Ich glaube den Begriff EVA bzw. Economic Value Added habe ich bisher auf DIY Investor nur sehr selten verwendet. Dabei hängt der EVA konzeptionell sehr eng mit einem weiteren Begriff zusammen, mit dem ich mich auf DIY Investor schon das ein oder andere Mal auseinandergesetzt habe… dem Shareholder Value.
In diesem Artikel möchte ich diese Lücke nun füllen und euch auch den Economic Value Added bzw. EVA einmal etwas näher bringen und die Berechnungsmethodik am Beispiel der TAKKT AG erläutern.
Definition EVA / Economic Value Added
Wenn ihr euch erinnert: Shareholder Value wird genau dann generiert, wenn – auf Ebene eines konkreten Projekts – der Barwert der zukünftigen Cash Flows oberhalb der initialen Investition zur Generierung dieser Cash Flows liegt bzw. wenn die im Durchschnitt über das Geschäftsjahr erwirtschaftete Kapitalrendite (ROIC oder ROCE) oberhalb der entsprechenden Kapitalkosten (WACC) liegt.
Der Economic Value Added (EVA), eine Erfindung der Managementberatung Stern Stewart & Co. (heute Stern Value Management), drückt nun diese Wertgenerierung in Form eines konkreten EUR-Betrages aus. Ist dieser positiv, hat das Unternehmen im entsprechenden Geschäftsjahr Shareholder Value generiert. Ist der EVA negativ, dann hat es Wert vernichtet.
Der EVA wird alternativ auch als Economic Profit (die Übersetzung “wirtschaftlicher Gewinn” trifft es ehrlichgesagt nicht so besonders) bezeichnet, was im Grunde genommen auf die zusätzliche Berücksichtigung der kalkulatorischen Kapitalkosten zurückzuführen ist.
Berechnung des Economic Profit
Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, den Economic Value Added zu ermitteln:
(1) Auf Basis der Differenz zwischen ROCE und WACC:
EVA = (ROCE – WACC) x durchschnittl. Capital Employed
(2) Auf Basis des absoluten operativen Ergebnisses und der absoluten Kapitalkosten (analog zur konzeptionellen grafischen Darstellung weiter oben):
EVA = NOPAT – Kapitalkosten = NOPAT – durchschnittl. Capital Employed x WACC
wobei sowohl der NOPAT (operativer Nachsteuergewinn, vereinfacht EBIT x (1 – Steuersatz)) als auch der WACC (über den Tax Shield der Zinszahlungen auf das eingesetzte Fremdkapital) den Effekt der Ertragsteuern berücksichtigen.
Randnotiz: Der EVA wird zwar von vielen Unternehmen zur wertorientierten Unternehmenssteuerung verwendet, oft aber nicht 1-zu-1 auch so bezeichnet. So spricht TAKKT beispielsweise vom TAKKT Value Added, ThyssenKrupp vom TKVA und Bayer von der Value-Based Performance.
Auch die Berechnungslogik hinter den Kenngrößen NOPAT, Capital Employed und WACC – unterscheidet sich ggf. an der ein oder anderen Stelle, wie wir am Beispiel TAKKT gleich noch sehen werden.
ROCE und EVA vor Steuern
Zwar sollte der ROCE wie gerade bereits angesprochen als wesentliche Inputgröße für die Berechnung des Economic Value Added grundsätzlich auch die anfallenden Ertragsteuern berücksichtigen. Viele Unternehmen stellen die Kennzahlen allerdings vor Steuern dar und rechnen vereinfacht mit dem EBIT:
ROCE = EBIT / Capital Employed
Der Grund hierfür ist ganz einfach: Die Unternehmenssteuerung auf Segmentebene erfolgt in vielen Fällen auf Basis des EBIT, weil Fremdkapital und Steuern i.W. durch Corporate (d.h. die Holding-Gesellschaft) aufgenommen bzw. gezahlt werden.
Dieser Logik folgend muss natürlich zur Berechnung des Economic Value Added (vor Steuern) ein entsprechend passender Kapitalkostensatz (der “Vorsteuer-WACC” wenn ihr so wollt) verwendet werden:
EVAvor Steuern = EBIT – durchschnittl. Capital Employed x WACCvor Steuern
Grundsätzlich gibt es hier kein richtig oder falsch, die Konsistenz der verschiedenen verwendeten Kennzahlen untereinander ist allerdings wichtig.
Beispiel: Economic Value Added der TAKKT AG
Im Folgenden möchte ich die Berechnungslogik hinter dem Economic Value Added einmal am Beispiel der TAKKT AG erläutern. Alle Kennzahlen findet ihr im Geschäftsbericht der TAKKT AG sowie teilweise auch in den entsprechenden Investorpräsentationen.
Bevor wir in die konkrete Berechnung des EVA einsteigen, zunächst noch ein paar Worte zum Unternehmen: Die TAKKT AG besteht im Wesentlichen aus einem Portfolio aus B2B-Versandhändlern in attraktiven Nischenmärkten (eine eigene Aussage von TAKKT, die aber durch die historisch durchaus ansehnlichen Kapitalrenditen bestätigt wird).
Nach der Umorganisation gibt es zwei Geschäftssegmente, die verschiedene Geschäftsmodelle bzw. Kundentypen abdecken:
- Omnichannel Commerce: Dieses besteht vor allem aus den Aktivitäten von Kaiser + Kraft (Büro-Equipment, Lagereinrichtungen etc.) sowie aus ratioform und NBF und richtet sich vor allem an qualitäts- und serviceorientierte Geschäftskunden
- Web-Based Commerce: Hier liegt der Fokus eher auf transaktionsorientierten und preisbewussteren B2B-Kunden. Zu diesem Segment gehört neben der Newport Group noch Display2Go
Zur wertorientierten Unternehmenssteuerung verwendet TAKKT den so genannten TAKKT Value Added, eine Kennzahl, die im Wesentlichen dem Economic Value Added entspricht.
TAKKT AG: Berechnungslogik für ROCE und EVA
Die Kapitalrendite bzw. der ROCE wird von der TAKKT AG als eine Kennzahl vor Steuern definiert, wie der entsprechende Absatz im Geschäftsbericht zur Berechnungslogik des ROCE verdeutlicht:Diese Kennzahl [der ROCE] setzt das EBIT ins Verhältnis zum durchschnittlich eingesetzten Kapital, welches als Bilanzsumme reduziert um die nicht-zinstragenden kurzfristigen Verbindlichkeiten definiert ist. – TAKKT AG Geschäftsbericht
Das eingesetzte Kapital bzw. Capital Employed wird darüber hinaus aus der Bilanzsumme abzüglich der nicht-zinstragenden kurzfristigen Verbindlichkeiten ermittelt. Der obigen Logik folgend wird der ROCE also vermutlich bei TAKKT intern auch als Steuerungsgröße für die Segmentperformance eingesetzt.
Die Berechnung des Economic Value Added (bzw. TAKKT Value Added) hingegen basiert auf einer nachsteuerlichen Betrachtung. Hier der entsprechende Absatz dazu aus dem Geschäftsbericht:Sie [die Kennzahl TAKKT Value Added] ist definiert als Differenz aus dem erwirtschafteten Ergebnis nach Steuern und den Kapitalkosten auf das eingesetzte durchschnittliche Kapital. Das erwirtschaftete Ergebnis nach Steuern ergibt sich dabei auf Basis des EBIT, das um den Steueraufwand vermindert und um das übrige Finanzergebnis erhöht wird. Die Kapitalkosten werden durch Multiplikation des eingesetzten durchschnittlichen Kapitals mit dem gewichteten Kapitalkostensatz ermittelt, welcher sowohl Eigen- als auch Fremdkapitalkosten berücksichtigt. Das durchschnittliche Kapital wird dabei als Mittelwert der beiden Kapitaleinsätze zu Anfang und Ende des jeweiligen Kalenderjahres berechnet. Das Kapital zum jeweiligen Stichtag entspricht der Bilanzsumme, reduziert um die nicht-zinstragenden kurzfristigen Verbindlichkeiten sowie die latenten Steuerverbindlichkeiten. – TAKKT Geschäftsbericht
Wie ihr dem Text entnehmen könnt, wird das operative Ergebnis (der EBIT) für die Berechnung des Economic Profit um Steueraufwand und übrigens Finanzergebnis (vernachlässigbare Größenordnung) korrigiert.
Der Economic Profit kann also nicht 1-zu-1 auf dem veröffentlichten ROCE abgeleitet werden.Das eingesetzte Kapital bzw. Capital Employed wird für die Berechnung des Economic Value Added außerdem nochmal um die (langfristigen) latenten Steuerverbindlichkeiten reduziert. Das liegt vermutlich daran, dass es sich erstens nicht um eine zinstragende Verbindlichkeit handelt und dass zweitens die latenten Steuerschulden – jedenfalls zum aktuellen Zeitpunkt – keine in näherer Zukunft zahlbare Verbindlichkeit darstellen.
Input #1: NOPAT
Wissend um die Inkonsistenz zwischen dem veröffentlichten ROCE (vor Steuern) und dem Economic Value Added (nach Steuern) müssen wir, um den EVA sozusagen Bottom-up herleiten zu können, im ersten Schritt den NOPAT nochmal separat ermitteln.
Hierbei folgen wir in diesem Beispiel der von TAKKT selbst angewandten Logik, korrigieren also den EBIT um den Steueraufwand sowie das übrige Finanzergebnis:
Ableitung des NOPAT von TAKKT; Quelle: TAKKT AG Geschäftsberichte, Finbox
In unserem eigenen Finanzmodell würden wir den NOPAT wohlgemerkt etwas genauer ermitteln und beispielsweise die Amortisation von Goodwill korrigieren sowie den Steueraufwand auf Basis des operativen Steuersatzes ermitteln.
Input #2: Durchschnittlich eingesetztes Kapital bzw. Capital Employed
Auch das Capital Employed berechnen wir hier nach der von TAKKT angegebenen Methodik, indem wir die Bilanzsumme um alle kurzfristigen und nicht-zinstragenden Verbindlichkeiten verringern sowie darüber hinaus die latenten Steuerverbindlichkeiten abziehen:
Ableitung des Capital Employed; Quelle: TAKKT AG Geschäftsberichte, Finbox
Im Anschluss daran ermitteln wir das durchschnittliche Capital Employed (also den Mittelwert aus dem CE am Jahresanfang und am Jahresende), um den über das Geschäftsjahr verteilt getätigten Investitionen Rechnung zu tragen.
Auch bzgl. der Ermittlung des Capital Employed gibt es verschiedene Ansätze. Ich persönlich finde eine Herangehensweise über die Aktivseite der Bilanz (Anlagevermögen plus für den Betrieb erforderliches Working Capital) am eingängigsten.
Input #3: Kapitalkosten bzw. WACC
Die letzte für die Ermittlung des Economic Value Added wesentliche Inputgröße ist der WACC bzw. die gewichteten Kapitalkosten. TAKKT rechnet hier in den letzten Jahren mit einem konstanten Wert (nach Steuern) von 7,8%:
WACC der TAKKT AG; Quelle: Geschäftsbericht
Dieser WACC setzt sich zusammen aus Eigenkapitalkosten in Höhe von 9% (gewichtet mit einem EK-Anteil von 70%) sowie kalkulatorischen Fremdkapitalkosten (nach Steuern) in Höhe von 5% (gewichtet mit einem FK-Anteil von 30%). Der Fremdkapitalkostensatz basiert dabei auf einer “langfristigen Betrachtung durchschnittlicher Fremdkapitalzinsen”, die Gewichtungsfaktoren auf einer langfristigen und “wertorientierten” Kapitalstruktur.
Die durch das betrachtete Unternehmen verwendeten Kapitalkostensätze und Gewichtungen können uns zwar eine gute Orientierung bieten. Im Zweifel sollten wir diese allerdings nicht einfach ungeprüft übernehmen, sondern ggf. nochmal mit unserem eigenen Annahmen validieren.
Zwischenschritt: ROCE vor und nach Steuern
Aus der oben dargestellten Logik heraus ergeben sich zwei relevante Berechnungen des Return on Capital Employed:
Links dargestellt die Berechnungsmethodik, nach der der von TAKKT im Geschäftsbericht dargestellte ROCE ermittelt wird. Rechts dargestellt der ROCE nach Steuern, wie er (mutmaßlich) bei der Berechnung des Economic Value Added zum Einsatz kommt.
Bringing it all together: Economic Value Added bzw. Economic Profit
Haben wir einmal alle relevanten Inputs (ROCE, WACC, Capital Employed) beisammen, können wir den Economic Value Added leicht nach einer der oben vorgestellten Methodiken berechnen:
Wie ihr seht, kommen beide Berechnungslogiken – nicht verwunderlich – zum gleichen Ergebnis: Die TAKKT AG ist ein Unternehmen, welches regelmäßig seine Kapitalkosten verdient und darüber hinaus signifikanten Economic Profit bzw. Shareholder Value generiert hat.
Allerdings ist der EVA in den letzten Jahren etwas unter Druck geraten (Rückgang von über 40 Mio. EUR in 2017 auf unter 15 Mio. EUR in 2019). Die Kapitalrendite nähert sich den Kapitalkosten also immer weiter an. Dies ist ein Umstand, der aus einem zunehmend wettbewerbsintensiven Marktumfeld herrühren könnte und den wir als potenzielle Investoren in einem nächsten Schritt weiter untersuchen sollten (Stichwort Wettbewerbsvorteil bzw. Moat).
Key Take Aways
Der Economic Value Added (oder auch Economic Profit bzw. EVA) ist konzeptionell mit dem Shareholder Value vergleichbar.
Generiert ein Unternehmen regelmäßig einen Return (ROCE) oberhalb der Kapitalkosten (WACC) bzw. ist der Economic Value Added größer Null, wird der Unternehmenswert konsistent weiter gesteigert. Ist der ROCE regelmäßig kleiner als die Kapitalkosten bzw. der Economic Profit negativ, wird über die Zeit immer mehr an Wert vernichtet.
Die Betrachtung der Kapitalrendite und des EVA – sowohl historisch als auch perspektivisch – ist deshalb einer der wesentlichen Aspekte für die Einschätzung der zukünftigen Gewinn- bzw. Cash Flow-Entwicklung eines Unternehmens.
1 Kommentar zu „Economic Value Added bzw. EVA: Wann ein Unternehmen Wert generiert“
Vielen Dank für den tollen, umfangreichen Artikel. Man sieht, dass sehr viel Arbeit und Mühe in den Artikel geflossen ist. Weiter so!