Leerverkäufe: 5 Strategien, um gute Short-Ideen zu finden

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Investmentideen Leerverkäufe

Leerverkäufe sind ein Instrument, mit dem die meisten Privatinvestoren vermutlich nur aus der Börsenpresse (z.B. der aktuelle Wirecard Fall) oder aus Büchern oder Filmen (z.B. “The Big Short”– geniales Buch… und genialer Film) vertraut sind. Tatsächlich ist es bei den meisten Onlinebrokern denn auch nicht möglich, direkte Leerverkäufe zu tätigen (über den Umweg der CFDs geht das dann aber schon).

Nichtsdestotrotz möchte ich in diesem Artikel einmal 5 Strategien vorstellen, um Unternehmen zu finden, die sich gut für Leerverkäufe eignen könnten. Ich denke nämlich, dass sich einige der Strategien bzw. Ansätze auch gut in Fragen umformulieren lassen, die ein typischer Long-Only Investor im Rahmen seiner Unternehmensanalyse stellen und zu seiner Pre-Investment Checkliste hinzufügen sollte… beispielsweise die starke Abhängigkeit von einem großen und sehr gut kapitalisierten Kunden.

Aber lest selbst.


Intro: Leerverkäufe

Leerverkäufe repräsentieren eine Möglichkeit, von fallenden Aktienkursen zu profitieren. Die Funktionsweise von Leerverkäufen ist eigentlich ganz einfach:

  1. Wir leihen uns die Aktien des Unternehmens, das wir leer verkaufen (shorten) möchten von einem Broker
  2. Anschließend verkaufen wir die Aktien zum aktuellen – von uns als zu hoch eingeschätzten – Marktpreis
  3. Wir warten bis der Aktienkurs sich tatsächlich nach unten bewegt
  4. Hat der Aktienkurs das von uns erwartete niedrige Niveau erreicht, kaufen wir die Aktien im Markt zurück und geben diese zurück an den Broker

Den Gewinn dieser Strategie können wir auf Basis der folgenden Formel ermitteln:

Gewinn = (Verkaufspreis – Rückkaufspreis) x Stückzahl – Leihgebühr

Allerdings sind Leerverkäufe im Vergleich zu einem Long-Investment risikoreicher, weil der Verlust nach unten eigentlich nicht begrenzt ist. Wenn nämlich der Kurs der leer verkauften Aktie immer weiter ansteigt, dann wird der Verlust für den Leerverkäufer immer größer, solange er seine Position nicht glattstellt.

Darüber hinaus kann es unter Umständen mehrere Jahre dauern, bis z.B. Bilanzmanipulationen auch durch den Markt erkannt werden (wenn überhaupt)… lest dazu auch meinen Review über David Einhorn’s Buch Fooling Some of the People All of the Time.


Übersicht: Ideen für Leerverkäufe

Wo findet man also Ideen für Leerverkäufe? Nitin Sacheti listet dazu in seinem Buch Downside Protection fünf verschiedene Strategien auf:

  1. Den Aktionen der Branchenführer folgen
  2. Insiderverkäufe beobachten
  3. IPOs genauer ansehen
  4. Lesen, mit Leuten sprechen, usw.
  5. Innovatoren ansehen

Wobei der Punkt Nummer 4 tatsächlich nicht zwangsläufig etwas mit Shorts oder Leerverkäufen zu tun hat. Im Gegenteil ist “sich weiterbilden” und “ein Ohr am Puls der Zeit haben” ja ein ganz universeller Tipp für jeden Investor.

Der letzte Punkt ist darüber hinaus zugegebenermaßen nicht ganz überschneidungsfrei zu den Punkten 1 und 3, denn in vielen Fällen entstehen gute Investitionsgelegenheiten für Leerverkäufe auch für Innovatoren nach einem IPO oder aber nach einem Angriff durch einen größeren und besser kapitalisierten Wettbewerber.


#1: Aktionen der Branchenführers

Der Aktienmarkt der letzten 10 Jahre war der Markt der Ökosysteme. Unternehmen wie Apple, Amazon, Google, Facebook etc. haben sich mit einer vergleichbar geringen Kapitalintensität gigantische Ökosysteme aufgebaut, die sie nun immer aggressiver monetarisieren. Direkte Folge war und ist ein starkes Wachstum der Ertragsstärke (Earnings Power) und auch der Aktienkurse.

