Cash Flow Statement: Klassifizierung von Zinsen und Dividenden nach IFRS und US GAAP

Inhalt

Der freie Cash Flow in seiner traditionellen Definition wird vereinfacht oft auf Basis des operativen Cash Flow (CFO oder OCF) und des CapEx ermittelt. Allerdings haben Unternehmen abhängig vom Rechnungslegungsstandard (US GAAP, IFRS etc.) unter Umständen verschiedene Optionen für die Klassifizierung bestimmter Cash Flows (sozusagen ein Wahlrecht)… d.h. der operative Cash Flow ist nicht immer gleich definiert bzw. die Definition kann sich von Unternehmen zu Unternehmen unterscheiden.

In diesem Artikel möchte ich deshalb einmal auf ein paar Besonderheiten im Zusammenhang mit der Klassifizierung bestimmter Cash Flows und den Implikationen für die Unternehmensbewertung eingehen.


Intro: Bestandteile eines typischen Cash Flow Statement

Ein typisches Cash Flow Statement bzw. eine typische Kapitalflussrechnung besteht i.W. aus drei Bestandteilen:

  • dem Cash Flow aus betrieblicher Tätigkeit (operativer Cash Flow)
  • dem Cash Flow aus Investitionstätigkeit
  • und dem Cash Flow aus Finanzierungstätigkeit

Die typischen Unterkategorien bzw. die Berechnungslogik der einzelnen Bestandteile könnt ihr der folgenden Darstellung entnehmen:

Cash Flow Statement Bestandteile

Gehen wir auf die einzelnen Bestandteile einmal kurz ein.

(Hinweis: In dieser Standardsicht werden gezahlte und erhaltene Zinsen sowie auch erhaltene Dividenden (z.B. aus At Equity Beteiligungen) zunächst als operative Cash Flows klassifiziert. Auf die alternativen Möglichkeiten der Klassifizierung insbesondere dieser Cash Flows kommen wir weiter unten noch zu sprechen.)


Cash Flow aus betrieblicher Tätigkeit

Den Startpunkt für die Berechnung des Cash Flow aus betrieblicher Tätigkeit bildet in den meisten Fällen der Nettogewinn entsprechend der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV).

Das bedeutet im Umkehrschluss, dass es sich bei der Berechnung des operativen Cash Flows um eine so genannte Delta-Betrachtung handelt. Das heißt die Abweichungen (Deltas) zwischen Gewinn und Cash Flow werden in der Darstellung systematisch zum Nettogewinn hinzugezählt oder abgezogen.

Diese Abweichungen zwischen Nettogewinn und operativem Cash Flow können wir im Wesentlichen in zwei Kategorien einordnen:

  1. P&L Anpassungen: Anpassungen zur Überleitung des Jahresüberschusses / Nettogewinns zum Netto Cash Flow aus betrieblicher Tätigkeit (CFO)
  2. Bilanzanpassungen: Veränderungen bei den betriebsnotwendigen Assets und Verbindlichkeiten (die nicht cash-wirksamen Veränderungen des Anlagevermögens, also i.W. der Wertverlust bzw. die Abschreibungen, werden ja bereits in der P&L berücksichtigt und sind deshalb Teil der P&L Anpassungen)

Die wesentlichste Anpassung der ersten Kategorie sind die Abschreibungen und die Amortisation immaterieller Vermögenswerte. Darüber hinaus finden wir hier auch die Effekte aus der Gewährung von Aktienoptionen an das Management (eine Position, die Warren Buffett im Rahmen seiner Owner Earnings Betrachtung ja regelmäßig nicht korrigiert):

  • Abschreibungen
  • Amortisation von immateriellen Vermögenswerten
  • Aktien-basierte Vergütung
  • Erträge aus At Equity-Beteiligungen
  • Dividenden aus At Equity-Beteiligungen
  • Andere Items

Zur zweiten Kategorie gehört neben der Veränderung der traditionellen Working Capital Positionen (Forderungen, Lagerbestände und Lieferantenverbindlichkeiten) auch die Veränderung der latenten Steuern und anderer Abgrenzungsposten und Rückstellungen:

  • Veränderung des Working Capital
  • Veränderung latenter Steuern (NOLs etc.)
  • Andere Items bzw. Abgrenzungsposten

Die Veränderung der latenten Steuern wird manchmal auch als Teil der P&L Anpassungen berücksichtigt… im Grunde genommen ist uns die Zuordnung aber auch egal, solange wir verstehen, wo sich typischerweise Abweichungen zwischen Erträgen bzw. Aufwendungen und tatsächlichen Cash Flows ergeben.


