Threshold Margin: Die Schwelle für die Generierung von Shareholder Value

Threshold Margin

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Threshold Margin

Viele Unternehmen nennen in ihren Investorpräsentationen eine operative Zielmarge. Auf die Kapitalrendite, also z.B. den Return On Invested Capital (ROIC) allerdings gehen nur die wenigsten ein. Aus diesem Grund besteht einer der ersten Schritte im Rahmen der Analyse eines Unternehmens bzw. einer Branche für mich darin, die so genannte Threshold Margin zu ermitteln. Dabei handelt es sich um genau die EBITDA- oder EBIT-Marge, die das Unternehmen erwirtschaften muss, um gerade seine Kapitalkosten (WACC) zu verdienen.

Ob ein Unternehmen Shareholder Value generiert, können wir zwar auch erkennen, indem wir einfach ROIC und WACC direkt miteinander vergleichen (was wir ja auch im Rahmen der Profit Pool Analyse bereits getan haben). Die Zahlen aus den Analystenpräsentationen oder die Aussagen des Managements in den Earnings Calls nehmen wir aber aus meiner Erfahrung ganz anders wahr, wenn wir zu den dort genannten operativen Margen direkt einen Referenzwert bzw. eine Einschätzung parat haben.

In diesem Artikel möchte ich deshalb einmal etwas tiefer auf die so genannte Threshold Margin eingehen… wer einen passenden deutschen Begriff weiß bitte melden. 🙂


Definition Threshold Margin

Der Begriff Threshold Margin wurde von Alfred Rappaport in dessen Buch Creating Shareholder Value etabliert und dort detailliert beschrieben.

Ein Unternehmen, welches über einen Geschäftszyklus hinweg seine Kapitalkosten nicht verdient, ist in der Regel kein besonders attraktives Langfrist-Investment. Zusätzlicher Wert für die Anteilseigner (“Shareholder Value“) wird nämlich nur generiert, wenn die erzielte Kapitalrendite regelmäßig oberhalb der Kapitalkosten liegt.

Wenn wir nun einmal vom EBITDA ausgehen, dann muss dieser also groß genug sein, um die folgenden Kosten bzw. Aufwendungen abzudecken:

Grundsätzlich möchten wir für ein bestimmtes Business dem entsprechend mehrere Dinge verstehen bzw. mehrere Fragen beantworten:

  • Verdient das Geschäft in der aktuellen Aufstellung bereits seine Kapitalkosten bzw. ist die EBIT(DA)-Marge ausreichend, um die Kapitalkosten mit abzudecken? Trifft dies über den gesamten Geschäftszyklus zu?
  • Ist die für die zukünftigen Wachstumsprojekte erzielbare EBIT(DA)-Marge in Kombination mit den erwarteten Investitionen ausreichend, um die Kapitalkosten zu verdienen?
  • Wird das geplante Umsatzwachstum durch Marketingaufwendungen etc. zu einer zeitweisen Abschmelzung der operativen Marge führen?

Im Folgenden möchte ich auf diese Fragestellungen einmal etwas detaillierter eingehen.


Threshold Margin für das aktuelle Geschäft

Im ersten Schritt interessiert uns zunächst, welche EBITDA- bzw. EBIT-Marge ein Unternehmen eigentlich erzielen muss, um mit seiner aktuellen Aufstellung, d.h. seinem aktuellen Anlagenpark, den aktuellen Beständen etc., die Kapitalkosten zu verdienen. Um diese Marge zu ermitteln, können wir einfach die bekannte Gleichung für die Ermittlung des ROIC als Ausgangspunkt wählen:

ROIC = NOPAT / Investiertes Kapital

Der NOPAT ergibt sich (eine vorherige Bereinigung der verschiedenen Accounting-Effekte einmal vorausgesetzt) folgendermaßen:

NOPAT = EBIT x (1 – operativer Steuersatz) = Umsatz x EBIT-Marge x (1 – operativer Steuersatz)

Um nun zu unserer Gleichung für die Threshold Margin zu gelangen, müssen wir den ROIC mit dem WACC gleichsetzen (dies ist ja unsere Mindestanforderung an die operative Marge) sowie die NOPAT-Gleichung an der entsprechenden Stelle in die ROIC-Gleichung einfügen.

Umgestellt und zur EBIT-Marge hin aufgelöst, ergibt sich dann die folgende Formel:

Threshold Margin (EBIT) = WACC x Investiertes Kapital / (Umsatz x (1 – Steuersatz))

Um anschließend auch die EBITDA-Schwelle zu ermitteln, addieren wir einfach die auf den Umsatz bezogenen durchschnittlich erforderlichen Investitionen in Sachanlagen (den Maintenance CapEx) zur EBIT-Marge hinzu:

Threshold Margin (EBITDA) = WACC x Investiertes Kapital / (Umsatz x (1 – Steuersatz)) + Ø Maintenance CapEx / Umsatz

Der WACC ausmultipliziert mit dem investierten Kapital gibt uns übrigens den absoluten nachsteuerlichen EBIT (d.h. z.B. in Mio. EUR), den das Geschäft verdienen muss, um seine Kapitalkosten zu verdienen.


