Wie wir alle wissen, beeinflusst unsere Psyche unser Investitionsverhalten maßgeblich… wie übrigens auch unser Verhalten in bestimmten Situationen ganz generell. Das liegt unter anderem an unserem Vertrauen auf fehlerhafte Heuristiken (d.h. einfache Investment-Daumenregeln) und den daraus entstandenen Verhaltensmustern. Einen wesentlichen Anteil hat aber auch die Art und Weise, wie wir im Nachhinein die Qualität unserer Entscheidungen bewerten. Dies tun wir nämlich in der Regel direkt auf Basis des Ergebnisses, welches wir auf Basis unserer Entscheidung erzielt haben, obwohl zwischen beiden kein direkter Zusammenhang besteht. Den von uns allerdings direkt beeinflussbaren Prozess der Entscheidungsfindung bewerten wir typischerweise gar nicht.
Beispiel: Wir haben einmal eine Aktienempfehlung in der Börse-Online (oder im Aktionär oder irgendeinem anderen Magazin) gelesen und auf dieser Basis einen ansehnlichen Gewinn erzielt. Wir stellen nun also einen direkten Zusammenhang zwischen unserer Entscheidung – nämlich den Aktienempfehlungen der Börse Online zu folgen – und dem Ergebnis her. Zu der durchaus relevanten Frage, ob der Prozess der Richtige war – und was wir ggf. daran verbessern könnten – gelangen wir auf diese Weise leider nicht.
Im Folgenden möchte ich einmal auf das wesentliche Problem mit dieser Herangehensweise eingehen.
Intro: Unsicherheit und Beeinflussbarkeit des Ergebnisses
Im Grunde genommen fokussieren wir uns als Investoren mehr oder weniger ausschließlich auf Ergebnisse (also erzielte Returns, Kurssteigerungen etc.), unter anderem deshalb, weil wir uns anhand unserer Returns z.B. direkt mit einem Marktindex oder mit anderen Investoren vergleichen können. Und natürlich hängt vom Ergebnis unserer “Investitionstätigkeit” auch primär ab, wie sich unser Portfolio und unser Wohlstand über die Zeit entwickeln werden.
Ergo: Sich auf Ergebnisse zu konzentrieren ist erstmal nicht unbedingt falsch.
Allerdings – und jetzt kommt der Haken – haben wir gerade was das Investieren angeht keinen direkten Einfluss auf das Ergebnis, nämlich die Kursentwicklung einer Aktie. Diese hängt nämlich einzig und allein von Angebot und Nachfrage im Markt ab, welche wiederum irgendwo auf den durchschnittlichen Erwartungen aller Investoren beruhen. Zu welchem Ergebnis wir in unserer Analyse kommen hat darauf schlicht und einfach keinen direkten Einfluss.
Im Gegensatz dazu: Wenn wir beispielsweise sehr intensiv für die CFA-Prüfung lernen, dann können wir mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass wir den abschließenden Test auch bestehen. Es besteht also in der Regel ein direkter Zusammenhang zwischen unserem Aufwand und dem erzielten Ergebnis.
Outcome Bias
Wie wir gesehen haben, besteht zwischen unserer Investitionsentscheidung und dem erzielten Ergebnis in der Regel kein direkter Zusammenhang.
Trotzdem bewerten viele Menschen ihre Entscheidungen der Vergangenheit auf Basis des finalen Ergebnisses, anstatt die Qualität der Entscheidung zum Zeitpunkt der Entscheidung und auf Basis des damaligen Wissenstandes zu bewerten. Für dieses Verhalten gibt es natürlich auch einen Namen: Outcome Bias.
Beispiel: Outcome Bias
Stellt euch einmal einen Patienten mit einem Herzfehler vor. Auf Basis seiner Erkrankung muss er mit einigen Einschränkungen leben und hat zwischenzeitlich auch immer wieder Schmerzen. Sein Arzt schlagt ihm eine Bypass-Operation vor. Diese Operation würde gleichzeitig die Schmerzen beenden und seine Lebenserwartung um einige Jahre erhöhen. Nachteil: Es besteht eine geringe Chance (unter 10%), dass er die OP nicht überlebt.
- Szenario 1: Der Patient entscheidet sich für die Durchführung der OP, welche schlussendlich erfolgreich verläuft
- Szenario 2: Der Patient entscheidet sich für die OP, welche leider nicht erfolgreich verläuft
Wissenschaftliche Studien belegen nun, dass viele Menschen die ursprüngliche Entscheidung im Falle eines positiven Ergebnisses als besser einstufen würden, als im Falle eines negativen Ergebnisses. Und das obwohl das Ergebnis zum Zeitpunkt der Entscheidung noch gar nicht vorhersehbar war.
Das Vorhandensein dieses Outcome Bias bringt nun eine ganze Reihe unerwünschter Nebeneffekte mit sich, z.B.:
- Wir fokussieren uns auf Ergebnisse mit einer höheren Sicherheit (auch bekannt als Angst vor dem Unbekannten bzw. im Englischen “Ambiguity Aversion”)
- Wir sammeln möglichst alle Informationen, sowohl nützliche, als auch weniger nützliche
- Wir präferieren Kompromisslösungen
- Wir wählen tendenziell Produkte mit durchschnittlichen Features entlang aller Dimensionen aus, anstatt Produkte mit etwas ausgeprägteren Features
- Wir zeigen eine größere Verlustangst (“Loss Aversion”)
Oder anders ausgedrückt: Setzen wir unsere Entscheidungen ausschließlich in Bezug zu den möglichen Ergebnissen, werden wir Unsicherheit soweit wie möglich vermeiden, “Noise” im Newsflow (d.h. eigentlich unwichtige Nachrichten) zu stark berücksichtigen und außerdem einen gewissen Herdentrieb an den Tag legen (d.h. mit der Durchschnittsmeinung mitgehen). Das tun wir, weil wir zu negative Ergebnisse vermeiden möchten… denn wir haben uns ja auf das Ergebnis fokussiert.
