelfall analysieren, wie groß die Unterschiede zwischen EBITDA und operativem Cash Flow tatsächlich sind und wo die diese herkommen.
Analog zum Owner Earnings Ansatz von Warren Buffett muss es außerdem nicht unbedingt richtig sein, alle nicht-zahlungswirksamen Aufwendungen wieder zum Gewinn hinzuzuaddieren (die Aktien-basierte Vergütung z.B. sieht Buffett als reale Kosten an, auch wenn sie erstmal keinen Zahlungsmittelabfluss nach sich ziehen. Bezogen auf diese Position wäre also der EBITDA sogar eine bessere Kennzahl als der operative Cash Flow).
EBITDA als Bewertungskennzahl?
Laut der Hypothese von Seth Klarman wurde das EV/EBITDA Multiple in den 1980er Jahren als Bewertungsmethode nur eingeführt, um die damals vorherrschenden hohen Übernahmepreise rechtfertigen zu können (Seth Klarman ist übrigens Gründer und CEO des Hedge Fonds Baupost Group und Autor des bekannten Value Investing Buches Margin of Safety).
Seiner Meinung nach überschätzt das EBITDA den Cashflow, da nicht alle nicht zahlungswirksamen Erträge und Aufwendungen sowie Änderungen des Net Working Capital berücksichtigt werden… dass Klarman damit richtig liegt, haben wir ja oben bereits gesehen.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang also vor allem, dass wir im Falle der Nutzung eines EV/EBITDA Multiples den Referenzwert richtig wählen. Das heißt im Klartext: Das faire EV/EBITDA Multiple sollte für ein Unternehmen aus einer kapitalintensiven Branche (also z.B. einen Auto OEM oder ein Bergbauunternehmen) um einiges niedriger sein, als für ein Unternehmen ohne hohen Kapitalbedarf (z.B. facebook).
Wobei sich dann allerdings direkt die Frage stellt, warum wir nicht direkt auf das EBIT Multiple oder eine andere Bewertungsmethode zurückgreifen!?
Andererseits können wir in bestimmten Fällen auf die Nutzung eines EBITDA Multiples (also des EV/EBITDA Multiples) gar nicht verzichten. Wenn wir z.B. eine Sum-of-the-Parts Bewertung (SOTP) durchführen möchten und das Unternehmen auf Business Unit Ebene nur den EBITDA veröffentlicht, dann stellt eine Bewertung der einzelnen Businesses auf Basis des EBITDA Multiples im Zweifel die beste Möglichkeit dar. Darüber hinaus werden alle weiteren Kosten (Abschreibungen bzw. CapEx, Zentralkosten etc.) in der Folge ja entsprechend berücksichtigt und zum Abzug gebracht.
So nutzen wir den EBITDA am besten
Nach der Darstellung der zahlreichen Vor- und Nachteile des EBITDA stellt sich nun die Frage, wie wir den EBITDA im Rahmen unserer Unternehmensanalyse bzw. unserer Bewertung am besten nutzen (wenn überhaupt).
Meine Argumentation für die Nutzung des EBITDA basiert hier im Wesentlichen auf der Disaggregation der verschiedenen Werttreiber.
Als Ausgangspunkt für die Unternehmensbewertung nutze ich deshalb oft so etwas wie den EBITDA (bzw. die EBITDA-Marge) als Proxy für die operative Performance bzw. den operativen Cash Flow, wobei ich die aus meiner Sicht relevanten Unterschiede zwischen EBITDA und OCF bereits entsprechend korrigiere (Aktien-basierte Vergütung bleibt drin, latente Steuern werden ggf. korrigiert usw.).
Nennt ein Unternehmen eine EBITDA-Marge bzw. kommuniziert ein konkretes EBITDA-Ziel, dann stelle ich sicher, dass die Definition des Unternehmens zu meiner eigenen passt bzw. passe entsprechend an.
Im nächsten Schritt schaue ich mir dann die restlichen Kosten wie CapEx und resultierende Abschreibungen, Zinsen, Steuern etc. nochmal analog der vor einiger Zeit vorgestellten Forecast-Logik an. Das heißt auch diese Kosten werden nicht außen vor gelassen.
Habt ihr eine Meinung zum EBITDA? In welchem Zusammenhang nutzt ihr die Kennzahl? kommentiert einfach unten.