“Creating Shareholder Value” von Alfred Rappaport ist ein Buch, welches ich ja bereits in meinem Jahresrückblick 2019 als sehr empfehlenswert hervorgehoben hatte. Hiermit möchte ich euch nun noch einen kurzen Review inklusive ein paar meiner Highlights aus dem Buch vorstellen.
Bevor ich allerdings tiefer in die Details einsteige, möchte ich anmerken, dass sich das Buch zwar auch an Investoren richtet, in erster Linie jedoch als Guide für Manager geschrieben wurde… vielleicht ist es deshalb in der Investoren-Community auch etwas weniger präsent.
Wie dem auch sei. Ich habe bisher kein Buch gelesen, welches die Grundlagen der Wertgenerierung und auch die Zusammenhänge zum Unternehmenswert so klar und mit guten und einfachen Beispielen hinterlegt darstellt.
Auch wenn von ihm nicht explizit so benannt, geht Rappaport beispielsweise an verschiedenen Stellen auch auf das Konzept der Owner Earnings ein.
Wesentliche Thesen aus dem Buch
Hier einmal ein paar der wesentlichen Thesen bzw. Take Aways aus dem Buch (nur eine kleine Auswahl):
- Die Interessen von Eigentümern (Prinzipalen) und Managern (Agenten) sind in der Regel nicht per sé aufeinander abgestimmt, wobei Manager oft eine kurzfristige und am Kapitalmarkt orientierte Sichtweise einnehmen
- Für eine Ausrichtung an der langfristigen Entwicklung und Wertgenerierung braucht das Management Anreize. Diese können in einem substantiellen Anteil am Eigenkapital oder einer Vergütung entsprechend der Wertgenerierung bestehen
- Aus verschiedenen Gründen ist der in der GuV ausgewiesene Gewinn keine besonders zuverlässige Kennzahl
- Shareholder Value und Gewinnwachstum sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe, weil ein Gewinnwachstum in den meisten Fällen auch “Investitionen”, z.B. in Produktionsanlagen, Forschung, Marketing etc., erfordert, die erst gegengerechnet werden müssen
- Eine hohe Gewinnmarge im Vergleich zum Wettbewerb betrachtet (oder unter Umständen auch im Vergleich zu anderen Branchen), ist nicht notwendigerweise ein Indikator für ein attraktives Geschäftsmodell
- Es kann hilfreich sein, den im Marktpreis reflektierten Return auf das investierte Kapital zu ermitteln. Dies kann dabei helfen, die im Kurs berücksichtigten Erwartungen an Gewinnwachstum und Kapitalrendite mit der ökonomischen Realität abzugleichen
- Es gibt schlussendlich nur eine handvoll verschiedener Werttreiber (Value Drivers), die wir in Bezug auf unsere Unternehmensbewertung betrachten müssen
- Verschiedene Unternehmensstrategien sollten in Bezug auf ihre Auswirkungen auf die individuellen Werthebel betrachtet werden
Im Folgenden möchte ich nun einmal kurz auf die für mich wesentlichsten inhaltlichen Themen eingehen… teilweise habe ich diese in einzelnen Beiträgen auf DIY Investor sogar bereits aufgegriffen.
Probleme mit dem in der GuV ausgewiesenen Gewinn
Der in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesene Nettogewinn, die so genannte “Bottom Line”, ist erstens keine besonders zuverlässige Kennzahl und zweitens auch kein guter Indikator, wenn es um das Thema Wertgenerierung geht.
Aus der Sicht von Rappaport gibt es in Bezug auf Nettogewinn und Shareholder Value im Wesentlichen drei Problemfelder:
- Freiheitsgrade bzgl. der Berücksichtigung von Geschäftsvorfällen und der zeitgenauen Zuordnung von Umsätzen und Aufwendungen (z.B. FIFO versus LIFO, Abschreibungsdauern etc.)
- Nichtberücksichtigung der realen Investitionsbedarfe (z.B. Abschreibungen versus tatsächliche Erhaltungsinvestitionen)
- Kein Möglichkeit der Berücksichtigung von zukünftigen Effekten aus einbehaltenen Gewinnen versus der Auszahlung einer Dividende… ersteres erlaubt ggf. zukünftiges profitables Wachstum, letzteres nicht
Im Grunde genommen will Rappaport hier bereits auf die höhere Relevanz einer Cash Flow- bzw. Owner Earnings-Betrachtung im Vergleich zum Gewinn laut GuV hinaus. Die Zusammenhänge sind im Buch wie ich finde sehr schlüssig erklärt.
Was ist eigentlich Shareholder Value?
Shareholder Value ist ein Begriff, den zwar jeder kennt, den aber nur die Wenigsten genau erklären können. Heutzutage gebräuchlicher und jedenfalls bzgl. der Berechnungsmethodik weiter verbreitet ist das Konzept des Economic Value Added (EVA), entwickelt durch die Boutique-Beratung Stern Stewart.
Konzeptionell sind Shareholder Value, EVA und auch das in den 1950er Jahren von GE entwickelte “Residual Income” im Grunde genommen identisch, wobei allerdings die Erläuterungen des EVA in der Regel sehr technisch ausfallen.