Keiner dieser Nebeneffekte wird uns vermutlich im Hinblick auf die Höher unserer erzielten Returns dienlich sein.
Entscheidungen sollten daher möglichst unabhängig vom Ergebnis bewertet werden, um dieses so genannte Outcome Bias zu vermeiden.Prozess versus Ergebnis
Es stellt sich also die Frage, worauf wir uns alternativ fokussieren sollten? Die Antwort ist klar: Auf den von uns tatsächlich zu beeinflussenden Prozess der Entscheidungsfindung.
Hier einmal eine sehr simple Matrix, die den ganz allgemeinen Zusammenhang zwischen Prozess und Erfolg illustrieren soll und aus meiner Sicht sehr gut den Vorteil einer stärkeren Gewichtung des eigentlichen Entscheidungsprozesses hervorhebt:
Quelle: More Than You Know – Finding Financial Wisdom in unconventional Places von Michael Mauboussin
Im Grunde genommen lässt aus der Matrix in einem Satz Folgendes schlussfolgern: Es ist doch besser, auf Basis eines guten Prozesses (den wir außerdem stetig verbessern können) tendenziell erfolgreich zu sein, als ab und an einen Glückstreffer zu landen, den wir aber nicht replizieren können.
Die obere rechte Box ist in diesem Zusammenhang natürlich ebenfalls ein Teil der Realität eines Investors. Selbst ein sehr guter und strikt verfolgter Prozess wird – genauso wie die CFA-Prüfung – nicht immer mit 100%iger Sicherheit zum Erfolg führen.
Das gilt insbesondere für Prozesse, die von einem hohen Grad an Unsicherheit geprägt sind (wie z.B. das Investieren in börsennotierte Unternehmen).
The management of return is impossible, the management of risk is illusory, but process is the one thing we can exert an influence over. – James Montier, The Little Book of Behavioral Investing
Beispiele für Prozesse erfolgreicher Investoren
Wie nun ein solcher Prozess aussehen kann, dazu gibt es verschiedene Ansätze. Diese können reichen von sehr konkreten Investment Prozessen, über Checklisten bis hin zu etwas weiter gefassten Leitfragen.
Ich habe hier einmal beispielhaft ein paar Themen aufgegriffen und anhand von realen Investor-Beispielen illustriert. In unserer Übersicht zum Thema Behavioral Finance findet ihr aber auch noch ein paar weitere Anregungen.
Mohnish Pabrai: Die Pre-Investment Checkliste
Mohnish Pabrai ist ja auch als der “Checklisten-Investor” bekannt. Es gibt eine ganze Reihe an Interviews und Vorträgen, in denen Pabrai die Vorteile seines Checklisten-Ansatzes hervorhebt und auch etwas detaillierter auf die einzelnen Fragen eingeht.
Laut Pabrai ist der Hauptgrund für die Nutzung einer Investment Checkliste der, dass sie einen sehr vorteilhaftes Nutzen-Aufwands-Verhältnis aufweist. Das heißt genauer gesagt: Der Erkenntnisgewinn ist im Vergleich zum Zeitaufwand aus seiner Sicht viel höher als bei anderen Methoden bzw. Investment Prozessen.
Pabrai’s Checkliste enthält übrigens laut eines Interviews mit Forbes ca. 150 Fragen, eingeteilt in verschiedene Kategorien (dazu in Kürze nochmal etwas mehr).
Bruce Berkowitz: “Kill the Company”
Bruce Berkowitz ist der Gründer von Fairholme Capital und für eine Übung bekannt, die er selbst “Kill the Company” nennt (lest hierzu auch den passenden Beitrag des Wall Street Journal). Wenn wir diese Bezeichnung zum ersten Mal hören, würden wir das vermutlich nicht unbedingt mit einem konkreten Investment Prozess in Verbindung bringen. Am Ende handelt es sich allerdings um nichts anderes, als einen sehr strukturierten Stresstest, der dazu geeignet ist, sich von der nachteiligen Fokussierung auf Ergebnisse etwas zu lösen.
Ganz konkret schaut sich Berkowitz an, wie die von ihm analysierten Unternehmen auf verschiedene externe und vielleicht auch interne Schocks reagieren bzw. wie Bilanz und Cash Flows durch einen solchen Schock beeinflusst werden würden. Das führt am Ende dazu, dass Berkowitz sein Kapital tendenziell eher in diejenigen Unternehmen mit stabilen Bilanzen und starken Cash Flows investiert
Ein externer Schock kann übrigens z.B. eine globale Wirtschaftskrise oder ein signifikanter Preisanstieg eines bestimmten Rohstoffes sein… ein interner vielleicht eine Patent- oder Produkthaftungsklage oder auch die Verfolgung einer erfolglosen Strategie (Stichwort DiWORSEification).