Eine Frage die ich mir vor längerer Zeit mal gestellt habe und die auch im Netz und in den verschiedensten Investment-Büchern thematisiert wird, ist die Frage nach unserem Wettbewerbsvorteil als Privatanleger bzw. DIY Investoren.
Viele Experten stehen ja auf dem Standpunkt, dass wir unser Geld lieber den so genannten “Profis”, also i.W. den Fondsmanagern der großen Fondsgesellschaften anvertrauen sollten, weil wir selbst nicht genug Wissen, Ressourcen etc. haben, um besser abschneiden zu können.
Und natürlich gibt es auch eine Logik, nach der wir anstatt in solche aktiv gemanagten Aktienfonds eher in einen ETF oder Indexfonds investieren sollten (keine Ausgabeaufschläge, niedrigere laufende Gebühren, eher unterdurchschnittliche Performance der Fonds etc.). Gäbe es nur diese zwei Optionen, also Aktienfonds oder Indexfonds bzw. ETFs, dann wäre ich in der Tat auch eher beim Indexfonds.
Was sind aber die Gründe, warum wir unsere Investments doch selbst in die Hand nehmen sollten? Ich würde mal den Hauptgrund nennen: Wir können einfach über Zeit einen viel besseren Return erreichen.
Allerdings gibt es hier eine nicht unwichtige Fußnote: Um das zu schaffen, müssen wir uns unsere Wettbewerbsvorteile zunächst mal erarbeiten und dann sehr konsequent ausspielen. Tun wir das nicht, sind wir vermutlich mit ETFs in der Tat besser beraten.
Welches sind nun die wesentlichen Wettbewerbsvorteile der DIY Investoren bzw. was müssen wir tun, um zu guten Value Investoren zu werden? In diesem Artikel stelle ich euch einmal meine Top 3 vor.
Unser erster Wettbewerbsvorteil: (Nicht vorhandene) Größe
If I was running $1 million today, or $10 million for that matter, I’d be fully invested. Anyone who says that size does not hurt investment performance is selling. The highest rates of return I’ve ever achieved were in the 1950s. I killed the Dow. You ought to see the numbers. But I was investing peanuts then. It’s a huge structural advantage not to have a lot of money. I think I could make you 50% a year on $1 million. No, I know I could. I guarantee that.
– Warren Buffett
Wie wir dem Zitat von Warren Buffett entnehmen können, kann es offenbar ein großer Vorteil sein, wenn man ein eher “kleiner” Investor ist (für Buffett ist klein ja auch relativ).
Aber warum? Professionelle Fondsmanager oder institutionelle Anleger verwalten oft hunderte Millionen an Geldern und haben dem entsprechend viele Ressourcen für Investment Research verfügbar (also entweder Mitarbeiter bzw. Analysten oder Zugang zu spezialisierten, nicht frei verfügbaren Informationsquellen… oder beides).
Wir würden daher doch eigentlich annehmen, dass diese professionellen Investoren einen mehr oder weniger großen Vorteil gegenüber uns DIY Investoren haben. In der Realität sieht das aber anders aus.
Das hat ein paar Gründe.
Professionelle Investoren investieren mehrheitlich in Großunternehmen
Zum einen ist es heute mehr denn je so wie Ben Graham bereits damals sagte: Die schiere Größe dieser Aktienfonds und institutionellen Anleger (Versicherungsgesellschaften, Pensionsfonds etc.) zwingt diese dazu, sich bei ihren Investments auf die größten Unternehmen am Aktienmarkt zu konzentrieren. Ein großer Vermögensverwalter wie Blackrock ist vermutlich in (nahezu) allen deutschen DAX-Konzernen groß vertreten – was ja auch etwas über den Investitionsansatz aussagt.
Als Konsequenz daraus sind die Märkte speziell für die großen und von vielen Analysten beobachteten Unternehmen dann auch oft effizienter. Als Value Investor ist es deshalb auch viel schwieriger, überdurchschnittliche Returns mit Blue Chips zu erzielen (wenn auch nicht ausgeschlossen, siehe zum Beispiel Apple).
Darüber hinaus haben Investmenthäuser oft recht strikte Richtlinien, was die Anlagestrategie ihrer Fonds angeht. Von der regionalen bzw. Industrie-spezifischen Ausrichtung bis hin zur Diversifizierung des Portfolios ist eigentlich alles in einem entsprechenden Prospekt festgelegt und damit vorgegeben.
Kleinere Firmen bieten bessere Chancen
Unsere Chancen sind deshalb tendenziell größer, wenn wir uns auf kleinere Unternehmen fokussieren, die von den professionellen Investoren (und deshalb auch von den meisten Analysten) nicht großartig beachtet werden (können). Diese Unternehmen haben oft eine Marktkapitalisierung (Market Cap) von unter 500 Mio. EUR. Wobei manche auf Small Caps spezialisierte Value Investoren ihre Grenze sogar bei 100 oder maximal 200 Mio. EUR ziehen.
Dieser Wettbewerbsvorteil wird nicht nur von Warren Buffett, sondern auch von vielen anderen Value Investoren oft herausgestellt.