Ein Geschäftsmodell wie das von Amazon, Facebook oder Apple skaliert wie wir wissen viel besser und schneller, als beispielsweise eine Eisenbahnlinie, ein Glasfasernetz oder auch der neue 5G-Standard. In Folge dessen sind Apple, Facebook etc. in der Lage, extrem schnell zu wachsen und auch Intermediäre recht einfach auszuschalten (wenn sie es denn wollen).

Heißt konkret: Für Apple wäre es aufgrund der quasi unendlich verfügbaren Barreserven recht schnell möglich, einen eigenen Prozessor oder auch einen eigenen Grafikchip zu entwickeln. Die Gründe für so einen Move können vielfältig sein, vom Aufbau einer neuen Kernkompetenz bis hin zur Reduzierung der Abhängigkeit von Lieferanten, die als zu mächtig wahrgenommen werden.

Gleichermaßen könnte ein größerer (und besser kapitalisierter) Wettbewerber einfach das Produkt eines (ehemaligen) Innovatoren kopieren und anschließend im Wettbewerb von niedrigeren Produktions- und Distributionskosten profitieren.

So hat sich z.B. Intel in der Vergangenheit immer mit der Follower-Rolle im Vergleich zu AMD begnügt. Bei wesentlichen Neuentwicklungen war Intel dann aber aufgrund der Skalenvorteile (aufgrund derer Intel absolut viel mehr in Forschung und Entwicklung stecken konnte, aber trotzdem noch bessere Margen erzielte) trotzdem in der Lage, AMD immer ein paar Schritte voraus zu bleiben.

Unternehmen, die speziell von Lieferungen an einen der Branchenführer abhängen, oder auch Unternehmen mit nur einem (ehemals) innovativen Produkt können dem entsprechend durch solche Wettbewerber bzw. Kunden existenziell bedroht werden.

Aus diesem Grund sollten wir uns die strategischen Stoßrichtungen verschiedener Branchen-Schwergewichte ganz genau ansehen.


#2: Insiderverkäufe

Den Aktionen von Unternehmensinsidern folgen ist eine weitere Strategie zur Identifikation guter Short-Kandidaten.

Genauso wie nämlich Insider-Käufe ein Indikator für sich verbessernde Economics eines Unternehmens sind (positives Signal), sind Insider-Verkäufe ein Indikator für sich verschlechternde Rahmenbedingungen (negatives Signal).

Meist ist es nämlich so, dass Insider – also Manager, die im besagten Unternehmen arbeiten oder Aufsichtsräte, die es beaufsichtigen – durch zwei Charakteristika gekennzeichnet werden können:

  1. Sie wissen mehr über die relevanten Entwicklungen rund um ihr Unternehmen als jeder andere
  2. Sie haben einen Anreiz, im Sinne ihrer eigenen Interessen und nicht zwangsläufig denen des Unternehmens zu handeln

Tatsächlich sind Unternehmen, in denen das Management die gleichen Ziele verfolgt, wie die Anteilseigner eher die Ausnahme als die Regel. Oft besitzt das Management nämlich keine signifikanten Anteile am Unternehmen und hat darüber hinaus auch keinen langfristigen strategischen Horizont, wie ihn in der Regel die Anteilseigner haben.

Wenn Insider also Aktien ihres eigenen Unternehmens verkaufen, dann könnte das auf eine gute Short-Opportunität hindeuten.


#3: IPOs

Warren Buffett hat einmal gesagt, dass er seit dem Ford-Börsengang in 1955 an keinem IPO (Initial Public Offering) mehr partizipiert hat.

Über die letzten Jahrzehnte hat sich nämlich die Logik, aus der heraus die öffentlichen Kapitalmärkte angezapft werden, etwas verschoben. War es damals größtenteils noch so, dass Unternehmen an die Börse gingen, um frisches Wachstumskapital einzuwerben (das es in der Form in den privaten Märkten nicht so gab), gehen Unternehmen heute oft eher an die Börse, um Anteile an institutionelle Investoren zu verkaufen.

Das hat unter anderem auch damit zu tun, dass Unternehmen heute in der Regel ausreichend Kapital einwerben können, auch ohne an der Börse gelistet zu sein.

Aus diesem Grund haben viele Unternehmen, die heute einen IPO durchführen, den Höhepunkt ihres Wachstums bereits erreicht… bzw. sind kurz davor diesen Peak zu erreichen. Denn um ihr Vermögen zu maximieren, gehen viele Gründer ca. 6 bis 24 Monate vor dem Peak an die Börse. Dabei folgen sie der folgenden Logik:

  • Zunächst wird nur ein kleiner Teil des Aktienkapitals mit einer Wachstumsstory über die Börse verkauft, was zu einer geringen Liquidität und zu einer für den oder die Gründer vorteilhaften Verteilung von Angebot und Nachfrage führt
  • Anschließend wird der Consensus der Analysten für einige Quartale geschlagen, was weitere wachstumsorientierte Investoren anzieht, die den Aktienkurs weiter nach oben treiben
  • Nach ein paar dieser Quartale endet dann die Sperrfrist (Lockup) und die Gründer können quasi zum Höchstkurs ihren Anteil weiter verringern

Wenn irgendwann klar wird, dass die Wachsstumsstory nicht trägt, wird der Aktienkurs in vielen Fällen schnell einknicken. IPOs können deshalb gute Ideen für profitable Leerverkäufe bieten.

Dieser Ansatz unterschiedet sich übrigens gar nicht so sehr von den bereits oben angesprochenen Insiderverkäufen… auch im Rahmen eines IPO werden ja im Wesentlichen Anteile bestehender Investoren (meist gleichzeitig auch Gründer und Manager des Unternehmens) über die Börse verkauft.


#4: Informationen sammeln

Dieser Punkt ist relativ breit gefächert und kann im Grunde genommen alles bedeuten:

  • Tageszeitungen und Online-Portale lesen
  • die großen globalen Trends evaluieren
  • in Einzelhandelsgeschäfte gehen und nach Veränderungen Ausschau halten
  • Beziehungen zu Kennern verschiedener Branchen aufbauen und Gespräche über aktuelle Trends etc. führen
  • Branchenmessen besuchen
  • Bücher über alle möglichen Branchen und Industrien und Persönlichkeiten lesen
  • etc.

All dies hilft uns dabei, uns in die Position von anderen hineinzuversetzen. Ich würde fast sagen, dies ist die Grundvoraussetzung, um Branchen und Trends zu verstehen und ist deshalb auch eher universell gültig.

Ideen für Leerverkäufe können daraus aber natürlich auch entstehen. 🙂


#5: Innovators’ Dilemma Shorts

In Downside Protection geht es wie gesagt unter anderem um das Auffinden guter Short-Ideen. Laut Autor Nitin Sacheti entstehen die besten und profitabelsten Leerverkäufe aus den so genannten “Innovators’ Dilemma Shorts”.

Im Vergleich zu Leerverkäufen in sich nachhaltig negative entwickelnden Branchen bzw. Branchensegmenten werden die so genannten Innovatoren (d.h. Unternehmen, die mit einer neuen Technologie auf den Markt kommen) kurz nach dem IPO in Erwartung steigender Gewinne typischerweise zu recht ambitionierten Earnings Multiples gehandelt. Sell-Side Analysten verstärken diese Sicht auf die Aktien / Unternehmen in der Regel noch.

Mit anderen Worten shortet man hier ein Business mit hohen zukünftigen Gewinnerwartungen und gleichzeitig extrem hohem Multiple…

Wenn die Evaluierung von Wettbewerbsumfeld (zunehmender Wettbewerb: Porters 5 Forces, Industry Map etc.), Wechselkosten (nicht vorhanden oder sehr niedrig), Positionierung auf der Kostenkurve (einer der teuersten Anbieter) und Unit Economics (nicht wertschaffend) zu den entsprechenden Schlussfolgerungen führt, können Leerverkäufe von solchen Innovatoren sehr profitabel sein.


Fazit – Ideen für Leerverkäufe finden

In diesem Artikel habe ich 5 Strategien vorgestellt, um Ideen für Leerverkäufe (Short Sales) zu generieren. Neben der Beobachtung der Aktionen der Branchenführer (z.B. ein Plan zur Internalisierung einer bisher extern eingekauften Kernkomponente) und Insiderverkäufen sind IPOs hierfür ein erster guter Ansatzpunkt.

Falls Shorten nicht zu unserem Investitionsansatz gehört, können wir die Strategien immer noch dazu nutzen, um Investments in Problemunternehmen oder Value Traps zu vermeiden.


Weitere Ressourcen

Leerverkäufe - Downside Protection

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