EV/EBITDA: Abschätzung des fairen EBITDA Multiples

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EV/EBITDA Multiple

In der Vergangenheit hatte ich ja hier und da schonmal ein paar Sätze zum EBITDA geschrieben und dabei unter anderem auch die Kritikpunkte von Warren Buttett, Charlie Munger und Seth Klarman aufgegriffen. In diesem Artikel möchte ich nun einmal etwas detaillierter auf das aus dem EBITDA abgeleitete Multiple bzw. die EV/EBITDA Kennzahl eingehen, weil diese vor allem im Rahmen der Sum-of-the-Parts (SOTP) Bewertung recht oft zum Einsatz kommt und ich sie vor Kurzem auch bei meiner Betrachtung der Salzgitter AG verwendet hatte.

Das EV/EBITDA Multiple wird in der Praxis zwar oft verwendet (jedenfalls mindestens in der Kommunikation nach außen). So einfach wie es immer scheint, ist die Bestimmung dieser Kennzahl allerdings nicht… jedenfalls aus meiner Sicht. Das liegt vor allem daran, dass – entgegen der landläufigen Meinung – über die Höhe des Gewinnwachstums hinaus noch eine ganze Reihe an weiteren Einflussfaktoren auf die Multiples wirken.


Recap: Was ist der EBITDA… und was der EV?

Die Abkürzung EBITDA steht für Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization. Es handelt sich also grob um einen operativen Gewinn vor Berücksichtigung von Abschreibungen bzw. Erhaltungs- und Wachstumsinvestitionen (Maintenance CapEx und Growth CapEx) sowie Fremdkapitalzinsen und Steuern.

I think you’d understand any presentation using the word “EBITDA” if every time you saw that word, you just substituted the phrase “bullshit earnings.” – Charlie Munger

Buffett, Munger und Klarman haben mit ihrer Kritik am EBITDA natürlich insofern recht, als dass der EBITDA keine besonders gute Annäherung für den freien Cash Flow darstellt.

Zum einen ist bereits der operative Gewinn (EBIT) aufgrund der teilweise großen Differenzen zwischen Abschreibungen und tatsächlichen Cash-Outs für Investitionen ein schlechter Cash Flow Proxy. Zum anderen erscheint darüber hinaus die komplette Nichtberücksichtigung aller Investitionen (sowohl Erhaltungs-Invest als auch Wachstums-Invest) wenig sinnvoll zu sein.

Zusammenhang EBITDA und Cash Flow

Wie ihr allerdings an der obigen Abbildung aus einem White Paper von BlueMountain Capital sehen könnt, sind sowohl der freie Cash Flow als auch der EBITDA grundsätzlich neutral was die Finanzierung des Unternehmens angeht und können deshalb zum Enterprise Value in Bezug gesetzt werden. Der freie Cash Flow berücksichtigt allerdings wie gesagt bereits über die Abschreibungen hinausgehende Investitionsbedarfe sowie auch Steuerzahlungen.

Der Enterprise Value auf der anderen Seite ist der Unternehmenswert, welcher sich dem entsprechend aus dem gesamten Eigenkapital sowie der Nettoverschuldung (vereinfacht: zinstragende Schulden plus Pensionslasten – Cash) zusammensetzt.


Drei Probleme mit EV/EBITDA

Landläufig wird ja immer gesagt “Unternehmen xy wächst ziemlich stark, deshalb ist ein höheres Multiple gerechtfertigt”. Diese eindimensionale Sicht auf die Multiples (auch auf das EV/EBITDA Multiple) stellt eine gewissen Schwierigkeit dar, weil Wachstum alleine ja grundsätzlich keine hinreichende Bedingung für die Schaffung von Unternehmenswerten ist, wie wir im Rahmen der Erläuterung des Begriffes Shareholder Value gelernt haben.

Darüber hinaus bringt die Nutzung des EV/EBITDA Multiples außerdem die folgenden Probleme mit sich:

  • Unterschiedlich hohe Investitionsbedarfe werden wie gesagt komplett ignoriert (sowohl in Sachanlagen etc. als auch in Working Capital)
  • Multiples inkl. des EV/EBITDA reflektieren nicht das Geschäftsrisiko, jedenfalls nicht explizit (Stichwort Operating Leverage)
  • Unterschiedliche Steuersätze in verschiedenen Jurisdiktionen sollten zu unterschiedlichen EBITDA Multiples führen… auch dies wird allerdings beim Benchmarking oft nicht reflektiert

Das Thema Investitionsbedarfe ist recht einfach zu verstehen. Stellt euch einmal zwei Firmen mit identischem EBITDA aber ganz unterschiedlichen CapEx-Anforderungen vor. Natürlich sollten (und werden) beide nicht zum gleichen EV/EBITDA Multiple handeln, denn für das kapitalintensivere Unternehmen bleibt am Ende (ausgehend vom gleichen EBITDA Niveau) viel weniger Gewinn bzw. Cash Flow übrig.

Ähnlich verhält es sich mit der Steuerbelastung: Ein Unternehmen mit einer signifikant höheren Steuerbelastung sollte bei gleichem EBITDA nur einen vergleichsweise geringen FCF erzielen und deshalb auch weniger wert sein.

Wie aber können wir diese Unterschiede akkurat in unserem EBITDA Multiple abbilden?


Ableitung des EV/EBITDA Multiples

Gehen wir einmal in Medias Res und stellen uns die Frage, von welchen Treibern ein faires EV/EBITDA Multiple denn eigentlich abhängt.

Dazu schreiben wir zunächst einmal ganz stumpf alle Gleichungen runter, die wir für die Ableitung des EBITDA Multiples benötigen. Dazu gehören beispielsweise die Formeln für die Kapitalrendite (ROIC bzw. ROCE), den NOPAT und den freien Cash Flow:

Das Zen der Corporate Finance - Grundformeln

Wenn ihr DIY Investor bereits seit einiger Zeit folgt, dann solltet ihr mit den meisten Zusammenhängen bereits gut vertraut sein. Am wesentlichsten und gleichzeitig am erklärungsbedürftigsten ist unter Umständen aber noch die Ableitung des freien Cash Flow aus NOPAT und Nettoinvestition:

FCF = NOPAT – Nettoinvestition

Um diese Gleichung richtig zu interpretieren, müssen wir uns kurz an die Berechnungslogik hinter dem NOPAT erinnern. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um den operativen Gewinn (EBIT bzw. EBITA… das ist der EBIT vor der Amortisation von Goodwill) nach Steuern. Das heißt es werden implizit bereits Investitionen in Höhe der Abschreibungen berücksichtigt. Diese können wir grob als Erhaltungsinvestitionen (Maintenance CapEx) interpretieren.

Den freien Cash Flow erhalten wir also, indem wir zusätzlich auch noch die Erweiterungsinvestitionen (Growth CapEx) vom NOPAT abziehen. Diese über die bereits existierenden Abschreibungen hinaus getätigten Erweiterungsinvestitionen – dazu gehört grundsätzlich auch das für weiteres Wachstum zusätzlich erforderliche Working Capital – in Bezug gesetzt zum NOPAT wird auch als Reinvestitionsrate oder -quote bezeichnet. Diese Kennzahl entspricht also dem Anteil des erwirtschafteten Gewinns, der in weiteres Wachstum investiert werden kann bzw. in weiteres Wachstum investiert wird.

Die zweite relevante Beziehung ist die Ableitung des Unternehmenswertes (des Enterprise Value) aus dem freien Cash Flow als ewige Rente:

EV = FCF / (WACC – g)

Aus beiden Gleichungen – also FCF und EV – lässt sich nun sowohl das EV/EBIT als auch das EV/EBITDA Multiple recht einfach ableiten, wie ihr der folgenden Abbildung entnehmen könnt:

EV/EBITDA ABleitung

Vielleicht noch ein Wort zum so genannten Depreciation Factor. Dieser setzt einfach nur den EBITDA zum EBIT in Bezug und ist dem entsprechend eine Maßzahl für die Kapitalintensität des Geschäfts.

An der finalen Beziehung können wir nun auch die wesentlichen Einflussfaktoren des EV/EBITDA Multiples festmachen. Diese sind neben der meistens sehr prominent ins Feld geführten Wachstumsrate vor allem

  • die Kapitalrendite und die Kapitalkosten bzw. schlussendlich der Spread zwischen den beiden
  • der Steuersatz
  • die Anteil der Abschreibungen im EBITDA bzw. die Kapitalintensität des Geschäftsmodells

Insofern ist es nachvollziehbar, wenn ein Geschäft wie das der Salzgitter AG – charakterisiert durch ein geringes bis nicht vorhandenes Marktwachstum, eine hohe Kapitalintensität sowie ein sehr wettbewerbsintensives Marktumfeld resultierend in einer Kapitalrendite unterhalb der Kapitalkosten – nur mit einem recht geringen EBITDA Multiple bewertet wird.


Faires EBITDA Multiple

Die große Anzahl an Einflussfaktoren zeigt, dass ein einfacher Vergleich mit der Marktbewertung mehr oder weniger vergleichbarer Wettbewerber womöglich zu kurz gesprungen ist.

Wie können wir uns einem fairen EV/EBITDA Multiple nun also annähern? Ein erster Schritt könnte darin bestehen, zunächst einmal die bekannten und gut abschätzbaren Einflussgrößen festzulegen. Das wären im Wesentlichen der Steuersatz, die Kapitalkosten sowie die Kapitalintensität (der “Depreciation Factor”).

Was bleibt ist eine Matrix, die das faire EBITDA Multiple in Abhängigkeit von Wachstumsrate und Kapitalrendite (ROIC bzw. ROCE) darstellt:

EV/EBITDA Multiple - Ergebnisse

Wie wir wissen, wird Shareholder Value nur generiert, wenn die Kapitalrendite oberhalb der Kapitalkosten liegt (also ROIC > WACC). Ist der ROIC genau gleich dem WACC, dann sollte eine Erhöhung des Gewinnwachstums aufgrund der korrespondierenden höheren Reinvestitionen keinen Einfluss auf den Unternehmenswert haben. Wie wir sehen können, ist genau das bei einer Kapitalrendite von 8% der Fall: das faire EV/EBITDA Multiple liegt in diesem Fall unabhängig vom Gewinn- / FCF-Wachstum beim 7,3-fachen.

Ganz äquivalent sollte das faire Multiple sogar mit der Wachstumsrate abnehmen, wenn das Unternehmen eine Kapitalrendite unterhalb der Kapitalkosten erwirtschaftet. Auch diesen Umstand könnt ihr bei einer Kapitalrendite von 6% im Beispiel sehr gut erkennen.

Von diesem Sonderfällen einmal abgesehen, steigt das faire EV/EBITDA Multiple mit zunehmender Kapitalrendite und / oder zunehmendem Gewinnwachstum kontinuierlich an. Ein Unternehmen, welches eine Überrendite von 4% (12% ROIC – 8% WACC) erwirtschaftet und gleichzeitig die Gewinne mit 6% pro Jahr steigern kann, sollte also mit dem ca. 15-fachen EBITDA bewertet werden.


Limitationen der EV/EBITDA Berechnung

Wenn wir uns die abgeleitete Formel für die Berechnung des EV/EBITDA Multiples einmal etwas genauer ansehen, dann stellen wir schnell fest, dass es ein paar Konstellationen gibt, in denen die Formel nicht anwendbar ist:

  • Wenn die Wachstumsrate g gleich dem ROIC ist, wird der Zähler der EV/EBITDA Formel und somit das gesamte Ergebnis gleich Null
  • Ist die Wachstumsrate g höher als die Kapitalkosten (WACC), dann wird das resultierende EV/EBITA Multiple negativ, weil der Nenner der Formel negativ wird
  • Wenn die Wachstumsrate gleich den Kapitalkosten ist, dann hat die Gleichung kein Ergebnis (Division durch Null)

Aus diesem Grund ist die Logik auch eher für Unternehmen anwendbar, die sich bereits in einem etwas stabileren Umfeld mit moderaten Wachstumsraten bewegen.

Die vorgestellte Berechnungslogik für das faire EV/EBITDA Multiple basiert auf einer Reihe an Annahmen, allen voran einer Fortschreibung von Cash Flows, Wachstum etc. bis ins Unendliche (ewige Rente). Die Ergebnisse sollten deshalb nur als grobe Richtschnur verstanden und im Einzelfall (z.B. wenn eine Phase starken Wachstums noch bevorsteht) entsprechend manuell angepasst werden.

Fazit

Bewertungs-Multiples werden neben dem erwarteten Gewinnwachstum noch von einer ganzen Reihe weiterer Einflussfaktoren beeinflusst. Im Speziellen ist hier die Kapitalrendite zu nennen, die – in Beziehung gesetzt zu den Kapitalkosten – darüber entscheidet, ob Investitionen in Wachstum zu einer Wertsteigerung (wenn ROIC > WACC) oder aber eher zu einer Wertvernichtung (wenn ROIC < WACC) führen.

Gehen wir von einer unendlichen Fortschreibung von Cash Flows und Wachstumsraten aus (Stichwort ewige Rente), dann lassen sich mathematisch recht einfach faire EV/EBIT und EV/EBITDA Multiples für verschiedene Kombinationen aus Wachstumsraten, Kapitalrenditen etc. ermitteln.

Diese fundamentale Herangehensweise kann uns für die Abschätzung eines fairen Multiples aus meiner Sicht eine sehr gute Hilfestellung leisten. Was meint ihr zu diesem Ansatz? Arbeitet ihr tendenziell eher mit Multiples? Und falls ja, wie schätzt ihr diese in der Praxis ab? Kommentiert einfach unten.

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