Munger und Buffett: 6 Insights zum Thema Capital Allocation

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Buffett und Munger zum Thema Capital Allocation

Vor einiger Zeit hatte ich ja bereits einen Artikel zum Thema Kapitalallokation aus Unternehmenssicht verfasst. In diesem Artikel möchte ich dieser Sicht einmal die Investorenperspektive gegenüberstellen und dabei auf die Weisheiten zweier der bekanntesten Value Investoren zurückgreifen: Charlie Munger und Warren Buffett (Surprise, Surprise).

Wobei: So ganz trennen kann man die Unternehmens- von der Investorensicht bei Munger und Buffett ja eigentlich nicht… wie bereits am ersten Grundsatz deutlich wird.


#1: Capital Allocation – Prio 1 für Unternehmen und Investoren

Starten wir einmal mit einem von Charlie Munger’s aus meiner Sicht wichtigsten Zitaten:

Proper allocation of capital is an investor’s number one job. – Charlie Munger

Die effiziente Zuteilung des verfügbaren Kapitals auf die verschiedenen Investmentoptionen ist nicht nur die wichtigste Aufgabe eines jeden CEOs, sondern auch eines jeden Investors.

Dies ist auch einer der wesentlichen Gründe, warum Buffett und Munger einen fließenden Übergang zwischen den Tätigkeiten eines Investors und denen eines Unternehmenslenkers sehen. Entscheidungen über die Kapitalallokation zu treffen ist der Kern eines jeden Geschäfts.

Michael Mauboussin und Dan Callahan (ehem. von Credit Suisse) liefern eine zwar etwas technische, aber doch sehr zutreffende Beschreibung der Sinnhaftigkeit einer Kapitalallokationsentscheidung:

The net present value (NPV) test is a simple, appropriate, and classic way to determine whether management is living up to this responsibility. Passing the NPV test means that $1 invested in the business is worth more than $1 in the market. This occurs when the present value of the long-term cash flow from an investment exceeds the initial cost. – Michael Mauboussin, Dan Callahan

Hier sind wir wieder bei einem wesentlichen Punkt: Die Rendite auf das investierte Kapital (der Return on Invested Capital) sollte die Kosten eben jenes Kapitals (die Kapitalkosten) übersteigen. Nur in diesem Fall ist eine Investition sinnvoll.

Allerdings ist das noch nicht zwangsläufig ausreichend, denn es gilt außerdem, die attraktivsten unter diesen sinnvollen Investitionen zu identifizieren. Letztendlich geht es ja darum, den Wert des Unternehmens / einer Aktie langfristig zu steigern bzw. in Unternehmen / Aktien zu investieren, die genau dies tun. Buffett drückt es so aus:

In allocating Berkshire’s capital, we ask three questions: Should we keep the capital or pay it out to shareholders? If pay it out, then you have to decide whether to repurchase shares or issue a dividend. – Warren Buffett

#2: Fokus auf Unternehmen, die zu hohen Kapitalrenditen reinvestieren

It’s obvious that if a company generates high returns on capital and reinvests at high returns, it will do well. But this wouldn’t sell books, so there’s a lot of twaddle and fuzzy concepts that have been introduced that don’t add much. – Charlie Munger

Wie man diesem Zitat von Charlie Munger entnehmen kann, ist er nicht unbedingt ein Fan von komplexen akademischen Ansätzen, wenn es auch einfache und eingängige Erklärungen gibt.

Aus seiner Sicht lässt sich der wesentliche für Investoren relevante ökonomische Zusammenhang auf einen einzigen Satz reduzieren: Ein Unternehmen, welches hohe Returns auf sein eingesetztes Kapital erzielt und diese Returns außerdem zu einer hohen Kapitalrendite reinvestieren kann, wird gut performen. Punkt.

Allerdings wird auch das Unternehmen mit dem attraktivsten Geschäftsmodell höchstwahrscheinlich irgendwann ein Plateau erreichen und die Investoren werden sich entweder mit geringeren Wachstumsraten oder aber mit einem Abschmelzen der Kapitalrenditen über die Zeit, z.B. aufgrund von Reinvestitionen in zunehmend unattraktive Geschäftsfelder, zufrieden geben müssen:

Finding a single investment that will return 20% per year for 40 years tends to happen only in dreamland. – Charlie Munger

#3: Investieren in Manager mit guten Capital Allocation Skills

Ein wesentliches Problem, das sowohl Buffett als auch Munger im Hinblick auf effiziente Allokationsentscheidungen in Unternehmen sehen, ist die Tatsache, dass viele CEOs – jedenfalls zu Beginn ihrer Tätigkeit an der Unternehmensspitze – nicht über solide Kenntnisse in Bezug auf die Kapitalallokation verfügen. Buffett hat dazu einmal geschrieben:

Most bosses rise to the top because they have excelled in an area such as marketing, production, engineering, administration or, sometimes, institutional politics. – Warren Buffett

Kommt jemand aus dem Vertrieb oder aus einer technischen Rolle, dann hatte er oder sie vermutlich bisher tatsächlich nur wenige Berührungspunkte mit dem Thema Capital Allocation.

