Downside Protection: Position Sizing à la Joel Greenblatt

Downside Protection: Joel Greenblatt zum Thema Position Sizing bzw. Bestimmung der Positionsgröße

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Downside Protection: Joel Greenblatt zum Thema Position Sizing bzw. Bestimmung der Positionsgröße

Wenn ihr euch in Bezug auf das Position Sizing mal unseren ersten Artikel zum Kelly-Kriterium durchgelesen, oder euch schonmal mit der modernen Portfolio-Theorie von John Markowitz bzw. Eugene Fama beschäftigt habt, dann habt ihr bestimmt schon festgestellt, dass beide Ansätze auf vergleichsweise schwer bestimmbaren Inputs und recht komplexen Berechnungen basieren sowie am Ende – jedenfalls in der Regel – bestenfalls zu unbestimmten Ergebnissen führen. Im Gegensatz dazu fokussieren sich Investoren wie Warren Buffett, Charlie Munger oder auch Joel Greenblatt bei der Bestimmung der Positionsgröße eher auf eine Begrenzung des Downside-Risikos.

In diesem Artikel möchte ich euch einmal einen möglichen Ansatz zur Bestimmung der Positionsgröße(n) bzw. zum Position Sizing vorstellen, der auf einer Begrenzung des Verlustrisikos basiert.


Intro: Risiko ist nicht gleich Preisvolatilität

Es gibt immer einen Trade-Off zwischen Risiko und Return. Das ist vermutlich eine der wichtigsten Grundregeln des Investierens… so wichtig, dass sie die Grundlage für den Großteil der Anlagestrategien da draußen bildet.

Heißt: Je höher das Risiko in unserem Portfolio, desto höher auch unser Return und umgekehrt.

In einer vollkommen effizienten Welt – d.h. in einer Welt, in der die Markteffizienzhypothese von Harry Markowitz /Eugene Fama gilt – sollte dieser Zusammenhang zwischen Risiko und Rendite ja auch tatsächlich gelten. Erwiesenermaßen (und glücklicherweise für uns) sind die Aktienmärkte aber manchmal auch “out of balance”.

Und egal ob effizient oder nicht… dass der Begriff “Risiko” in der Regel gleichgesetzt wird mit der historischen Schwankung des Aktienkurses im Vergleich zu einem relevanten Marktindex (z.B. dem DAX oder dem S&P500) stellt ein gewisses Problem dar… und dass die für die Abzinsung der Cash Flows im Rahmen der DCF-Bewertung erforderlichen Eigenkapitalkosten oft auf einer solchen Risikoabschätzung basieren, in gewisser Weise ebenfalls.

Ich denke Joel Greenblatt bringt das Problem auf den Punkt:

In fact, not only doesn’t a stock’s past price volatility serve as a good indicator of future profitability, it doesn’t tell you something much more important—how much you can lose. lets repeat that: It doesn’t tell you how much you can lose. – Joel Greenblatt

Erstens stellt die historische Preisvolatilität also keinen guten Indikator für die zukünftige Profitabilität dar. Und zweitens, noch viel wichtiger: Die Preisvolatilität  sagt nichts darüber aus, wie viel wir mit einem Investment tatsächlich verlieren können , also in absoluten Euros oder Dollars… tatsächlich “reguliert” eine hohe Preisvolatilität im Rahmen der Bewertung erstmal nur den ermittelten inneren Wert nach unten.

Greenblatt – und auch Buffett, Munger und viele andere Value Investoren – definieren den Begriff Investitionsrisiko daher eher in Bezug auf einen möglichen Verlust bzw. ein mögliches Downside… generelle Marktrisiken bzw. Verluste resultierend aus externen Events oder Schocks mal außen vor gelassen:

When I say lose crazy things happen, whether it’s COVID or 2008 Lehman goes down or something like that, where over a short period of time stocks or other securities can trade at any price. That’s not what I’m talking about, how much I’m risking. – Joel Greenblatt

Portfolio-Perspektive: Position Sizing auf Basis des Downside-Risikos

Eines der bekanntesten Zitate aus dem ersten Buch von Joel Greenblatt (You Can be a Stock Market Genius) gibt uns einen Hinweis auf Greenblatts Herangehensweise in Bezug auf die Aktienauswahl:

So one way to create an attractive risk/reward situation is to limit downside risk severely by investing in situations that have a large margin of safety. The upside, while still difficult to quantify, will usually take care of itself. In other words, look down, not up, when making your initial investment decision. If you don’t lose money, most of the remaining alternatives are good ones. – Joel Greenblatt

Greenblatt achtet bei seinen Investments also insbesondere darauf, sein Verlustrisiko zu begrenzen… so viel wissen wir also schonmal.

