Jeder von uns weiß, was eine Checkliste ist. Checklisten werden an vielen Stellen eingesetzt, z.B. in Krankenhäusern, in Autowerkstätten und im Event-Management. Aber an vielen Stellen auch in praktisch jedem Unternehmen.
Aber woher kommt eigentlich die Checkliste und warum wurde sie entwickelt? Und wie können wir den Checklisten-Ansatz für das Investieren nutzen?
In diesem Artikel möchte ich einmal etwas auf Entstehung und Erfolgsgeschichte von Checklisten eingehen und auch darauf, wie wir Checklisten im Investment-Prozess nutzen und uns unsere eigene Checkliste aufbauen können.
Was du in diesem Artikel lernst
- Wie Checklisten entstanden sind
- Warum eine Checkliste so effektiv ist und so gut funktioniert
- Wie wir uns eine Investment-Checkliste aufbauen und wie wir diese weiterentwickeln können
Wie Checklisten entstanden sind
Die erste Checkliste
Die Checkliste kommt originär aus der Luftfahrt: Im zweiten Weltkrieg hatte die US-Luftwaffe die B-17, ein Flugzeug der Firma Boeing sehr erfolgreich eingesetzt. Rückblickend ein großer Erfolg für Boeing. Im Jahr 1935 sah es allerdings nicht so aus, als würde Boeing einen großen Auftrag mit seinem Flugzeug landen können.
Auf dem ersten Flug der B-17 kam es nämlich zu einem Crash, bei dem schlussendlich 3 Männer schwer verletzt wurden bzw. teilweise sogar starben. Das Flugzeug stürzte bereits kurz nach dem Start ab. Es stellte sich heraus, dass das Höhenruder nicht reagierte, weil der Pilot zuvor vergessen hatte es freizuschalten.
Am Ende lag es aber nicht am Piloten oder daran, dass das Flugzeug zu schwer zu steuern gewesen wäre. Das Flugzeug und seine Funktionen waren einfach zu komplex für das menschliche Gehirn.
Also setzte sich die Leute bei Boeing hin und entwickelten die erste Checkliste fürs Flugzeug. Heute gibt es vier Checklisten: eine fürs Starten, eine für den Flug selbst, eine fürs Landen und eine für den Aufenthalt am Boden.
Ãœberzeugendes Resultat
Das Ergebnis kennen wir alle. Heute ist es fast wahrscheinlicher, dass wir auf der Straße von einem Bus erfasst werden, als dass wir bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kommen. Das Flugzeug ist ein extrem sicheres Verkehrsmittel.
Für die Airlines ist ein menschliches Leben extrem wertvoll. Jeder Crash wird sehr sorgfältig analysiert und die Erkenntnisse schlagen sich direkt in Anpassungen der Checklisten, der Pilotentrainings und des Flugzeug-Equipments nieder.
Die Resultate dieses Ansatzes sind also sehr überzeugend.
Falls ihr mehr Details zur Historie und zur Nutzung von Checklisten erfahren möchtet, dann solltet ihr auf jeden Fall das Buch Checklist Manifesto (auf deutsch: Checklist-Strategie) von Atul Gawande lesen
Warum sind Checklisten eigentlich so effektiv?
Unser Gehirn ist darauf ausgelegt, Abkürzungen zu nehmen, wo es eben geht. Wir brauchen einfache und schnelle Antworten.
Wenn unsere Vorfahren damals einen Wolf, einen Bären oder einen Löwen gesehen haben, dann sind sie auch einfach los gelaufen. Ein Abwägen verschiedener Optionen gab es da nicht. Im Grunde genommen hat sich das auch bis heute nicht geändert.
In unseren Entscheidungsprozessen vermischen sich zudem oft Rationalität und Emotionen. Wenn wir z.B. ein Unternehmen finden, dass wir für unterbewertet halten, dann informieren uns darüber, gehen durch eine Reihe von Fragen und treffen anschließend trotzdem oft eine eher subjektive Entscheidung aus dem Bauch heraus.
