Immobilien sind aktuell in aller Munde. Vor allem die Nachfrage nach Wohnimmobilien ist trotz der stark angezogenen Preise nach wie vor hoch. Als Alternative zum Kauf einer eigenen Eigentumswohnung bietet sich ein Investment in eine Immobilien-AG oder einen REIT (also ein an der Börse gelistetes Immobilienunternehmen) an. Allerdings gibt es bei der Bewertung ein paar Besonderheiten zu beachten… und die Begrifflichkeiten sind im Vergleich zu Unternehmen aus anderen Sektoren zugegebenermaßen auch etwas anders.
In diesem Artikel möchte ich einmal auf ein paar Besonderheiten bei der Bewertung von gelisteten Immobilienunternehmen (“Immobilien-AGs” oder REITs) eingehen und darüber hinaus einmal die wesentlichen Kennzahlen erläutern.
Warum in gelistete Immobilienunternehmen investieren
Bevor ich in die wesentlichen Bewertungskennzahlen gelisteter Immobilienunternehmen einsteige, zunächst ein kurzer Blick auf die möglichen Vorteile eines Investments in Immobilienaktien gegenüber eines Direktinvestments in die eigene Immobilie als Kapitalanlage:
- Immobilien-AGs profitieren von Economies of Scale, d.h. sie sind in der Lage, die Verwaltung und die Instandsetzung der Gebäude günstiger durchzuführen, als wir das als Privatinvestoren könnten
- Immobilienkonzerne sind typischerweise so groß, dass sie aus ihrem eigenen Cash Flow heraus und durch Revalutierung neue Objekte hinzukaufen und dadurch Wachstum erzeugen können… jedenfalls in Grenzen. Beim Zukauf großer Portfolios kann es auch schonmal zu einer Kapitalerhöhung kommen. Für uns als Privatinvestoren ist das i.d.R. speziell am Anfang nicht so ganz einfach
- Aufgrund ihrer Größe haben gelistete Immobilienunternehmen die Möglichkeit, überregional zu agieren und das Portfolio dahingehend zu optimieren. Zwar könnte ich als kleiner Düsseldorfer Immobilieninvestor mir auch ein Objekt in Dresden zulegen. Allerdings hätte ich dann wenig Kontrolle und im schlimmsten Fall ziemlich hohen administrativen Aufwand (nicht vor Ort, keine Handwerkerkontakte etc.)
- Während wir als Privatinvestoren uns ein Investment in eine Wohnimmobilie durchaus noch zutrauen, wird es bei Büro- oder Gewerbeimmobilien bereits deutlich schwieriger. Über die Börse können wir jedoch einfach in z.B. auf Gewerbeimmobilien oder Einkaufszentren spezialisierte Immobilien-AGs oder REITs investieren
Je nach Nische kann es sogar sein, dass die Immobilien-AG auch im aktuellen Marktumfeld noch dazu in der Lage ist, Objekte zu sehr attraktiven Konditionen einzukaufen. Ein Beispiel ist hier die Deutsche Fachmarkt AG (DEFAMA). Die DEFAMA investiert in Fachmarktzentren in Mittel- und Ostdeutschland und kann Objekte aktuell noch zum 9 bis 10-fachen der Jahresnettomiete einkaufen. Zum Vergleich: In Düsseldorf und anderen Großstädten zahlt man für eine Eigentumswohnung inzwischen eher das 22 bis 30-fache.
Die Bewertung der zugehörigen Aktie kann natürlich eine ganz andere sein.
Bewertung von Immobilien-AGs und REITs
Wenn ihr euch einmal die Geschäftsberichte einiger gelisteter bestandshaltender Immobilienfirmen (Immobilien-AGs oder REITs) durchlest, dann werdet ihr vor allem auf zwei für die Bewertung relevante Kennzahlen stoßen:
- Funds From Operations (FFO)
- Net Asset Value (NAV)
Im Grunde handelt es sich beim FFO um eine Annäherung an den operativen Cash Flow einer Immobilien-AG, beim NAV um den auf Basis eines Vervielfältigers bzw. Multiples ermittelten Marktwert des Immobilienbestandes.
