Treiberbaum: Wie wir Geschäftsmodelle und Werttreiber analysieren können

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Treiberbaum - Driver Tree

Am Anfang einer Unternehmensanalyse bzw. einer Unternehmensbewertung stehen wir oft vor dem Problem, dass wir das Geschäftsmodell bzw. die Werttreiber des Unternehmens nicht ohne weiteres verstehen bzw. überblicken. In einem solchen Fall kann es hilfreich sein, die einzelnen die Kapitalrendite oder den intrinsischen Wert beeinflussenden Faktoren mithilfe eines so genannten Treiberbaums (im Englischen Driver Tree genannt) visuell darzustellen.

In diesem Artikel möchte ich einmal Ursprung und Konzept des Treiberbaums erläutern und den Wert der Analyse für das Verständnis eines Geschäftsmodells am Beispiel Zalando illustrieren.


Ursprung des Treiberbaums bzw. Driver Trees

Der Werttreiberbaum geht auf die 1920er Jahre zurück, als DuPont ein visuelles Modell verwendete, um den Return on Investment (ROIC) bzw. den Return on Equity (ROE) als Funktion der Rentabilität (Nettomarge) und des Kapitalumschlags (Asset Turnover) zu definieren.

Das Modell half Unternehmen dabei, die Auswirkungen von Veränderungen verschiedener beeinflussbarer Schlüsselparameter auf das Gesamtergebnis, nämlich die Kapitalrendite, zu verstehen. Zwei Dinge waren dabei damals revolutionär:

  1. Die Art und Weise, wie die Kernelemente für die Berechnung von ROIC bzw. ROE sowohl aus der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) als auch aus der Bilanz definiert wurden (das ist die DuPont Formel)
  2. Die baumartige Struktur, mit der die Ergebnisse visualisiert wurden (auch Treiberbaum, Driver Tree oder Decision Tree genannt)

Aufgrund eines Investments von DuPont war General Motors (GM) eines der ersten Unternehmen, das den Treiberbaum bzw. die DuPont Analyse nutzte. Weitere Unternehmen, wie z.B. Ford, folgten kurze Zeit später.


Kernbestandteile des Treiberbaums: Die Werttreiber

Ein wesentlicher Teil unserer Unternehmensanalyse bzw. Unternehmensbewertung liegt in der Analyse der Variablen, die den Wert des Unternehmens tatsächlich beeinflussen – der so genannten Werttreiber. Ein solches Verständnis ist wichtig, da eine Organisation bzw. ein Unternehmen natürlich nur indirekt über Faktoren wie Kundenorientierung, Kostenposition, Investitionen etc. auf den Unternehmenswert einwirken kann.

Ein Werttreiber ist also eine Variable, die sich auf den Wert des Unternehmens auswirkt. Wir müssen die Werttreiber aber nicht nur definieren, sondern außerdem auch verstehen, wie groß der Einfluss der einzelnen Werttreiber auf den Unternehmenswert ist… um die wesentlichen und wichtigen von den unwesentlichen und unwichtigen Treibern unterscheiden zu können. Glauben wir der 80-20 Regel, dann sollte es höchstens 3-5 wirklich relevante Werttreiber geben, mit denen wir den Großteil der zukünftig erwarteten Wertentwicklung erklären können.

Exkurs: 80-20 Regel

Die 80-20 Regel, auch bekannt als Pareto-Prinzip oder “Law of diminishing Returns” besagt, dass wir – egal um welchen Sachverhalt es geht – mit 20% des Aufwandes 80% des Ergebnisses erzielen können.

Oder bezogen auf die Werttreiber eines Unternehmens: Es gibt einige wenige Werttreiber, die für den Großteil der zukünftigen Wertentwicklung verantwortlich zeichnen. Die Relevanz jedes weiteren Werttreibers nimmt dann immer weiter ab.


Treiberbaum über mehrere Ebenen

Wir müssen die Werttreiber außerdem bis zu dem Detaillierungsgrad definieren, der für uns so greifbar und verständlich ist, dass wir uns darauf basierend eine Einschätzung der zukünftigen Entwicklung zutrauen. Das heißt konkret, dass wir z.B. den Werttreiber “Umsatzwachstum” in der Regel noch weiter herunterbrechen müssen in Volumen- und Preisentwicklung, regionale Komponenten, Offline- versus Online-Umsätze und so weiter. Gleiches gilt für die Entwicklung der operativen Margen, des investierten Kapitals etc.

Hier einmal beispielhaft ein Treiberbaum bzw. Driver Tree für die Herleitung der Kapitalrendite (ggf. natürlich nicht vollständig):

Treiberbaum Driver Tree ROIC

Wie ihr am dargestellten Treiberbaum erkennen könnt, braucht es in der Regel drei bis vier Ebenen, bis wir auf einem Detailniveau angekommen sind, das wir als Investoren “Outside-In” (also von außen betrachtet) analysieren können.

Allerdings muss ich zugeben, dass auch der hier dargestellte Treiberbaum mit seinen vier Ebenen noch etwas zu universell bzw. generisch gehalten ist. Die Analyse der Unit Economics, der Economies of Scale und verschiedener anderer Werttreiber erfordert unter Umständen eine noch tiefergehende industrie- und/oder unternehmensspezifische Analyse.

Um einmal beispielhaft den Umsatz-Ast des Treiberbaums für ein spezifisches Unternehmen (hier Zalando) herauszugreifen: Für Zalando hängt die Umsatzentwicklung vom Wachstum der Kundenzahl, der durchschnittlichen Anzahl an Bestellungen pro Jahr und Kunde sowie dem durchschnittlichen Bestellwert je Bestellung ab.

Umsatztreiber Zalando

Darstellung der wesentlichen Umsatztreiber von Zalando; Quelle: Geschäftsbericht Zalando

Auf einer solchen Detailebene fällt es uns normalerweise viel leichter, mögliche zukünftige Entwicklungen abzuschätzen. Auch wenn dies nicht immer rein quantitativ geschehen kann, so haben wir doch in der Regel mindestens einen konkreten qualitativen Treiber (wie White Spots im Markt, Wettbewerbsvorteile, Qualität des Managements, Unternehmenskultur etc.), der den Werttreiber entsprechend beeinflusst und uns eine Hilfestellung bzgl. möglicher Entwicklungen geben kann.

Tipp: Für die Erstellung der ersten Version eines Treiberbaums können wir die ersten zwei generischen Ebenen bzw. Level in der Regel direkt wie dargestellt übernehmen. Für die weitere Ausdetaillierung sollten wir dann im ersten Schritt – sofern vorhanden – auf die durch das Unternehmen selbst veröffentlichten KPIs (Key Performance Indicators – ein alternativer Begriff für Werttreiber) zurückgreifen.

Das iterative Aufmalen der Baumstruktur auf ein Blatt Papier ist in vielen Fällen bereits ausreichend für ein grobes Verständnis des Geschäftsmodells.


Abhängigkeiten zwischen den Werttreibern

Werttreiber können in der Regel nicht isoliert voneinander betrachtet werden, denn oftmals gibt es direkt gegenläufige Zusammenhänge zwischen einzelnen Treibern.

Hier ein paar Beispiele:

Eine Preiserhöhung für sich allein genommen wirkt zwar positiv auf die Umsatzentwicklung, kann aber je nach Wettbewerbsumfeld auch zu Verlusten von Marktanteilen und damit niedrigeren Produktionsvolumina führen (was in einem Fixkosten-intensiven Geschäft dann wiederum negative Effekte auf Kostenposition und Marge hat).

Ein weiteres Wachstum des Kundenstamms (Neukundengewinnung) führt ggf. zwar zu steigenden Umsätzen, zieht aber aufgrund höherer Vertriebs- und Marketingkosten in der Regel eine (übergangsweise) geringere operative Marge nach sich.

Werden die Grenzen der Produktionsfähigkeit erreicht (Maximalauslastung), dann erfordern weitere Umsatzzuwächse ggf. sogar signifikante Investitionen z.B. in neue Produktionsanlagen oder Lagerkapazitäten. Hier ist dann die “Invest-Effizienz” ein wichtiger Faktor (lest hierzu auch den DIY Investor Artikel zur Prognose zukünftiger Cash Flows).

Hier einige weitere Implikationen auf die operative Marge durch Veränderungen der Umsatztreiber am Beispiel Zalando:

Umsatztreiber Treiberbaum Zalando

Auswirkungen von Veränderungen der Umsatztreiber auf die operative Marge von Zalando (high level)

Zusätzlich zum Aufmalen des eigentlichen Treiberbaums bzw. Driver Trees sollten wir uns also außerdem Gedanken über mögliche Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Werttreibern machen. Um diese Wechselbeziehungen genauer verstehen und auch die eingeschlagene Strategie des Unternehmens bzw. Managements besser bewerten zu können, kann eine (qualitative) Szenarioanalyse ein hilfreiches und wertvolles Instrument sein.

Eine typische Frage, die in diesem Zusammenhang auftauchen kann: Ist die Verfolgung einer “Menge-vor-Preis”-Strategie durch das Management der richtige Weg oder wird durch die oben dargestellten Wirkzusammenhänge eher Wert vernichtet?

Eine Beantwortung dieser Frage erfordert ein tiefes Verständnis über die Wechselwirkungen der individuellen Werttreiber im Driver Tree.

Im Grunde genommen sprechen wir aufgrund der Wechselbeziehungen und Abhängigkeiten also eher über ein Netzwerk verschiedener Treiber, als über eine Baumstruktur bzw. einen Treiberbaum. Nichtsdestotrotz ist die visuelle Darstellung der Werttreiber in einer Baumstruktur natürlich ein sehr hilfreiches Mittel für das Verständnis der Wirkzusammenhänge.


Fazit

Ein Treiberbaum bzw. Driver Tree ist ein hilfreiches Tool zum Verständnis und zur Visualisierung der verschiedenen Werttreiber eines Unternehmens. Oft hilft bereits das Aufmalen der Baumstruktur auf ein Blatt Papier dabei, die Funktionsweise eines Geschäftsmodells besser zu verstehen.

Über die Detailanalyse der Kapitalrendite (ROIC bzw. ROE) hinaus kann ein Treiberbaum für eine Vielzahl anderer Fragestellungen verwendet werden. Im Grunde genommen geht im Rahmen der Erstellung eines Treiberbaums ja vor allem darum, ein beliebiges Problem visuell in seine Bestandteile zu zerlegen.

Im Investing-Kontext wäre deshalb z.B. auch ein Driver Tree für die verschiedenen Wege der Wertgenerierung in einem DCF-Modell denkbar.

Die Darstellungsweise der Werttreiber in einer Baumstruktur wurde von DuPont in den 1920er Jahren für GM entwickelt.

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