Cash Flow aus Investitionstätigkeit

Der Cash Flow aus Investitionstätigkeit lässt sich i.W. in zwei Kategorien unterteilen:

  1. Käufe von Vermögenswerten, Unternehmen etc. (= Investitionen bzw. CapEx)
  2. Verkäufe von Vermögenswerten, Unternehmensteilen etc. (= Desinvestitionen oder Veräußerungen bzw. Divestments)

Diese Einteilung finden wir typischerweise auch in der Kapitalflussrechnung ganz äquivalent vor.

Bei den Investitionen wird in der Regel unterteilt in materielle Vermögenswerte (Sachanlagen), immaterielle Vermögenswerte, Akquisitionen von Unternehmen bzw. Geschäften und finanzielle Vermögenswerte (also Finanzanlagen oder Beteiligungen / JVs), wobei sich der Begriff CapEx oft nur auf die eigentlichen Investitionen, nicht aber die Akquisitionen bezieht.

Bei den Desinvestitionen ist die Einteilung ähnlich. Lediglich die Unterscheidung zwischen materiellen und immateriellen Vermögenswerten wird auf der Veräußerungsseite meist nicht vorgenommen (bzw. jedenfalls ist mir dies meiner Erinnerung nach noch nicht begegnet).


Cash Flow aus Finanzierungstätigkeit

Im Cash Flow aus Finanzierungstätigkeit werden die Zahlungsströme zwischen den Kapitalgebern und dem Unternehmen festgehalten.

Hier gibt es mit den Eigenkapitalgebern (also den Anteilseignern bzw. Aktionären), den Fremdkapitalgebern (Banken, Anleihe-Investoren etc.) und den Leasinggebern im Wesentlichen drei Kategorien zu unterscheiden.

Mit den EK-Gebern gibt es die folgenden möglichen Zahlungsströme:

  • Zahlung von Dividenden
  • Kapitalerhöhungen
  • Aktienrückkäufe
  • Kapitalherabsetzungen

Während die Dividenden eine (idealerweise) regelmäßige Zahlung an die Aktionäre darstellen, handelt es sich bei den restlichen drei Optionen um echte Kapitalmaßnahmen, also entweder die Beschaffung von Kapital mittels einer Kapitalerhöhung, oder aber die Zurückführung von Kapital an die Aktionäre mithilfe von Aktienrückkäufen bzw. einer Kapitalherabsetzung.

Bei den wesentlichen Zahlungsströmen mit den FK-Gebern handelt es sich im Wesentlichen um die Aufnahme neuer Schulden sowie die Tilgung bestehender Schulden. Je nach Rechnungslegungsvorschrift bzw. Wahlrecht des Unternehmens können hier auch die an die Fremdkapitalgeber gezahlten Zinsen berücksichtigt werden… dazu aber gleich noch mehr.

Seit der Einführung von IFRS 16 und der damit verbundenen Aktivierung von Leasingverträgen bzw. -verpflichtungen als Verbindlichkeiten auf der Bilanz werden auch die Einzahlungen aus Leasingforderungen bzw. die Rückzahlungen von Leasing-Verbindlichkeiten als Cash Flows aus Finanzierungstätigkeit berücksichtigt.


IFRS: Wahlrecht für die Klassifizierung von Zinsen und Dividenden

Kommen wir nun zum eigentlichen Thema: Der Klassifizierung von Zinsen und Dividenden in der Kapitalflussrechnung und dem Wahlrecht nach IFRS.

Wie ihr an der folgenden Grafik sehen könnt, ist US GAAP hinsichtlich der Klassifizierung ziemlich eindeutig (und auch konsistent zur weiter oben vorgestellten groben Struktur der Kapitalflussrechnung):

Erhaltene und gezahlte Zinsen werden genauso als Cash Flows aus betrieblicher Tätigkeit klassifiziert, wie erhaltene Dividenden (z.B. aus einem JV, einer At Equity Beteiligung oder einer Finanzanlage). Gezahlte Dividenden hingegen werden als Cash Flows aus Finanzierungstätigkeit einsortiert.

Im Gegensatz zu US GAAP gibt IFRS den Unternehmen das Wahlrecht, die Cash Flows auch anders zu klassifizieren:

  • Erhaltene Zinsen und Dividenden können sowohl als operative als auch als investive Cash Flows kategorisiert werden
  • Gezahlte Zinsen und Dividenden sind nach IFRS entweder als Cash Flows aus betrieblicher Tätigkeit oder aber als Cash Flows aus Finanzierungstätigkeit zu behandeln

Ich denke beide Optionen kann man logisch verargumentieren… am Beispiel der FK-Zinsen: Die Zinsen stellen auf der einen Seite natürlich eine Cash Flow an die Kapitalgeber dar und können insofern als Cash Flow aus Finanzierungstätigkeit angesehen werden. Auf der anderen Seite sind sie aber auch wesentlich für das operative Geschäft, weshalb eine Klassifizierung als operativer Cash Flow ebenfalls nachvollziehbar ist.

Zur Info: Die typische Unterteilung der GuV-Positionen in einen operativen Teil (bis zum Betriebsergebnis bzw. EBIT) und einen nicht-operativen Teil (zwischen EBIT und Nettoergebnis) beißt sich ggf. etwas mit der Einteilung der Kapitalflussrechnung.

Im deutschen Raum gibt es einige Beispiele für Unternehmen, die vom Standard nach IFRS / US GAAP abweichen und Zinsen und Dividenden gänzlich als Cash Flows aus Investitionstätigkeit (erhaltene) bzw. aus Finanzierungstätigkeit (gezahlte) klassifizieren.


Beispiel Scout24 AG

Die Scout24 AG ist z.B. so ein Unternehmen. Wenn wir uns deren Kapitalflussrechnung ansehen, dann finden wir im operativen Cash Flow zunächst eine Hinzurechnung der gezahlten Zinsen sowie einen Abzug der erhaltenen Zinsen und des At Equity Ergebnisses:

Klassifizierung von Cash Flows Beispiel Scout24

Operativer Cash Flow Scout24 AG, Quelle: Geschäftsbericht 2020

Im Cash Flow aus Investitionstätigkeit werden dann die erhaltenen Zinsen sowie die zugeflossenen Dividenden aus Beteiligungen als positive Werte berücksichtigt:

Cash Flow aus Investitionstätigkeit Scout24 AG

Cash Flow aus Investitionstätigkeit Scout24 AG, Quelle: Geschäftsbericht 2020

Im Cash Flow aus Finanzierungstätigkeit werden die gezahlten Zinsen und Dividenden entsprechend abgezogen:

Klassifizierung con Zinsen und Dividenden - Beispiel Scout24 AG

Cash Flow aus Finanzierungstätigkeit Scout24 AG, Quelle: Geschäftsbericht 2020

Ihr seht also: Je nachdem, für welche Klassifikation sich das Management entscheidet, werden Zinsen und Dividenden ggf. aus dem operativen Cash Flow herausgerechnet… oder auch nicht.


Implikationen für die Unternehmensbewertung

Die Klassifizierung von Zinszahlungen und Dividenden ist für die Berechnung bzw. Analyse des freien Cash Flows im Rahmen der Unternehmensbewertung natürlich nicht ganz unwichtig.

Ob es für uns relevant ist, an welcher Stelle die Zinsen in der Kapitalflussrechnung abgezogen werden, hängt im Endeffekt vor allem von der Struktur unseres Bewertungsmodells ab.

Wenn wir beispielsweise den freien Cash Flow oder den FCFE auf Basis des operativen Cash Flows ermitteln (also operativer Cash Flow minus CapEx und ggf. noch plus / minus Veränderung der Nettoverschuldung), dann sollten wir auch sicherstellen, dass wir insbesondere die Zinsen in der Kalkulation auch abgezogen haben und diese ggf. aus dem Cash Flow aus Finanzierungstätigkeit herausziehen und als Cash Flow aus betrieblicher Tätigkeit umklassifizieren.

Wenn wir allerdings auf Basis des FCFF (des Free Cash Flow to Firm) rechnen, dann setzen wir vermutlich eher auf dem EBIT bzw. dem NOPAT auf und die Kapitalstruktur bzw. die Zinszahlungen sind für uns erstmal uninteressant… jedenfalls bis zur Berechnung der Kapitalkosten bzw. des WACC).


Fazit

In einer typischen Kapitalflussrechnung nach US GAAP werden erhaltene und gezahlte Zinsen wie auch erhaltene Dividenden (z.B. aus At Equity Beteiligungen) als operative Cash Flows klassifiziert. Gezahlte Dividenden gelten als Cash Flows aus Finanzierungstätigkeit.

Nach IFRS hingegen haben Unternehmen ein Wahlrecht und können erhaltene Zinsen und Dividenden auch als Cash Flows aus Investitionstätigkeit sowie gezahlte Zinsen als Cash Flows aus Finanzierungstätigkeit klassifizieren.

Bei der Berechnung des freien Cash Flows ist es also wichtig, den richtigen Aufsatzpunkt zu wählen bzw. die Zahlungsströme ggf. umzuklassifizieren. Wenn wir den traditionellen Free Cash Flow oder den Free Cash Flow to Equity bestimmen möchten, dann sollten wir also sicherstellen, dass insbesondere die Zinszahlungen in der Berechnung auch tatsächlich abgezogen werden (obwohl sie ggf. als Finanzierungs-Cash Flow klassifiziert sind).

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