Beide Kennzahlen können wir jedoch nicht direkt, d.h. ohne Anpassungen unsererseits, für die Unternehmensbewertung verwenden. Warum das so ist und wie wir bei der Bewertung von gelisteten Immobilienunternehmen am besten vorgehen, möchte ich euch nun gerne einmal erläutern.
FFO und AFFO
Beim FFO (Funds From Operations) handelt es sich um eine Kennzahl, die den operativen Cash Flow des Immobilienbestandes einer Immobilien-AG oder eines REITs reflektiert. Im Vergleich zum Nettogewinn werden deshalb die Abschreibungen (keine Zahlungsmittelabflüsse) sowie die Gewinne bzw. Verluste aus dem Verkauf von Immobilien (kein operativen bzw. wiederkehrenden Cash Flows) korrigiert.
Dem entsprechend ergibt sich die Berechnungsformel für den FFO (bzw. die Funds From Operations) folgendermaßen:
FFO = Nettogewinn + Abschreibungen und Amortisation – Gewinne aus dem Verkauf von Immobilien
Wesentlicher Nachteil: Der FFO berücksichtigt nicht die aktivierungspflichtigen Instandhaltungskosten und ist deshalb ein recht schlechter Indikator für den freien Cash Flow des aktuellen Bestandes. Hauptgrund ist die Tatsache, dass viele Instandhaltungsinvestitionen aktivierungspflichtig sind und somit als CapEx klassifiziert werden (hier geht es um die größeren Maßnahmen wie Dacherneuerungen oder Fassadensanierungen).
Aus diesem Grund reduzieren viele Analysten den FFO nochmals um die Instandhaltungsinvestitionen. Diese angepasste Kennzahl wird dann als AFFO (Adjusted Funds From Operations) bezeichnet:
AFFO = Funds From Operations – Instandhaltungsinvestitionen
Den AFFO können wir analog zu den Owner Earnings mithilfe der Formel für die ewige Rente, d.h. unter Zuhilfenahme eines risiko-adjustierten Abzinsungsfaktors (dem Liegenschaftszins, den Kapitalkosten oder wie auch immer ihr das nennen wollt), in einen intrinsischen Wert umrechnen.
FFO versus NOI
Vielleicht ist euch im Zusammenhang mit einer Immobilienbewertung auch schonmal der Begriff NOI (Net Operating Income) über den Weg gelaufen. In meiner Beschreibung des Ertragswertverfahrens hatte ich das NOI im Wesentlichen als äquivalent zum freien Cash Flow bezeichnet.
Wo liegen also die Unterschiede zu FFO bzw. AFFO?
Ein wesentlicher Aspekt ist hier der teilweise kalkulatorische Charakter des NOI. Während wir uns bei der Berechnung des FFO zunächst mal auf die offizielle GuV (Gewinn- und Verlustrechnung) der Immobilien-AG stützen, d.h. mit tatsächlich vorhandenen Leerstandsquoten, Investitionen etc. rechnen, verwenden wir für die Berechnung des Net Operating Income von vornherein Annahmen zur nachhaltig erzielbaren Kaltmiete, zur Leerstandsquote etc. (deshalb “kalkulatorisch”).
Hier nochmal beispielhaft meine damals vorgestellte Berechnungslogik für das NOI:
Darüber hinaus handelt es sich beim NOI wie ihr seht um einen Cash Flow vor Fremdkapitalzinsen und Steuern. Wir schauen also im Gegensatz zu FFO und AFFO mit dem NOI nicht nur auf den dem Eigentümer der Immobilie (bei einer Immobilien-AG den Aktionären) zurechenbaren Teil, sondern auf die Immobilie bzw. den Immobilienbestand als Ganzes.
Weiterhin berücksichtigen wir bei der Berechnung des Net Operating Income weder die Betriebskostenvorauszahlungen der Mieter auf der Umsatzseite, noch die umlegbaren Betriebskosten (Strom, Wasser, Kabel-TV etc.) auf der Kostenseite.
Aus diesem Grund ist das NOI bzw. der Reinertrag für die Bewertung einer einzelnen Eigentumswohnung oder einer einzelnen Immobilie erstmal besser geeignet als der AFFO. Für eine Immobilien-AG oder einen REIT bietet sich allerdings eher der AFFO als Cash Flow Kennzahl an.
Bestimmte Aspekte des NOI – im Wesentlichen ja eine Kalkulation der Unit Economics – können bzw. sollten wir aber natürlich für eine Anpassung der AFFO verwenden. Wenn wir z.B. davon ausgehen, dass sich die Leerstandsquote über die Zeit signifikant reduzieren wird, dann sollten wir dies im AFFO entsprechend berücksichtigen. Hierbei kann eine grobe NOI-Kalkulation sehr hilfreich sein.
NAV – Net Asset Value
Wenn wir uns die Unternehmenspräsentationen von gelisteten Immobilienunternehmen ansehen, dann finden wir dort neben dem FFO oft auch eine Aussage zum so genannten NAV (Net Asset Value).
Beim Net Asset Value handelt es sich um den Marktwert der Immobilien abzüglich der Nettofinanzverbindlichkeiten der Immobilien-AG bezogen auf die einzelne Aktie. Der NAV wird in der Regel von den Immobilienunternehmen selbst veröffentlicht und durch Gutachter bzw. Prüfer (z.B. Jones Lang LaSalle) auf Basis des so genannten Vertragsmietenmultiples (Vervielfältiger, i.W. äquivalent zu einem Umsatzmultiple) ermittelt.
Für eine Bewertung des Bestandes einer Immobilien-AG können wir i.W. zwischen zwei möglichen Vorgehensweisen wählen:
- Wir legen unseren eigenen Vervielfältiger fest, rechnen den für uns relevanten bzw. fairen NAV selbst aus und vergleichen diesen mit dem Aktienkurs
- Wir rechnen sozusagen rückwärts und ermitteln für den von der Immobilien-AG angegebenen NAV und den aktuellen Aktienkurs den zugrunde liegenden Vervielfältiger (Vertragsmietenmultiple). Anschließend vergleichen wir diesen mit dem aus unserer Sicht fairen Multiple
Nicht dass wir den Gutachtern im Hinblick auf die Auswahl eines richtigen und fairen Vervielfältigers per sé nicht trauen sollten… de facto kann sich eine “faire” Bewertung aber je nach Bewertungsansatz (z.B. aktueller Peer-Vergleich versus Cash Flow Logik) doch stark unterscheiden.
Beispiel NAV für die DEFAMA AG
Die DEFAMA AG bzw. die Deutsche Fachmarkt AG ist ein Immobilienunternehmen, welches aktuell 26 Einkaufszentren hauptsächlich in Mittel- und Ostdeutschland bewirtschaftet (Stichtag 30.6.2018).
Wesentliche Kennzahlen DEFAMA AG; Quelle: Halbjahresbericht 2018
Die jährlichen Mieteinkünfte der DEFAMA lagen bei ca. 7,8 Mio. EUR, die vermietbare Fläche bei ca. 103.037 m². Gleichzeitig betrugen die Nettofinanzschulden zum 30.6.2018 ca. 52,4 Mio. EUR (Bankschulden i.H.v. 54,7 Mio. EUR, Cash i.H.v. 2.3 Mio. EUR gegengerechnet). Die Anzahl ausgegebener Aktien betrug 3,547 Mio. Stück.
Gehen wir nun von einem fairen Vervielfältiger von der 10,5-fachen Kaltmiete aus, dann liegt der NAV bei ca. 8,25 EUR je Aktie, also ca. 30% unter dem aktuellen Aktienkurs von ca. 12,5 EUR je Aktie:
NAV = ((10,5 x 7,8 Mio. EUR) – 52,4 Mio. EUR) / 3,547 Mio. Stk. = ~8,25 EUR je Aktie
Rückwärts gerechnet würde sich bei einem Aktienkurs von 12,5 EUR je Aktie ein Multiple von ca. 12,5 ergeben. Vergleichbare Portfolios wurden laut CEO Matthias Schrade im vergangenen Jahr für das ca. 13,7-Fache der Nettomiete verkauft, was einem NAV von über 15 EUR je Aktie entspricht.
Wachstum des Bestands der Immobilien-AG
Führen wir unsere Bewertung auf Basis des FFO bzw. AFFO oder des NAV durch, dann erhalten wir zwar eine Indikation für den Wert des aktuellen Immobilienbestandes. Gleichzeitig wissen wir aber noch nicht, wie das zukünftige Wachstum aussehen könnte.
Da Wachstum durch den Zukauf weiterer Objekte allerdings neben der Optimierung von Mieten bzw. Leerstand und der Aufwertung des Portfolios über die Zeit den wesentliche Returntreiber einer Immobilien-AG darstellt, sollten wir dieses nicht vernachlässigen.
In diesem Zusammenhang gibt es nun mehrere Aspekte zu beachten.
Da die kreditgebenden Banken typischerweise maximal ca. 80-85% der Gesamtkosten eines Immobilienkaufs (d.h. Kaufpreis plus Kaufnebenkosten) finanzieren, müssen die restlichen 15-20% aus anderen Quellen kommen. Hierfür hat die Immobilien-AG im Wesentlichen 3 Optionen (aus Investorensicht geordnet von attraktiv zu unattraktiv):
- Eigenmittel aus selbst erwirtschaftetem Cash Flow (AFFO). Der AFFO ist wie wir gesehen haben im Wesentlichen äquivalent zu den Owner Earnings (freier Cash Flow ohne Investments in Wachstum) und repräsentiert deshalb die Mittel, die für Schuldentilgung, Dividendenzahlung (gehört bei Immobilien-AGs und REITs immer dazu) und weiteres Wachstum, d.h. den Kauf weiterer Objekte oder Portfolios sowie ggf. den Aufbau von zusätzlich erforderlichem Working Capital verwendet werden können
- Revalutierung anderer Kredite, d.h. z.B. Kreditaufnahme auf ein bereits ganz oder teilweise abgezahltes Objekt und Verwendung als Eigenkapital. Dies führt effektiv zu einer 100% Finanzierung des Objekts (bzw. einer 110% Finanzierung, wenn man die Kaufnebenkosten mitrechnet) und muss hinsichtlich der Effekte auf Cash Flows und finanzielle Stabilität (Stichwort LTV bzw. Loan To Value) geprüft werden
- Kapitalerhöhung, d.h. Aufnahme neuen Eigenkapitals und damit Verwässerung der Anteile der Altaktionäre. Dies ist typischerweise die für die existierenden Aktionäre ungünstigste Variante, ist aber praktisch unvermeidbar, wenn die Gesellschaft schnell wachsen soll. Darüber hinaus profitieren existierende Aktionäre natürlich vom Zukauf von Objekten unter Wert sowie vom zusätzlichen Wachstum entstehend aus einem weiteren Anstieg des FFO
Ich habe z.B. einmal für die DEFAMA ausgerechnet, dass ohne Kapitalerhöhungen etc., also rein aus dem Cash Flow heraus ein Wachstum von ca. 10% p.a. möglich sein müsste. In der Realität, also inklusive Kapitalerhöhungen, hat die Gesellschaft den NAV allerdings innerhalb von 3 Jahren fast verdreifacht (von 3,2 EUR je Aktie auf aktuell 9,2 EUR je Aktie).
Auf die konkrete Abschätzung des möglichen Wachstums der Immobilien-AG gehe ich zu einem späteren Zeitpunkt nochmal detaillierter ein.
Fazit
Für die Bewertung von gelisteten Immobilienunternehmen (Immobilien-AGs und REITs) kommen vor allem die zwei Kennzahlen FFO (Funds From Operations) bzw. AFFO (Adjusted Funds From Operations) und NAV (Net Asset Value) zum Einsatz.
Der FFO entspricht dem operativen Cash Flow einer Immobilien-AG. Der AFFO kann als Proxy für den freien Cash Flow ohne Berücksichtigung von Wachstumsinvestments angesehen werden und ist damit äquivalent zu Warren Buffett’s Owner Earnings.
Der Net Asset Value ist der auf die einzelne Aktie umgerechnete Marktwert des Immobilienportfolios der Gesellschaft. Dieser Marktwert muss allerdings nicht dem von uns zugrunde gelegten fairen Wert entsprechen.
1 Kommentar zu „Immobilien-AG und REIT: Die wesentlichen Bewertungskennzahlen“
Ein wirklich hilfreicher Artikel. Ich finde REITs und Immobilien AGs sehr interessant und habe einige im Depot. Der Cashflow aus den Beteiligungen ist mir sehr wichtig.
Hast du auch welche im Depot?