Vom Prozess her ist das recht ineffektiv, vor allem weil vieles recht zufällig und intuitiv geschieht.
Eine gute Checkliste kann uns hier mit drei Dingen helfen:
- die Checkliste hilft uns, nicht die Abkürzung zu nehmen und Dinge nicht zu übersehen
- sie hilft uns den Prozess richtig zu strukturieren und die richtigen Dinge zur richtigen Zeit anzuschauen
- sie hilft uns, unsere Emotionen soweit wie möglich zu kontrollieren bzw. sie so spät wie möglich im Prozess zu berücksichtigen
Wie wir uns eine Investment-Checkliste aufbauen
Mit den Strategien der Investment-Gurus starten
Es ist eigentlich gar nicht schwierig, eine gute Investment-Checkliste selbst aufzubauen. Es kostet allerdings etwas Zeit und erfordert etwas Research.
Zunächst mal benötigen wir einen guten Startpunkt. Was läge hier näher, als einfach mit dem zu starten, was wir von den bekannten Investment-Gurus und Top-Investoren wie Ben Graham, Warren Buffett, Charlie Munger, Phil Fisher, Seth Klarman etc. gelernt haben. Es gibt da ja auch massig Bücher und andere Informationen zu.
Wir könnten z.B. einmal analog zu Warren Buffett mit den folgenden 5 Kategorien starten:
- Langfristige wirtschaftliche Charakteristika
- Fähigkeiten des Managements
- Integrität des Managements
- Kaufpreis der Aktie bzw. Bewertung des Unternehmens
- Erwartete Inflation und Steuerbelastung (zur Ermittlung der benötigten Rendite – diese Kategorie können wir ggf. erstmal in Klammern setzen)
Diese können wir dann etwas weiter ausarbeiten, d.h. mit etwas konkreteren Fragen, z.B. denen von Phil Fisher, hinterlegen. Hier einmal beispielhaft die zweite und dritte Ebene zu Kategorie 1, den langfristigen wirtschaftlichen Charakteristika:
- Geschäftsmodell
- Wie verdient das Unternehmen sein Geld?
- Welches sind die wesentlichen Produkte und Segmente, in denen das Unternehmen aktiv ist?
- In welchem Umfang ist das Unternehmen regelmäßig auf externes Kapital angewiesen?
- etc.
- Positionierung des Unternehmens am Markt
- Wie sieht das Wettbewerbsumfeld aus?
- Wie groß ist die Preissetzungsmacht?
- Gibt es Markteintrittbarrieren?
- Wie entwickeln sich Angebot und Nachfrage?
- etc.
- Wettbewerbsvorteil
- Gibt es einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil?
- Von welcher Art ist der Wettbewerbsvorteil bzw. wie nachhaltig ist der Vorteil?
- Wie sehen die Wachstumsoptionen aus?
- etc.
- Resultierende Profitabilität des Unternehmens
- Wie sehen (Eigen-)Kapitalrendite, Umsatzrendite, EBIT-Marge, Freier Cash Flow aus?
- etc.
- Stabilität und Bonität des Unternehmens
- Wie ist das Unternehmen finanziert?
- Gibt es Covenants, die eingehalten werden müssen?
- Wie hoch sind die Anforderungen an das Working Capital?
- etc.
Und so weiter. Nach diesem Schritt sollten wir dann eine erste Version der Checkliste haben, auf der wir weiter aufbauen können.
Die Fehler der Investment-Gurus analysieren
Als nächstes können wir uns die Fehler der Investment-Gurus einmal anschauen und die Fragen in unserer Checkliste entsprechend anpassen und konkretisieren. Dabei sollten wir natürlich auch unsere eigenen Fehler nicht unberücksichtigt lassen.
Die Fragen, die wir uns hier stellen sollten lauten: Welchen Punkt haben wir in unserer Analyse übersehen? Welcher Punkt hat dazu geführt, dass wir ein Unternehmen falsch eingeschätzt haben?
Ich z.B. hatte mal vor längerer Zeit in K+S Aktien (SDF.F) investiert. Bei der Analyse hatte ich allerdings übersehen, dass es eine gewisse Gefahr gab, dass eins der Preiskartelle für Kali auch auseinander brechen könnte (was ja dann auch passiert ist). Seitdem habe ich in meiner Checkliste unter dem Punkt Preissetzung eine zusätzliche Frage eingebaut, die diesen Punkt abdeckt.
Viel besser (und günstiger) ist es natürlich, zunächst mal die Fehler der Investment-Gurus zu analysieren.
Warren Buffett hatte sich z.B. mal an einer Firma namens USAir beteiligt, was rückblickend ein Fehler war. Buffett hatte sich zu sehr die lange Historie hoher Profitabilitäten und zu wenig auf den wichtigen Wettbewerbsvorteil fokussiert. Hier Buffett’s Kommentar aus seinem Aktionärsbrief von 1996:
But my analysis of USAir’s business was both superficial and wrong. I was so beguiled by the company’s long history of profitable operations, and by the protection that ownership of a senior security seemingly offered me, that I overlooked the crucial point: USAir’s revenues would increasingly feel the effects of an unregulated, fiercely-competitive market whereas its cost structure was a holdover from the days when regulation protected profits. These costs, if left unchecked, portended disaster, however reassuring the airline’s past record might be. – Warren Buffett
Die Fragen, die wir hier unserer Checkliste hinzufügen könnten, lauten: Gibt es einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil? Gibt es Faktoren, die dazu führen könnten, dass der Wettbewerbsvorteil verloren geht? Wie wahrscheinlich ist dieses Szenario?
Wie wir unsere Checkliste weiterentwickeln: Eigene Erfahrungen kontinuierlich einarbeiten
Schlussendlich müssen wir noch dafür sorgen, dass sich unsere Checkliste kontinuierlich auf Basis unserer tagtäglichen Erfahrungen weiterentwickelt. Der Erfolg der großen Investoren kommt auch nicht von ungefähr, sondern ist in den meisten Fällen das Resultat langjähriger Erfahrungen und vor allem der effektiven Codifizierung dieser Erfahrungen.
Hier ein weiteres Beispiel, diesmal von Charlie Munger:
Im Jahr 2000 übernahm Wesco Financial (Charlie Munger’s Firma, Teil von Berkshire Hathaway) das Unternehmen Cort, welches im Geschäft mit der Vermietung von Möbeln aktiv war. Zur Zeit der Ãœbernahme hatte Cort überdurchschnittlich hohe Umsätze und Cash Flows, die aber aufgrund der Internet-Blase zustande kamen und nach deren Platzen rasch einbrachen.
Obwohl Munger und Buffett wußten, dass es damals die Internet-Blase gab, haben sie übersehen, dass diese die Umsätze und Cash Flows von Cort temporär stark positiv beeinflusst hatte.
Wir können also in diesem Fall unserer Checkliste folgende Frage hinzufügen: Sind die derzeitigen Umsätze und Cash Flows des Unternehmens nachhaltig oder werden sie z.B. durch einen temporären Boom positiv beeinflusst?
Wir sehen außerdem: Fehler passieren selbst so erfahrenen Investoren wie Warren Buffett oder Charlie Munger.
Wie wir die Checkliste konkret nutzen können
Wenn wir unsere Checkliste nach dem oben vorgestellten Ansatz aufbauen, dann werden wir recht schnell eine relativ lange Liste an Kriterien und Fragen haben, die wir für uns beantworten möchten.
Mohnish Pabrai, bekannter Value-Investor und Autor von “Der Dhandho-Investor”, hat zum Beispiel bisher (Stand 2013) an die 100 Punkte auf seiner Checkliste. Und angeblich dauert es nur 15-20 Minuten, einmal durch die Checkliste durch zu gehen.
Mutmaßlich wird allerdings kein einziges Unternehmen alle Kriterien einer solch ausführlichen Checkliste erfüllen und jedes potenzielle Investment irgendwo eine Schwachstelle haben. Darüber hinaus gibt es je nach Industrie auch große Unterschiede. Health Care-Unternehmen funktionieren komplett anders als Firmen aus der Luftfahrt-Branche.
Die große Frage ist also nun: Wie leiten wir aus den Erkenntnissen der Checkliste dann eine konkrete Investitionsentscheidung ab? Kaufen wir eine Aktie, wenn z.B. 7 von 10 Kriterien erfüllt bzw. Fragen positiv beantwortet wurden? Oder benötigen wir z.B. 10 von 10 positive Antworten für eine Kaufentscheidung?
Mohnish Pabrai gibt hierzu ein gutes Beispiel: Wells Fargo, an sich ein gutes und stabiles Business, hat bei der Analyse entlang der Checkliste folgende Kriterien nicht bestanden:
- Zu hohes Leverage
- Potenziell negativer Einfluss hoher Arbeitslosigkeit bzw. einer Rezession
- Könnte schlechte Kreditentscheidungen treffen (bzw. hat schlechte Kreditentscheidungen getroffen)
Pabrai schließt nun solche Investments nicht kategorisch aus, sondern behilft sich mit einer Scoring-Logik: Die Unternehmen, die in allen der Kategorien (laut dem Dhandho Investor handelt es sich um 7 Kategorien) auf seiner Dhandho Checkliste eine hohe Punktzahl erreichen, bekommen eine höhere Portfolio-Allokation, als die Unternehmen mit einer geringeren Punktzahl, nämlich 10% versus 5% im Normalfall versus 2% in Fällen wie Wells Fargo – bin allerdings nicht hundertprozentig sicher, ob das auch heute noch Pabrai’s Allokationslogik ist, da Pabrai’s Portfolio heute sehr konzentriert ist.
Bzgl. der genauen Scoring- und Entscheidungslogik bleibt Mohnish Pabrai allerdings vage, genauso wie bei den konkreten Inhalten seiner Checkliste auch. Ist aber auch verständlich, es handlet sich bei der Checkliste schließlich um seinen Wettbewerbsvorteil. Darüber hinaus bekommt die Checkliste ihren wirklichen Wert erst dadurch, dass wir sie selbst kreieren.
Most of the value of the checklist is the work that went into creating it. Just handing it to people is not going to help too much. – Mohnish Pabrai
Fazit
Checklisten können auch im Investment-Kontext sehr hilfreich sein, siehe Investoren wie Mohnish Pabrai und Guy Spier. Um uns unsere eigene Investment-Checkliste zu erstellen, können wir folgendermaßen vorgehen:
- Eine Liste mit den wesentlichen übergeordneten Kategorien von einem der erfolgreichen Investment-Gurus als Startpunkt nutzen
- Die Liste auf Basis eigener Fragen und Ideen weiter konkretisieren (eine zweite und dritte Ebene hinzufügen)
- Die Fehler der Investment-Gurus sowie unsere eigenen analysieren und die Checkliste um entsprechende Fragen ergänzen
- Die Checkliste kontinuierlich weiter ausbauen
Um die Checkliste dann auch für uns nutzbar zu machen, sollten wir außerdem eine Logik entwickeln, wie wir eine Kaufentscheidung aus den Ergebnissen der Checkliste ableiten (z.B. eine Scoring-Logik).
Credits
Die Beispiele in diesem Artikel stammen teilweise aus einem Vortrag von Monish Pabrai (dem Autor des Buches “Der Dhandho-Investor”) an der Columbia Business School.
1 Kommentar zu „Warum eine Checkliste auch beim Investieren so effektiv ist“
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