Handelt es sich beim CEO allerdings noch um den ursprünglichen Unternehmensgründer oder hat der CEO in der Vergangenheit eine größere Business Unit geleitet (und in diesem Kontext bereits mit Allokationsentscheidungen zu tun), dann relativiert sich die Aussage unter Umständen.

Gerade aus diesem Grund ist ein Verständnis hinsichtlich der Historie und Erfahrungen des Managements ein wesentliches Kriterium bei der Analyse eines möglichen Investments. Denn ohne effiziente Kapitalallokation kein nachhaltig profitables (heißt wertsteigerndes) Wachstum.


#4: Free Cash Flow versus hohe Reinvestments

There are two kinds of businesses: The first earns 12%, and you can take it out at the end of the year. The second earns 12%, but all the excess cash must be reinvested — there’s never any cash. It reminds me of the guy who looks at all of his equipment and says, ‘There’s all of my profit.’ We hate that kind of business. – Charlie Munger

Charlie Munger präferiert Unternehmen mit einem stabilen freien Cash Flow gegenüber solchen, die zwar einen Buchgewinn ausweisen, die gesamten überschüssigen Barmittel aber regemäßig wieder ins Geschäft reinvestieren müssen, nur um das aktuelle Umsatz- und Gewinnniveau mehr oder weniger stabil zu halten.

Bei letztgenannten Unternehmen übersteigt der aktuelle Maintenance CapEx typischerweise die historischen Abschreibungen, was zu Abweichungen zwischen Buchgewinn und Cash Flow führt. Grund für eine solche Situation könnte unter anderem eine Kosteninflation über die Zeit bei gleichzeitig hoher Wettbewerbsintensität (d.h. unter Umständen ohne Möglichkeit der Weitergabe von Kostensteigerungen an Markt bzw. Kunden) sein.

Warren Buffett spricht deshalb öfter über den Owner Earnings Ansatz, wo er eine Anpassung der tatsächlichen Investitionen (bzw. der Abschreibungen… je nachdem wie man rechnet) auf die nachhaltig erforderlichen Instandhaltungsinvestitionen vornimmt.

Interest and taxes are real expenses. Depreciation is the worst kind of expense: You buy an asset first and then pay a deduction, and you don’t get the tax benefit until you start making money. – Warren Buffett

Es gibt darüber hinaus noch andere Fälle, in denen ein Unternehmen zwar einen Buchgewinn ausweist, de facto aber – vor Neuschuldenaufnahme oder Kapitalerhöhung – einen negativen Cash Flow erwirtschaftet: Ein Unternehmen könnte z.B. alle Gewinne (und noch mehr) in weiteres Wachstum reinvestieren, indem es beispielsweise neue Läden, Produktionsstandorte etc. in bisher unerschlossenen Märkten eröffnet. Dies geschieht natürlich in Erwartung höherer Gewinne in der Zukunft.

In diesen Situationen kommt den Unit Economics bzw. der inkrementellen Kapitalrendite eine große Bedeutung zu. Ich gehe nicht davon aus, dass Charlie Munger solche Unternehmen als Investments ebenfalls kategorisch ausschließt.


#5: Innovative Geschäftsmodelle nicht mit attraktiven verwechseln

We’re not going to put huge amounts of new capital into a lousy business. There are all kinds of wonderful new inventions that give you nothing as owners except the opportunity to spend a lot more money in a business that’s still going to be lousy. The money still won’t come to you. All of the advantages from great improvements are going to flow through to the customers. – Charlie Munger

Dieses Zitat von Charlie Munger spiegelt den regelmäßigen Irrtum vieler Investoren wider, dass Unternehmen mit einem sehr innovativen Geschäftsmodell oder Produkt gleichzeitig auch gute Investments darstellen müssen (aktuell sehen wir das insbesondere im Bereich der Technologie- bzw. Digitalunternehmen).

In der Realität ist dies allerdings oft nicht der Fall, weil im Grunde genommen um das Gros dieser Businesses herum kein Burggraben (Moat) existiert.

Viele Geschäftsmodelle haben zwar die Kosten für die Nutzung einer bestimmten Dienstleistung für die Kunden extrem gesenkt (siehe z.B. die Bereitstellung von Finanzdaten an Privatinvestoren), haben es aber gleichzeitig nicht geschafft, sich ausreichend vom Wettbewerb abzuschirmen (keine größeren Wechselbarrieren, Economies of Scale, Netzwerkeffekte etc.).

Die Benefits kommen in vielen Fällen deshalb vor allem den Kunden zu Gute. In der Mikroökonomie würde man sagen, dass die Investitionen in solche Geschäftsmodelle zwar einen hohen gesamtwirtschaftlichen Wert erwirtschaften, dieser aber in Form einer hohen “Konsumentenrente” (also eines hohen Kundennutzens) fast ausschließlich den Kunden bzw. Nutzern zufließt. Die “Produzentenrente” (also der Gewinn für das Unternehmen) hingegen bleibt gering.