Ich finde Rappaport findet hier einen sehr guten Ansatz für die Erläuterung des Konzepts und vertieft an den verschiedensten Stellen im Buch mit den entsprechenden Beispielen. Dies ist auch einer der wesentlichen Gründe, warum ich dieses Buch jedem angehenden Investor sehr ans Herz legen würde.
Jedes Wachstum ist immer im Kontext der zu seiner Erreichung erforderlichen Ressourcen (Investitionen, Marketingausgaben etc.) zu sehen. Aus diesem Grund ist die Kapitalrendite im Vergleich zu den Kapitalkosten ein wesentlicher Indikator für die Generierung von Shareholder Value.
Erwirtschaftet ein Unternehmen mit seinen Wachstumsprojekten genau seine Kapitalkosten, dann bleibt der Unternehmenswert im Wesentlichen unverändert. Das bedeutet im Umkehrschluss allerdings nicht, dass das Unternehmen in einem solchen Fall kein Gewinnwachstum ausweisen wird.
Eher im Gegenteil. Gefährlich sind diejenigen Situationen, in denen Umsatz und Gewinn eines Unternehmens stark wachsen und der Investor übersieht, mit welchen immensen Ressourcen bzw. Investitionsmitteln dieses Wachstum erkauft wird.
Mehr zum Thema Shareholder Value (und auch zur Beantwortung der Frage, was das genau ist) könnt ihr im DIY Investor Artikel Was ist Shareholder Value? Ein simples Beispiel nachlesen.
Das Konzept der Threshold Margin
Wenn wir die Gleichung für die Kapitalrendite (ROIC = NOPAT / Investiertes Kapital) etwas umstellen und den NOPAT durch ein paar andere Gleichungen ersetzen, dann können wir daraus die so genannte “Threshold Margin” ermitteln.
Die Theshold Margin repräsentiert genau die operative Gewinnmarge, die erforderlich ist, um einen positiven Wertbeitrag zu generieren, d.h. um sicherzustellen, dass die Kapitalrendite oberhalb der Kapitalkosten liegt. Kennen wir eine Branche gut, dann reicht ggf. also bereits ein Blick auf die EBIT-Marge, um zu verstehen, ob ein Geschäft Wert generierend arbeitet oder nicht.
Für weitere Details schaut euch am besten einmal meinen Artikel zum Thema Threshold Margin (inkl. eines kleinen Beispiels) an.
Im Aktienkurs reflektierte Rate of Return
Für das Management, aber auch für einen Investor kann es hilfreich sein, die Markterwartungen an die zukünftigen Returns eines Unternehmens (wie durch den Aktienkurs reflektiert) besser zu verstehen.
Rappaport erklärt anhand eines relativ einfachen Beispiels, wie ein solcher “erwarteter Return” auf das investierte Kapital abgeleitet werden kann. Hierbei spielt sowohl der so genannte “Baseline Value” (meint im Grunde genommen nichts anderes als die Owner Earnings), als auch der Value Add über die Zeit eine Rolle.
Wie hoch die Returnerwartungen des Marktes ausfallen, lässt sich vor allem daran ablesen, nach wie vielen Jahren der Shareholder Value die aktuelle Marktkapitalisierung erreicht.
Fazit
Creating Shareholder Value ist als Buch speziell auch für Einsteiger geeignet, die sich mit dem Thema Wertgenerierung und Shareholder Value befassen möchten. Mit dem in diesem Buch vermittelten Grundwissen kann, jedenfalls aus meiner Sicht, auch das Thema Unternehmensbewertung (sei es mit der DCF-Methode oder mit anderen Ansätzen) vor einem ganz anderen Hintergrund angegangen werden.
Ich für meinen Teil habe aus dem Buch sehr viele Impulse für die Verbesserung meines Bewertungsansatzes erhalten… falls ihr das Buch ebenfalls bereits gelesen habt, bin ich auf eure Eindrücke und euer Feedback gespannt (ihr habt unten die Möglichkeit, einen Kommentar zu hinterlassen 🙂 ).
Ãœber den Autor
Alfred Rappaport, geboren 1932, ist Porfessor Emeritus an der J.L. Kellogg Graduate School of Management. Gleichzeitig war Rappaport Mitgründer der Alcar Group (heute Teil von L.E.K. Consulting), einer spezialisierten Strategie- und Management-Beratung.
Im Rahmen seiner Arbeit hat er das so genannte “Shareholder Scoreboard” entwickelt, welches damals jährlich im Wall Street Journal veröffentlicht wurde (etwas aktuelleres als die verlinkte Beschreibung aus 2003 konnte ich nicht finden).
Weitere von Rappaport herausgebrachte Bücher sind Saving Capitalism from Short-Termism: How to Build Long-Term Value and Take Back Our Financial Future sowie Expectations Investing: Reading Stock Prices for better Returns (zusammen mit Michael Mauboussin).
Rappaport schreibt außerdem regelmäßig Kolumnen und Artikel, u.a. für das Wall Street Journal, die New York Times und Business Week. Bekannt ist hier vor allem Ten Ways to Create Shareholder Value, ein Artikel, der 2006 im Harvard Business Review erschien.
Weitere Ressourcen
Es gibt verschiedene Podcasts, in denen Rappaport’s Co-Autor bei einigen Büchern, Michael Mauboussin, auf das Werk von Rappaport und auch das Konzept des Shareholder Value eingeht. Hört euch z.B. einmal die folgenden zwei Episoden des Invest Like The Best Podcasts an: