Im Kontext von Aktieninvestments hatte ich ja schon das ein oder andere Mal die Vor- und Nachteile von ETFs im Vergleich zu einem aktiven Value Investing Ansatz diskutiert. Wenn wir das passive ETF-Konzept nun noch ein wenig weiterdenken und um weitere Assetklassen erweitern, sind wir quasi schon bei den so genannten Robo Advisors bzw. der Online-Vermögensverwaltung angekommen. Der Name Robo Advisor wird i.W. für Fintech-Unternehmen verwendet, die ein automatisiertes Rebalancing des Portfolios in Abhängigkeit von prognostizierten Risikoparametern (meistens ein Value at Risk oder VaR) anbieten.
In diesem Artikel möchte ich das Konzept der Robo Advisors einmal kurz erläutern und auf die Vor- und Nachteile des Konzepts zu sprechen kommen.
Was ist ein Robo Advisor?
Wer sich etwas intensiver mit Robo Advisors auseinandersetzt, der stellt schnell fest, dass es sich bei den Angeboten in vielen Fällen um etwas Ähnliches wie Dachfonds handelt. Das heißt, der Anleger erhält i.W. ein Portfolio bestehend aus ETFs verschiedener Anlageklassen (Aktien, Aktien Emerging Markets, Staatsanleihen, Unternehmensanleihen, Immobilien etc.), welches entsprechend seiner Risikopräferenz zusammengestellt wird.
Dieses Portfolio wird dann – und das ist die Innovation – in regelmäßigen Abständen (oder auch kontinuierlich bzw. wenn erforderlich) von einem Algorithmus in Abhängigkeit von prognostizierten Risiko-Return-Relationen neu gewichtet. Wobei bei vielen neu entstandenen Fintechs das Rebalancing im Hintergrund vermutlich aktuell noch manuell vorgenommen wird.
Der Vorteil dieser Vorgehensweise gegenüber der “Beauftragung” eines aktiven Fondsmanagers liegt auf der Hand: Die Gebühren sind entsprechend niedriger und bewegen sich exklusive der Kosten für die ETFs meist irgendwo zwischen 0,5 und 1,0% des Anlagebetrags.
Zu den bekanntesten hierzulande investierbaren Robo Advisors gehören Scalable Capital, Whitebox und Easyfolio. Eine Liste weiterer Robo Advisors bzw. Online-Vermögensverwaltungen inkl. der jeweiligen Gebühren findet ihr z.B. hier: Übersicht Robo Advisors.
Risikoprofil: Übergeordnete Verteilung der Anlageklassen
Bevor der Robo Advisor für euch das Rebalancing eures Portfolios übernehmen kann, müsst ihr in der Regel einen Fragebogen ausfüllen, mit dem eure Risikopräferenzen abgefragt werden. Das funktioniert also erstmal ganz analog zum typischen Wealth Management Ansatz (ein Finanzberater würde euch etwas ganz Ähnliches vorlegen, wenn ihr diesen nach der richtigen Asset Allocation für euch fragen würdet).
Je nach resultierender Risikoklasse ist das Ausgangsportfolio dann eher konservativ (mehr Anleihen) oder aggressiv (mehr Aktien) ausgerichtet. Allerdings ist meine Vermutung, dass auch die Online-Vermögensverwaltungen sich etwas nach unten hin absichern und den Anteil von Anleihen und ähnlichen Anlageklassen (Tagesgeld, Immobilien etc.) recht hoch ansetzen… mit den entsprechenden Abstrichen beim Return.
Bei der Online-Vermögensverwaltung Scalable Capital setzt sich der Fragebogen beispielsweise aus den folgenden drei Bestandteilen zusammen:
- Anlageziele
- Kenntnisse
- Finanzielle Situation
Typische Fragen in den einzelnen Kategorien beinhalten:
Anlageziele
- Welches Ziel wird mit der Anlage verfolgt (Vermögen steigern, aufbauen oder aufrechterhalten)?
- Wie lang ist der Anlagehorizont in Jahren (hiervon hängt natürlich die Risikopräferenz am Ende sehr stark ab)?
- Welcher Wertverlust macht uns als Anleger nervös (in %)?
Kenntnisse
- In welchen Anlagen haben wir Kenntnisse (Tagesgeld, Staatsanleihen, Unternehmensanleihen, Währungen, Aktien, Rohstoffe, ETFs und Fonds)?
- Mit welchen Finanzdienstleistungen haben wir Erfahrung (Anlageberatung, Vermögensverwaltung, Online-Broker)?
- Haben wir durch Ausbildung oder Beruf relevante Kenntnisse gesammelt?
Finanzielle Situation
- Wie hoch ist das Nettoeinkommen?
- Wie hoch sind die gesamten monatlichen Ausgaben?
- Wie hoch ist das frei verfügbare Vermögen (z.B. Bargeld und Wertpapiere) und das nicht frei verfügbare Vermögen (z.B. Immobilien)?
- Wie hoch sind die Verbindlichkeiten bzw. Schulden?
- Wie lange reichen die Reserven, um die Ausgaben zu decken (in Monaten)?
Das wesentliche Ergebnis dieser Befragung ist zweierlei: Erstens definiert der Robo Advisor auf Basis der Antworten grobe Korridore für die einzelnen Anlageklassen und zweitens legt er darüber hinaus einen Grenzwert für den so genannten Value at Risk (VaR) fest. Beim VaR handelt es sich um einen spezifischen und je Anlageklasse auf Basis von Werten der Vergangenheit definierten Risikowert, der nicht überschritten werden darf.
Value at Risk oder VaR
Der Value at Risk oder VaR ist für die meisten Robo Advisors die wesentliche Risikokennzahl. Der VaR ist definiert als die auf das Jahr hochgerechnete monatliche Standardabweichung der Returns vom Mittelwert.
Ein Value at Risk (VaR) von 12% bedeutet z.B., dass der maximal mögliche Verlust in jedem einzelnen Jahr mit einer 95%igen Wahrscheinlichkeit geringer als -12% ausfällt. Oder anders ausgedrückt: In einem von 20 Jahren kann der maximale Verlust schonmal mehr als 12% betragen.
Wie funktioniert das Rebalancing?
Das Ziel des so genannten Rebalancings ist es, die Gewichtungen der einzelnen Anlageklassen in eurem Portfolio in den entsprechenden Korridoren zu halten und dafür zu sorgen, dass das Verlustrisiko (der Value at Risk) unterhalb der festgelegten Grenze liegt. Zwangsläufig werden sich nämlich Aktienanteil und Anleiheanteil aufgrund der mit Sicherheit unterschiedlichen Performance über die Zeit mehr oder weniger stark verändern, wie das folgende Beispiel verdeutlicht.
Beispiel Rebalancing
Stellt euch dazu einmal ein Portfolio im Wert von 10.000 € bestehend aus 50% Aktien und 50% Anleihen vor (diese 50/50 Aufteilung entspricht auch eurer Zielallokation).
Nun entwickelt sich die Aktien in eurem Portfolio mit einem Plus von 20% weitaus besser als die Anleihen, die im Wert sogar um 20% abnehmen. Die Portfoliowerte und -anteile verschieben sich also folgendermaßen:
Nach dieser Entwicklung solltet ihr also nun Aktien im Wert von 1.000 EUR verkaufen und gleichzeitig Anleihen im Wert von 1.000 EUR kaufen, um die im Zielbild geforderte Gleichgewichtung wieder herzustellen.
Neben der sich verändernden Gewichtung der Anlageklassen stellt das erwartete Verlustrisiko die zweite Stellgröße dar. Wie aber wird dieses Verlustrisiko prognostiziert? Auch die Computeralgorithmen wissen natürlich nicht, wie sich die Kurse der einzelnen Anlageklassen in der Zukunft entwickeln werden. Aus diesem Grund basieren die aktuellen Risiko-Modelle bzw. VaR-Kalkulationen eigentlich ausschließlich auf historischen Kursdaten und Entwicklungen.
Monte-Carlo-Simulation zur Prognose der VaRs
Für die Prognose des Verlustrisikos ist dabei oft die Monte-Carlo-Simulationen das Tool der Wahl. Im Rahmen der Monte-Carlo-Simulation wird auf der Grundlage der historischen Entwicklung eine große Anzahl an Zufallsexperimenten durchgeführt, woraus sich schlussendlich ein Erwartungswert für das Risiko und den Return ergibt.
Auf Basis dieses Erwartungswertes wird das Portfolio dann umgeschichtet. Steigt der erwartete VaR des Portfolios über den definierten Grenzwert, wird Geld von einer risikoreichen Anlageklasse mit hohem VaR (meistens Aktien) in eine Anlage mit niedrigerem VaR (meistens Anleihen) umgeschichtet. Hier könnt ihr einmal eine Übersicht der historischen VaRs für verschiedene Anlageklassen sehen:
VaRs verschiedener Anlageklassen, Quelle: Scalable Capital
Das heißt genauer gesagt: Mithilfe der Monte-Carlo-Simulation lassen sich bestimmte Muster prognostizieren, z.B. dass alle x Jahre eine größere Finanzkrise stattfindet oder dass auf eine Krise innerhalb von 6-12 Monaten meistens eine starke Erholung folgt etc.
Das bedeutet im Umkehrschluss allerdings nicht, dass Marktcrashs z.B. aufgrund des Handelsstreits zwischen China und den USA, des Brexits oder auch der Abschwächung des Wachstums in China tatsächlich vorhergesagt werden können.
Ohne genau zu wissen, wie ein Robo Advisor in einem solchen Fall genau reagiert, würde ich annehmen, dass aufgrund des schlagartig zunehmenden Risikos (Risiko definiert als Marktvolatilität bzw. VaR) die Aktienpositionen sofort stark reduziert werden würden… obwohl man ja eigentlich als rational handelnder Investor gerade im Crash eher weiter zukaufen würde.
Fazit: Bequem, aber vermutlich nur mittelmäßiges Return-Potenzial
Mein Eindruck von den Angeboten der Robo Advisors ist ähnlich zu dem von ETFs: Wer sich mit dem Investieren aufgrund von Zeitmangel und / oder fehlendem Interesse nicht besonders tief auseinandersetzen möchte, der ist mit einer eher passiven Anlageform vermutlich am besten beraten… und passiver als die Anlage über einen Robo Advisor geht eigentlich kaum.
Eine recht hohe Beimischung an Anleihen und ähnlichen Anlageklassen selbst bei Profilen mit hoher Risikotoleranz legt allerdings nahe, dass die Robo Advisors (bzw. die Firmen dahinter 🙂 ) schon darauf achten, sich risikoseitig abzusichern… und das schließt meines Erachtens nach eine überproportional gute Rendite einfach aus.
Obwohl die Robo Advisors ihren Ansatz für das Rebalancing des Portfolios teilweise sehr genau beschreiben und auch auf die mathematischen Methoden eingehen, bleibt die große Frage nach der tatsächlichen Performance jedoch aktuell noch offen.
Für jeden “Know-Something Investor” wie Warren Buffett sagen würde, also jemanden, der sich mit der Materie auseinandersetzen möchte und wirklich überdurchschnittliche Returns erzielen will, sehe ich daher keinen Grund, auf einen Robo Advisor zu setzen (von einer kleinen Beimischung oder vielleicht der Vorsorge für die Familie einmal abgesehen).
Habt ihr bereits Erfahrungen mit Robo Advisors gesammelt bzw. könnt ggf. etwas zu den tatsächlich erzielten Returns sagen? Kommentiert einfach unten.
2 Kommentare zu „Robo Advisors: Bequemlichkeit vs. Return!“
Danke für diesen interessanen Artikel.
Ich nutze tatsächlich einen Robo-Advisor, wenn man denn WeltInvest dazuzählen mag. Die Kosten in Höhe von 0,50 % sind nicht dramatisch höher als z.B. ein Dividenden-ETF. Automatisches Rebalancing. 7.000 Einzelwerte. Dostenlose Ein- und Auszahlungen. Das klingt für mich nicht so verkehrt. Dazu ist auch ganz klar ersichtlich welche Produkte genutzt werden. Ich werde das weiter beobachten. Als Beimischung für mein Depot ist es definitiv geeignet.
Wie immer ein weiterer sehr guter Artikel auf deinem Blog.
Mir ist bei Roboadvisorn aufgefallen, dass sie trotz des passiven Ansatzes den Markt (= MSCI ACWI All Cap Total Net Return) nicht schlagen.
Bspw. performt Scalable Capital bei höchster VaR + Market Timing Strategie extrem schlecht. Abschwünge werden voll mitgenommen und Runs verpasst.
Die machen offensichtlich irgendwas falsch.
Außerdem finde ich es ein bisschen grenzwertig sich für das Zusammenstellen eines Weltportfolios mit Rebalacing einmal pro Jahr relativ üppig bezahlen zu lassen. Das sind maximal 5min Arbeit pro Jahr.
Die ODDO BHF nimmt die Hälfte, bietet aber einen Rundum Service mit Erbschaften, Stiftungen, etc. an. Alles, was irgendwie mit Geld zu tun. Scalable nimmt das Doppelte für ein ETF Weltportfolio und performt dabei noch schlecht.
Komisch, dass die Leute das nicht sehen.