Vor der Allokation unseres Kapitals auf solche innovativen Geschäftsmodelle sollten wir also sicher sein, dass die Vorteile auch dem Unternehmen zufließen, es sich also über eine gewisse Preissetzungsmacht (als Resultat eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils) einen signifikanten Anteil der Wertgenerierung (Stichwort: Economic Value Added) sichern kann.


#6: Kapitalkosten, Opportunitätskosten und Hurdle Rate

It’s your alternatives that matter. That’s how we make all of our decisions. The rest of the world has gone off on some kick — there’s even a cost of equity capital. A perfectly amazing mental malfunction. – Charlie Munger
A phrase like cost of capital means different things to different people. We just don’t know how to measure it. Warren’s way of describing it, opportunity cost, is probably right. – Charlie Munger

Anhand dieser beiden Zitate wird ziemlich deutlich, dass Charlie Munger und Warren Buffett in Bezug auf die Capital Allocation nicht auf einen individuellen Vergleich von erwarteten Kapitalrenditen mit den entsprechenden Kapitalkosten setzen, sondern eher die Returns verschiedener Projekte miteinander vergleichen.

Die Hürde für die Umsetzung eines Projekts bzw. das Tätigen eines Investments basieren so zunächst nicht direkt auf den Kapitalkosten, sondern auf der nächstbesten Alternative… deshalb nutzt Buffett vermutlich auch den Begriff Opportunitätskosten als Synonym.

Aus dem folgenden Buffett-Zitat wird die Logik denke ich noch etwas klarer:

The trouble isn’t that we don’t have one [a hurdle rate] – we sort of do – but it interferes with logical comparison. If I know I have something that yields 8% for sure, and something else came along at 7%, I’d reject it instantly. Everything is a function of opportunity cost. – Warren Buffett

Buffett sagt hier im Wesentlichen, dass er zwar eine Hurdle Rate, also eine Art Mindestrendite, im Kopf hat, diese allerdings im Direktvergleich zweier möglicher Investments schnell irrelevant wird. Liegt seine Hurdle Rate beispielsweise bei 6%, dann würde er ein 7%-Investment trotzdem nicht tätigen, wenn er eine sichere Alternative für 8% sieht.

Im Gegensatz zu den typischerweise nach dem CAPM bzw. der WACC-Formel ermittelten Kapitalkosten legt Buffett seinen Managern deshalb Kapitalkosten bzw. Hurdle Rates auf, die auf seinen aktuellen Opportunitätskosten basieren.

Dies steht in Zusammenhang mit einem weiteren Punkt: Buffett und Munger zweifeln die typischen unternehmensinternen Prozesse zur Capital Allocation ganz grundsätzlich an. Sie sind im Grunde genommen der Meinung, dass die traditionell ermittelten Kapitalkosten (speziell die Eigenkapitalkosten) auf einem so undurchsichtigen Konzept basieren, dass sie leicht manipuliert bzw. den eigenen Wünschen entsprechend angepasst werden können:

A corporation’s cost of capital is 1/4 of 1% below the return on capital of any deal the CEO wants to do. I’ve listened to many cost of capital discussions and they’ve never made much sense. It’s taught in business school and consultants use it, so Board members nod their heads without any idea of what’s going on. – Charlie Munger

Key Take Aways

Das Thema Capital Allocation aus Investorensicht lässt sich – wenn wir einmal die Aussagen von Warren Buffett und Charlie Munger zu Rate ziehen – auf ein paar wesentliche Punkte reduzieren:

  1. Das Thema Kapitalallokation sollte sowohl für Investoren als auch für CEO von höchster Priorität sein
  2. Das Kapital sollte vor allem auf Unternehmen allokiert werden, die eine hohe Kapitalrendite erwirtschaften und dieses Kapital zu ebenso attraktiven Returns reinvestieren können
  3. Investoren sollten außerdem darauf achten, dass die verantwortlichen Manager – insbesondere der CEO – etwas vom Thema Kapitalallokation versteht
  4. Investoren sollten die typischen Pitfalls vermeiden und innovative nicht mit attraktiven Geschäftsmodellen gleichsetzen sowie sicherstellen, dass hohe Reinvestitionen auch zu hohen inkrementellen Returns erfolgen
  5. Investoren sollten nicht zu viel Zeit mit der “richtigen” Ermittlung der Kapitalkosten verbringen, sondern stattdessen eher die vorhandenen Alternativen (heutige und möglicherweise zukünftige) miteinander vergleichen

2 Kommentare zu „Munger und Buffett: 6 Insights zum Thema Capital Allocation“

  1. Pingback: Artikel über Trading und Investments 8. Nov 20 | Pipsologie

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