Wachstumsinvestitionen: Inkrementelle Threshold Margin

Die inkrementelle Treshold Margin bezieht sich nun auf die konkreten Wachstumspläne eines Unternehmens. Wir stellen uns also die Frage nach der Werthaltigkeit der geplanten Investitionen bzw. nach dem so genannten “Runway for Growth”. Oder noch etwas konkreter: Wir fragen uns, ob das entsprechende Unternehmen noch weitere Wachstumsoptionen mit einer Kapitalrendite oberhalb des WACC hat und deshalb in der Lage ist, den Shareholder Value noch weiter zu steigern.

Ein Unternehmen verdient mit einem Wachstumsprojekt genau dann seine Kapitalkosten, wenn der Barwert der erzielten Cash Flows mindestens so groß ist, wie der Barwert des Vorab-Investments in Sachanlagen (CapEx) und Working Capital:

Veränderung des Shareholder Value = Barwert der inkrementellen Cash Flows – Barwert der zugehörigen Investitionen in Sachanlagen und Working Capital

Oder etwas anders formuliert:

Veränderung des Shareholder Value = Zusätzlicher Umsatz x EBIT-Marge auf den zusätzlichen Umsatz x (1 – Steuersatz) / WACC – Zusätzlicher Umsatz x Investment Rate / (1 + WACC)

Zur Erklärung:

  • Die Investment Rate entspricht in diesem Fall den spezifischen, d.h. auf den Umsatz bezogenen Investitionen in Sachanlagen und Working Capital, die getätigt werden müssen, um das zugrunde gelegte Umsatzwachstum zu erzielen
  • Der nachsteuerliche EBIT ist ein Proxy für den freien Cash Flow
  • Es wird unterstellt, dass die zukünftigen Cash Flows nach dem Investment bis in alle Ewigkeit in Form einer ewigen Rente erwirtschaftet werden können (d.h. die Cash Flows werden einfach mithilfe der Kapitalkosten abgezinst)
  • Cash Flows fallen nach der Logik der Annuitäten immer am Ende einer Periode (also eines Jahres) an. Aus diesem Grund werden CapEx und Investment in Working Capital nochmal um eine Periode abgezinst. D.h. es wird am Anfang des Jahres 1 (bzw. am Ende des Jahres 0) investiert, um am Ende des Jahres 1 bzw. über das Jahr hinweg den geplanten Cash Flow zu erzielen

Diese Gleichung können wir nun nach der EBIT-Marge auflösen – dafür müssen wir die Veränderung des Shareholder Value gleich Null setzen – und erhalten:

Threshold Margin (EBIT) = Investment Rate x WACC / ((1 + WACC) x (1 – Steuersatz))

Das heißt, um die Threshold Margin einer Investition zu ermitteln, benötigen wir im Wesentlichen nur Investment Rate, WACC und Steuersatz… der Rest fällt nach der Umstellung der Gleichung weg bzw. kürzt sich raus.


Bottom-up Ermittlung der Threshold Margin

In den Gleichungen zur Ermittlung der Threshold Margin unterstellen wir natürlich die Konstanz einiger wesentlicher Einflussfaktoren, insbesondere von Kapitalproduktivität (Kapitalumschlag), Steuersatz und Kapitalstruktur bzw. WACC.

Insofern kann es sinnvoll sein, wenn wir uns die für eine Wertneutralität (ROIC = WACC) erforderliche Marge einmal sozusagen “Bottom-up” herleiten bzw. uns die einzelnen Hebel einmal einzeln und im Detail ansehen.

In einem ersten Schritt könnten wir uns beispielsweise mit Kapitalstruktur und WACC beschäftigen und uns fragen, ob die aktuelle Kapitalstruktur zum Geschäftsrisiko des Unternehmens passt. Die Stichwörter lauten hier vor allem Credit Rating und Covenants. Über das nachhaltige Verhältnis von Nettofinanzschulden zum EBITDA (NFD / EBITDA) können wir beispielsweise sehr direkt ermitteln, welcher Anteil des operativen Ergebnisses bzw. des EBITDA für die Fremdkapitalgeber erwirtschaftet werden sollte.

Ein weiterer wesentlicher Faktor ist die Kapitaleffizienz bzw. der Kapitalumschlag, also der Quotient aus Umsatz und investiertem Kapital. Hier geht es ganz konkret um die Frage, wieviel Umsatz mit den vorhandenen Assets eigentlich erwirtschaftet werden kann bzw. ob es hier noch Optimierungspotenzial gibt.

Auch der operative Steuersatz hängt nicht nur von der Gesetzgebung, sondern auch von einigen bilanzrechtlichen Faktoren – z.B. hinsichtlich der Bildung von latenten Steuern – ab, die wir untersuchen können.


Fazit

Die so genannte Threshold Margin bezeichnet die operative Marge, bei der ein Unternehmen gerade seine Kapitalkosten verdient und somit wertneutral arbeitet.

Die Kenntnis der Threshold Margin hilft uns dem entsprechend dabei, nur anhand der operativen Marge (EBITDA- oder EBIT-Marge) einzuschätzen, ob ein Unternehmen Werte für die Anteilseigner generiert oder nicht. Gerade im Hinblick auf die in den Investorpräsentationen oder Earnings Calls oft dargestellten Entwicklungen der operativen Marge kann diese Sicht für eine schnelle Einschätzung hilfreich sein.

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