In einem Interview mit Shane Parrish im Mai 2021 (findet ihr hier) gab Joel Greenblatt nochnal ein paar detailliertere Einblicke in seinen Ansatz zur Bestimmung der Positionsgrößen.

Unter anderem sagte er in dem Interview die folgenden zwei Sätze:

The biggest positions I’ve had are not my best ones, the ones that I think will go up 5 or 10 times. I’m really looking down, not up when I take a big position.
So in other words I will size the position larger if I don’t think I can lose much money, It’s not like the thing that’s going to pay 10 or 20 times.

Das heißt also, dass die größten Positionen bei Greenblatt nicht diejenigen mit dem höchsten “Risk-Reward” Ratio, sondern diejenigen mit dem niedrigsten absoluten oder relativen Verlustrisiko sind.

Dies deutet aus meiner Sicht auf einen zweistufigen Ansatz hin:

  • Greenblatt hat – wie sollte es anders sein – natürlich einen gewissen Mindestanspruch an seinen Return, vermutlich auch den risiko-adjustierten Return. Er akzeptiert allerdings nicht jedes Risiko, sondern begrenzt dieses in der Regel stark. Für eine Aufnahme ins Portfolio kommen nur Investments in Frage, die sowohl das Return- als auch das Risiko-Kriterium erfüllen
  • Die Positionsgröße für seine Investments (also die, die seinem Mindestanspruch genügen) legt er mit Blick auf die Begrenzung des Verlustrisikos fest. D.h. Investments mit einem geringeren Downside-Risiko bzw. einer höheren Sicherheitsmarge bekommen eine höhere Gewichtung

In diesem Zusammenhang stammt ein interessanter Ansatz zur Positionsgrößenbestimmung aus dem Buch The Art of Value Investing von Witney Tilson.

Dort wird die folgende, dreistufige Logik vorgestellt:

Schritt 1: Zunächst mal legen wir den maximalen Verlust fest, den wir mit einer einzigen Position zu verkraften bereit wären… sagen wir mal 5% des gesamten Portfoliowertes.

Schritt 2: Anschließend berechnen wir das maximale Verlustrisiko für die Aktie (welche Möglichkeiten es dafür gibt, dazu kommen wir gleich noch)…  gehen wir beispielhaft einmal von -20% aus

Schritt 3: Zum Schluss ermitteln wir die maximale Positionsgröße auf Basis der folgenden Gleichung:

Positionsgröße = Maximal zulässiger Verlust je Position / Verlustrisiko

In diesem Fall würden wir also bis zu 25% des Portfoliowertes (gleich 5% / 20%) auf diese eine Position allokieren können.

Dieser Ansatz ist intuitiv, einfach nachzuvollziehen und konzentriert sich darüber hinaus analog zu den Aussagen von Joel Greenblatt auf die Begrenzung des Verlustrisikos für das Gesamtportfolio.

Hier zum Abschluss nochmal das passende Greenblatt-Zitat dazu:

I think people look at the size of their position, that’s the wrong way to look at it. It’s looking at how much can you lose from that position, when you lose. – Joel Greenblatt

Die Positionsgröße selbst ist also eigentlich nicht das relevante Kriterium. Eine sehr große Position muss nicht zwangsläufig ein hohes Investitionsrisiko bedeuten, wenn wir mit der Position – selbst wenn die Dinge schlecht laufen – im Grunde genommen nichts oder nur sehr wenig verlieren können.


Position Sizing à la Joel Greenblatt: Bestimmung des Verlustrisikos

Für die Bestimmung des Verlustrisikos gibt es verschiedene Möglichkeiten, die entweder auf einem sehr konservativen Szenario bzw. einer sehr konservativen Projektion der zukünftigen Cash Flows, oder aber einer Analyse des Liquidationswerts (also der Werthaltigkeit der einzelnen Bilanzpositionen) basieren.

Bruce Berkowitz nennt diese Szenarioanalyse den “Kill the Company” Ansatz. Warren Buffett sagt sinngemäß, dass man  intellektuell ehrlich und konservativ in Bezug auf die zukünftige Cash Flow Entwicklung  sein sollte.

Greenblatt gibt ein einfaches Beispiel:

Obviously if you have a $10 stock that’s sitting with $9 in cash and no debt and they have a little business attached, you can buy a lot of that one as long as you don’t think they’ll dissipate the cash. – Joel Greenblatt

In You Can be a Stock Market Genius gibt es auch eine etwas detailliertere und mehr oder weniger genau zu diesem Zitat passende Fallstudie.

Dabei geht es um Greenman Brothers, damals in den 1990er Jahren ein durchschnittliches Großhandelsunternehmen, dessen Aktien an der American Stock Exchange für weniger als den Liquidationswert gekauft werden konnten… der Aktienkurs lag bei 5 USD je Aktie, der Wert der liquiden Assets (Cash, Kundenforderungen, Lagerbestände) bei ca. 8 USD je Aktie.

Das Unternehmen bestand nun aus zwei Geschäftsteilen:

  1. Dem wenig rentablen und im Allgemeinen unattraktiven Großhandel (dieser machte den Hauptteil des Geschäfts aus)
  2. Einer kleinen Einzelhandelstochter namens Noodle Kidoodle, die 1995 in fünf Einzelhandelsgeschäften Kinderspielzeuge verkaufte. Zu dem Zeitpunkt hatte Greenman aufgrund der positiven Entwicklung des Geschäftsmodells allerdings bereits die Eröffnung von 15 weiteren Stores in Angriff genommen. Es gab also auch ein gewisses Wachstumspotenzial

Grundsätzlich ist Greenblatt sehr skeptisch, wenn es um Investments in stark wachsende und hoch-bewertete Geschäftsmodelle ohne echten “Proof-of-Concept” geht.

I don’t feel comforable investing in these new-concept, high-growth companies […] I hate losing money on these things. – Joel Greenblatt

In diesem Fall allerdings erhielt er eine kostenlose Option auf das zukünftige Wachstum von Noodle Kidoodle, weil allein das Großhandelsgeschäft, sollte es z.B. an einen strategischen Käufer veräußert werden, mehr wert war, als die Marktkapitalisierung des Gesamtunternehmens.

Schlussendlich gelang es Greenman Bros. übrigens tatsächlich, das Noodle Kidoodle Geschäft als wesentlichen Wachstumstreiber auch am Kapitalmarkt zu platzieren… und zwar indem Greenman das Distributionsgeschäfts zum Verkauf stellte, um das notwendige Wachstumskapital freizusetzen. Der Aktienkurs legte nach der entsprechenden Pressemitteilung innerhalb von vier Monaten bis auf 14 USD je Aktie zu. Greenblatt verkaufte laut eigener Aussage bei ca. 10-11 USD.


Key Take Aways

Joel Greenblatt, Warren Buffett und viele andere Value Investoren konzentrieren sich bei der Auswahl ihrer Investments und auch bei der Zusammenstellung ihrer Portfolios auf eine Begrenzung des Verlustrisikos (Downside Risk).

Das Verlustrisiko ist dabei jedoch nicht gleichzusetzen mit der Preisvolatilität einer Aktie im Vergleich zum Vergleichsindex… diese Definition aus der modernen Portfoliotheorie sagt ja im Grunde nichts über einen möglichen zukünftigen Verlust aus.

Stattdessen definiert Joel Greenblatt das Verlustrisiko absolut im Sinne eines Downside-Szenarios, also z.B. einer Liquidation (Liquidationswert) oder eines nachhaltigen Cash Flow- oder Gewinnrückgangs.

Um das Verlustrisiko ganz praktisch zu begrenzen, wählt Joel Greenblatt seine Investments also erstens sehr sorgfältig aus.

Um den möglichen negativen Effekt auf sein Gesamtportfolio noch weiter zu begrenzen, bestimmt der die Positionsgröße darüber hinaus nicht auf Basis des Risk-Reward Ratios, sondern auf Basis eines maximalen Verlustrisikos je Position (die von Witney Tilson beschriebene Logik gibt uns dabei einen Anhaltspunkt über eine mögliche Berechnungslogik).

2 Kommentare zu „Downside Protection: Position Sizing à la Joel Greenblatt“

  1. Pingback: Schmankerl der Woche KW34 2021 –

  2. Danke für den Beitrag. Dieser war Anstoß meine Positionsgrößenermittlung zu überarbeiten.

    Ich ermittelle die Größen nun indem ich die erwarteten Drei-Jahres-Netto-CAGR des Bear- und Bull-Case über deren geschätzte Wahrscheinlichkeit (in den Stufen 20,40,60,80%) gewichte und so zum Realistic-Case komme.
    So werden die Positionsgrößen durch die relativen Risiko-Rendite-Verhältnisse statt durch absolute Anforderungen an Risiko oder Rendite gesteuert.

    Kleine sichere Renditen sind dann so attraktiv wie große unsichere Renditen.

    Positionen deckle ich auf Kostenbasis bei 20% ab. Auf der Portfolioebene ist bei -4% Nachsteuer-Verlusterwartung Schluss.

    Falls es von Interesse ist: Pabrai hält die Kelly-Formel mittlerweile für einen Fehler und würde Sie gern aus den Dandho-Investor streichen.
    https://www.youtube.com/watch?v=bQ9KLjeR3LA&ab_channel=YAPSS

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