Interessanterweise ignorieren die meisten Privatinvestoren (inklusive oft auch mir selbst) diesen Wettbewerbsvorteil aber trotzdem fast komplett. Und ehrlicherweise brauchen wir dafür auch ein etwas anderes bzw. breiteres Skill-Set. Kleinere Unternehmen sind oft illiquide und zeigen deshalb schon bei kleineren Aktivitäten teilweise große Kursausschläge.
Vor einigen Jahren (noch vor der Finanzkrise) habe ich z.B. mal in ein australisches Unternehmen namens Alumina Ltd. investiert. Das Unternehmen baut Bauxit ab und macht daraus Alumina (Aluminiumoxid bzw. Tonerde), den wichtigsten Rohstoff zur Herstellung von Aluminium. Das Investment lief für mich vor allem deshalb nicht so gut, weil die Aktie hierzulande fast gar nicht gehandelt wurde. Der Faktor Liquidität hat damals bei meiner Investitionsentscheidung unglücklicherweise keine Rolle gespielt.
Wir sollten also darauf achten, dass unser Wettbewerbsvorteil nicht zum Wettbewerbsnachteil wird, weil wir die Besonderheiten des Investierens in kleinere Unternehmen nicht kennen.
Unser zweiter Wettbewerbsvorteil: Konzentration des Portfolios
By periodically investing in an index fund, the know-nothing investor can actually outperform most investment professionals. – Warren Buffett
Dieses Zitat von Warren Buffett kennen wahrscheinlich inzwischen viele von uns. Es wird oft auch von Befürwortern von ETF- bzw. Index-Strategien verwendet. Das Zitat bezieht sich aber wohlgemerkt auf den “Know-Nothing Investor”, also jemanden ohne jegliches Investment-Wissen. Es besagt, dass wir mit einer Investition in einen Indexfonds in der Regel besser abschneiden, als die meisten professionellen Investoren.
So weit so gut. Was Buffett anschließend sagte ist aber aus meiner Sicht viel interessanter:
If you are a know-something investor, able to understand business economics, and can locate five to ten sensibly priced companies that possess important long-term competitive advantages, conventional diversification makes no sense for you. – Warren Buffett
Was Buffett also eigentlich sagt, ist Folgendes: Wenn wir etwas über die Funktionsweise von Unternehmen verstehen und in der Lage sind, ein paar wenige attraktive Unternehmen zu identifizieren, dann sollte ein konzentrierter Ansatz mit wenigen Aktien im Depot der Indexstrategie überlegen sein!
Buffett spricht hier von fünf bis zehn Unternehmen, weil er der Ansicht ist, dass eine weitere Diversifikation unweigerlich dazu führen würde, dass wir uns Unternehmen ins Portfolio nehmen, die wir nicht gut genug verstehen. Bei den Unternehmen, an denen wir Anteile kaufen, sollten wir uns dem entsprechend so sicher sein, dass wir uns trauen, mindestens ca. 10% des Portfoliowerts zu investieren.
Auch hier müssen wir aber erstmal unsere Hausaufgaben machen. Glücklicherweise hat das aber nichts mit Cleverness o.Ä. zu tun, sondern vor allem damit, wie wir lernen und wie wir vor allem auch aus unseren Fehlern lernen.
Unser dritter Wettbewerbsvorteil: Unsere emotionale Intelligenz nutzen
If you cannot control your emotions, you cannot control your money. – Warren Buffett
Bei unserem dritten wesentlichen Wettbewerbsvorteil geht es primär um uns selbst: Unsere emotionale Intelligenz.
Ihr fragt euch sicher, warum ich diesen Punkt als Wettbewerbsvorteil klassifiziere? Schlicht und einfach weil die wenigsten Investoren sich damit überhaupt befassen, obwohl er so wichtig ist. Und auch deshalb, weil emotionale Intelligenz recht schwierig zu erlernen ist und es keine leicht zu befolgenden “How to” Guides dafür gibt.
Während also langfristige, überdurchschnittliche Returns um einiges schwerer zu erzielen sind, wenn wir unsere ersten zwei Wettbewerbsvorteile nicht nutzen, wird es nahezu unmöglich, wenn wir beim Investieren unsere Emotionen nicht unter Kontrolle bringen können.
Im Idealfall ist Investieren nämlich eine eher rationale Angelegenheit, in der Emotionen erst so spät wie möglich ins Spiel kommen sollten. Lassen wir uns von Anfang an von unseren Emotionen leiten, dann werden wir in den wichtigen Momenten vermutlich keine guten Entscheidungen treffen.
Wenn der Markt z.B. einmal einbricht, könnten wir uns aufgrund der vielen Schwarzmaler paralysiert und handlungsunfähig fühlen, obwohl wir eigentlich gerade dann in den Markt einsteigen sollten. Darüber hinaus gibt es noch ganz andere und viel subtilere Verhaltensmuster, die uns die Returns kaputtmachen können (z.B. Price Anchoring).
Diesen Wettbewerbsvorteil zu entwickeln und auszubauen ist aus meiner Sicht eine unserer wesentlichsten Aufgaben auf dem Weg zu einem guten Investor.
Das hört sich nach Arbeit an… lohnt sich das?
Wenn ihr bis hierher gelesen habt, dann fragt ihr euch jetzt bestimmt, ob der Aufwand sich am Ende lohnt. Um das zu beantworten, habe ich mal eine kleine Rechnung angestellt.
Angenommen wir besitzen ein Vermögen von 200.000 EUR und legen zur Zeit ca. 500 EUR pro Monat (also 6.000 EUR pro Jahr) zusätzlich auf die hohe Kante. Auf das gesamte Kapital erwirtschaften wir eine Rendite von 5%.
Wir haben nun etwas freie Zeit und können diese entweder dazu nutzen, unsere Rücklage von 500 auf 1.000 EUR pro Monat zu verdoppeln (z.B. indem wir einen Nebenjob annehmen) oder aber unseren Return von 5 auf 10% zu verdoppeln (z.B. indem wir daran arbeiten, ein noch besserer Investor zu werden). Das ist glaub ich von der Relation her nicht unrealistisch.
Wie wir an der Tabelle sehen können, ist der Effekt der erhöhten Rendite signifikant höher. Nach 10 Jahren ist das Vermögen bereits um ca. 150.000 EUR höher, als wenn wir bei gleichbleibender Rendite einfach nur unsere Sparrate erhöht hätten.
Wenn wir unser Einkommen bzw. unser Vermögen also vergrößern möchten, dann sollten wir uns genau überlegen, auf welchem Wege wir das am besten bewerkstelligen können.
Ich persönlich bin der Meinung, dass wir wesentlich mehr erreichen können, wenn wir einen DIY Investing Ansatz verfolgen. Natürlich macht es mir aber auch extrem viel Spaß. Das zu vernachlässigen wäre ebenfalls ein Fehler.
Weitere Ressourcen
Ich hatte ja geschrieben, dass es keine einfachen “How to” Guides zum Thema Investieren und Emotionen gibt. Trotzdem gibt es ein paar sehr gute Bücher, die uns das Thema Behavioral Finance sehr gut näher bringen und erste Lösungsansätze diskutieren.
Ein sehr gutes und natürlich weithin bekanntes Buch ist Schnelles Denken, langsames Denken von Daniel Kahneman. Kahneman erklärt das Thema wirklich genial und hat für seine Arbeit aus meiner Sicht völlig zurecht den Wirtschaftsnobelpreis bekommen. Das Buch ist gespickt mit guten Beispielen, nicht nur aus der Finanzwelt und auf jeden Fall eine Empfehlung.
Ein etwas mehr auf das Investieren zugeschnittene Buch ist The Little Book of Behavioral Investing von James Montier. Montier geht in seinem Buch detailliert auf die wesentlichen Fallen ein, in die viele Investoren Tag für Tag tappen. Er geht außerdem auf mögliche Ansätze ein, um diesen Fallen zu begegnen.
Abschließend gibt das tolle Buch The Warren Buffett Way von Robert Hagstrom einen guten Überblick über das, was Warren Buffett zu den Wettbewerbsvorteilen zu sagen hat. Dem Thema Psychologie des Investierens und Behavioral Finance wird sogar ein ganzes Kapitel gewidmet. Wer sich für Buffett’s Investment Ansatz interessiert, dem kann ich das Buch sowieso empfehlen.
Zum Abschluss
Fallen euch noch weitere Wettbewerbsvorteile ein, die wir als DIY Investoren ggü. den Großen haben? Falls ja, dann kommentiert einfach unten bzw. schreibt mir einfach eine kurze Nachricht.
3 Kommentare zu „Die 3 Wettbewerbsvorteile der DIY Investoren“
Das ist definitiv einer der inspirierendsten Blog-Beiträge, den ich seit langem gelesen habe. Vielen Dank dafür!
Hallo,
Super Artikel und super Blog. Ich investiere selber das meiste meines Portfolios nach der Value Investing Strategie und deine genannten Punkte sind genau der Grund warum ich mich dazu entschieden habe.
Ich möchte aber noch etwas anmerken, das ist eigentlich kein Wettbewerbsvorteil, aber es war früher einer für Fondsmanager und der wurde praktisch komplett eleminiert. Daher sehe ich das als Vorteil für den #DIY. Dank des Internets kommen wir seit den letzten 20 Jahren so einfach an alle Informationen die wir brauchen, wie niemals zuvor.
Daher gibt es leider auch immer noch diese Mythen wie: “Lass das lieber einen Experten machen”, die wir meistens von unseren ältern oder Großeltern lernen.
Ich bin zwar nicht mehr so alt, dass ich das erlebt hätte, aber früher musste man sich Geschäftsberichte nach Hause schicken lasen man musste sich die Rohdaten selber aufbereiten. Wenns um Kapitalanlagen geht können wir sehr froh sein, dass wir in der heutigen Zeit leben, das war für mich ebenfalls ein Grund #DIY zu investieren
Klasse Artikel. Auch ich bin derzeit am Überlegen den Weg vom passiven ETF-Investieren hin zu einer aktiveren, selbstgesteuerten und fundierten Variante einzuschlagen.